Predigt Nehemia 8 Auf diesen Moment hat er lange gewartet: das einzige Deutschland-Konzert seiner Lieblingsband – und das erste Mal seit sieben Jahren, dass die Band überhaupt wieder in Europa ist. Jahrelang hatte er die Tourneepläne studiert – um immer wieder festzustellen: Die einzigen wenigen Konzerte der Band fanden in Amerika und Australien statt. Dafür fehlte ihm das Geld. Bis – bis er vor einem dreiviertel Jahr entdeckte: Sie kommen. Nach Köln. Zuerst hatte er seinen Augen nicht getraut, aber dann: sofort eine Karte gekauft. Ein Hotel gebucht. Die CDs rauf und runter gehört. Die Tage im Kalender gezählt. Und heute, heute ist es endlich soweit. Gleich mit dem ersten Zug am Morgen fährt er los – sechs Stunden nach Köln. Dann raus auf die Festival-Wiesen und Schlange stehen – vier Stunden in der prallen Sonne. Aber die Vorfreude hilft über alles hinweg. Einen Platz ziemlich weit vorne sichern, weiterwarten, vorfreuen. Schließlich, um 20 Uhr die Vorband. Ganz nett, aber natürlich nicht DIE Band, auf die er wartet. Die Vorfreude und Spannung steigt weiter. 20.30 Uhr. 20.45 Uhr. 21 Uhr. Und dann kommen sie. Alle da. Bis in die Haarspitzen motiviert stürmen sie die Bühne und legen los. Sie spielen und sie spielen sensationell. Es wird ein Konzert, von dem die Fans noch Jahre später sagen, dass es ein Jahrhundert-Konzert war. Und ER … ist ganz im Glück. Voll von Freude und Jubel und Dankbarkeit. Szenenwechsel. Auf diesen Moment hat sie lange gewartet: Volle vier Monate. Volle vier Monate ohne eine Berührung und jeden Tag mit der Sorge, dass ihm etwas zustößt. Dass ihn und seine Kameraden beim Patrouille-Fahren eine Bombe erwischt. Oder dass sie in ein Feuergefecht hineingezogen werden. Jede volle Stunde hatte sie Nachrichten gehört – immer mit der unterschwelligen Angst, dass etwas berichtet wird. Jeden Abend – wenn er über Skype anrief – dann die große Erleichterung: Er lebt. Und zwar unverletzt. Alle zwei Wochen zusätzlich ein ausführlicher Brief von ihm. Ein Brief voller Gedanken, Erlebnisse, Freuden und Ängste. Und dann brach er an, der letzte Monat seines Dienstes dort im Krisengebiet. Jeder Tag schien doppelt so lange zu dauern, wie die Tage sonst. Noch 30 Tage. Noch 28. Noch 25. Noch 10. Noch 5. Noch 2. Noch 1 Tag. Und jetzt ist sie hier. Steht in der Ankunftshalle und wartet darauf, dass sich die Türen öffnen und er erscheint. Und tatsächlich, er erscheint. Nach vier schier endlosen Monaten des Wartens tritt er endlich durch die Tür – und wieder hinein in ihr Leben. Zuerst umarmen sie sich – lange. Dann küssen sie sich – ebenfalls lange . Und dann gehen sie schnurstracks zu ihrem Lieblings-Italiener. Und es wird der beste Abend, den Sie bisher zusammen erlebt haben. Und SIE … ist ganz im Glück. Voll von Freude und Jubel und Dankbarkeit. Szenenwechsel. Auf diesen Moment haben sie lange gewartet. Viel zu lange. Zuerst sechzig Jahre in Gefangenschaft. Dann – nach einer enttäuschenden Rückkehr in ihr karges und zerstörtes Land – noch einmal 80 Jahre. Insgesamt 140 Jahre voller Mühen und Lasten und Enttäuschungen. 