Ingenieure werben für Sanierung ohne zweite Röhre

4 | KANTON URI
Urner Wochenblatt | 139. Jahrgang | Nr. 69 | Samstag, 5. September 2015
Ingenieure werben für Sanierung ohne zweite Röhre
Gotthard | Tessin auch während der Sanierung durchgehend erreichbar
Noch geht es mehr als ein
halbes Jahr bis zur Abstimmung über die zweite Röhre. Dennoch wird bereits
heftig mit Argumenten für
und gegen den zusätzlichen
Tunnel geworben.
Nicht ganz
so unabhängig
Ralph Aschwanden
«Sanieren ohne verlieren»: Unter diesem Slogan wirbt eine «Unabhängige
Gruppe von Ingenieuren und Experten» (siehe Box) für die Errichtung
eines Autoverlads während der Sanierung des Gotthard-Strassentunnels.
Sie hat am Donnerstag, 3. September,
in Bern ihre Ideen vorgelegt, wie bei
der Sanierung insbesondere Zeit und
Geld gespart werden könnten. Das
Grundkonzept ist dabei für Urnerinnen und Urner nicht vollständig neu
und lehnt sich stark an die Vorschläge
der «Alpen-Initiative» an: Autozüge
mit Personenwagen könnten während
der Sanierungszeit durch den alten
Scheiteltunnel, während für die Lastwagen eine lange rollende Landstrasse (Basel–Chiasso) sowie eine kurze
(Erstfeld–Biasca) vorgesehen ist.
Kapazitäten ausreichend
Die Kapazitäten seien für die NordSüd-Verbindung ausreichend, hält die
Gruppe Fachleute in einem Mediendossier fest. Bis zu 31 000 Personenwagen könnten gemäss ihren Berechnungen pro Tag transportiert werden.
Das sind deutlich mehr, als heute zu
Spitzenzeiten durch den Tunnel fahren. Alle 7,5 Minuten könnte ein Zug
mit 100 Stellplätzen bei Grossandrang durch den Tunnel GöschenenAirolo verkehren. Zu normalen Zeiten soll alle 15 Minuten ein Zug verkehren. Der Transport durch den
Tunnel soll dabei kostenlos sein.
Für die Lastwagen soll hingegen jede
halbe Stunde ein Zug zwischen Erstfeld und Biasca verkehren sowie
stündlich ein Zug von Basel nach
Chiasso. Gemäss Berechnungen der
Gruppe der Ingenieure liessen sich
dadurch 3300 Lastwagen pro Tag verladen. Das sei ebenfalls mehr, als an
Tagen mit grosser Nachfrage heute
auf der Nord-Süd-Achse verkehren
Durch den Gotthard-Basistunnel sollen die Lastwagen während der Zeit der Strassentunnel-Sanierung geführt werden.
Das fordern mehrere Ingenieure und Bahnexperten.
FOTO: RALPH ASCHWANDEN
würden, hiess es an einer Medienkonferenz vom Donnerstag, 3. September,
in Bern. Die neue Technologie zum
Steuern der Züge im Basistunnel stelle genügend Kapazitäten für zusätzliche Züge bereit. Allerdings könnten
die Personenzüge dann nicht wie vorgesehen mit rund 200 km/h durch
den neuen Gotthard-Basistunnel verkehren, sondern mit 160 km/h.
Rollmaterial mieten
Das entsprechende Rollmaterial für
die Verladelösung soll nicht vollständig gekauft, sondern teilweise gemietet werden. Die Bahnexperten zeigen
denn auch auf, wie viele Zugskompositionen für die Verladelösung notwendig wären: für den Autoverlad
deren acht, für die Kurz-Rola deren
zehn und für die Lang-Rola deren 14.
Die vorgestellte Variante bedingt al-
lerdings den Bau von Verladeanlagen
in der Nähe der jeweiligen Tunnelportale – ein Punkt, um den in Uri heftig
diskutiert wird. Die Befürworter der
zweiten Röhre verweisen in diesem
Zusammenhang auf den «grossen
Kulturlandverlust» sowie die zusätzlichen Kosten, welche die Verladerampen mit sich bringen. Als «temporäre Bastelei» wurde die Idee der Verladerampen denn auch schon bezeichnet. Die Gegner von Verladerampen in Uri befürchten zudem, dass
die Verladerampen – sobald einmal
gebaut – auch nach der Sanierung für
den Lastwagenverlad genutzt werden.
Aus dem Provisorium würde so eine
dauerhafte Einrichtung werden.
1,8 Milliarden Franken sparen
Mit der vorgeschlagenen Variante
liesse sich viel Geld sparen, so die Ex-
pertengruppe. Konkret rechnet sie für
die Verladestationen mit Kosten von
rund 1,1 Milliarden Franken, rund 1,7
Milliarden Franken weniger, als die
Sanierung mit der zweiten Röhre kosten würde. Zudem könne die Sanierung des Tunnels mit Verladestationen innert zehn Jahren abgeschlossen
sein, betonten die Fachleute an der
Konferenz. Der Bau der zweiten Röhre und die anschliessende Sanierung
des bestehenden Tunnels würden aber
rund 20 Jahre dauern. «Die eingesparten Mittel lassen sich für Verbesserungen im nationalen Strassennetz einsetzen, wo sowohl der verkehrliche
Nutzen als auch der Sicherheitsgewinn viel grösser ist als auf der Gotthardachse mit der im Vergleich zu
Autobahnen im Mittelland bescheidenen Belastung», heisst es im Mediendossier weiter.
