Weltwirtschaft benötigt schwächeren US-Dollar

IKB-Kapitalmarkt-News – Weltwirtschaft benötigt schwächeren US-Dollar
13. Januar 2016
Dr. Klaus Bauknecht
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Schwellenländer, Rohstoffpreise und US-Dollar
Der unaufhörliche Druck auf die Rohstoffpreise im Allgemeinen und den Ölpreis im Besonderen sorgt für anhaltenden
Abwertungsdruck sowie eine Eintrübung der wirtschaftlichen Aussichten vieler Schwellenländer. Diese Entwicklung wird durch
den starken US-Dollar noch verstärkt. Abwertung und schwache Rohstoffpreise setzen zudem die Finanzen der Schwellenländer unter Druck, was den Abwertungsdruck verstärkt. Für Währungen, die an den US-Dollar gekoppelt sind, ergibt sich
hingegen eine drastische Währungsaufwertung gegenüber anderen Ländern, was ebenfalls negative Konsequenzen für die
Konjunktur der betroffenen Länder mit sich bringt. So fällt es Ländern wie China immer schwerer, bei sich eintrübenden
konjunkturellen Aussichten die durch die Bindung zum US-Dollar vorangetriebene allgemeine Aufwertung der Währung zu
tolerieren. Manche Länder wie Aserbaidschan haben ihre feste Bindung zur US-Währung bereits aufgegeben und dadurch
eine deutliche Abwertung eingeleitet.
Tabelle 1: Wechselkursveränderungen zum US-Dollar, in %
02.Jan. 2015 04. Jan. 2016 31. Dez. 2015
11. Jan. 2016
Brasilien
-47,0
0,2
Tabelle 2: BIP-Entwicklung und Ausblick, in % ggü. Vorjahr
BIP - Ø
2015E
2016P
2010 -2014
Brasilien
3,2
-3,0
-1,0
Südafrika
-32,5
-6,0
Südafrika
2,4
1,4
1,3
Türkei
-24,4
-1,9
Türkei
5,4
3,0
2,9
Malaysia
-22,1
-0,9
Malaysia
5,8
4,7
4,5
Russland
-24,0
-3,1
Russland
2,8
-3,8
-0,6
Kanada
-17,3
-1,1
Kanada
2,5
1,0
1,7
Norwegen
-16,6
-0,1
Norwegen
1,5
0,9
1,3
Mexiko
-16,1
-2,9
Mexiko
3,3
2,3
2,8
Argentinien
-51,2
-5,2
Argentinien
4,4
0,4
-0,7
Neuseeland
-13,9
-2,8
Neuseeland
2,4
2,2
2,4
Indonesien
-9,9
0,6
Indonesien
5,8
4,7
5,1
Australien
-11,0
-2,4
Australien
2,7
2,4
2,9
Euro-Zone
-10,5
0,7
Euro-Zone
0,7
1,5
1,6
China
-4,4
-0,6
China
8,6
6,8
6,3
Indien
-4,5
-0,3
Indien
7,2
7,3
7,5
Quellen: B lo o mberg; IKB
Quellen: IWF; IKB
Grundsätzlich wird eine Abwertung als wachstumsfördernd für ein Land gesehen. Doch dies gilt nur dann, wenn die Nachfrage
nach den Exportgütern eines Landes preissensitiv ist. Dies mag sicherlich in China, dessen Exporte hauptsächlich
Massenware darstellen und eine hohe Preissensitivität haben, der Fall sein. Exportiert ein Land jedoch hauptsächlich
Rohstoffe, so bringt eine Abwertung der eigenen Währung keine Veränderung in der Nachfrage, da Rohstoffpreise generell in
US-Dollar notiert sind und die meisten Länder keine Monopolstellung in der Produktion von Rohstoffen besitzen. Rohstoffproduzenten erhöhen bei abwertender Währung ihren nominalen Umsatz in der lokalen Währung, was den Kostendruck etwas
mildern kann. Mittelfristig bewirkt eine Abwertung zum US-Dollar jedoch eine höhere Inflation, vor allem für Schwellenländer,
die Importe durch lokale Produkte nur schwer ersetzen können. So sorgt die deutliche Abwertung der rohstoffexportierenden
Länder vor allem für erhöhte soziale Konflikte aufgrund sinkenden Wohlstands in den Schwellenländern. Zwar ist als Folge von
niedrigen Rohstoffpreisen ein Anpassungsprozess hin zu einer höheren Wertschöpfung in der Wirtschaft wünschenswert.
