Entstehung und Geltendmachung ausgenommener

14
ZInsO-Aufsätze
walter erhält nach dieser Ansicht 15 % der Vergütung des Insolvenzverwalters. Vornehmlich wird dies damit begründet,
dass der Gesetzgeber dem vorläufigen Sachwalter andere,
nur einen ganz geringen Teil der typischen Aufgaben eines
vorläufigen Insolvenzverwalters entsprechende Tätigkeiten
zugewiesen habe. Unter Berücksichtigung des Aufwands bei
der weitgehend passiven Aufgabenwahrnehmung und der
sich damit auch entsprechenden vermindernden Haftungsrisiken sei die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters
daher deutlich anders und entsprechend höher zu bewerten.
Es spricht vieles dafür, diese Streitfrage im Sinne der zuletzt
genannten Auffassung zu lösen, da sie dem tatsächlichen
engen Aufgabenfeld des vorläufigen Sachwalters gegenüber
der weiten Aufgabenwahrnehmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters entspricht und eine doppelte Analogie zu § 63
Abs. 3 Satz 2 InsO, § 12 Abs. 1 InsVV für die Vergütung des
vorläufigen Sachwalters, insbesondere im Verhältnis zu dem
vorläufigen Insolvenzverwalter sowie Wertungswidersprüche
vermeidet.90 Letztlich ist davon auszugehen, dass die weitgehende Identität der Überwachungsaufgaben eines vorläufigen
und eines endgültigen Sachwalters auch in dieser Form die
jeweils beschränkte Dauer des Eröffnungsverfahrens und des
sich daran anschließenden eröffneten Verfahrens proportional
in ein angemessenes Verhältnis zueinander setzt. Nur durch
eine auf die Besonderheiten der Eigenverwaltung abstellende,
eigenständige und durchaus restriktive Handhabung im Sinne des Gesetzgebers lässt sich letztlich auch vermeiden, dass
über eine doppelte Analogie die massive Fehlentwicklung im
ZInsO 1/2/2016
Rahmen der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters
auch Eingang in die vergütungsrechtlichen Regelungen der
Eigenverwaltung als eines Verfahrens sui generis findet.91
VII. Ergebnis und Ausblick
Das verwalterlose Verfahren der Eigenverwaltung erfordert
eine diesen spezifischen Besonderheiten gerecht werdende vergütungsrechtliche Betrachtung. Dabei sind die in den
§§ 1 – 9 InsVV vorhandenen Regeln eines verwalterbezogenen Insolvenzverfahrens nur rudimentär auf die Eigenverwaltung übertragbar. Dies gilt sowohl für die anders zu
bestimmende Berechnungsgrundlage der Vergütung in der
Eigenverwaltung wie für die Nichtanwendbarkeit des Regelungskerns der §§ 3 – 6 InsVV. An deren Stelle treten vielmehr die für das verwalterlose Verfahren spezifischen Regelungen des § 12 InsVV. Insbesondere die Insolvenzgerichte
sind dazu berufen, sich auch insoweit auf das neue Recht
wirklich einzulassen und nicht in alte Denk- und Entscheidungsmuster zu verfallen. Ein verwalterloses Insolvenzverfahren lässt sich weder über Analogien noch die Übertragung
von Handlungsmustern aus klassischen verwalterbezogenen
Insolvenzverfahren angemessen vergütungsrechtlich erfassen, sondern nur aus sich selbst heraus.
90 In diesem Sinne zuletzt auch Deutschbein, ZInsO 2015, 1957, 1959.
91 Vgl. dazu umfassend Haarmeyer/Mock (Fn. 5), § 11 Rn. 8 ff.
Entstehung und Geltendmachung ausgenommener Forderungen im Insolvenzverfahren
Anmerkung zu OLG Braunschweig, Beschl. v. 26. 2. 2014 – 7 U 54/12
von Richter am Bundesgerichtshof Dr. Gerhard Pape, Göttingen/Karlsruhe*
Gläubiger von Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen haben gem. § 174 Abs. 2 InsO die Möglichkeit, ihren Anspruch mit dem Attribut der deliktischen Handlung anzugeben, um im Fall der Erteilung der Restschuldbefreiung gem. § 302 Nr. 1 InsO ihren Anspruch weiter gegen den Schuldner als ausgenommene Forderung durchsetzen
zu können. Insoweit gibt es inzwischen eine umfangreiche Rechtsprechung des BGH, welche die Grundbedingungen näher
bestimmt, unter denen betroffene Gläubigern ihre Rechte im Insolvenzverfahren wirkungsvoll wahrnehmen können.1 Ungeachtet dieser eigentlich klaren und eindeutigen Rechtslage belegt ein Beschluss des OLG Braunschweig v. 26.2.2014, in
dem das OLG die Berufung des Schuldners gegen eine verurteilende Entscheidung eines LG auf Schadensersatz trotz nicht
angemeldeter Forderung und erteilter Restschuldbefreiung als offensichtlich aussichtslos einstimmig nach § 522 Abs. 2
ZPO zurückgewiesen hat, dass immer noch mangelnde Verständnis für die Einordnung von Ansprüchen aus vorsätzlich
begangener unerlaubter Handlung und die fehlende Kenntnis der Wirkungen der Restschuldbefreiung, die sich aus § 301
InsO ergeben.2 Dieses erkennbare Fehlverständnis gibt Anlass, auf die Problematik der Anmeldung und Durchsetzung ausgenommener Forderungen näher einzugehen.
I. Sachverhalt: Nichtanmeldung der Ansprüche
aus vorsätzlich begangener unerlaubter
Handlung/Klage gegen den Schuldner persönlich in der Wohlverhaltensphase
Dem Beschluss,3 der Anlass für die nachfolgenden Hinweise gibt, lag – knapp zusammengefasst – folgender Sachverhalt zugrunde:
* Der Verfasser ist Mitglied des u.a. für das Insolvenzrecht zuständigen
IX. Zivilsenats des BGH, der Beitrag gibt ausschließlich eigene Auffassungen des Autors wieder.
1Vgl. Pape, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch Insolvenzverwaltung,
9. Aufl., Kap. 17, Rn. 333 ff. m.v.N.
2Vgl. Pape, in: Pape/Uhländer, InsO, § 301 Rn. 5 ff.
