IKB-Kapitalmarkt-News – Ist der Euro überbewertet oder ist der aktuelle Kurs fundamental gerechtfertigt? 5. April 2016 Dr. Klaus Bauknecht [email protected] Der Unterschied bei der geldpolitischen Ausrichtung von USA und Euro-Zone könnte nicht größer sein. Die EZB weitet ihre Bilanz noch für eine unbefristete Zeit aus und drückt durch ihre Zinspolitik die Zinskurve selbst für mittelfristige Renditen ins Negative. Die Fed hingegen hält ihre Bilanz konstant und hat zumindest den Versuch gestartet, eine Zinswende einzuleiten. Aus dieser Perspektive müsste der US-Dollar gegenüber dem Euro deutlich aufwerten; das erwarten auch viele Prognostiker. Doch der Euro hält sich erstaunlich stabil. Wichtiger Treiber für den EUR/USD-Wechselkurs ist der Unterschied zwischen den langlaufenden US- und den deutschen Renditen, also das risikofreie Renditedifferenzial. Aktuell ist dies mit rund 160 bp extrem ausgeweitet, was aufgrund der unterschiedlichen Geldpolitik nicht verwunderlich ist. Dieses Differenzial deutet wiederum auf einen Aufwertungsdruck für den US-Dollar hin. Doch auch andere Treiber des Wechselkurses, wie die ansteigende Risikoaversion der Märkte, sprechen für eine US-Dollar Stärke, da in Zeiten konjunktureller Unsicherheit der Greenback als sicherer Hafen gilt. Eine der wenigen Variablen, die für einen relativ starken Euro spricht, ist die im Vergleich mit den USA deutlich niedrigere Inflationsrate in der Euro-Zone bzw. die trotz ausweitender Geldmenge und Notenbankbilanz anhaltende Furcht vor einer möglichen Deflation. Unterschiedliche Inflationsraten sind allerdings eher langfristige Treiber für die Entwicklung von Wechselkursen. Auch folgt die Inflationsrate oftmals eher dem Wechselkurs als anders herum, da eine deutliche Ab- oder Aufwertung die Inflationsentwicklung beeinflusst. Abb. 1: Zinsdifferenz zwischen US- und deutschen Anleihen; Differenz der Kerninflation zwischen USA und Euro-Zone in % 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 2005 2007 2009 2011 Zinsdifferenz 10-jähriger Anleihen 2013 2015 Inflationsdifferenz Quellen: Bloomberg; Eurostat; IKB Die US-Langfristzinsen sind Ende 2015 von 2,2 % auf aktuell 1,8 % gesunken. Verantwortlich dafür ist die zaudernde Haltung der Fed bzw. die mittlerweile klaren Signale von Fed-Präsidentin Janet Yellen, die Zinsen nur zögerlich anzuheben. Lagen die allgemeinen Erwartungen Ende 2015 bei noch rund vier Zinsanhebungen von 25 bp in 2016, so haben sie sich inzwischen auf zwei Anhebungen reduziert. Und selbst diese beiden Anhebungen dürften nur bei einer anhaltend robusten bzw. einer sich wieder aufhellenden US-Konjunktur erfolgen. Von einer ursprünglich vielleicht einmal angedachten ambitionierten USZinswende kann also keine Rede sein, was den jüngsten, wenn auch moderaten Rückgang der US-Renditen erklärt. Diese zögerliche Fed-Politik war ein Hauptgrund, warum die IKB in den letzten Jahren nie eine Parität beim EUR/USD-Wechselkurs erwartet hat. Doch der Eurokurs wird nicht nur durch die zögerlich Fed unterstützt, sondern auch durch die Konjunktur in der Euro-Zone, die sich trotz globalen Gegenwinds relativ robust zeigt. Allerdings hat diese Entwicklung bisher wenig Einfluss auf die deutschen Kapitalmarkt News Langfristzinsen, die nah an der 0 %-Grenze gehandelt werden. Deshalb verharrt das Zinsdifferenzial trotz zögerlicher Fed und sinkender US-Renditen auf einem anhaltend hohen Niveau von über 150 bp. Die Aussage der EZB, der Tiefpunkt bei den kurzfristigen Zinsen sei erreicht, mag auch für die relative Stärke des Euro verantwortlich sein. Mit dieser Aussage hat EZB-Präsident Draghi für Bewegung auf den Märkten gesorgt und die Erwartung von noch tieferen negativen Zinsen gedämpft. Wie bei der US-Zinserwartung, sollte sich diese Entwicklung bereits in den Renditen spiegeln. Doch auch, wenn das Zinsdifferenzial ein entscheidender Treiber der EUR/USD-Entwicklung darstellt, lässt sich nur unter Berücksichtigung aller bedeutenden Treiber beurteilen, ob der EUR/USD-Wechselkurs aus fundamentaler Sicht aktuell eher über- oder unterbewertet ist. Die IKB berechnet schon seit Jahren ein fundamentales Modell für den EUR/USD-Wechselkurs. Dabei handelt es sich um ein fundamentales oder Fair-Value-Modell, das den EUR/USD-Wechselkurs mit Hilfe makroökonomische Variablen prognostiziert. Das Modell gibt das Niveau des