Kurzfristig findet der Anpassungsprozess jedoch in erster Linie durch eine Senkung des Lebensstandards statt. Rohstoffimportierende Länder – das sind überwiegend entwickelte Länder – erfahren hingegen einen steigenden Lebensstandard, da
sinkende Inflation das reale Vermögen bzw. Einkommen steigert. Bei gleichen Exporten können hier durch den Preisverfall der
Rohstoffe Import- bzw. Konsumvolumen zunehmen, während Schwellenländer ihren Konsum den sinkenden Rohstoffeinnahmen anpassen müssen. Um die Nachfrage in den Schwellenländern und damit auch die Exportmärkte von entwickelten
Ländern zu stabilisieren, sind aufwertende Währungen bzw. steigende Rohstoffpreise wünschenswert.
Kapitalmarkt News
Abwertende Devisenkurse von Schwellenländern und eine hohe Volatilität der Rohstoffpreise gab es auch schon früher.
Dennoch ist die Bedeutung der aktuellen Entwicklung für das globale Wachstum nicht zu unterschätzen; denn durch die
sinkenden Rohstoffpreise findet eine Umverteilung von Wachstumsimpulsen von hohem potenziellem Wachstum der
Schwellenländer hin zu Ländern mit einem niedrigen potenziellen Wachstum statt, welches seit der Finanzkrise und aufgrund
von Strukturproblemen noch weiter gesunken ist. Die Schwellenländer waren der Wachstumstreiber nach der Krise, vor allem
wegen ihres hohen potenziellen Wachstums. Nun sprechen die Rahmenbedingungen eher für die industrialisierten Länder.
Diese haben zwar ein relativ hohes Gewicht in der Weltwirtschaft, bedeutende Wachstumsimpulse sind dort aufgrund hoher
Schuldenquoten und schwacher Binnennachfrage jedoch nicht zu erwarten. So haben die niedrigen Rohstoffpreise bzw. der
Wachstumseinbruch der Schwellenländer einen höheren negativen Einfluss auf die Weltkonjunktur als dies womöglich vor der
Finanzkrise der Fall war.
Ein aufwertender US-Dollar hat zwar wegen des niedrigen Offenheitsgrads der USA nur einen überschaubaren Einfluss auf
das US-Wachstum, für die Weltwirtschaft und die seit der Finanzkrise bedeutende Rolle der Schwellenländer scheint er jedoch
hoch zu sein. Außerdem belastet der starke US-Dollar die Exportwirtschaft Chinas, vor allem was Exporte der zweitgrößten
Volkswirtschaft in Drittländer angeht, deren Währungen oftmals an den US-Dollar gebunden sind. Diese Entwicklung wird
durch die Verunsicherung auf den Finanzmärkten bzgl. einer möglichen Abwertung des Renminbi gegenüber dem US-Dollar
noch verstärkt. So bringt eine anhaltend aufwertende US-Währung viele Länder in eine prekäre Situation.
Chinesische Industrie und die Bindung des Renminbi an den US-Dollar
Im Gegensatz zu der Entwicklung in den Rohstoffländern könnte eine Abwertung des Renminbi bzw. eine Abkehr von der
Bindung an den US-Dollar die Exportnachfrage nach chinesischen Industriegütern stärken. Eine mögliche Abwertung der
chinesischen Währung durch die chinesische Notenbank sollte demnach nicht überraschen. Noch verfolgt die chinesische
Regierung einen „dirty float“, d. h. sie versucht, eine gewisse Kursbindung zum US-Dollar aufrecht zu erhalten. Mit der
Aufwertung des US-Dollar vor allem gegenüber Schwellenländern aber auch zum Euro hat der Renminbi jedoch gegenüber
Drittländern deutlich aufgewertet. Aktuell benötigen die chinesische Konjunktur und insbesondere die Industrie jedoch eher
eine Abwertung. So steigt die Sorge, dass die chinesische Notenbank den Wechselkurs mehr und mehr als geldpolitisches
Instrument nutzen wird, sofern die chinesische Konjunktur weiterhin enttäuscht. Dies zeigt sich am frei gehandelten RenminbiDevisenkurs in Hong Kong, der in jüngster Zeit oftmals eine hohe Diskrepanz zum offiziellen Kurs der PBoC aufweist. Sollte
sich die chinesische Konjunktur weiter eintrüben bzw. sollte die Industrieproduktion weiter enttäuschen, ist sehr wohl mit einer
Abwertung zu rechnen; es sei denn, der US-Dollar zeigt sich in 2016 schwächer und erlaubt eine Abwertung des Renminbi
gegenüber wichtigen chinesischen Handelspartnern.
