Autonomiephase (Trotzphase) von Leyla Sahin Wenn Kinder trotzen. Hilfe, das ICH meines Kindes erwacht! Ausschnitt aus dem Elternnachmittag bei LuKids Nord Der Elternnachmittag hatte zum Ziel, den Eltern ein besseres Verständnis für die Veränderungen, die ihre Kinder im Autonomiealter erleben, zu vermitteln. Mit diesem neuen Verständnis können schwierige Alltagssituationen mit mehr Geduld, Gelassenheit und innerer Distanz getragen werden. „Was ist Trotz?“ Große Gefühle sind von Anfang an in jedem von uns angelegt: Neben der Wut auch die unbeschwerte Freude, ebenso der Trotz und auch die wunschlose Zufriedenheit. Schon gegen Ende des ersten Lebensjahrs empfinden Kinder diese enorme Wut, die sich in Kopf und Körper ausbreitet, wenn sie nicht das bekommen oder durchsetzen können, was sie möchten. Gerade die Wut aber ist es, die Eltern frühzeitig vor eine harte Probe stellen kann. Der eigene Wille des Kindes erwacht und zeigt sich u. a. in Gehorsamsverweigerung und Wutanfällen. Diese Trotzreaktion des Kindes ist am besten als Panikreaktion zu verstehen. Das Kind ist nicht mehr in der Lage, die Situation zu überblicken oder zu kontrollieren, und gerät daher aus dem emotionalen Gleichgewicht. Das Kind selbst erlebt diesen Zustand mehr als eine Naturgewalt denn als taktisches Manöver zum Erreichen seiner Ziele. Wieso… Ihre Kinder machen in dieser Zeit unverzichtbare Lernschritte: Das Wachsen der sozialen Intelligenz! Selbstbewusstsein muss erworben, Selbstbehauptung geübt und Selbstkontrolle erlernt werden. Zudem macht das Kind einen Schritt, der für sein weiteres Leben und das Zusammenleben wichtig ist: Es lernt, seinen Willen zu steuern. Weshalb, Warum… Ohnmacht und Ungeduld machen wütend! Das Bedürfnis, etwas haben zu wollen, ist eine der typischen Situationen, in denen kleine Kinder wütend werden können: Das nicht erfüllte Bedürfnis (Ohnmacht) nach einer Puppe, einem Spielzeug, einem Keks oder auch Mamas Schutz und Trost. Zur Ohnmacht gesellt sich meistens noch die Ungeduld. Babys und Kleinkinder haben noch kein Zeitgefühl. Sie kennen die Vergangenheit nur vage und können die Zukunft nicht abschätzen. Umso mehr spielt sich ihr Empfinden im Hier und Jetzt ab. Und das kann wütend machen: Wenn hier und jetzt etwas nicht so ist, wie es gefälligst zu sein hat. Und zwar augenblicklich. Nicht erfüllte Aufmerksamkeit und Verbote ebenso! Der nicht erfüllte Wunsch nach Aufmerksamkeit, weil Mama sich um etwas anderes kümmern muss anstatt zu helfen, die Bausteine aufeinander zu stapeln, hat Ärger zur Folge. Auch Verbote werden schon im Alter der ganz Kleinen nicht immer akzeptiert. Die Folge sind Wut- und Trotz. Eine typische Entstehungsgeschichte: Am Esstisch, ein Messer liegt unverhofft in Reichweite. Der Reiz ist groß, danach zu greifen und es zu untersuchen. Doch kaum hat man den Fund erobert, wird er einem weggenommen, womöglich gar mit harschen Worten. Wen wundert es da, wenn ein Kleinkind das etwas so empfindet: Na gut, dann brüll ich halt rum, strample wild und mach den Teller zur Wurfscheibe… Wie kann ich einen Trotzanfall vermeiden? Je besser man sein Kind kennt, desto besser kann man einschätzen, was einen Trotzanfall herausfordert. Manche Kinder und Eltern durchleben eine sehr heftige Trotzphase. Um diese Zeit weniger anstrengend zu überstehen, einige Tipps: Freiräume und Grenzen: Je mehr Freiräume das Kind hat, desto weniger wird es zu Trotzanfällen kommen. Je weniger Neins, desto besser wirken sie. Schon bei kleinen Dingen ständig über das Kind zu bestimmen und an ihm herumzunörgeln, führt dazu, dass es nicht mehr zuhört oder sich auflehnt. Sinnvolle Gebote und Verbote, die konsequent eingehalten werden, erleichtern die Orientierung. Machen Sie ihrem Kind klar, warum diese Grenzen nötig sind. Das Kind braucht genügend Freiräume, damit es seinen eigenen Willen entwickeln kann. Sich für sich selbst einzusetzen, sein Anliegen durchzusetzen, aber auch zurückstecken zu können, sind wichtige und positive Fähigkeiten. Sie müssen erst gelernt werden. Selbstständigkeit fördern: Das Kind möchte alles selbst und alleine machen. Überlassen Sie ihrem Kind kleine Aufgaben im Haushalt. Lassen Sie es die Dinge, die es schon kann, selbst erledigen. Das Kind ist beschäftigt und gefordert. Machtkämpfe vermeiden: Der Trotz des Kindes fordert den eigenen Trotz heraus. Bei vielen Auseinandersetzungen kann man sich schon einmal selbst fragen, ob es bei dem Streit wirklich um den äußeren Anlass geht. Sind manche Regeln, die man aufgestellt hat, wirklich sinnvoll? Oder dienen sie nur dazu, den eigenen Willen als Elternteil durchzusetzen? Warum ist das Nachgeben gegenüber dem eigenem Kind so schwer? Verliert man tatsächlich an Autorität, wenn man in manchen Dingen nachgibt? Ablenkungsmanöver: Spüren Sie, dass das Kind mit einer Situation nicht zurechtkommt, können Sie versuchen, ein Ablenkungsmanöver zu starten. Mit einer Brezel oder Keksen in der Hand sind die Süßigkeiten im Laden nicht so interessant. Drei Gewissheiten helfen uns durch die Autonomiephase 1. Es geht vorbei. Jede Phase hat einen Endpunkt. Innerhalb von Monaten wächst die Fähigkeit, mit uns Kompromisse zu schließen und Vernunft zu lernen. 2. Es hat seinen Sinn. Sie als Eltern sind als natürliche Trainingspartner nötig – nur so können Kinder erfahren, dass im Leben Konflikte unvermeidlich, Lösungen aber machbar sind. 3. Es wird uns nicht spalten. Kurzfristige Ärgernisse, Regelverletzungen und kleine Ausraster fordern von uns, uns durchzusetzen – und manchmal auch etwas durchgehen zu lassen. Aber wir zeigen auch: Das kratzt nicht an der Liebe, nagt nicht an unserer Zuneigung. Am Ende wird alles gut und jeder ist ein bisschen gewachsen. Ich sage NEIN . . . . Literaturliste für Kinder: „Ich will aber nicht!“ (Elisabeth Zöller/Brigitte Kolloch) „Die kleine Motzkuh“ (Anette Langen / Imke Sönnichsen) „Anna und die Wut“ (Christine Nöstlinger) Literaturliste für Eltern: „Trotzphase? Nerven behalten!“ (Cornelia Nitsch) „Trotzig, zornig, wütend: Umgang mit kindlichen Aggressionen“ (Barbara Friedrich)
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