Neil Dwane on… China - Allianz Global Investors

Neil Dwane on…
China
Standpunkt des Global
Strategist
Januar 2016
Das Jahr der Ziege geht mit einem Paukenschlag zu Ende!
Wird das Jahr des Affen weniger turbulent?
Gleich in der ersten vollen Arbeitswoche des neuen Jahres
wurde der Aktienhandel an den chinesischen
Festlandsbörsen mithilfe eines neu eingeführten
Schutzmechanismus, dem sogenannten „Circuit Breaker“,
zwei Mal ausgesetzt und anschließend für den Rest des Tages
beendet, nachdem die Kursverluste die Schwelle von sieben
Prozent erreicht hatten. Inzwischen wurde diese
automatische „Notbremse“ jedoch wieder abgeschaltet. Als
mögliche Auslöser dieser Handelsabbrüche gelten a) die
moderate Abwertung des Renminbi in der zurückliegenden
Woche, die Erinnerungen an die im Sommer 2015 erfolgten
Abwertungen weckten, welche zu massiver Verunsicherung
chinesischer und ausländischer Investoren mit
entsprechenden Turbulenzen führten, b) die in der
vergangenen Woche veröffentlichten Daten zur chinesischen
Industrie-produktion, die schlechter als erwartet ausfielen
und belegen, dass Chinas wirtschaftliche Neuausrichtung zu
einem schwächeren Wachstum des aggregierten BIP führt
sowie c) die Angst vor einer Verkaufswelle mit Blick auf das
ursprünglich am 8. Januar auslaufende Aktienverkaufsverbot
für Großanleger, mit dem die chinesische Regierung auf die
Marktturbulenzen im vergangenen Sommer reagiert hatte.
Es dürfte jedoch interessanter sein, die Gründe für die
vorhandene Nervosität sowohl innerhalb als auch außerhalb
Chinas zu untersuchen.
Innerhalb Chinas
Es ist seit längerem bekannt, dass sich die
Wachstumsdynamik der chinesischen Wirtschaft
verlangsamt, zum einen, weil sie sich der Abschwächung der
Weltwirtschaft nicht entziehen kann, zum anderen, weil die
Exporte unter dem starken Renminbi leiden, nachdem sich
Japan und die EU durch Schwächung ihrer Währungen
Exportvorteile verschafft hatten. Hinzu kommen die Folgen
der anhaltenden und umfassenden, aber populären
Antikorruptionskampagne „Himmelsnetz“, die inzwischen
fast alle Investitions- und Planungsentscheidungen der
Zentralregierung bzw. der Lokalregierungen lähmt. Dies wirkt
sich auch immer stärker auf große staatliche Unternehmen
und Zulieferer des privaten Sektors aus, was dort für
weitverbreiteten Unmut sorgt.
Wir rechnen jedoch damit, dass der neue Fünfjahresplan
verabschiedet wird und im zweiten Quartal 2016 in Kraft
tritt, wodurch sich die Aussichten eines stärkeren zweiten
Halbjahres verbessern. Das Spektrum der Vorschläge für die
kommenden fünf Jahre umfasst u. a. die bereits weithin
bekannte Seidenstraßeninitiative „One Belt, One Road“ sowie
massive Investitionen in den Umweltschutz,
Effizienzsteigerungen in der Landwirtschaft und einen
Ausbau der Schieneninfrastruktur im Umfang von 500 Mrd.
USD.
Mittlerweile lebt 52 % der chinesischen Bevölkerung in
städtischen Gebieten, weshalb wir davon ausgehen, dass es
durch Reformen des „Hukou“-Systems der
Wohnsitzkontrolle zu einer deutlichen Ausweitung von
Aufenthaltsbewilligungen kommen wird, was auf längere
Sicht zu einer Stabilisierung der Immobilien- und
Konsummärkte beitragen dürfte. Wir rechnen ferner damit,
dass das Einkommensniveau der aufstrebenden
Mittelschicht (insgesamt 300 Millionen Menschen)
ansteigen wird, und dass dieses Einkommen in
höher-wertige Lebensmittel, Reisen und andere
Dienstleistungen fließt, wodurch die Neuausrichtung des
Landes von einer export- und produktionsgetriebenen
Ökonomie hin zu einer dienstleistungs- und
konsum-orientierten Wirtschaft vorangetrieben wird. Eine
starke Abwertung des Renminbi dürfte nach unserer
Einschätzung daher nicht im Interesse der chinesischen
Konsumenten sein, da sich dies negativ auf ihre Kaufkraft
auswirken würde.
