Rechtsschutz gegen die behördliche Entscheidung 12. Januar 2015 RA'in Pauline Endres de Oliveira und RA'in Simone Rapp, Berlin Überblick I. Grundlagen: Behördenentscheidung, Urteil, Instanzenzug II. Die Klage nach § 74 AsylG III. Der Eilantrag nach §80 Abs. 5 VwGO IV. Fristen V. Hinweise zum Rechtsschutz bei Dublin-‐ und Drittstaatenbescheiden I. Grundlagen Entscheidung über den Asylantrag Negativ (formell und inhaltlich) Positiv (kummulativ möglich) Formelle Ablehnung als… 1. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 ff. AsylG 2. Anerkennung nach Art. 16a GG 3. Zuerkennung von subsidiärem Schutz • Unzulässig, § 27a AsylG • Unbeachtlich, § 29 AsylG Inhaltliche Ablehnung als… • Einfach unbegründet • Offensichtlich unbegründet 4. Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten, § 60 Abs. 5 – 7 AufenthG Bescheid (BAMF) 1. Ablehnung des Asylantrags Rechtschutz (beim Verwaltungsgericht)* Klage (Gericht entscheidet durch Urteil) 2. Abschiebungsandrohung Ø Ggf. auch Abschiebungsanordnung = sofort vollziehbar! Ggf. Eilrechts-‐ schutz (Gericht entscheidet durch Beschluss) *Achtung: im Asylrecht gibt es kein Widerspruchsverfahren! Es wird direkt Klage beim Gericht erhoben! Beispiel: Bescheid nach inhaltlicher Antragsprüfung -‐ “einfach unbegründete” Ablehnung (Auszug) Beispiel: Rechtsbehelfsbelehrung bei “einfach unbegründeter” Ablehnung. (letzte Seite des Bescheides) Beispiel: “Dublin-‐Bescheid” (Auszug) 8 Beispiel: Rechtsbehelfsbelehrung “Dublin-‐Bescheid” (letzte Seite des Bescheides) Einschaltung eines Rechtsanwalts / einer Rechtsanwältin ? • vor dem VG besteht kein Anwaltszwang, § 67 VwGO • Aber: Rechtsberatung ist sehr wichtig! • Im Dublin-‐Verfahren ist wegen der kurzen Fristen und strittigen Rechtsfragen zur Einschaltung eines/r Rechtsanwaltes/Rechtsanwältin zu raten • Finanzierung ? à sinnvoll: Beratungshilfeschein à im Gerichtsverfahren: Antrag auf Prozesskostenhilfe (aber: nur bei Bedürftigkeit + Erfolgsaussichten) Wie wird Rechtsschutz erhoben? • Rechtsbehelfsbelehrung der Entscheidung beachten: Ø Klage bei welchem Gericht und bis wann? Ø Hat die Klage aufschiebende Wirkung, oder ist ein Eilantrag erforderlich? • Klageerhebung Ø Schriftlich (Fax genügt – Vorteil: Sendebericht + schnelle Übermittlung), Ø Mit konkretem Antrag (einschl. genauer Bezeichnung des angegriffenen Bescheides), und Ø Unterschrift! • Auch möglich: Klage/Eilantrag bei Geschäftsstelle des Gerichts zu Protokoll geben • Fristgemäß („gelber Umschlag“ ist wichtig für Tag der Zustellung!) Das Urteil* Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts bei Asylklagen*: • • • • Verpflichtung des BAMF zu (teilweise) positiver Entscheidung Einfach unbegründete Ablehnung O/U-‐Ablehnung Offensichtlich unzulässig *Die gerichtliche Entscheidung über einen Antrag im Eilverfahren ergeht als Beschluss (= Anordnung der aufschiebenden Wirkung (+) / (-‐) Gerichtlicher Instanzenzug 1. Instanz: Verwaltungsgericht 2. Instanz: Oberverwaltungsgericht 3. Instanz: Bundesverwaltungsgericht •Kein Anwaltszwang • Anwaltszwang • Berufung (§ 124 V wGO, im Asylrecht lex specialis: § 78 AsylG) = 2. Tatsacheninstanz • 2-‐stufiges Verfahren: a) Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 78 III AsylG) b) Berufungseinlegung • Revision (123 V wGO) = Überprüfung nur in rechtlicher