Handlungsempfehlungen

Forum "Faire Zukunftslösungen für Flexibilität in der Wirtschaft"
Endfassung Handlungsempfehlungen zum Thema Regulierung der Zeitarbeit
Präambel:
Maßgeblich für die Handlungsempfehlungen ist das übergeordnete EU-Recht, von dem aus das nationale
Recht abzuleiten ist. Dazu wird der Artikel 2 der EU Richtlinie zur Zeitarbeit als Präambel bemüht.
„Ziel der Richtlinie ist es, für den Schutz der Leiharbeitnehmer zu sorgen und die Qualität der Leiharbeit zu
verbessern, indem die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern gemäß
Artikel 5 gesichert wird und die Leiharbeitsunternehmen als Arbeitgeber anerkannt werden, wobei zu
Berücksichtigen ist, dass ein angemessener Rahmen für den Einsatz von Leiharbeit festgelegt werden
muss, um wirksam zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur
Entwicklung
flexibler Arbeitsformen
beizutragen“.
Handlungsempfehlungen
1. Definition der tariflichen Ausnahmen
Gemäß der EU-Richtlinie gilt der Grundsatz der Gleichstellung bei den wesentlichen Arbeitsbedingungen
zwischen Leiharbeitnehmer/in und dem vergleichbaren Stammbeschäftigten (Agenturprinzip). Die Richtlinie
lässt Ausnahmen per Gesetz oder Tarifvertrag zu, wenn dem Schutz der Beschäftigten Rechnung getragen
wird. Die zwei wesentlichen Kriterien sind: Es bestehen unbefristete Verträge zwischen
Leiharbeitnehmer/innen und Leiharbeitsfirma und die Zeit zwischen den Einsätzen wird vom
Leiharbeitsunternehmen bezahlt (Unternehmerprinzip).
Das in Deutschland gewählte Unternehmerprinzip ist verbunden mit der Möglichkeit gesetzliche oder
tariflichen Ausnahmeregelungen zuzulassen. Bedingungen dafür sind lt. EU-Richtlinie unbefristete
Verträge mit den Arbeitnehmern, mehr als einen Einsatz und Bezahlung der Zeiten zwischen den
Einsätzen.
2. Definition Equal Pay
Die wesentlichen Arbeitsbedingungen im Vergleich mit den Stammbeschäftigten werden gemeinhin mit dem
Begriff „Equal Pay“ bezeichnet. Das Forum ist sich mit dem Gutachten Schüren / Brors einig: Zum Equal
Pay Vergleichslohn zählen nur alle Einkommensbestandteile, die auf den Stundenlohn bezogen sind
(Grundlohn, Zulagen und Zuschläge).
3. Folgen der Umgehung des Unternehmerprinzips
Das Forum empfiehlt, darauf zu achten, dass das vorgeschriebene Unternehmerprinzip eingehalten wird.
Hier geht es um fairen Wettbewerb. Wer das Unternehmerprinzip umgeht und faktisch nach einem
Agenturmodell arbeitet, der verschafft sich auf unfaire Weise einen Wettbewerbsvorteil. Daher sollte eine
Umgehung durch eine befristete Einstellung, die deckungsgleich mit einem Kundeneinsatz vorgenommen
wird, nach dem Grundsatz des oben definierten Equal Pay Prinzips vergütet werden.
Wird der Weg eines Befristungsverbot gewählt, so ist auch darauf zu achten, dass bei deckungsgleicher
Beschäftigung mit dem ersten Einsatz - in Folge einer betriebsbedingten Kündigung – ebenfalls eine
Bezahlung nach dem Agenturprinzip zu entlohnen ist.
4. Anpassung des Arbeitsentgeltes nach 9 Monaten
Die Koalitionspartner sind sich darüber einig, dass Leiharbeitnehmer/innen künftig spätestens nach 9
Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts mit den Stammarbeitnehmern gleichgestellt werden. Hier orientiert
sich der Gesetzgeber an den Zeitablauf der bisherigen Branchenzuschlagstarife. Diese sind vorbehaltlich
einer möglichen gesetzlichen Regelung abgeschlossen worden. Textpassage dazu: "Ändern sich
wesentliche gesetzliche Rahmenbedingungen der Zeitarbeit (insbesondere Regelungen zur Vergütung),
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nehmen die Tarifvertragsparteien unverzüglich Verhandlungen mit dem Ziel auf, eine mögliche Fortführung
unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Änderungen zu prüfen und zu vereinbaren. Führen diese 6
Monate nach In-Kraft-Treten der gesetzlichen Änderungen nicht zu einer entsprechenden Regelung tritt
dieser Tarifvertrag mit Ablauf der sechs Monate ohne Nachwirkung außer Kraft."