Die Gruppe «Unabhängige Ingenieure und Verkehrsexperten» ist
gemäss eigenen Angaben «frei von
jeder politischen Bindung und hat
zum Ziel, die Alternative des
Bahnverlads öffentlich bekannt zu
machen». Die Zahlen, welche die
Grundlage ihres Berichtes bilden,
seien öffentlich verfügbare Daten
und Untersuchungen des Bundes.
Völlig frei von Interessensbindungen sind die sechs Ingenieure und
Bahnfachleute allerdings nicht,
wie sie auf ihrer Website www.sanierenohneverlieren.ch gleich selber öffentlich machen. Vier der
sechs beteiligten Ingenieure waren
gemäss eigenen Angaben früher
teilweise in leitender Funktion für
die SBB tätig, so etwa Ruedi Sturzenegger, Jerra Wolfram, Oskar
Stalder und Sebastian Rutz. Mit
Ernst Märki ist zudem ein wissenschaftlicher Berater der AlpTransit
Gotthard AG im Sechsergremium
vertreten. Zur Gruppe gehört zudem ETH-Dozent Jost Wichser.
Bahnseitig ist das Fachwissen des
Gremiums indes wohl völlig unbestritten. (raa)
Keine Alternativen geprüft
Die Gruppierung kritisiert deshalb,
dass nach dem Parlamentsentscheid
für den Bau eines zweiten Strassentunnels alle Alternativen fallen gelassen
worden seien. Varianten verglichen
hat auch der Bund, wie die Nachrichtenagentur sda festhält. Die Kosten für
die Sanierung mit zweitem Tunnel belaufen sich laut Bundesrat auf 2,8 Milliarden Franken. Das Bundesamt für
Strassen Astra hat zudem in einem
2014 bekannt gewordenen Bericht die
Kosten für die Varianten Verlad und
zweite Röhre bis 2090 verglichen. Eine
zweite Röhre käme demnach auf bis
zu 5 Milliarden Franken zu stehen, die
Lösung mit Autoverlad auf maximal
3,6 Milliarden. Zudem ist bei der Sanierung mit zweiter Röhre eine Vollsperrung des Tunnels während 140 Tagen notwendig.
Winkelbäche werden sicherer gemacht
Altdorf | Kurzzeitige Behinderungen möglich
Am 7. September starten die
Arbeiten zur Verbesserung
des Hochwasserschutzes.
Ende Jahr sollen sie fertig
sein.
An den Gerinnen des Winkelbachs
Süd und des Winkelbachs Mitte werden Verbauungen erstellt. Neben den
Massnahmen an den Bächen selber
wird auch der Schutz der Gebäude
und Keller im Bereich Winkelplatz
und Marktgasse verbessert.
Während der Bauarbeiten haben
Fussgängerinnen und Fussgänger, die
von der Voliere zum Fussballplatz
Schützenmatt laufen, kurzzeitig mit
Behinderungen zu rechnen, teilt
die Baudirektion mit. Darum bittet
sie, die Signalisationen zu beachten
und die markierten Umleitungen zu
nutzen.
Das Hochwasserschutzprojekt ist auf
die bevorstehende Sanierung des
Winkelplatzes abgestimmt. Ende Jahr
sind die Arbeiten an den Winkelbächen abgeschlossen. (e)
Pro-Komitee führt zum Jubiläum durch den Strassentunnel
Im Juni 2013 zerstörte ein Hangrutsch einen Teil der grossen Vogelvoliere hinter dem «Winkel» in Altdorf.
FOTO: RALPH ASCHWANDEN (ARCHIV UW)
Am 5. September 1980 wurde der
Strassentunnel durch den Gotthard
eröffnet. Nun, 35 Jahre später, lud
das Komitee «Ja zum Sanierungstunnel am Gotthard» Journalisten zu
einer Führung durch den Tunnel ein.
Als Redner der Jubiläumsveranstaltung traten unter anderem Altnationalrat Franz Steinegger, Hans-Ulrich
Bigler, Direktor des Schweizerischen
Gewerbeverbands, Jörg Röthlisberger, Direktor des Bundesamts für
Strassen, oder Norman Gobbi,
Staatsrat aus dem Tessin, auf. Die
Befürworter der zweiten Röhre zeigten das bestehende Sicherheitssystem und sprachen über den Sanierungsbedarf des 35-jährigen Gott-
hard-Strassentunnels. Auch informierten sie am Freitag, 4. September, Medienschaffende über das
Sanierungsprojekt. – Der ausführliche Bericht zum Anlass erscheint
in der Ausgabe vom kommenden
Mittwoch, 9. September. – Unser
Bild: das Gotthard-Südportal in Airolo. (mr) FOTO: MARTINA TRESCH-REGLI