Sorgen um China lassen Märkte einbrechen

apoBank Finanzmarktkommentar
Analysten: Dr. Björn Ohl, Peter Wirth Finanzanalyst CEFA, CCrA; 24. August 2015
Sorgen um China lassen Märkte einbrechen
Ungewissheit über Chinas Wachstumsrückgang belastet die Weltwirtschaft
Aktienmarktturbulenzen in Schanghai und Shenzen
DAX deutlich unter 10.000 Punkten
Losgelöst von den realwirtschaftlichen Rahmenbedingungen baute sich in den vergangenen zwölf Monaten
an Chinas inländischen Aktienmärkten eine Spekulationsblase auf, welche im Juni zu platzen begann. Jedoch sind es die nachlassende Wachstumsdynamik Chinas und die Vielzahl der bislang ungelösten Strukturprobleme, welche nachhaltige Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben können und welche weithin
bekannte Risikofaktoren darstellen. Wir bleiben bei unserer neutralen Position in der Anlageklasse Aktien,
solange wie wir keine nachhaltige Beeinträchtigung für die Weltwirtschaft sehen. Vor einem Einstieg sollte
zunächst eine Marktberuhigung abgewartet werden. Niedrige Zinsen und weiterhin expansive Geldpolitik
sprechen für Aktien.
China hält die Finanzmarktwelt in Atem
Seit Juni beherrscht kaum ein anderes Thema die internationalen Finanzmärkte so stark wie China. Zunächst erreichten die
inländischen Aktienmärkte in Schanghai und Shenzen am 12. Juni spektakuläre Höchststände und konnten mit einem Plus
von jeweils 54 % und 119 % seit Jahresbeginn weltweit die beste Performance vorweisen. Nicht minder dynamisch verlief in
den darauffolgenden Wochen das Platzen der zuvor aufgebauten Aktienmarktblase. Bezogen auf die markierten Höchststände im Juni beliefen sich die Rückgänge auf jeweils rund 40 %. Neben den Turbulenzen am chinesischen Aktienmarkt
verfolgten Finanzmarktakteure ebenso gespannt die drastischen Maßnahmen der politisch Verantwortlichen in Peking.
Insbesondere die von der chinesischen Zentralbank über mehrere Tage vollzogene schrittweise Abwertung des Yuan gegenüber dem US-Dollar kam für viele Marktbeobachter überraschend und bewirkte massiven Verkaufsdruck an den weltweiten
Aktienmärkten.
Die inländischen Aktienmärkte gleichen Casinos in Macau
Der Anstieg der Aktienindizes in Schanghai und Shenzen seit knapp einem Jahr war nicht nur aufgrund seiner Rasanz bemerkenswert. Gleichsam überraschend entwickelte sich die Hausse gerade zu einer Zeit, in der Chinas Volkswirtschaft in
eine Phase des niedrigeren Wirtschaftswachstums eintrat und somit von realwirtschaftlicher Seite die entscheidenden Impulse für eine nachhaltige Hausse am Aktienmarkt ausfielen. Diese für China nicht einmalige Entkoppelung („decoupling“)
der Entwicklung des Aktienmarktes von den realwirtschaftlichen Fundamentaldaten lässt sich jedoch als liquiditätsgestütztes und in erster Linie von Kleinanlegern getragenes Phänomen erklären. Die Tatsachen, dass der chinesische Aktienmarktboom losgelöst von der realwirtschaftlichen Entwicklung stattfand und gleichzeitig die erzielten Wachstumsraten ungeachtet steigender Aktienkurse schwach ausfielen, liefern ein starkes Argument dafür, dass die derzeitige heftige Korrektur am
chinesischen Aktienmarkt lediglich geringe Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum im Reich der Mitte haben wird.
Nach vorherrschender Einschätzung könnte ein negativer Vermögenseffekt durch sinkende Aktienkurse das jährliche
Wachstum in China um bis zu 0,2 % schmälern. Auch andere Faktoren sprechen gegen ernstzunehmende Auswirkungen der
rückläufigen Aktienmärkte auf die chinesische Realwirtschaft. Im Durchschnitt investieren chinesische Privathaushalte nur
einen relativ geringen Anteil ihres Finanzvermögens in Aktien, und dies bei gleichzeitig hoher Sparquote. Weiterhin sind
Chinas Aktienmärkte bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt noch relativ klein und die Ansteckungsgefahr somit gering.