3 OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.2.2014 – 7 U 54/12 JurionRS 2015,
34096; Vorinstanz LG Braunschweig, Urt. v. 29.7.2012 – 4 O 2427/11, n.v.
Unauthenticated
Download Date | 3/29/16 11:44 AM
ZInsO 1/2/2016
ZInsO-Aufsätze
Der beklagte Schuldner, der einen Kfz-Handel unterhielt,
schloss mit der klagenden Leasinggesellschaft einige Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen einen Leasingvertrag über ein Kfz ab, das kurze Zeit
nach Vertragsschluss ausgeliefert wurde. Die vereinbarten
Leasingraten blieb er der Klägerin von Beginn an schuldig.
Nach der etwa 3 Monate später erfolgten Kündigung des
Leasingvertrags gab die Klägerin vergeblich die Sicherstellung des Fahrzeugs in Auftrag. Der Beklagte behauptete
zwar, das Fahrzeug sei ihm wenige Tage vor dem Sicherstellungsversuch gestohlen worden. Tatsächlich hatte er die
Fahrzeugidentifikationsnummer aber verfälscht und das Kfz
mit einem Brief, den er bei dem Erwerb eines Unfallfahrzeugs gleichen Typs von einer Versicherung bekommen
hatte, an einen gutgläubigen Dritten für einen Betrag von
30.000 € veräußert.
Etwa 1 1/2 Monate nach dieser Veruntreuung des Fahrzeugs
Ende August 2007 eröffnete das Insolvenzgericht auf Antrag des Beklagten, der auch einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hatte, das Insolvenzverfahren über dessen
Vermögen. In diesem Verfahren meldete die Klägerin weder ihre Ansprüche aus der Abrechnung des gekündigten
Leasingvertrags noch ihren Schadensersatzanspruch wegen
der Unterschlagung des Fahrzeugs an. Sie war der Auffassung, das Verfahren betreffe ihre Forderungen nicht, weil
diese nicht fällig und klagbar geworden seien, bevor nicht
in einem Rechtsstreit mit dem Käufer dessen gutgläubiger
Erwerb festgestellt worden sei.
Erst gut 2 Jahre später, Ende 2009, ließ sich die Klägerin
von dem Käufer auf Herausgabe des Kfz-Briefs für das vom
Beklagten erworbene Fahrzeug gerichtlich in Anspruch nehmen und verkündete in diesem Rechtsstreit dem Beklagten
persönlich den Streit, um die Verjährung eventueller Schadensersatzansprüche zu verhindern. Nach rechtskräftiger
Verurteilung der Klägerin zur Herausgabe des Kfz-Briefs an
den gutgläubigen Käufer Ende Dezember 2010 erhob diese
im Oktober 2011 beim LG Klage gegen den Schuldner, mit
der sie ihn u.a. auf Ausgleich des Werts des Fahrzeugs zum
Zeitpunkt der Veräußerung an den gutgläubigen Erwerber
i.H.v. 38.500 € sowie auf Feststellung des Vorliegens einer
vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in Anspruch
nahm.
Dem Schuldner war zwischenzeitlich im Februar 2011 mangels Versagungsanträgen von Gläubigern im Schlusstermin
die Restschuldbefreiung gem. § 291 InsO angekündigt und
das Insolvenzverfahren aufgehoben worden. Nach erstinstanzlicher Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von
38.500 € und Feststellung der Haftung aus vorsätzlicher
unerlaubter Handlung wurde dem Beklagten nach Ablauf
der Wohlverhaltensphase Anfang November 2013 die Restschuldbefreiung endgültig erteilt. Ungeachtet dieser ihm
bekannten Tatsache wies das OLG nach Hinweis auf die
vermeintliche Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels die Berufung des Beklagten im Februar 2014 einstimmig zurück.
15
II. Entscheidungen: Hemmung der Verjährung
durch dem Schuldner persönlich erklärte
Streitverkündung/Annahme einer von der
Restschuldbefreiung nicht erfassten Neuforderung durch das Berufungsgericht
Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Vorinstanz im Wesentlichen ausgeführt:
Die Forderung der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz wegen der Verletzung ihres Eigentumsrechts an
dem verkauften Fahrzeug sei – anders als der mit der Klage
ebenfalls geltend gemachte Anspruch aus der Abrechnung
des Leasingvertrags – nicht verjährt. Es könne dahingestellt
bleiben, ob die Verjährungsfrist schon im Jahr 2007 oder
erst im Jahr 2011 zu laufen begonnen habe. Selbst wenn die
Verjährungsfrist schon Ende 2007 in Gang gesetzt worden
sei, habe die 2010 erfolgte Streitverkündung hinsichtlich
des Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB zu einer Hemmung
geführt, sodass der Anspruch bei Erhebung der Klage noch
nicht verjährt gewesen sei. Der Feststellungsantrag sei zulässig, weil die Klägerin im Hinblick auf ein künftig mögliches weiteres Insolvenzverfahren ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Feststellung habe. Seine Begründetheit ergebe sich aus der unerlaubten Handlung des Beklagten bei
der Veruntreuung des Fahrzeugs, die auf § 823 Abs. 1 BGB,
§ 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 246 oder § 263
StGB gestützt werden könne.
Die Erteilung der Restschuldbefreiung stehe der Verteilung
des Beklagten und der Begründetheit des Feststellungsantrags nicht entgegen, denn die Klägerin habe keine Möglichkeit gehabt, ihre Forderung in dem 2007 eröffneten
Insolvenzverfahren anzumelden. Die Entstehung des Anspruchs sei davon abhängig gewesen, ob ein durchsetzbarer Herausgabeanspruch gegen den Käufer bestanden habe.
Bis zur Klärung der Frage in dem Urteil v. Dezember 2010,
ob der Käufer gut- oder bösgläubig gewesen sei, hätte die
Klägerin allenfalls einen Feststellungsanspruch zur Tabelle
anmelden können, was jedoch unzulässig sei. Angemeldet
werden müsse ein bezifferter Anspruch. Hinsichtlich der auf
vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung gestützten Forderung sei von Neuschulden auszugehen, welche nicht unter
die Vorschrift des § 302 Nr. 1 InsO fielen.