Die Branchenzuschlagstarife regeln für einige Branchen eine Anpassung bis zum Beginn des 10. Monats.
Ein Equal-Pay-Entlohnung nach dem o.g. Prinzip ab dem 10. Monat tangiert die bestehenden Tarifverträge
nicht.
Die EU-Richlinie (Art.5 (4) sieht vor, dass die Gleichbehandlung nach einer „Wartezeit“ von den
Mitgliedsstaaten festgelegt werden kann. Eine gleiche Entlohnung nach 9 Monaten entspricht diesem
Passus.
Voraussetzung für eine korrekte EP – Zahlung ist die korrekte Angabe des Vergleichsentgelts. Das ist das
Stundenentgelt welches der Entleiher zahlen würde, wenn er den/die Arbeitnehmer/in selber eingestellt hätte
( Anmerkung: Zum Vergleichsentgelt gehören auch alle stundenbezogenen Zulagen und Zuschläge). Da die
Einhaltung der 9-Monatsfrist und die korrekte Bezahlung des Vergleichsentgelts sowohl vom einsetzenden
Personaldienstleister wie auch vom Einsatzbetrieb abhängig ist, liegt die Verantwortung für den Zeitpunkt
und die korrekte Bezahlung bei beiden Unternehmen.
Der Anspruch auf das Vergleichsentgelt wird durch den/die Mitarbeiter/in nach einer ununter-brochenen
Einsatzdauer von 9 Monaten bei einem Kunden erworben. Unterbrechungszeiten von weniger als 3 Monaten
in einem Einsatz – aus welchem Grund auch immer – zählen nicht als Unterbrechungszeit. Sie werden als
„Pausenzeit“ gewertet. Die Zählung geht nach der „Pause“ weiter.
Die Zahlung des korrekten Vergleichsentgeltes nach 9 Monaten ist unabdingbar. Ein Verstoß wird als
Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern für den Personaldienstleister und den Auftraggeber sanktioniert.
Für die Zahlung des korrekten Vergleichsentgeltes nach 9 Monaten
selbstschuldnerischer Bürge, der auf die Einrede der Verjährung verzichtet.
haftet der Entleiher als
5. Definition des Begriffs „vorübergehend“
Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag zu diesem Thema bezieht sich auf eine maximale Überlassungszeit
von 18 Monaten.
Anmerkung: Mit dieser Zeitspanne verlässt man den Bereich einer kongruenten Gesetzgebung in dem man
bestehende Gesetze außer Acht lässt. Im TzBfG wird auch das Thema Befristung im Hinblick auf Flexibilität
geregelt. Wenn man keine Benachteiligung der Branche Zeitarbeit herbeiführen will, dann sollte ein
vorübergehender Einsatz dadurch gekennzeichnet sein, dass er, analog des TzBfG, maximal 24
Monate betragen sollte.
Laut IAB sind momentan ca. 14 % der Leiharbeitnehmer länger als 18 Monate im Kundeneinsatz. Damit ist
die „Einsatzbeschränkung“ kein Hauptproblem der Branche.
„Vorübergehend“ darf nicht auf den Mitarbeiter sondern immer auf den jeweiligen Arbeitsplatz im
Kundenbetrieb bezogen sein. Es soll dadurch verhindert werden, dass auf einem Arbeitsplatz hintereinander
Einsätze mit verschiedenen Personen über die maximal definierte Zeit hinausgehen. Dies kann als
Vertretung von Stammarbeitsplätzen (z.B. Krankheit, Urlaub, Schwangerschaft) oder aber bei
Auftragsspitzen = zusätzliche Arbeitsplätze vorkommen. Der Flexibilitätsfaktor Zeitarbeit „entfällt“ im
Entleihbetrieb dann, wenn die Auftragsspitzen vorbei sind und die zusätzlichen Arbeitsplätze wegfallen.