China steht vor realen Herausforderungen
Auch wenn primär die hohen Tagesverluste und exorbitante Volatilität an den chinesischen Aktienmärkten für gesteigerte
internationale Aufmerksamkeit sorgen, so sind es doch vorwiegend realwirtschaftliche Herausforderungen, die den Kern der
Die hier getroffenen Aussagen beruhen auf Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen,
die wir für zuverlässig halten, aber nicht überprüft haben. Die Haftung für Richtigkeit und Vollständigkeit
der gemachten Angaben ist auf grobes Verschulden begrenzt. Nachdruck nur mit Genehmigung.
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China-Problematik ausmachen. An vorderster Stelle steht hier das von der Politik angepeilte Ziel, China reibungslos aus
einer jahrzehntelangen Historie des zweistelligen Wirtschaftswachstums in ein sogenanntes „new normal“-Zeitalter mit
moderateren Wachstumsraten zu überführen. Zudem soll die Struktur der zweitgrößten Volkswirtschaft grundlegend reformiert werden. So soll der Dienstleistungssektor zu Lasten der Produktion erheblich an Bedeutung gewinnen. Ebenso soll
der private Konsum in den Vordergrund, jedoch Investitionen, insbesondere im Immobiliensektor, in den Hintergrund rücken. Von enormer Bedeutung sind weiterhin eine umfassende Sanierung des Schattenbankensystems, die Entschuldung
der staatlichen Unternehmen und deren Effizienzsteigerung sowie die Bewältigung einer massiven landesweiten Immobilienblase.
China und der Rest der Welt
Die Relevanz Chinas für den weiteren Verlauf der Weltwirtschaft lässt sich vorrangig mit seiner Bedeutung als Exportmarkt
erklären, denn es stellt für viele exportorientierten Volkswirtschaften, wie auch bspw. Deutschland, einen wichtigen Absatzmarkt dar. Eine deutliche Abkühlung des Wachstums in China würde somit zu geringerer Exportnachfrage führen und
unmittelbar das Wachstum zahlreicher Volkswirtschaften belasten. Eine viel beachtete aktuelle Studie der OECD legt Berechnungen dar, wonach ein um 2 % geringeres Wachstum der chinesischen Binnenwirtschaft das weltweite Wirtschaftswachstum in 2016 um 0,5 % reduzieren würde. Unter den entwickelten Volkswirtschaften wäre Japan mit einem Rückgang
des Wachstums um 0,6 % am stärksten betroffen.
Aktienindizes gehen in den Sinkflug
Der Dax-Index und der Eurostoxx 50 setzten ihre Mitte August begonnenen Rückgänge am Freitag und heute mit deutlichen
Verlusten fort (siehe Grafik unten). Die Gründe sind kaum in den Fundamentaldaten im Euroraum zu finden. So verlief die
Berichtssaison für das 2. Quartal 2015 positiv, und der Index der Unternehmensstimmung verbesserte sich leicht auf 54,1
Punkte. Dieser liegt deutlich oberhalb der Expansionsschwelle von 50. Der Grund für die Kursverluste ist vielmehr in den
wachsenden Sorgen über den weiteren Verlauf der
chinesischen Volkswirtschaft zu sehen.
Marktverlauf seit Monatsbeginn
Kurzfristig erscheinen die Kursverluste übertrieben und der Markt überverkauft. Chart-Techniker
sehen für den DAX-Index Widerstände bei 9.380
und 9.220 Punkten. Wir bleiben bei unserer neutralen Position in der Anlageklasse Aktien. Vor
einem Einstieg sollte zunächst eine Marktberuhigung abgewartet werden. Niedrige Zinsen und
weiterhin expansive Geldpolitik sprechen für Aktien.
Der Euro konnte gegenüber dem US-Dollar bis auf
einen Wechselkurs von 1,16 zulegen, da eine
baldige Leitzinserhöhung durch die Fed angesichts
der aktuellen Turbulenzen immer unwahrscheinlicher wird. Die Rendite 10 jähriger Bundesanleihen
bleibt stabil bei 0,56 %.
13.000
12.000
4.000
Euro STOXX 50 (rechte Skala)
3.600
11.000 DAX 30
3.200
10.000
Widerstand 9.380
9.000 Widerstand 9.220
8.000
31.07.15
2.800
2.400
24.08.15
Quelle: Datastream
Die hier getroffenen Aussagen beruhen auf Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen,
die wir für zuverlässig halten, aber nicht überprüft haben. Die Haftung für Richtigkeit und Vollständigkeit
der gemachten Angaben ist auf grobes Verschulden begrenzt. Nachdruck nur mit Genehmigung.
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