III. Anmerkungen: Verkennung der Voraussetzungen für die Entstehung von Insolvenzforderungen/Fragwürdigkeit der Verjährungshemmung/Erfassung des Anspruchs auf
Schadensersatz durch die Restschuldbefreiung
Diese Ausführungen können nicht unkommentiert stehen
bleiben. Sie sind weder mit den gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung von Insolvenzforderungen i.S.d.
§ 38 InsO noch mit den Grundsätzen für die Anmeldung
von Insolvenzforderungen gem. §§ 174 ff. InsO und schon
gar nicht mit den Wirkungen der Restschuldbefreiung nach
Unauthenticated
Download Date | 3/29/16 11:44 AM
16
ZInsO-Aufsätze
§ 301 InsO zu vereinbaren. Ganz erheblichen Zweifeln
begegnet auch die in den Entscheidungen von Land- und
Berufungsgericht ohne nähere Begründung vertretene Auffassung, während des laufenden Insolvenzverfahrens könne ohne die gem. § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB zur Hemmung
der Verjährung führende Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren4 die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6
BGB gehemmt werden, indem dem Schuldner persönlich
in einem Rechtsstreit mit einem Dritten der Streit verkündet
werde. Auch die einstimmige Zurückweisung der Berufung
wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit nach § 522 Abs. 2
ZPO erscheint im Blick auf die vielfältigen Abweichungen
von der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung
nicht angemessen. Die Anwendung des § 522 Abs. 2 ZPO
scheidet aus, wenn ein Berufungsgericht – wie hier – in
einer Vielzahl von Punkten von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichen will, weil dann
eine Divergenz vorliegt, die eine Zurückweisung durch Beschluss ausschließt5 und zur Zulassung der Revision zwingt.
I.Ü. darf im Fall der offensichtlichen Erfolgsaussicht des
Rechtsmittels, wie sie vorliegend gegeben war, eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht erfolgen, die Zurückweisung setzt voraus, dass von vornherein jegliche Aussicht auf Erfolg fehlt.6
1. Zulässigkeit der Leistungsklage gegen den
Schuldner in der Wohlverhaltensphase
Im Hinblick auf den Umstand, dass sich der Beklagte seit
Aufhebung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen
im Februar 2011 in der Wohlverhaltensphase befand, wäre
es zunächst einmal angebracht gewesen, der Frage nachzugehen, ob während des Laufs der Abtretungszeit überhaupt
eine Leistungsklage gegen den Schuldner zulässig ist. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage könnten sich zwar
nicht mehr aus § 87 InsO ergeben, weil die Erhebung einer
Leistungsklage durch Insolvenzgläubiger nach dieser Vorschrift nur während des eröffneten Verfahrens ausgeschlossen ist.7 Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens während
der Wohlverhaltensphase könnte sich ein Verbot für die Insolvenzgläubiger, ihre Ansprüche klageweise durchzusetzen, aber aus dem Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1
InsO ergeben, der Zwangsvollstreckungen dieser Gläubiger
zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem
Ende der Abtretungszeit verbietet.8 Letztlich steht diese
Vorschrift nach h.M. einer zulässigen Klageerhebung allerdings nicht entgegen, solange die spätere Erteilung der
Restschuldbefreiung noch offen ist: Ein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Geltendmachung schon während
der Wohlverhaltensphase sei gegeben, weil die Restschuldbefreiung noch versagt oder nach § 303 InsO widerrufen
werden könne und die Vollstreckung aus dem Titel dann
zulässig sei.9
Erwähnenswert wäre diese Problematik aber in jedem Fall
gewesen, wenn man – wie vorliegend das OLG – meint, es
komme nicht darauf an, ob der Zahlungsanspruch der Klägerin als Neuforderung an dem Insolvenzverfahren nicht
teilnehme oder bereits mit dem unberechtigten Verkauf des
ZInsO 1/2/2016
Fahrzeugs im Juli 2007 entstanden sei. Handelte es sich tatsächlich um eine Neuverbindlichkeit, stünde § 294 InsO der
Klageerhebung allerdings von vornherein nicht entgegen,
weil § 294 Abs. 1 InsO nur die Forderungen von Insolvenzgläubigern – egal, ob sie ihre Forderung im Verfahren angemeldet haben oder nicht – betrifft.10 Ginge es um eine
Insolvenzforderung, hätten sich die Vorinstanzen aber mit
§ 294 Abs. 1 InsO auseinandersetzen müssen.
2. Einstufung des Anspruchs auf Schadensersatz
als Insolvenzforderung
Noch bemerkenswerter als die fehlende Auseinandersetzung mit der Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für eine
Leistungsklage während der Wohlverhaltensphase ist allerdings die in dem Urteil des Berufungsgerichts vertretene
Auffassung, der Schadensersatzanspruch der Klägerin stelle
keine Insolvenzforderung, sondern eine erst nach Verfahrenseröffnung entstandene Neuforderung dar, bzgl. derer
eine Anmeldung zur Insolvenztabelle ausscheide.
Diese Ansicht ist mit dem allgemeinen Verständnis des
§ 38 InsO, nach welchem Insolvenzgläubiger die persönlichen Gläubiger sind, die einen zzt. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen
den Schuldner haben, schlechthin unvereinbar. Eine Insolvenzforderung in diesem Sinne liegt nach der st. Rspr. des
BGH dann vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand
schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich
eine Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn
des Insolvenzverfahrens ergeben. Nur die schuldrechtliche
Grundlage des Anspruchs muss schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein. Unerheblich ist, ob die
Forderung selbst schon entstanden oder fällig ist.11 Die Fälligkeit der Forderung spielt – anders als das OLG meint –
keine Rolle, sie tritt nach § 41 Abs. 1 InsO mit der Verfahrenseröffnung von Gesetzes wegen ein.12 Dies gilt ohne
Weiteres auch für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen,
sofern die Tatzeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
lag.13 Forderungen auf Ausgleich aller auf dieser Grundlage ersatzfähigen Schäden sind Insolvenzforderungen, auch
4Vgl. Pape/Schaltke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2014, § 174 Rn. 75.
5Prütting/Gehrlein/Lemke, ZPO, 6. Aufl., § 522 Rn. 32.
6Vgl. Musielak/Ball, ZPO, § 522 Rn. 21 f.