Hinsicht auch hier: Zulassungserfordernis Außerordentliche Rechtsbehelfe (bei Rechtswegerschöpfung): Ø Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 13 Nr. 8a, §90 BVerfGG à Eilantrag: § 32 BVerfGG) Ø Individualbeschwerde beim Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (Art. 34 EMRK + Verfahrensordnung EGMR à Eilantrag: „Rule 39“ der Verfahrensordnung) II. Die Klage nach § 74 AsylG Die Klage, § 74 AsylG Entscheidend ist das individuelle Begehren: 1. Der/die Kläger/in begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter durch das BAMF (nicht das Gericht!). 2. Hilfsweise will er/sie wenigstens subsidiären Schutz durch das BAMF zuerkannt haben. 3. Wenn alle Stricke reißen, will er/sie zumindest (ggf. weiter hilfsweise) durch das BAMF festgestellt wissen, dass bei ihm/ihr ein Abschiebungsverbot vorliegt. 4. Und er/sie begehrt in Abschiebungsandrohung. DEU zu bleiben, also die Aufhebung Ø Alle Anträge werden in einer Klageschrift zusammengefasst! Ø Beklagte ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BAMF der Die Klagebegründung • Frist: 1 Monat, § 74 Abs. 2 AsylG • Wichtig: Vorbringen sämtlicher Tatsachen und Beweismittel: z.B. Verfolgungsgeschichte, Berichte von NGOs, Lageberichte des Auswärtigen Amtes, Urkunden, Fotos, ... • „so früh wie möglich, so viel wie möglich“ • Sonst möglich: Zurückweisung als verspätet bzw. Einstufung als „gesteigertes Vorbringen“ • Achtung: erfolgte zusammen mit der Klage auch ein Eilantrag, ist dieser sofort zu begründen! In der Klagebegründung kann dann darauf Bezug genommen werden. III. Der Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO Zweck eines Eilantrags • Grundsätzlich hat eine Anfechtungsklage „aufschiebende Wirkung“ (§ 80 Abs. 1 VwGO) = solange Klageverfahren läuft, kann nicht abgeschoben werden • Im Asylverfahren gelten allerdings Besonderheiten (§ 75 AsylG) : je nach Entscheidung hat die Klage keine aufschiebende Wirkung à typische Fälle: Dublin (= Ablehnung als„unzulässig“) und sicheren HKS (= Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“) • • Hat eine Klage keine „aufschiebende Wirkung“ ist diese durch einstweiligen Rechtsschutz sicherzustellen = Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung! Der Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO = Antrag auf „Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage“ • Frist: 1 Woche nach Bekanntgabe (§ 36 Abs. 3 / § 34a Abs. 2 AsylG) • Innerhalb der gleichen Frist sollte unbedingt eine Begründung erfolgen • Der Eilantrag ist begründet, wenn bei summarischer Prüfung das private Aussetzungsinteresse gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse überwiegt – dies richtet sich nach den Erfolgsaussichten der Hauptsache (= Klage) Wie wird Eilrechtsschutz beantragt? Klage + Eilrechtsschutz : „Hiermit wird Klage erhoben und beantragt: ... (siehe Übersicht Klageanträge) Ferner wird beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.“ Rechtsfolgen im Eilverfahren • Während des Eilverfahrens darf nicht abgeschoben/überstellt werden! • Achtung: Bei Ablehnung ist Abschiebung sofort möglich! • Entscheidung ist nicht anfechtbar! ØAber: wenn sich die Umstände ändern, ist noch ein Antrag auf Abänderung nach§ 80 Abs. 7 VwGO möglich ! IV. Fristen Fristen Voraussetzung für den Beginn einer Frist: • Zustellung • Rechtsbehelfsbelehrung, § 58 VwGO Berechnung der Frist • Wochenfrist: Montag zugestellt = Montag Fristablauf • Monatsfrist: am 28.02. zugestellt = am 28.03. Fristablauf • Besonderheiten: Fristende fällt auf Samstag, Sonn-‐ oder Feiertag = Frist verlängert sich bis zum folgenden Werktag! Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO ) ØMöglich bei unverschuldetem Fristversäumnis (z.B. bei Krankenhausaufenthalt) ØVoraussetzungen: 1. Antragstellung bei dem zuständigen Gericht binnen 2 Wochen nach Wegfall des Säumnisgrundes 2. Klageerhebung bzw. Antrag nach § 80 V VwGO binnen 2 Wochen nach Wegfall des Säumnisgrundes 3. Glaubhaftmachung des Säumnisgrundes und der Einhaltung der 2-‐Wochen-‐Frist Überblick über wichtige Fristen Ablehnung als unbeachtlich Ablehnung als unzulässig Ablehnung als offensichtlich unbegründet Ablehnung als einfach unbegründet Klage: 1 Woche Klage: 2 Wochen bzw. bei Abschiebungsanordnung eine Woche (neu!) Klage: 1 Woche Klage: 2 Wochen Ø Klage hat keine aufschiebende Wirkung! Ø Klage hat bei Abschiebungsanordnung keine aufschiebende Wirkung! Eilantrag: 1 Woche Eilantrag: 1 Woche Ø Klage hat keine aufschiebende Wirkung! Eilantrag: 1 Woche Ø Klage hat aufschiebende Wirkung! Eilantrag nicht erforderlich. V. Hinweise zum Rechtsschutz bei Dublin-‐ und Drittstaatenbescheiden Rechtsschutz im Dublin-‐Verfahren Antrag „unzulässig“ + Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG + neu: Befristungsentscheidung nach§ 11 Abs. 2 AufenthG Anfechtungsklage innerhalb von einer Woche (neu! geänderter § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG) nach Zustellung des Bescheides bei zuständigem Verwaltungsgericht (Zustellung an den Antragsteller erforderlich, § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG, aber Problem Heilung von Zustellungsmängeln) Achtung: Klage hat keine aufschiebende Wirkung! Bescheid ist vollziehbar, die Überstellung kann erfolgen und die Befristungsentscheidung entfaltet Wirkung! Aber: Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Woche möglich, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG (bzgl. Abschiebungsanordnung) bzw. § 34a Abs. 2 Satz 3 AsylG (bzgl. Befristungsentscheidung) Beispiel (Wiederholung): “Dublin-‐Bescheid” (Auszug) 28 Beispiel (Wiederholung): Rechtsbehelfsbelehrung “Dublin-‐Bescheid” (letzte Seite des Bescheides) Beispiel-‐Antrag: Hiermit erhebe ich Klage, begehre einstweiligen Rechtsschutz und beantrage, 1. den Bescheid der Beklagten vom … mit dem Geschäftszeichen …, zugestellt am …, aufzuheben/hinsichtlich seiner Ziffern … aufzuheben; 2. die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen/hinsichtlich der Abschiebungsanordnung anzuordnen… . (Hinweis: ggf. Befristungsentscheidung „ausklammern“, ggf. kein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen) (Falls die Falls Befristungsentscheidung angegriffen werden soll, ggf. folgende Hilfsanträge: Hilfsweise für den Fall, dass der unter Ziffer 1 gestellt Antrag hinsichtlich der Befristungsentscheidung keinen Erfolg haben sollte, wird beantragt, 3. die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom ... zu verpflichten, das gesetzliche Einreise-‐ und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf ... Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen. Höchst hilfsweise für den Fall, dass der unter Ziffer 3 gestellte Antrag keinen Erfolg haben sollte, wird beantragt, 4. die Beklagte unter Aufhebung der Befristungsentscheidung zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Befristung nach § 11 Abs. 2 AufenthG zu entscheiden. Erfolgsaussichten hinsichtlich einzelner Länder Griechenland: derzeit keine Dublin-‐Bescheide Ungarn: hohe Erfolgsaussichten für § 80 V-‐Anträge, Erfolg Klageverfahren oft ungewiss Malta und Bulgarien: Erfolgsaussichten bei besonderer Schutzbedürftigkeit (z.B. kleine Kinder, schwere Erkrankungen, Achtung: Glaubhaftmachung!) Italien: i.d.R. eher schlechte Erfolgsaussichten, anders aber bei besonderer Schutzbedürftigkeit (insbesondere bei Familien mit Kleinkindern) Polen: i.d.R. schlechte Erfolgsaussichten Spanien: ggf. Erfolgsaussichten bei Erkrankung, aber eher schwierig Problem: Wirkung des Rechtsschutz auf den Lauf der Überstellungsfrist • Vor einer gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren ist eine Überstellung nicht zulässig, § 34a AsylG • Achtung: Nach BAMF und vielen Verwaltungsgerichten beginnt die 6-‐monatige Überstellungsfrist nach einer negativen Entscheidung über den Eilantrag erneut von Anfang an zu laufen (strittig! Nach anderer Ansicht wird die Überstellungsfrist während des Eilverfahrens gehemmt. Dagegen 6. Kammer des VG Potsdam: Eilrechtsschutzverfahren ohne Einfluss auf Überstellungsfrist, aber Problem Rechtsschutz nach Fristablauf) • Bei positiver Entscheidung über den Eilantrag, aber negativer Entscheidung über die Klage beginnt die Frist auch erneut (so Art. 29 Abs. 1 Dublin-‐III-‐VO und überwiegende Rspr.) Problem subjektives Recht Umstritten ist, ob Asylantragsteller sich auf die Vorschriften der Dublin-‐ Verordnung berufen können • Jedenfalls bei Zustimmung des ersuchten Mitgliedsstaats kein subjektives Recht bei Ablauf der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens nach der Dublin-‐II-‐ Verordnung (BVerwG, Urteil vom 27.10.2015 – 1 C 32.14) • Aber: Jedenfalls auf Minderjährigenschutz kann sich Antragsteller berufen (BVerwG, Urteil vom 16.11.2015 – 1 C 4.15) • Ob Berufung auf Ablauf der Überstellungsfrist möglich ist, ist derzeit unter den Verwaltungsgerichten sehr umstritten. Exkurs sog. Drittstaatenbescheid Abgrenzung sog. Drittstaatenbescheid zum Dublin-‐Bescheid • Ablehnung ebenfalls als „unzulässig“ (zur Unterscheidung: siehe Bescheidbegründung), aber: • in anderem Mitgliedsstaat bereits Flüchtlingsanerkennung oder subsidiärer Schutz • derzeit meist mit Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG (und nicht Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG) • bei Abschiebungsandrohung: Klagefrist von 2 Wochen und Klage hat aufschiebende Wirkung (Problem: teilweise falsche Rechtsbehelfsbelehrungen) • mit Klage jedenfalls Zeitgewinn möglich (wichtig im Hinblick auf Fristen in Rückübernahmeabkommen), teilweise auch Erfolgsaussichten (z.B. hinsichtlich einiger Mitgliedsstaaten; ggf. bei nur subsidiärem Schutz in Mitgliedsstaat und Behandlung als Zweitantrag) Beispiel: “Drittstaaten-‐Bescheid” (Auszug) 36 Beispiel: FALSCHE Rechtsbehelfsbelehrung “Drittstaaten-‐Bescheid” (letzte Seite des Bescheides) Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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