Die Zählweise für die vom Forum empfohlene 24 Monate: Es zählt der ununterbrochene Einsatz auf dem
selben Arbeitsplatz (nicht personenbezogen, da sonst ein „Kettenaustausch“erfolgt , unabhängig wie viele
Personen dort eingesetzt waren. Ist der Arbeitsplatz mehr als 3 Monate nicht besetzt worden und besteht
weiterhin ein Vertretungs- oder Spitzenabdeckungsbedarf, beginnt die Zählung von vorn. Zeiten der
Qualifizierung und Rehazeiten werden bei der Zählung nicht angerechnet.
Es ist zu überlegen, ob es Ausnahmen von der Einsatzbeschränkung geben soll. Es wird empfohlen,
Schwerbehinderte und über 55-jährige Personen von der Einsatzbeschränkung generell auszunehmen.
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Grundsätzlich ist es schwierig, für alle Bereiche und Branchen die Zeiten einer „Spitzenabdeckung“ zu
definieren. Laut der EU-Richtlinie zur Zeitarbeit ist die Spitzenabdeckung am Bedarf des
Entleihbetriebs für zusätzliche Arbeitskräfte ausgerichtet. Also ist der Bedarf des Kundenbetriebs für
Zeitarbeitnehmer im Betrieb maßgebend. Es müssen Ausnahmen zu einer längeren Überlassung möglich
sein, die sich aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der benötigten Flexibilität (Schüren/Brors nennen das
zweckbefristete Überlassung) ergeben. Da nicht alle Entleihbetriebe tarifgebunden sind, die der Zeitarbeit
aber überwiegend, sollte eine Tariföffnungsklausel auch auf die Tarifpartner der Zeitarbeit ausgedehnt
werden.
Für eine länger benötigte Flexibilität - z.B. Elternzeit – können die jeweiligen Tarifpartner- (sowohl auf
der Verleih- als auch auf der Entleihseite) Ausnahmeregelungen vereinbaren. Die Tarifpartner können
auch den Abschluss solcher Vereinbarungen auf die Betriebsebene übertragen.
Grundsätzlich ist das Forum der Meinung, dass zu Beginn der Überlassung der Grund und der
voraussichtliche Zeitbedarf zwingend festgelegt werden muss. Geht man von 24 Monaten „maximale
Normalüberlassung“ aus, ist eine Überprüfung nach 6 Monaten, wie von Schüren/Brors vorgeschlagen,
überflüssig. Eine Prüfung nach 18 Monaten wird als angemessen angesehen. Spätestens n ach 24 Monaten
muss daher der zusätzliche Arbeitsplatz bei der „maximalen Normalüberlassung“ wegen Beendigung der
Auftragsspitzen wegfallen.
Wenn berechtigte Ausnahmen (Sachgründe) auch eine längere Überlassung zulassen, kann man bei einer
Überschreitung der Frist jedoch nicht von einer „illegalen Überlassung“ sprechen und als Rechtsfolge ein
fiktives Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher konstruieren. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem
Beschluss vom 15.05.2012 (1BvR 2812/09) klargestellt, dass man niemandem gegen seinen Willen einen
Arbeitgeber aufzwingen darf. Stellt sich heraus, dass aus dem Arbeitsplatz ein Dauerarbeitsplatz wird, so ist
zu überlegen, ob nicht der Leiharbeitnehmer nach 18 Monaten ein schriftliches Übernahmeangebot
bekommen sollte. Seine freie Entscheidung über seine Arbeitsverhältnis wird dann nicht beeinträchtigt.
Lehnt der Leiharbeitnehmer ein solches Übernahmeangebot ab, so ist sein Einsatz auf dem Arbeitsplatz
nach 24 Monaten beendet. Analog ist bei einer längeren von den Tarif- oder Betriebspartnern genehmigten
Sachgrundbefristung zu handeln. 6 Monate vor Ende der Befristung ist ein Übernahmeangebot zu machen,
wenn sich herausstellt, dass der Arbeitsplatz des Leiharbeitnehmers zu einem dauerhaften Arbeitsplatz wird.
Für die Einhaltung der Fristen, sind sowohl der Entleihbetrieb, wie auch das Zeitarbeitsunternehmen
verantwortlich. Die Sanktionen und Folgen sind gesetzlich festzulegen.
24.06.2014 genehmigte Endfassung
Norbert Fuhrmann
Autor