Gottesfurcht versus Menschenfurcht

Gottesfurcht versus Menschenfurcht
Neh 1,5f, 11; 2,1ff (Nehemia Serie) / Walter Bösch / Wien, 2016-04-10
Letzten Sonntag dachten wir über das Gebet von Nehemia bei der Predigt (Dialog mit Gott) nach. Heute
knüpfen wir an den letzten Satz von Nehemias Gebet (1,11) an. Dabei stoßen dabei auf eine alles
entscheidende Auseinandersetzung Nehemias – die auch uns alle betrifft – Gottesfurcht versus
Menschenfurcht, oder umgangssprachlicher, ob wir Menschen mehr fürchten/lieben als Gott?
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Ehrfurcht Gottes oder Menschenfurcht?
Für Nehemia vergingen seit der Nachricht durch Hanani (1,2) Monate des Weinens/Betens/Reflektierens.
Nämlich vom Monat Kislew (Sep/Okt) bis zum Nisan (Mär/Apr), als er vom König folgendes gefragt wurde:
„Warum sieht dein Gesicht so traurig aus? Du bist doch nicht etwa krank? Nein, das ist es nicht, sondern
ein trauriges Herz! Da bekam ich einen furchtbaren Schrecken.“ (2,2)
Die Frage verschlug ihm kurzfristig die Sprache, aus Angst (Menschenfurcht) vor möglichen Konsequenzen.
Die Atempause nutze er für ein Blitzgebet (2,4), dann überwand er die Angst und agierte er im ‚Geist der
Gottes-Ehrfurcht‘. Trotzdem sprach er menschlich klug, indem er zuerst ein ‚logisches Argument‘ vorschob und
dann zur wirklichen Sache kam:
„Und ich sagte zum König: Der König lebe ewig! Warum sollte mein Gesicht nicht traurig aussehen, wo
doch die Stadt, die Begräbnisstätte meiner Väter, verödet daliegt und ihre Tore vom Feuer verzehrt sind?
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Und der König sagte zu mir: Um was also bittest du? Da betete ich zu dem Gott des Himmels 5 und
sagte dann zum König: Wenn es dem König gefällt, und wenn dein Knecht wohlgefällig vor dir ist, so
wollest du mich nach Juda senden zu der Stadt der Gräber meiner Väter, damit ich sie wieder aufbaue!
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Da sagte der König zu mir - und die Königin saß neben ihm -: Wie lange wird deine Reise dauern, und
wann wirst du zurückkehren? Und es war wohlgefällig vor dem König, so daß er mich sandte, und ich gab
ihm eine Zeit an.“ (2,3-6)
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Die Begriffe: ‚Gottesfurcht‘ oder „furchterregender Gott“ (1,5) sind uns vielleicht fremd, lassen uns erschaudern
oder jagen uns einen Schrecken ein. Doch Nehemia selbst bringt „Gottesfurcht“ direkt in Beziehung zur
liebevollen Beziehungsebene Mensch <> Gott:
„Ach, Herr, Gott des Himmels, du großer und furchtgebietender Gott! Du hältst deinen Bund und
bewahrst deine Gnade denen, die dich lieben und deine Gebote halten.“
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Auch für uns im Neuen Testament ist es nach wie vor von Bedeutung, dass wir Gott mit Ehrfurcht begegnen,
weil er der Gott Himmels und der Erde ist. Durch Jesus Christus ist seine „Liebe“ (Joh 3,16, Rö 5,5) in
besonderer Weise zu uns gekommen. Deshalb ist es legitim, unsere Liebesbeziehung zu Gott in den
Vordergrund unserer Herzensverbindung zu rücken, und ihn gleichzeitig zu ‚ehrfürchten‘.
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Als überzeugte Christen stehen wir, so wie Nehemia, immer wieder in der genau gleichen Herausforderung,
Gott zu fürchten/lieben oder Menschen zu fürchten/lieben. Auch wir kämpfen hin und wieder Tage/Wochen
oder Monate, so wie Nehemia. Hier einige Beispiele dazu:
Beispiel 1: Anette ist schwanger und ihre Gynäkologin erklärte ihr, dass mit dem Kind etwas nicht in Ordnung
ist. In der Verfilmung „Nur eine Handvoll Leben“ kommt der Kampf um die mögliche Abtreibung von dieser
Frau, ihrem Ehemann und den beiden Kindern, eindrücklich zum Ausdruck. Am Ende entscheidet sich Anette
fürs Leben des Kindes, gegen viele menschliche Ängste und für das Leben. Ich empfehle jedem, sich diesen
Film anzusehen, solange er noch von der Mediathek herunterzuladen ist:
(http://www.ardmediathek.de/tv/FilmMittwoch-im-Ersten/Nur-eine-Handvoll-Leben/Das-Erste/Video?bcastId=10318946&documentId=34251192)
Beispiel 2: Manche Christen stehen als Schüler und Studenten unter dem Druck ihrer Mitschüler, sich sexuell
nicht so zugeknüpft zu verhalten und ihre konservativ-bibelorientierte Sichtweise einer modernen sexuell
freizügigen Praxis zu opfern. Diese Auseinandersetzungen können sehr spannungsvoll sein und ein
zermürbendes Hin und Her der inneren Argumente bewirken. Gerade hier ist es von Bedeutung, sich der
persönlichen liebevollen Gottesbeziehung sicher zu sein, sich als Mensch und als sexuelles Wesen in Gott
‚Zuhause‘ zu wissen, um nicht dem Druck der Masse, was letztlich Menschenfurcht ist, zum Opfer zu fallen.