EUR/USD-Wechselkurses wider, welches auf Grund volkswirtschaftlicher Daten zu erwarten wäre. Doch gerade Devisenkurse sind bekannt dafür, dass sie überreagieren und dem Herdentrieb folgen, sodass Modellschätzungen in erster Linie nicht als Prognosen, sondern eher als Referenzwert anzusehen sind. Wenn also die Modellabweichung gravierend wäre und eine deutliche Differenz zwischen aktuellem Kurs und Fair-Value-Kurs andeuten würde, könnte dies dennoch auf Korrekturpotenzial deuten, vor allem, wenn die Modellabweichungen historisch keinen systematischen Verlauf aufweisen und das Modell deshalb auch weiterhin als repräsentativ für die Entwicklung des EUR/USDWechselkurses angesehen werden kann. Abb. 2: EUR/USD-Wechselkurs und Modellschätzung 1,6 1,5 1,4 1,3 1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 EUR/USD Fair-Value-Modell Quellen: Bloomberg; IKB Abb. 2 vergleicht den EUR/USD-Wechselkurs und die IKB Fair-Value-Modellschätzung. Für das erste Quartal 2016 ist eine Abweichung zu erkennen. Während der aktuelle Wechselkurs bei ca. EUR/USD 1,14 liegt, läge der fundamental richtige Wert bei 1,04. Nun können zwei Entwicklungen stattfinden. Entweder der Euro wertet ab oder der fundamentale Wert wertet auf. Anders gesagt, entweder der Markt korrigiert den Kurs als Folge sich verändernder Erwartungen oder die fundamentalen Treiber ändern sich, so wie es der Markt aktuell zu erwarten scheint – zum Beispiel durch eine deutliche Einengung des Zinsdifferenzials. Folglich sollte der US-Dollar erneut aufwerten, sofern die US-Wirtschaft nicht enttäuscht (US-Renditen fallen weiter) und die Euro-Zone überrascht (Inflationserwartungen und damit Renditen steigen). Da die Modellabweichung gravierend ist, ist solch eine Aufwertung sehr wohl auch kurzfristig (im zweiten Quartal) möglich. Wie ist nun die Einschätzung der IKB zum weiteren Verlauf des EUR/USD-Wechselkurses? Eine Aufwertung im Verlauf von 2016 auf oder unter Parität erachtet die Bank weiterhin als unwahrscheinlich. Die Fed wird die Zinsen kaum soweit erhöhen, dass diese Entwicklung eintritt, zumal ein aufwertender US-Dollar die Fed von weiteren Zinsanhebungen abhalten könnte. Auch sollte sich in der zweiten Jahreshälfte 2016 die Inflationsrate in der Euro-Zone etwas normalisieren und eine, wenn auch überschaubare Korrektur bei den deutschen Langfristzinsen verursachen. Denn die aktuellen Niveaus sind aufgrund der Konjunkturentwicklung in der Euro-Zone und einer zu erwartenden Inflationsrate von ca. 1 % zum Jahresende 2016 aus fundamentaler Sicht nicht nachvollziehbar. Mit einer steigenden Inflationsrate – auch wenn vor allem als Folge von Kapitalmarkt News Basiseffekten – ist mit einer gewissen Korrektur der Renditen zu rechnen, ähnlich wie im Jahr 2015. Abb. 3 zeigt die fundamentale Entwicklung des EUR/USD-Wechselkurses basierend auf den beschriebenen Annahmen. Kurzfristig ist aufgrund des Zinsdifferenzials mit einer Aufwertung des Euro zu rechnen. Eine anhaltende Aufwertung gegenüber dem USDollar ist allerdings vor allem in 2017 nicht zu erwarten. Abb. 3: Fundamentalentwicklung US-Dollar 1 Euro in US-Dollar 1,6 Prognose 1,5 1,4 1,3 1,2 1,1 1,0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 1 Euro in US-Dollar Quellen: Bloomberg; IKB Fazit: Trotz eines ausweitenden Zinsdifferenzials als Folge der divergierenden Geldpolitik von Fed und EZB konnte der Euro gegenüber dem US-Dollar in jüngster Zeit Boden gut machen. Das Fair-Value-Modell der IKB deutet allerdings darauf hin, dass diese Entwicklung nicht durch die aktuell fundamentalen Treiber des EUR/USD-Wechselkurses erklärt werden kann. Das Fair-Value-Gap, also der Unterschied zwischen eigentlichem und fundamental berechneten Wechselkurs, kann sich durch eine Aufwertung des US-Dollar ebenso schließen wie durch sich verändernde volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen. Basierend auf den IKB-Annahmen bzgl. Zins- und Inflationsentwicklung in 2016 ist jedoch eher von einer kurzfristigen Korrektur des Wechselkurses auszugehen. Nachhaltig sollte diese Aufwertung des US-Dollar allerdings nicht sein, sofern Inflation und Konjunktur der Euro-Zone sich in 2017 zunehmend festigen und die Fed weiterhin eher zögerlich agiert. Ansonsten wäre das aktuelle Aufwertungspotenzial des US-Dollar unter Umständen größer. 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