Außerhalb Chinas
In den vergangenen fünf Jahren war China die
Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft, und an den
globalen Rohstoffmärkten konnten wir bereits ablesen, wie
sensibel die Welt auf (negative) Veränderungen der
chinesischen Nachfrage nach Erdöl, Eisenerz und anderen
Rohstoffen reagiert. Internationale Investoren, aber vor allem
lokale asiatische Anleger, sind sehr feinfühlig, wenn es um
den Puls der chinesischen Wirtschaft und um die
wirtschaftspolitische Sorgfalt der Zentralregierung in Peking
geht. Der längerfristigen wirtschaftlichen Erfolgsbilanz
Chinas steht jedoch die im vergangenen Jahr demonstrierte
Unfähigkeit beim Krisenmanagement der Aktienmärkte
gegenüber, die zu einem Vertrauensverlust in den
Finanzstatus Chinas gesorgt hat, insbesondere, da die
Wirtschaft inzwischen auf einem gewaltigen Schuldenberg
sitzt, wobei vor allem die klassischen Wirtschaftssektoren
hervorstechen. Die Sorgen vor einem Zusammenbruch des
Kreditmarktes haben daher zugenommen, mit allen damit
verbundenen Konsequenzen für die Bankensysteme
Singapurs und Hongkongs; genährt werden diese Sorgen
durch den von der chinesischen Zentralbank monatlich
aktualisierten Bestand der offiziellen Währungsreserven, aus
dem das Ausmaß des Devisenschwunds hervorgeht.
Die Lagerbestände haben sich asienweit stark erhöht, da
viele Volkswirtschaften und Branchen an ihrem
Produktionsvolumen festhalten und Marktanteile über
Preissenkungen zu erringen versuchen, was einen
ausgeprägten Preisverfall bei Handelsgütern nach sich zog.
Dies hat zur Verunsicherung der Investoren beigetragen, da
die Schulden der Region in den vergangenen fünf Jahren
deutlich zunahmen und diese oft in US-Dollar finanziert sind,
der sich wachsender Stärke erfreut, nachdem die USNotenbank Fed mit ihrer ersten – moderaten –
Leitzinserhöhung die Zinswende einleitete.
Der Renminbi wurde vom IWF unlängst in den Korb der
Sonderziehungsrechte aufgenommen; die Anerkennung als
IWF-Reservewährung verleiht der chinesischen Währung
weltweit einen enormen Vertrauensschub. Im Laufe der
nächsten Jahre dürften rund 500 Mrd. USD an
Zentralbankreserven in Renminbi umgeschichtet werden.
Mittelfristig gehen wir daher davon aus, dass die
Kapitalabflüsse aus China, die größtenteils auf Sorgen im
Zusammenhang mit der Antikorruptionskampagne
zurückgehen, von Kapitalzuflüssen durch Notenbanken und
Investoren des öffentlichen Sektors kompensiert werden
sollten.
Es dürfte klar sein, dass hinter den realen Ängsten globaler
Investoren bezüglich China nicht die weithin bekannte
Wachstumsabschwächung der dortigen Wirtschaft steht,
sondern vielmehr die Sorge vor einer starken Abwertung des
Renminbi analog zu jener des Yen 2013-14 oder des Euro
2014, die beide um mehr als 30 % an Wert verloren. Ein
derart hoher Wertverlust der Währung des weltgrößten
Exportlandes würde einen Preissturz bei Handelsgütern
auslösen, der zu einer weltweiten Inflation von minus 5 %
oder mehr führen und sämtliche quantitativen
Lockerungsmaßnahmen der Notenbanken mit einem Schlag
hinfällig machen würde.
Wir halten dieses Katastrophenszenario für übertrieben;
nach unserer Auffassung wird die chinesische Geldpolitik
dafür sorgen, dass der Renminbi „volatiler und weniger
vorhersehbar“ wird, als er es einst im Rahmen des
kontrollierten Floatings war, und dass stattdessen die
„Spiderman-Sinne“ des Marktes neu kalibriert werden
müssen!
Für alle Branchen und insbesondere für sämtliche
Volkswirtschaften Asiens, die in den vergangenen 25 Jahren
vom Ritt auf dem chinesischen Drachen profitiert haben, ist
die wirtschaftliche Neuausrichtung Chinas schon jetzt ein
zentrales Thema für 2016. So wie Europa im Rahmen der
Sparmaßnahmen der vergangenen 3-4 Jahre
Restrukturierungen vornehmen musste, so muss auch Asien
mit einer Ausweitung der Binnennachfrage und des
Dienstleistungssektors reagieren, um mit der
Neuausrichtung Chinas Schritt zu halten, wobei zu hoffen ist,
dass Indien unter Premierminister Modi bald Anschluss
findet. Nach der Volatilität des vergangenen Jahres
erscheinen chinesische Aktien in vielen Fällen attraktiv
bewertet und bieten gute Dividendenrenditen. Wie bereits in
unserem Global Outlook 2016 formuliert, rechnen wir für
2016 im Zuge der global divergierenden Notenbankpolitik
mit einer höheren Volatilität aller Assetklassen. Negative
Handelstage wie zuletzt könnten daher als Einstiegschance
betrachtet werden – entsprechende Sorgfalt bei Research,
Analysen und Risikomanagement vorausgesetzt.
- Neil Dwane
Neil Dwane | Global Strategist
Neil Dwane ist Global Strategist bei Allianz Global Investors und Mitglied der Equity Investment Management
Group. Er koordiniert und leitet das AllianzGI Global Policy Committee, das die Leitlinien für die Anlagestrategien
bei Allianz Global Investors formuliert. Daneben leitet und begleitet er die Festlegung der Themenschwerpunkte
des halbjährlich stattfindenden Investment Forums. Neben seiner Funktion als Manager mehrerer europäischer
Aktienportfolios publiziert Neil Dwane regelmäßig Artikel zu Thought Leadership-Themen.
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