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Beispiel 3: Nehmen wir mal an, Nehemia hätte den König mehr gefürchtet/geliebt als Gott. Dann hätte er seine
privilegierte Stellung behalten, wäre aber innerlich ein ‚Zerrissener‘ geworden. Er hätte ‚sein Jerusalem‘ nicht
gerettet und die Juden wären weiterhin zum Spielball ihrer Hasser geblieben. Er hätte die Berufung Gottes für
sein Leben nicht erfüllt, und auch Gottes Kraft und Liebe nicht erlebt. Außerdem hätte Gott vermutlich
jemanden anderen an seiner Stelle gesucht. Usw.
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Fürchte/liebe Gott zuerst – dann die Menschen
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Nehemia erlebte in den Monaten des Weinens über sein Jerusalem, aber auch des Bekennens ihrer Sünde vor
Gott, dass Gott ihn für eine besondere Aufgabe berufen hat. Darüber sprach er erst in Jerusalem, gegenüber
den Juden/Priestern/Edlen
„… ich berichtete von der Hand meines Gottes, die gütig über mir gewaltet hatte, und auch von den
Worten des Königs, die er zu mir geredet hatte. Da sagten sie: Wir wollen uns aufmachen und bauen! Und
sie stärkten ihre Hände zum Guten.“ (2,18)
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Diese Berufung durch Gott hatte bestimmt auch erhebliche Konsequenzen auf seine natürlichen Beziehungen
zu seiner Frau, ihre Kindern, der Verwandtschaft. Aber auch die rein menschlichen Beziehungen zum König,
zu seinen Freunden, seinem Club, wurden in Mitleidenschaft gezogen.
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Das Resultat seiner Entscheidung war gewaltig. Die Mauer stand in 52 Tagen. Die entmutigten Juden wurden
ermutigt. Die Feinde verloren ihren demütigenden Einfluss. Die Gesetze und Ordnungen Gottes wurden neu
etabliert. Israel erlebte eine nachhaltige Reformation. Im „Lob der Väter“ würdigte der apokryphe Verfasser
Jesus Sirach Nehemia: „Und Nehemia ist alle Zeit zu loben, der uns die zerstörten Mauern wieder aufgerichtet
und unsere Häuser wieder gebaut hat“
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Wenn Gott einen Menschen wie dich ruft, dann stehst du vor der Frage, ob du diesem Ruf folgen sollst oder
nicht, ob du Gott mehr fürchtest/liebst als Menschen.
Traditionell verstehen viele das Rufen Gottes so, dass ein Berufener Pastor wird, ins Kloster geht oder sich
fürs Zölibat entscheidet. Diese Sichtweise ist viel zu einseitig. Gottes Ruf ergeht irgendwann im Leben an
jeden Menschen.
Es ist der Ruf in die Nachfolge Jesu Christi – wenn du ihn hörst, was tust du dann?
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Im letzten Buch der Bibel spricht Jesus ganz konkrete Situationen und Entscheidungen bei den Menschen von
sieben Gemeinden an (Offb 2+3). Alle sieben steckten in ordentlichen Herausforderungen (Nikolaiten, falsche
Juden, falsche Apostel, Synagoge des Satans, Isebel, usw.). Zu allen sieben sagte er:
„Ich weiß, wie du lebst und was du tust; ich kenne deinen …“ (Offb2,2.9.13.19; 3,1.8.15)
Alle sieben rief er zu klaren Entscheidungen auf, zum Durchhalten und zu einem eindeutigen Bekenntnis zu
Gott. Schauen wir uns an, was er der Gemeinde Philadelphia sagte:
„Weil du dich an meine Aufforderung gehalten hast, standhaft zu bleiben, werde auch ich zu dir halten und
dich bewahren, wenn die große Versuchung über die Welt hereinbricht, jene Zeit, in der die ganze
Menschheit den Mächten der Verführung ausgesetzt sein wird. 11Ich komme bald. Halte fest, was du hast!
Lass dich von niemand um deinen Siegeskranz bringen! 12Den, der siegreich aus dem Kampf hervorgeht,
werde ich zu einem Pfeiler im Tempel meines Gottes machen, und er wird seinen Platz für immer behalten.
Und auf seine Stirn werde ich den Namen meines Gottes schreiben und den Namen der Stadt meines
Gottes, des neuen Jerusalems, das von ihm aus dem Himmel herabkommen wird, und meinen eigenen
neuen Namen. 13Wer bereit ist zu hören, achte auf das, was der Geist den Gemeinden sagt!“ (Offb 2,10-13
NGÜ)
Fragen an uns persönlich und für die Kleingruppe
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Wer heute lebt, lebt in den „großen Versuchungen“. Große Versuchungen bedürfen große Entscheidungen –
sich nicht zu entscheiden bedeutet meistens, sich von den Versuchungen verführen und ‚über den Tisch
ziehen‘ zu lassen. Damit hat man sich schon gegen Gott entschieden.
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Sich entscheiden zu können weist auf die Genialität eines jeden Menschen hin – er kann Gott mehr
lieben/fürchten als Menschen – er/du/ich, wir müssen ständig entscheiden. Wie entscheidest du dich?
Freie Christengemeinde, Halbgasse 17, A-1070 Wien. +43 1 523 63 78, www.fcg-wien.at
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