7Vgl. Engels, in: Pape/Uhländer (Fn. 2), § 87 Rn. 7; Jaeger/Windel, InsO,
§ 87 Rn. 7.
8 S. zum Anwendungsbereich des § 294 InsO Pape (Fn. 2), § 294 Rn. 12 ff.
9 BGH, Urt. v. 18.11.2011 – IX ZR 67/10, ZInsO 2011, 102 Rn. 6 ff.; LG
Arnsberg, NZI 2004, 515; Uhlenbruck/Sternal, InsO, 14. Aufl., § 294
Rn. 12; FK-InsO/Ahrens, 5. Aufl., § 294 Rn. 20; einschränkend HK-InsO/
Waltenberger, 7. Aufl., § 294 Rn. 5; Pape (Fn. 2), § 294 Rn. 16.
10 Pape (Fn. 2), § 294 Rn. 5 ff.
11 BGH, Urt. v. 6.11.1978 – VIII ZR 179/77, BGHZ 72, 263, 265 f.; BGH,
Beschl. v. 7.4.2004 – IX ZB 129/03, ZInsO 205, 537 Rn. 15; v. 22.9.2011 –
IX ZB 121/11, NZI 2011, 953 Rn. 3 m.w.N.; v. 6.2.2014 – IX ZB 57/12,
ZInsO 2014, 496 Rn. 10 ff.; Jaeger/Henckel (Fn. 7), § 35 Rn. 82.
12 Schluck-Amend, in: Pape/Uhländer (Fn. 2), § 38 Rn. 9.
13 Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork (Fn. 4), § 38 Rn. 31; MünchKomm-InsO/
Ehricke, 3. Aufl., § 38 Rn. 26; Uhlenbruck/Sinz (Fn. 9), § 38 Rn. 42.
Unauthenticated
Download Date | 3/29/16 11:44 AM
ZInsO 1/2/2016
ZInsO-Aufsätze
wenn der konkrete Schaden erst nach Insolvenzeröffnung
eingetreten ist, denn sie sind Bestandteil des einheitlichen,
vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklichten
Schuldverhältnisses.14 Geht es um Ansprüche auf Ersatz
eines künftigen Schadens, ist deren Höhe ggf. zu schätzen.15
Bei Beachtung dieser Grundsätze war die Annahme einer
Neuforderung, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist,16 ausgeschlossen. Der Schadensersatzanspruch, den die Klägerin infolge der unberechtigten Veräußerung des Fahrzeugs erworben hat, ist mit dem Verkauf
und der Übergabe des Fahrzeugs im Juli 2007 und damit vor
der im August 2007 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Die Feststellung der Gutgläubigkeit des
Käufers und die Verurteilung zur Herausgabe des Kfz-Briefs
in dem Rechtsstreit zwischen der Klägerin und dem Käufer
hatte insoweit keine anspruchsbegründende Wirkung. Der
Eigentumsverlust der Gläubigerin hätte ebenso gut im insolvenzrechtlichen Forderungsprüfungs- und Feststellungsverfahren zwischen der anmeldenden Gläubigerin und dem
Insolvenzverwalter und/oder einem Gläubiger oder auch in
einem Streitverfahren nach § 184 InsO mit dem Schuldner
bei dessen Widerspruch gegen die Anmeldung festgestellt
werden können. Der Ausgang des Rechtsstreits zwischen
Gläubigerin und gutgläubigem Erwerber hatte insoweit
nicht einmal präjudizielle Wirkung.
Für die in der Entscheidung des OLG mehrfach erwähnte
„Klagbarkeit“17 des Anspruchs kam es hierauf nicht an. An
dieser können im insolvenzrechtlichen Forderungsfeststellungsverfahren allenfalls dann Zweifel bestehen, wenn –
etwa wegen nicht ausreichender Individualisierung der
Forderung – keine (verjährungshemmende) Wirkung der
Anmeldung eintritt.18 Die Verurteilung der Beklagten zur
Herausgabe des Kfz-Briefs an den gutgläubigen Erwerber
hatte auf die Entstehung des Anspruchs gegen den Schuldner und dessen Durchsetzbarkeit keine Auswirkungen. Insolvenzrechtlich war die schuldrechtliche Grundlage des
Schadensersatzanspruchs zum Zeitpunkt der unerlaubten
Handlung des Beklagten und damit vor der im August 2007
erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten gelegt. Eine Neuforderung kam damit
nicht ernsthaft in Betracht. Die Idee, es könnte sich bei dem
Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung
bis zur Feststellung der Gutgläubigkeit des Erwerbers um
eine Naturalobligation handeln, war abwegig.19
3. Keine Hinderung der Anmeldung des
Schadensersatzanspruchs der Klägerin
zur Insolvenztabelle mit dem Zusatz des Vorliegens einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung
Damit handelte es sich um eine Insolvenzforderung, die
in dem 2007 eröffneten Verfahren anzumelden war. Zwar
kommt eine Anmeldung von nicht auf Geld gerichteten Forderungen nach den §§ 174 ff. InsO nicht in Betracht, denn es
ist zwingend der Betrag der angemeldeten Forderung anzugeben.20 Gem. § 45 Satz 1 InsO sind nicht auf Geld gerich-
17
tete Forderungen aber in einen Geldbetrag umzurechnen,
dessen Wert ggf. auch zu schätzen ist.21 Die vom Berufungsgericht angenommene Unsicherheit der Klägerin, die ihren
Anspruch wegen des Eigentumsverlustes ohne Weiteres hätte schätzen können, stand der Anmeldung nicht entgegen.
Schwierigkeiten, den Wert des Fahrzeugs zu beziffern, gab
es i.Ü. ohnehin nicht. Der Gläubigerin lag ein Gutachten vor,
nach welchem der Wert ihres Fahrzeugs zum Zeitpunkt der
unberechtigten Veräußerung durch den Schuldner 38.500 €
betrug. Die Gläubigerin hätte deshalb ihre Forderung wegen
des Verlusts des Eigentums an dem Fahrzeug nach Maßgabe des § 174 Abs. 2 InsO unter Angabe des Sachverhalts,
der den Tatbestand einer vorsätzlich begangenen Handlung
ausfüllt,22 zur Insolvenztabelle anmelden können. Das Insolvenzgericht hätte dann dem Schuldner den Hinweis nach
§ 175 Abs. 2 InsO erteilen müssen,23 dieser hätte – soweit
er dies im Hinblick auf den eindeutigen Sachverhalt überhaupt für sinnvoll erachtete – die Möglichkeit gehabt, der
Forderung und dem geltend gemachten Privileg der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zu widersprechen.