140 Jahre ohne IHN, ohne ein Lebenszeichen, ohne ein Wort von IHM. Dann der Versuch, die zerstörte Stadt und den Tempel, SEINE Stadt und SEINE Heimat, wieder aufzurichten. Mühsam und gegen viele Widerstände gelingt es. Stadt, Stadtmauer und Tempel stehen. Und schließlich, nach einer Volkszählung, passiert es. ER ist wieder da. SEIN Wort wird wieder laut. ER ist zurück und SEINE Worte werden endlich wieder gehört. Ich lese aus dem Buch Nehemia (AT), aus dem 8. Kapitel: „Und als der siebte Monat herankam, versammelte sich das ganze Volk wie ein Mann auf dem Platz vor dem Wassertor. Sie baten den Schriftgelehrten Esra, das Gesetzbuch des Mose zu holen, das der Herr Israel gegeben hatte. So brachte der Priester Esra am ersten Tag des siebten Monats das Gesetzbuch vor die Versammlung aller Männer und Frauen und aller Kinder, die das Gehörte verstehen konnten. Vom frühen Morgen bis zum Mittag las er auf dem Platz vor dem Wassertor den Männern, Frauen und Kindern, die es verstehen konnten, laut daraus vor. Und das ganze Volk hörte der Verlesung des Gesetzbuches aufmerksam zu. (…) Das ganze Volk sah, wie Esra die Schriftrolle öffnete, denn er stand höher als das Volk. Als er sie öffnete, standen alle auf. Esra lobte den Herrn, den großen Gott, und das ganze Volk antwortete: »Amen! Amen!« und alle hoben die Hände zum Himmel. Dann knieten sie sich nieder, und mit dem Gesicht zur Erde beteten sie den Herrn an. Daraufhin belehrten die Leviten (…) das Volk über das Gesetz, während die Leute an ihrem Platz stehen blieben. Sie lasen abschnittsweise aus dem Gesetzbuch Gottes vor, erklärten die Bedeutung und halfen so dem Volk, die vorgelesenen Passagen zu verstehen. Und der Statthalter Nehemia, der Priester und Schriftgelehrte Esra und die Leviten, die das Volk belehrten, sagten zu allen: »Heute ist ein heiliger Tag für den Herrn, euren Gott! (…) Geht und feiert ein Fest mit köstlichem Essen und süßen Getränken und teilt eure Speisen mit denen, die nichts vorbereitet haben. Denn dies ist ein heiliger Tag für unseren Herrn. Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke!« (…) Da machten sich die Leute auf den Weg zu einem großen Freudenfest, bei dem sie aßen und tranken und ihre Speisen miteinander teilten, weil sie die Worte verstanden hatten, die ihnen gesagt worden waren. Am zweiten Tag versammelten sich alle Familienoberhäupter und die Priester und Leviten bei Esra, um das Gesetz genauer zu studieren. Im Gesetz, das der Herr durch Mose gegeben hatte, fanden sie geschrieben, dass die Israeliten während des Festes im siebten Monat in Laubhütten wohnen und dies auch bekannt machen sollten. Daraufhin ließen sie in Jerusalem und in allen Städten der Israeliten ausrufen: »Geht hinaus auf die Berge und holt Zweige vom Olivenbaum und vom wilden Ölbaum, Myrten- und Palmenzweige und solche von anderen Laubbäumen, um daraus Laubhütten zu bauen, wie es das Gesetz vorschreibt.« Da zogen die Menschen hinaus und holten Zweige und bauten daraus Laubhütten auf den Dächern ihrer Häuser, in ihren Höfen, in den Höfen des Hauses Gottes und auf den Plätzen vor dem Wassertor und dem Ephraimtor. Die ganze Versammlung, die aus der Gefangenschaft zurückgekehrt war, errichtete sich Laubhütten und wohnte darin. Dies hatten die Israeliten seit der Zeit Josuas, des Sohnes von Nun, nicht mehr getan bis zu diesem Tag. Überall herrschte große Freude. An jedem Tag des Festes, vom ersten bis zum letzten, wurde aus dem Gesetzbuch Gottes vorgelesen, und sie feierten sieben Tage lang.“ (Nehemia 8) Drei Geschichten. Geschichten vom Warten, vom Aushalten, von der Sehnsucht – und schließlich von der Erfüllung. Vom Glück. Von purer, ungetrübter Freude und tiefem Jubel. Warum heute Nehemia 8 als Predigttext? Am Donnerstag, also vor drei Tagen, stammte die Tageslosung aus Nehemia 8: „Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke!“ Ich habe daraufhin Nehemia 8 vollständig gelesen – und gerade mit Blick auf unser Gemeindeforum einen Tag später haben mich diese Worte gepackt und tief angerührt. Ich möchte mit Ihnen teilen, welche Punkte mich vor allem bewegt und in mir eine tiefe Sehnsucht geweckt haben: - - In Vers 1 heißt es: „Und als der siebte Monat herankam, versammelte sich das ganze Volk wie ein Mann auf dem Platz vor dem Wassertor.“ Das ganze Volk, die ganze Gemeinde wie ein Mann. Wie eine Einheit. Ein Herz und eine Seele. Zumindest für den Moment. Für eine kleine Weile von mehreren Tagen oder Wochen. Das ersehne ich von Gott auch für unsere Gemeinde. In Vers 6 heißt es: „Esra lobte den Herrn, den großen Gott, und das ganze Volk antwortete: »Amen! Amen!« und alle hoben die Hände zum Himmel. Dann knieten sie sich nieder, und mit dem Gesicht zur Erde beteten sie den Herrn an.“ Die tiefe Einheit der Gemeinde in diesen außergewöhnlichen Tagen und Wochen zeigte sich nicht nur im Bereich des menschlichen Miteinanders (im sozialen Bereich), sondern gerade und vor allem auch im geistlichen Bereich. Was das Volk, was die Gemeinde verband, war die tiefe Sehnsucht nach Gott und nach seinem Wort. Das Ausgehungert-Sein nach Gott. Und dann der tiefe Jubel, als - - - Gott sich zeigte und sein Wort laut wurde. Das ersehne ich von Gott auch für unsere Gemeinde. In V. 10 rufen die Verantwortlichen dem Volk zu: „Geht und feiert ein Fest mit köstlichem Essen und süßen Getränken und teilt eure Speisen mit denen, die nichts vorbereitet haben. Denn dies ist ein heiliger Tag für unseren Herrn. Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke!“ Ein spontanes, rauschendes, mit Freude vollgepacktes Fest – dessen Anlass ausschließlich Gott selbst ist. Gott selbst und die Tatsache, dass er redet. Ein solches Fest, einen solchen Anlass, den nur Gott selbst schaffen kann, ersehne ich von Gott auch für unsere Gemeinde. In V. 14 und V. 16 heißt es: „Im Gesetz, das der Herr durch Mose gegeben hatte, fanden sie geschrieben, dass die Israeliten während des Festes im siebten Monat in Laubhütten wohnen sollten. (…) (16) Da zogen die Menschen hinaus und holten Zweige und bauten daraus Laubhütten auf den Dächern ihrer Häuser, in ihren Höfen, in den Höfen des Hauses Gottes und auf den Plätzen vor dem Wassertor und dem Ephraimtor. (17) Die ganze Versammlung, die aus der Gefangenschaft zurückgekehrt war, errichtete sich Laubhütten und wohnte darin. Dies hatten die Israeliten seit der Zeit Josuas, des Sohnes von Nun, nicht mehr getan bis zu diesem Tag. Überall herrschte große Freude.“ Hier berührt mich, dass die Menschen in der Bibel eine Anweisung finden, diese Anweisung ohne große Diskussion einfach umsetzen – und spüren, wie lebensspendend und gemeinschaftsstiftend Gottes Anweisungen sein können. Das Wort Gottes einfach mal nehmen und umsetzen. Und dann darüber jubeln, dass es gute Worte und Gebote sind. Das ersehne ich von Gott auch für unsere Gemeinde. Und schließlich in V. 18: „An jedem Tag des Festes, vom ersten bis zum letzten, wurde aus dem Gesetzbuch Gottes vorgelesen, und sie feierten sieben Tage lang.“ Jeden Tag Hören und Leben aus der Bibel. Aus dem Wort Gottes. Jeden Tag eine riesige Portion Gotteswort. Tag um Tag um Tag. Und alle hören zu. Setzen sich den Worten aus. Lassen sie in ihr Herz einsickern. Das ersehne ich von Gott auch für unsere Gemeinde. Nehemia 8. Ein Sehnsuchts-Kapitel für mich mit Blick auf unsere Gemeinde. Ein Hoffnungskapitel. So etwas ist möglich. Gott kann solche Momente schaffen. Amen.
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