Helaba Volkswirtschaft/Research VERTRAU(D)LICH 29. Februar 2016 Geldpolitischer Aktionismus zerstört Vertrauen AUTOR Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/ Leitung Research Telefon: 0 69/91 32-20 24 [email protected] REDAKTION Markus Reinwand, CFA HERAUSGEBER Helaba Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 Die Börsenturbulenzen zu Anfang dieses Jahres haben viele Marktteilnehmer verunsichert. Vereinzelt wurde sogar von nie dagewesener Volatilität gesprochen. Auch wenn es sich so angefühlt hat, die Ausschläge blieben von früheren Spitzenwerten weit entfernt. Von der allgemeinen Verunsicherung ließ sich auch die Europäische Zentralbank anstecken und kündigte schon im Januar an, dass sie mit weiteren expansiven Maßnahmen bereit stünde. Dabei operiert die EZB bereits im geldpolitischen Grenzbereich. Seit Sommer 2014 gibt es einen Strafzins auf Einlagen der Banken bei der EZB. Seit März letzten Jahres kauft sie zudem kontinuierlich Wertpapiere an. Die Kombination dieser Instrumente entbehrt aber jeglicher historischer Erfahrung. Entsprechend vage sind die Erfolgsaussichten. Die Nebenwirkungen sind dagegen jetzt schon sichtbar. Zwar profitieren die Schuldner vom Rückgang der Zinsen. Jedoch führt der kontinuierliche Ankauf von Staatsanleihen zu Marktverzerrungen und der Rückgang der Liquidität erhöht die Schwankungsanfälligkeit an den Anleihemärkten. Die Strafzinsen schwächen den angeschlagenen Bankensektor und behindern den gewünschten Transmissionsmechanismus zur Ankurbelung der Kreditvergabe. Deshalb sollte die EZB ihre geldpolitischen Instrumente kritisch überprüfen und im Zweifel eher wieder Abstand davon nehmen. Lediglich unter der aus unserer Sicht sehr unwahrscheinlichen Annahme, dass sich die Eurozone auf dem Weg in eine deflationäre Abwärtsspirale befände, könnte die Fortsetzung dieser Politik ein gangbarer Weg sein. Konsum und Investitionen brächen in diesem Szenario ein, weil die Verbraucher auf noch niedrigere Preise warten würden und die Unternehmen mangels Absatzperspektive nicht mehr investierten. Die Notenbank müsste in diesem Fall die Zinsen so stark in den negativen Bereich drücken, dass es überhaupt keinen Sinn mehr ergäbe, Ersparnisse zu bilden. Stattdessen sollte kräftig konsumiert werden, um der Abwärtsspirale zu entkommen. Damit die Menschen das Geld aber nicht unter dem Kopfkissen horten, müsste auch das Bargeld abgeschafft werden. Einige vermuten hinter den aktuellen Gedankenspielen, den 500 Euro-Schein abzuschaffen und eine Obergrenze für Bargeldzahlungen auch in Deutschland einzuführen, den ersten Schritt in diese Richtung. Begründet werden diese Überlegungen jedoch mit dem Argument, dass der große Schein in hohem Maße zu Geldwäschezwecken und anderen kriminellen Aktivitäten missbraucht würde. Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. Es ist eher ungewiss, ob mit der Abschaffung des Bargeldes tatsächlich die Kriminalität eingedämmt werden kann. Der Preis der Bargeldabschaffung wäre aber sehr hoch. So produziert die Kombination mit negativen Zinsen enorme Verunsicherung. Der Verlust der Wahlmöglichkeit, seine Transaktionen mit Bar- oder Giralgeld zu tätigen, wäre vielleicht noch verkraftbar, auch wenn die Präferenz für Bargeld gerade hierzulande generationenübergreifend sehr ausgeprägt ist. Noch viel schwerer wiegt aber, dass nach der vollständigen Abschaffung des Bargeldes nur noch die „Wahl“ bliebe, das Ersparte durch die negativen Zinsen entwerten zu lassen, in stärker risikobehaftete Anlageformen umzuschichten oder es möglichst schnell auszugeben. Zweifelsohne würde dies zu einem unmittelbaren Konsumschub führen. Investitionen würden aber wohl kaum anspringen. Denn dafür reichen niedrige Zinsen nicht aus. Wichtiger ist es, Vertrauen in die Zukunft zu haben. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 2 9 . F E B R U A R 2 0 1 6 · © H E L A B A 1 VERTRAU(D)LICH Darüber hinaus wären mit dieser Politik zahlreiche Nebenwirkungen verbunden: Die Entwertung der Einlagen führt zu einer Umverteilung von Sparern zu Schuldnern. Besonders kritisch ist dies, wenn die betroffenen Sparer keine laufenden Einnahmen haben und von ihren Rücklagen leben müssen. Die Umschichtung in risikobehaftete Anlagen eröffnet zwar größere Renditechancen, ist aber mit einer höheren Schwankungsanfälligkeit verbunden. Wird die Risikotragfähigkeit des Einzelnen dabei überfordert, erhöht sich in Zeiten der Unsicherheit die Volatilität an den Finanzmärkten und droht auf die Volkswirtschaft insgesamt überzuspringen. Beitrag erschienen in „Die Welt“, 27. Februar 2016 H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 2 9 . F E B R U A R 2 0 1 6 · © H E L A B A 2
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