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Internationalisierung: Focus China
Dirk Müller
Fulda, Baden (CH) im September 2015
Der nachfolgende Beitrag steht am Beginn eines Projektes von I-Fen Sun Consulting
(Hamburg) und incorepro consulting, welches die Strategiekultur chinesischer
Unternehmen und die daraus abzuleitenden Implikationen näher betrachtet.
„Und wie Wasser keine unveränderliche Form kennt, gibt es im Krieg keine
unveränderlichen Bedingungen“. (Sunzi)
Strategiekultur chinesischer Unternehmen –
eine erste Annäherung mit Sunzi
Chinas Wirtschaft ist im Umbruch. Die Turbulenzen des Sommers 2015
an Chinas Börsen und die Meldungen über das sich abschwächende
Wachstum sind Ausdruck einer Operation bei „laufenden Motor“, in
dem der Wechsel von einem investitions- und exportgetriebenen
Wachstum auf eine Binnenkonsum und dienstleistungsorientiertere
Wirtschaft vollzogen werden muss. Sicherlich kann diese „Operation“ auch scheitern.
Wahrscheinlicher ist aber, dass China auch in Zukunft ein attraktiver Markt aber auch
nicht zu unterschätzenden Konkurrent am Weltmarkt bleiben wird.
51% der deutschen Wirtschaftsentscheider äußern sich sehr bzw. eher besorgt
angesichts der wachsenden Wirtschaftsmacht Chinas*. In der Tat werden die
chinesischen Unternehmen mit jedem Fortschritt der wirtschaftlichen Entwicklung
zukünftig in nahezu allen Marktsegmenten zu einer ernsthaften Konkurrenz für den
deutschen Mittelstand.
Dass sich viele mit der neuen Rolle Chinas im globalen Wettbewerb und im Bereich
der Unternehmenskooperationen noch schwertun, manifestiert sich häufig in einem
westlich-europäisch geprägten Chinabild, indem das asiatische Gegenüber in eher
dunklen Tönen gezeichnet wird. Chinesen sind darin unberechenbar, ausweichend,
aktionistisch usw.; also alles andere als faire Konkurrenten oder zuverlässige
Geschäftspartner, mit denen man eine stabile Zusammenarbeit aufbauen kann.
Obgleich vorurteilsbeladen und oftmals fehlinterpretiert, verbirgt sich in diesen
Chinabildern bei genauerer Beobachtung ein »Kern an Wahrheit«, der wertfrei
betrachtet auf ein anderes, uns fremdes - aber nicht notwendigerweise falsches
oder gar verwerfliches - Verhalten hindeutet.
* Huawei Studie 2014 Daraus ergeben sich sowohl für Unternehmenskooperationen, als auch auf der
Ebene des Wettbewerbes höchst interessante Fragestellungen.
•
Gehen Chinesen Ihre Unternehmensgeschäfte tatsächlich anders an?
•
Und wenn ja, steckt hinter diesem (chinesischen) Strategie-Ansatz, ein
erfolgreicheres Modell als das westlicher Prägung, um die Herausforderungen
eines zunehmend unsicheren, komplexen und widersprüchlicher werdenden
Marktes zu meistern?
Mit dem wirtschaftlichen Erfolg chinesischer Unternehmen rücken deren kulturellhistorischen Wurzeln wieder zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit. So gibt es
eine ganze Reihe von „Business-Ratgebern“, welche die Weisheiten aus dem alten
China für den „westlichen Manager“ besser versteh und nutzbar machen wollen, als
auch die universitären Management-Lehrbücher, die auf chinesische Strategietradition(en) verweisen. Im Mittelpunkt von beiden steht oftmals das Werk von Sunzi
über „Die Kunst des Krieges.“
Nun kann man grundsätzlich darüber streiten, ob ein 2400 Jahre alter Text über die
„Kriegskunst“ prinzipiell geeignet ist, als Vorlage für eine moderne Unternehmensstrategie zu dienen (Wettbewerb = Krieg!?), insbesondere dann, wenn man das Werk
Sunzis als reines „Kriegshandbuch“ versteht und nach Parallelen in der Geschäftswelt
sucht.