Die Frage des Vorliegens einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung wäre anschließend im Verfahren nach
§ 184 InsO zu klären gewesen.24
Hinsichtlich der Abrechnung des vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekündigten Leasingvertrags bestand ohnehin kein Grund, die daraus resultierende Forderung – die
allerdings keinen Anspruch aus vorsätzlich begangener
unerlaubter Handlung darstellte – nicht zur Tabelle anzumelden. Die Idee, hierbei könne es sich nicht um eine Insolvenzforderung handeln, war insoweit noch fernliegender als
im Blick auf den Anspruch wegen des Eigentumsverlustes.
Der Ausgang des Rechtsstreits zwischen den Gläubigern
14 BGH, Beschl. v. 6.2.2014 – IX ZB 57/12, ZInsO 2014, 496 Rn. 12; RGZ
87, 82, 84 f.; Jaeger/Henckel (Fn. 7), § 38 Rn. 86, 169.
15Uhlenbruck/Sinz (Fn. 9), § 38 Rn. 42; MünchKomm-InsO/Ehricke (Fn. 13),
§ 38 Rn. 26.
16Vgl. Pape (Fn. 2), § 294 Rn. 6.
17 Vgl. zu diesem Begriff, der regelmäßig im Zusammenhang mit solchen Ansprüchen benutzt wird, die als unvollkommene Verbindlichkeiten (Naturalobligationen) zwar erfüllt, aber nicht klageweise durchgesetzt werden können, etwa die Rechtsprechung zum Ehemaklerlohn aus § 656 BGB (BGH,
Urt. v. 17.1.2008 – III ZR 239/06, NJW 2008, 982; Urt. v. 25.5.1983 –
IVa ZR 182/81, BGHZ 87, 309; Erman/O. Werner, BGB, 14. Aufl., § 656
Rn. 1).
18 BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 92/12, ZInsO 2013, 602.
19 Insoweit war es vielmehr angebracht, auf diese Frage nach Erteilung der
Restschuldbefreiung einzugehen, welche alle nicht ausgenommenen Forderungen zu unvollkommenen Verbindlichkeiten werden lässt, wie die
nachfolgenden Ausführungen belegen.
20 Pape/Schaltke (Fn. 4), § 174 Rn. 51.
21 Unbestimmt oder ungewiss i.S.d. § 45 Satz 1 InsO ist der Geldbetrag der
Insolvenzforderung etwa dann, wenn sie um den Ersatz eines zzt. der Eröffnung zwar dem Grunde, nicht aber auch dem Betrage nach feststehenden
Schadens geht – Jaeger/Henckel (Fn. 7), § 45 Rn. 8; Staufenbiel, in: Pape/
Uhländer (Fn. 2), § 45 Rn. 3.
22 Vgl. BGH, Urt. v. 9.1.2014 – IX ZR 103/13, ZInsO 2014, 236; Jaeger/
Gerhardt (Fn. 7), § 174 Rn. 54 ff.; Pape/Schaltke (Fn. 4), § 174 Rn. 83 ff.;
Steinbeck, in: Pape/Uhländer (Fn. 2), § 174 Rn. 22 ff.
23 Zu dessen Form und Inhalt Pape/Schaltke (Fn. 4), § 175 Rn. 36.
24 Zu den Einzelheiten Pape/Schaltke (Fn. 4), § 184 Rn. 34 ff.
Unauthenticated
Download Date | 3/29/16 11:44 AM
18
ZInsO-Aufsätze
und dem gutgläubigen Erwerber war für diese Forderung
in jedem Fall ohne Bedeutung. Zu einem „Wiederaufleben“
des gekündigten Leasingvertrags hätte auch die Verneinung
eines gutgläubigen Erwerbs nicht geführt.
Die im Prozess vertretene Auffassung, der Klägerin sei es
unzumutbar gewesen, ihre Forderung vor dem Erlass des
Urteils im Dezember 2010 zur Insolvenztabelle anzumelden, verkennt, dass es für die Anmeldung von Forderungen
im Insolvenzverfahren auf Zumutbarkeitserwägungen nicht
ankommt. Zitiert werden für diese Ansicht auch nur Entscheidungen, in denen es nicht um die Anmeldung von Insolvenzforderungen, sondern um die Frage, wann es einer
Partei im Hinblick auf § 199 Abs. 1 Satz 2 InsO zumutbar ist, verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen,
gegangen ist.25 Diese Frage hat aber weder etwas mit der
Einstufung eines Anspruchs als Insolvenzforderung, die
nach objektiven Kriterien vorzunehmen ist, noch mit der
Forderungsanmeldung zu tun. Auf die Zumutbarkeit der Anmeldung zur Tabelle kommt es nicht an. Die Zumutbarkeit
der Rechtsverfolgung kann allenfalls insofern für die Bestimmung des Laufs der Verjährung Bedeutung haben, als
nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB die regelmäßige Verjährung
nicht schon mit dem Entstehen des Anspruchs zu laufen beginnt, sondern erst, wenn der Gläubiger Kenntnis von den
den Anspruch begründenden Umständen und der Person
des Schuldners erlangt oder infolge grober Fahrlässigkeit
nicht erlangt.26 Maßgeblich konnte allerdings auch insoweit
nicht der Ausgang des Rechtsstreits zwischen der Gläubigerin und dem gutgläubigen Erwerber sein. Vielmehr kam
es allein darauf an, zu welchem Zeitpunkt die Gläubigerin
Kenntnis von der Unterschlagung des Schuldners hatte.