Abb. 1: Chinesische Industrieproduktion und Realer effektiver Wechselkurs des Renminbi
20
135
130
125
15
120
115
110
10
105
100
95
5
2008
90
2009
2010
2011
Chinesische Industrieproduktion, in %
2012
2013
2014
2015
Realer effektiver Wechselkurs, Index 2010=100 (r.Skala)
Quellen: Bloomberg; BIS; IKB
Die chinesischen Devisenreserven schrumpfen, aber warum? Die PBoC muss ihre Währung durch US-Dollar-Verkäufe
stützen. Ebenso wie vorherige US-Dollar-Abwertungen zu einem Aufkauf von US-Dollar und einer Erhöhung der Geldmenge in
China geführt haben, tritt nun ein Umkehrprozess ein. Die konjunkturellen wie auch strukturellen Herausforderungen würden
allerdings eher für einen schwächeren Renminbi sprechen, was gegen die Glaubwürdigkeit der aktuellen Stützungsmaßnahmen spricht. Dies zeigt sich auch an der erhöhten Besorgnis der Finanzmärkte bezüglich der weiteren Politik der PBoC. Ein
Kapitalmarkt News
schwächerer US-Dollar wäre somit im Interesse der globalen bzw. chinesischen Finanzmarktstabilität und würde die
Spekulation über einen möglichen Abwertungswettlauf reduzieren.
US-Wirtschaftspolitik und die Rolle des US-Dollar
Das BIP der USA wächst nicht über Exporte, sondern vor allem über den privaten Konsum. Die US-Dollar-Aufwertung und vor
allem der niedrige Ölpreis belasten die US-Industrie. Diese hat allerdings nur einen geringen Anteil am BIP (rund 12 %)
verglichen mit rund 70 % im Falle des privaten Konsums. Trotzdem haben die US-Industrie und vor allem der US-Dollar einen
bedeutenden Einfluss auf die US-Wirtschaftspolitik. Dies ist historisch belegbar: Schwächelt die US-Wirtschaft, häufen sich die
Stimmen, die für eine Schwächung des US-Dollar eintreten, um die US-Industrie zu schützen. Dies mag vor allem in einem
Wahljahr ein Thema werden. Doch auch die Fed äußert sich immer wieder besorgt über den Außenwert des US-Dollar und die
globale Finanzstabilität, wie das jüngste Protokoll der FOMC-Sitzung erneut dokumentiert. Dies stützt die Erwartung, dass die
US-Zinsanhebungen eher moderat und womöglich enttäuschend verlaufen werden, damit es zu keiner weiteren Aufwertung
des US-Dollar kommt.
Aktuell mag viel Unsicherheit auf den Devisen- und Finanzmärkten herrschen. Doch das deutet nur darauf hin, dass der
Aufwertungsdruck des US-Dollar nachlassen wird. Dies sollte auch die Rohstoffpreise stütze. Eine mögliche Schwächephase
der US-Wirtschaft würde den Druck auf den US-Dollar zusätzlich erhöhen, und so wird der US-Dollar nicht als Folge von
weiteren Fed-Zinsanhebungen aufwerten und auch gegenüber dem Euro mittelfristig unter Parität gehen. Es ist der relativ
starke US-Dollar und dessen Implikationen, die die Fed von ambitionierten Zinsanhebungen fernhalten sollten.
Abb. 2: Bloomberg US-Dollar Spot Index
Dezember 2004 = 1000
1300
1250
1200
1150
1100
1050
1000
950
900
850
800
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Quellen: Bloomberg; IKB
Fazit: Mit der eingeleiteten Fed-Zinswende festigen sich die Erwartungen einer anhaltenden US-Dollar-Stärke. Der
Weltwirtschaft wäre jedoch mit einem schwächeren US-Dollar mehr geholfen; denn dies würde die Rohstoffpreise stützen und
die Währungen von rohstoffreichen Schwellenländern stabilisieren bzw. aufwerten lassen, was wiederum deren Konjunktur
zugutekommen würde. Aufgrund der Bindung des Renminbi an den US-Dollar würde sich vor allem die chinesische Industrie
leichter tun.
Für die Euro-Zone wäre eine Schwächung des US-Dollar nicht unbedingt von Nachteil, da sich die Exportmärkte in
Schwellenländern stabilisieren würden, dies könnte zu einer Aufwertung ihrer Währungen gegenüber dem Euro führen. Für die
USA ist ein schwacher US-Dollar ebenfalls nicht von Nachteil, auch wenn der Einfluss auf die Realwirtschaft wegen des
geringen Offenheitsgrades der US-Wirtschaft eher überschaubar ist.
Der politische Druck auf die US-Währung wird im US-Wahljahr eher zunehmen, zumal sich die Fed bereits jetzt Sorgen über
einen zu starken Greenback macht. Deshalb erwartet die IKB, dass der US-Dollar generell nicht weiter aufwerten wird; denn
die US-Zinsanhebungen der Fed werden wegen der Sorge um die US-Konjunktur hinter den Erwartungen bleiben.
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13. Januar 2016
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