Zudem wird Sunzi leider allzu oft in den diversen Ratgebern, aber auch in der
„seriöseren“ Management-Literatur schlagwortartig und stereotyp auf die für den
Leser griffigen strategische Grundsätze wie »die Konzentration der militärischen
Kräfte«, »die Einheit des Kommandos«, »die Überraschung«, »die Einfachheit des
Vorgehens« reduziert und so als Vorläufer heutiger, generischer Strategie-Modelle
und deren Tools beschreiben.
Diese Simplifizierung von Sunzis Werk greift aber viel zu kurz!
Will man die chinesische Strategiekultur von Unternehmen und deren Ausprägung in
unserer Zeit besser verstehen, gilt es die „Strategieempfehlungen“ von Sunzi in einen
dreifachen und viel weiter gefassten Kontext zu stellen:
•
Jahrtausende alte Weltanschauungen und Philosophien des Yi Jing, Daoismus
und Konfuzianismus, die Veränderung als einen stetig fließenden Strom von
Ereignissen begreifen (nichts bleibt wie es ist, nur der Weg (Dao) bleibt), bilden
auch heute noch zu großen Teilen das kulturell-spirituelle Substrat der
chinesischen Geschäfts- und Managementausrichtung
•
Die bestimmenden Faktorkonditionen des heutigen China: die Größe des
(Binnen)-Marktes, die staatlichen Infrastruktur-Investitionen (auf Basis der
Fünfjahrespläne), ein (noch) relativ niedriges Lohnniveau, Hyper-Wettbewerb
und ein regulierter Markt
•
Die Freisetzung der unternehmerischen Energie durch die Öffnung Chinas
(Deng Xiaoping 1978). Die Geburtsstunde des modernen chinesischen Unternehmens, hinein in eine sich zunehmend globalisierende und unstetigere Welt
Im Zusammenspiel von historisch-philosophischem Erbe und den
Treibern der Moderne, eröffnet sich nun eine Erklärungsvariante
im Sinne Sunzis, die den Ausgangspunkt einer erfolgreichen
Strategieentwicklung nicht mehr primär an ein detailliert
definiertes zukünftiges Ziel bindet, sondern auf die aktuelle
Situation mit ihrem Potenzial ausrichtet, dass heißt, die günstigen
Faktoren des Jetzt ausmachen und von ihnen profitieren.
Sunzi steht nun nicht mehr für den frühen Vorläufer generischer
Strategieansätze, sondern wird vielmehr zu einem Protagonisten
eines modernen, eher dynamisch-systemisch orientierten
Strategiefindungsprozess chinesischer Prägung.
Hier schließt sich der Kreis. Sind chinesische Unternehmen wirklich unberechenbar,
ausweichend, aktionistisch bzw. positiver formuliert, extrem pragmatisch? Oder sind
diese Attribute vielmehr Ausdruck einer intelligenten Strategie, die eine - wenn auch
nicht beliebige - aber dennoch „unscharfe“ Vision formuliert. Eine „fuzzy-vision“, die
genügend Spielraum für Anpassungen lässt indem mehr Leichtigkeit, Flexibilität,
Agilität und Chancenorientierung zur Grundlage der Unternehmensausrichtung
gemacht werden.
Schon dieser relativ kurze Ausflug in die Grundlagen chinesischer Unternehmensstrategie zeigt deutlich auf, dass der Gang nach China als Marktteilnehmer
und/oder Kooperationspartner neben einer systematische Planung und Kontrolle vor
allen Dingen das Wissen über den fremden Markt, die (Unternehmens-) Kultur und die
Menschen erfordert. Problemstellungen sollten hier immer sowohl aus „westlicher“ als
auch „östlicher“ Sichtweise betrachtet werden.
Über den Autor
Dirk Müller ist MBA (Schwerpunkt International Business/Marketing APAC Region USQ, Australia), freiberuflicher Unternehmensberater und Geschäftsführer von
incorepro-consulting : Internationalisierung mit dem Fokus China. Er ist seit 2014
Partner im VBU.
Kontakt:
[email protected]
www.incorepro.com
+49 (0)160 90226013
incorepro consulting – Dirk Müller
An den Höfen
36039 Fulda
c/o Zelgweg 24
CH-5405 Baden