4. Erfassung der Schadensersatzforderung durch
die Restschuldbefreiung aufgrund fehlender
Anmeldung mit dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung
Im Hinblick auf die fehlende Einhaltung der Voraussetzungen der §§ 302 Nr. 1, 174 Abs. 2 InsO hätte das Berufungsgericht den Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung
nicht mehr zur Zahlung verurteilen und das Vorliegen einer
vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht feststellen dürfen. Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden gem. § 302 Nr. 1 InsO Verbindlichkeiten des Schuldners
aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung
nur ausgenommen, sofern der Gläubiger die entsprechende
Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrunds nach § 174
Abs. 2 InsO angemeldet hat. Unterbleibt eine Anmeldung
unter diesem Rechtsgrund, erfasst die Restschuldbefreiung
die geltend gemachte Forderung auch dann, wenn der Anspruch materiell-rechtlich auf einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung beruht. Dies ergibt sich aus § 301
Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO. Die Restschuldbefreiung erstreckt
sich danach auch auf eine nicht oder nicht rechtzeitig angemeldete Forderung.27 Ob der Gläubiger die Forderung unverschuldet entweder gar nicht oder ohne Angabe der die
unerlaubte Handlung begründenden Umstände angemeldet
hat, ist unerheblich.28 Eine Ausnahme zugunsten solcher
ZInsO 1/2/2016
Gläubiger, die schuldlos an der Anmeldung ihrer Forderung
oder an der Angabe der eine unerlaubte Handlung begründenden Umstände gehindert waren, ist nicht vorgesehen.
Auch die am Insolvenzverfahren nicht teilnehmenden oder
ihre Forderung nicht ordnungsgemäß anmeldenden Insolvenzgläubiger sind nicht besonders schutzbedürftig. Infolge
der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 30 Abs. 1, 9 Abs. 1 InsO) ist jeder Gläubiger grds. in der Lage, von der Insolvenz eines Schuldners
Kenntnis zu nehmen. Dadurch wird der Gläubiger in den
Stand gesetzt, seine Forderung rechtzeitig anzumelden.29
Erfolgt die Anmeldung der Forderung und des Rechtsgrundes zur Tabelle nicht spätestens bis zum Ablauf der sechsjährigen Abtretungsfrist, ist die Forderung von der Erteilung
der Restschuldbefreiung nicht ausgenommen.30
Wendet man diese Grundsätze auf die Entscheidung des
OLG an, kann es keinen Zweifeln unterliegen, dass die Forderung von der dem Schuldner im November 2013 erteilten
Restschuldbefreiung erfasst worden ist. Die unterlassene
Forderungsanmeldung musste ausschlaggebend für den Verlust einer ausgenommenen Forderung sein. Zwar lag es im
freien Belieben der Gläubigerin, ob sie sich an dem Insolvenzverfahren beteiligte oder dies unterlies.31 Bei Verzicht
auf die Anmeldung des Anspruchs auf Schadensersatz aus
vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung musste sich
die Gläubigerin aber darüber im Klaren sein, dass sie ohne
die Teilnahme am Insolvenzverfahren32 im Fall der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht nur ihren vertraglichen
Schadensersatzanspruch, sondern auch ihre Forderung aus
vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nicht mehr
würde durchsetzen können.
5. Prozessuale Auswirkungen der Erteilung der
Restschuldbefreiung
Infolge der Umgestaltung der Forderung in eine unvollkommene Verbindlichkeit sind das Zahlungsbegehren der Kläge-
25 BGH, Urt. v. 6.5.1993 – III ZR 2/92, BGHZ 122, 317, 325 f.; v. 13.1.2015 –
XI ZR 303/12, BGHZ 204, 30 Rn. 41 f.; v. 23.7.2015 – III ZR 196/14,
MDR 2015, 1180 Rn. 16.
26 Vgl. Erman/Schmidt-Räntsch (Fn. 17), § 199 Rn. 12; Staudinger/Peters/
Jacoby, BGB, 2014, § 199 Rn. 53 ff.
27 Pape (Fn. 2), § 301 Rn. 6 f. m.w.N.; Wenzel, in: Kübler/Prütting/Bork
(Fn. 4), § 301 Rn. 2.
28 Pape (Fn. 2), § 301 Rn. 7.
29 BGH, Urt. v. 16.12.2010 – IX ZR 24/10, ZInsO 2011, 244 Rn. 16 ff.
m.w.N.; v. 7.5.2015 – IX ZR 151/12, BGHZ 197, 186 = ZInsO 2013, 1589
Rn. 13 ff.; Pape (Fn. 2), § 301 Rn. 5 ff. m.w.N.
30 BGH, Urt. v. 7.5.2015 – IX ZR 151/12, BGHZ 197, 186 = ZInsO 2013,
1589 Rn. 12.
31 Wobei ein Verzicht auf die Teilnahme in solchen Verfahren, in denen der
Schuldner die Erteilung der Restschuldbefreiung keinen Sinn ergibt, weil
der Gläubiger zum einen davon ausgeschlossen ist, Anträge auf Versagung
der Restschuldbefreiung zu stellen (vgl. BGH, Beschl. v. 12.3.2015 –
IX ZB 85/13, ZInsO 2015, 947; Pape [Fn. 2], § 290 Rn. 15 ff. m.w.N.) und
zum anderen die Möglichkeit, eine ausgenommene Forderung geltend zu
machen, entfällt, wenn die Forderung nicht im Verfahren angemeldet wird.
32 Zur Anmeldung der Forderung als Voraussetzung für die Berechtigung, Versagungsanträge zu stellen BGH, Beschl. v. 18.6.2015 – IX ZB 86/12, J
Unauthenticated
Download Date | 3/29/16 11:44 AM
ZInsO 1/2/2016
ZInsO-Aufsätze
rin und ihr Antrag auf Feststellung des Rechtsgrundes der
unerlaubten Handlung unbegründet geworden. Das Berufungsgericht hätte auf die Berufung des Beklagten das Urteil
des LG aufheben und die Klage als unbegründet abweisen
müssen, denn nach Gewährung der Restschuldbefreiung
werden die gegen den Schuldner verbliebenen Forderungen
zu „unvollkommenen Verbindlichkeiten“, die weiterhin erfüllbar, aber nicht erzwingbar sind, herabgestuft.33 Dies gilt
mangels einer Anmeldung unter Angabe des Rechtsgrundes
der unerlaubten Handlung (§ 302 Nr. 1 InsO) auch für die
Forderung der Klägerin. Folge dieser Umwandlung in eine
Naturalobligation, ist es, dass die Forderung im Prozessweg nicht mehr durchgesetzt werden kann. Ebenso wie bei
anderen unvollkommenen Verbindlichkeiten, die zwar weiter (weiterhin) erfüllt werden können, deren zwangsweise
Durchsetzung dem Berechtigten aber aufgrund der Besonderheiten des Schuldverhältnisses versagt ist, wie dies etwa bei
dem Anspruch auf Ehemaklerlohn aus § 656 Abs. 1 BGB34
oder den durch Spiel und Wette nach § 762 BGB begründeten Verbindlichkeiten35 der Fall ist, ist auch die durch Anordnung der Restschuldbefreiung zu einer unvollkommenen
Verbindlichkeit mutierte Forderung nicht mehr durchsetzbar;
zur Erfüllung der Forderung geleistete Beträge können nach
§ 301 Abs. 3 InsO nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung
zurückgefordert werden.36 Eine entsprechende Wirkung hat
der BGH auch schon für die durch einen Zwangsvergleich
nach den §§ 173 ff. KO erlassenen Teile der Konkursforderungen angenommen, welche ebenfalls in unvollkommene
Verbindlichkeiten (Naturalobligationen) verwandelt worden
sind.37 Diese Wirkungen der Restschuldbefreiung treten mit
der Rechtskraft des Beschlusses über deren Erteilung ein. Ist
über eine Insolvenzforderung noch ein Rechtsstreit anhängig, muss die Klage zurückgenommen oder der Rechtsstreit
durch abweisendes Urteil entschieden werden, zu einer Erledigung des Verfahrens führt die Restschuldbefreiung nicht.38
Hinsichtlich der durch Urteil zu treffenden Entscheidung
folgt aus den allgemein für die Entscheidung über nicht
(mehr) durchsetzbare eingeklagte unvollkommene Verbindlichkeiten (Naturalobligationen) geltenden Grundsätzen, dass die Klage als unbegründet abzuweisen ist, denn
es ist ein materiell-rechtliches Hindernis entstanden, den
Anspruch geltend zu machen.39 Diese von Amts wegen zu
berücksichtigenden Umstände hat das Berufungsgericht
bei seiner Entscheidung nicht beachtet, als es die Berufung
gegen das landgerichtliche Urteil trotz Kenntnis der dem
Beklagten erteilten Restschuldbefreiung mit einem einstimmigen Beschluss zurückgewiesen hat.
6. Hemmung der Verjährung von Insolvenzforderungen durch Streitverkündung gegen
den Schuldner während des laufenden
Insolvenzverfahrens
Aufgrund der Erfassung des Schadenersatzanspruchs der
Klägerin durch die dem Beklagten erteilte Restschuldbefreiung kann letztlich zwar offenbleiben, ob die Auffassung
des Berufungsgerichts zutrifft, die Streitverkündung der
Klägerin habe zu einer Hemmung der Verjährung des An-
19
spruchs gegen den Beklagten nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB
geführt. Auch diese Auffassung erscheint allerdings höchst
problematisch, weil die Streitverkündung nicht gegenüber
dem die Prozessführungsbefugnis innehabenden Insolvenzverwalter erfolgt ist,40 sondern gegenüber dem hinsichtlich
der Insolvenzforderung nicht mehr prozessführungsbefugten Schuldner. Eine Bindung des Insolvenzverwalters durch
den hinsichtlich der Insolvenzmasse nicht verwaltungs- und
verfügungsbefugten Schuldner kann nicht eintreten. Würde
man der dem Schuldner erklärten Streitverkündung verjährungshemmende Wirkung beimessen, hieße dies, dass der
Verwalter mit der Insolvenzmasse an die Wirkungen einer
Prozesshandlung gebunden ist, von der er nichts weiß, zu der
er nicht gehört worden ist und hinsichtlich derer er sich nicht
verteidigen konnte. Die Streitverkündung dürfte deshalb
wegen der fehlenden passiven Prozessführungsbefugnis des
Schuldners auch keine verjährungshemmende Wirkung gehabt haben, zumal die Verjährung einer Forderung nur durch
eine zulässige Streitverkündung gehemmt werden kann.41
Eine Hemmung der Verjährung durch Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren gem. § 204 Abs. 1 Nr. 10 InsO42
ist mangels Teilnahme der Klägerin am Insolvenzverfahren
nicht eingetreten, sodass die Forderung bei Klageerhebung
im Oktober 2011 verjährt gewesen sein dürfte.
Zwar könnte man noch daran denken, dass der Schuldner sich
möglicherweise rechtsmissbräuchlich auf den Eintritt der
Verjährung berufen hat,43 sofern er die Gläubigerin nicht über
ZInsO 2015, 1396; Beschl. v. 12.3.2015 – IX ZB 85/13, ZInsO 2015,
947; Beschl. v. 11.10.2012 – IX ZB 230/09, ZInsO 2012, 2164; Beschl.
v. 8.10.2009 – IX ZB 257/08, ZInsO 2009, 2215; Beschl. v. 22.2.2007 –
IX ZB 120/05, ZInsO 2007, 446.
33 BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 205/06, ZInsO 2008, 1279 Rn. 11
m.w.N.; v. 3.12.2009 – IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258 = ZInsO 2010,
102 Rn. 36; Urt. v. 16.12.2010 – IX ZR 24/10, ZInsO 2011, 244 Rn. 16;
v. 7.5.2013 – IX ZR 151/12, BGHZ 197, 186 = ZInsO 2013, 1589 Rn. 12;
Pape (Fn. 2), § 290 Rn. 10 ff. m.w.N.
34 Vgl. BGH, Urt. v. 25.5.1983 – IVa ZR 182/81, BGHZ 87, 309, 314 f.;
Erman/O. Werner (Fn. 17), § 656 Rn. 1 m.w.N.; Staudinger/Reuter, BGB,
2010, § 656 Rn. 12 f.
35 Vgl. jurisPK-BGB/Laukemann, § 762 Rn. 34; Palandt/Sprau, BGB,
73. Aufl., § 762 Rn. 5.
36Uhlenbruck/Sternal (Fn. 9), § 301 Rn. 16; Wenzel, in: Kübler/Prütting/Bork
(Fn. 4), § 301 Rn. 1 m.w.N.; Pape (Fn. 1), Kap. 17, Rn. 332; Palandt/Grüneberg (Fn. 35), Einl. v. § 241 Rn. 12.
37 BGH, Urt. v. 10.2.1982 – VIII ZR 158/80, BGHZ 83, 102, 104.
38 Wenzel, in: Kübler/Prütting/Bork (Fn. 4), § 301 Rn. 1a; Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, 2014, Rn. 1216.
39 Vgl. BGH, Urt. v. 4.3.2004 – III ZR 124/03, BGHReport 2004, 858 Rn. 25;
MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl., § 656 Rn. 1; Musielak/Voit, ZPO,
12. Aufl., vor § 253 Rn. 6; Stein/Jonas/H. Roth, ZPO, 22. Aufl., vor § 253
Rn. 130; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 4. Aufl., Vor § 253 Rn. 61
m.w.N.; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., Vorbem. § 253 Rn. 199.
40 Wobei eine Hemmung durch Streitverkündung gegenüber dem Insolvenzverwalter allerdings auch nicht möglich sein dürfte, weil die Forderung
im Insolvenzverfahren nur durch Anmeldung beim Insolvenzverwalter
verfolgt werden kann – zur ordnungsgemäßen Forderungsanmeldung als
Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Anmeldungen
BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZB 92/12, ZInsO 2013, 602.
41 BGH, Urt. v. 6.12.2007 – IX ZR 143/06, NJW 2008, 519.
42 Dazu BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 92/12, ZInsO 2013, 602.
43 Vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2013 – IX ZR 215/12, WM 2014, 854 Rn. 12 ff.
Unauthenticated
Download Date | 3/29/16 11:44 AM
20
ZInsO-Aufsätze
das anhängige Insolvenzverfahren informiert44 und den Insolvenzverwalter über die Streitverkündung im Unklaren gelassen haben sollte. Auch insoweit würde sich an der Erfassung
der Forderung durch die Restschuldbefreiung aber nichts ändern, wenn sie bei Klageerhebung im Oktober 2011 oder bei
Erteilung der Restschuldbefreiung noch unverjährt war.
IV. Schadensersatzforderung wegen vorsätzlicher
sittenwidriger Schädigung
Nach der Rechtsprechung des BGH kann zwar – ohne dass
die tatsächlichen Voraussetzungen im Rechtsstreit vorgetragen worden wären – noch ein von der Restschuldbefreiung
nicht erfasster Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in
Betracht kommen, wenn der Schuldner die Forderung des
Gläubigers im Insolvenzverfahren zwecks Erreichung der
Restschuldbefreiung bewusst verschwiegen hat.45 Hierzu
müsste es aber Vortrag und Feststellungen zu der Frage geben, ob und ggf. welche Angaben der Schuldner im Insolvenzfahren zu Ansprüchen der Klägerin gemacht und aus
welchen Gründen der Gläubiger seine Forderungen nicht
im Insolvenzverfahren angemeldet hat. Ohne entsprechendes Vorbringen wäre es müßig, sich auf § 826 BGB zu berufen. Allein aus dem Umstand, dass der Gläubiger seinen
Anspruch im Verfahren nicht angemeldet hat, kann nicht
entnommen werden, dass der Schuldner ihn durch böswilliges Verschweigen daran gehindert hat, indem er den
Gläubiger – etwa in seinen nach § 305 Abs. 1 InsO vorzulegenden Verzeichnissen – nicht angegeben hat. Von einem
Gläubiger mit eigener Rechtsabteilung kann und muss i.Ü.
auch erwartet werden, dass er die Veröffentlichungen in Insolvenzsachen unter www.insolvenzbekanntmachungen.de,
ZInsO 1/2/2016
die seine mit ihren Zahlungen säumigen Kunden betreffen,
zur Kenntnis nimmt.
V.Schlussbemerkung
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Anmeldung ausgenommener Forderungen im Insolvenzverfahren trotz der
inzwischen sehr detaillierten Rechtsprechung des BGH immer noch einige Tücken aufweist. Wird schon zu Beginn
eines entsprechenden Prozesses nicht sorgfältig genug zwischen Insolvenzforderungen und anderen Ansprüchen differenziert, kann dies dazu führen, dass das gesamte Verfahren
in die Irre läuft. Bei Anwendung der allgemeinen zivilprozessualen Regularien ist stets ein Blick auf das Insolvenzverfahren und dessen Auswirkungen zu werfen. Wird dann
noch der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter außer Acht gelassen, kann
kaum noch mit korrekten Ergebnissen gerechnet werden.
Eine während des Rechtsstreits ergangene Restschuldbefreiung muss stets beachtet und in ihren Auswirkungen
sorgsam hinterfragt werden. Eindeutig als Insolvenzforderungen einzuordnende Ansprüche kurzerhand in Neuforderungen umzudeuten, stellt keinen Weg zur Umgehung der
Konsequenzen einer Restschuldbefreiung dar.
44 Wobei hiergegen allerdings wieder die öffentliche Bekanntmachung des
Eröffnungsbeschlusses spräche, den die Klägerin hätte zur Kenntnis nehmen müssen.
45 BGH, Beschl. v. 6.11.2008 – IX ZB 34/08, NZI 2009, 66 Rn. 11; Urt. v.
16.12.2010 – IX ZR 24/10, ZInsO 2011, 244 Rn. 28; OLG Brandenburg,
ZInsO 2012, 1982 Rn. 45; Pape (Fn. 2), § 301 Rn. 12 f.; Uhlenbruck/
Sternal (Fn. 9), § 301 Rn. 11.
Der aktuelle Stand der Reform des Insolvenzanfechtungsrechts
von Rechtsanwalt Michael Dahl, Rechtsanwalt Dr. Daniel Schmitz und Rechtsanwalt Dr. Raul Taras, Köln*
Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, „den Wirtschaftsverkehr sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Rechtsunsicherheiten zu entlasten, die von der derzeitigen Praxis des Insolvenzanfechtungsrechts ausgehen“,1 und hat am 29.9.2015
den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem Anfechtungsgesetz beschlossen. Die dort vorgeschlagenen Reformen haben in der Literatur teils heftige Kritik erfahren.2 Am
13.11.2015 haben der federführende Rechtsausschuss, der Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss dem Bundesrat
empfohlen, zu dem RegE Stellung zu nehmen.3 Die Empfehlungen der Ausschüsse stellten einige der von der Bundesregierung vorgeschlagenen „Neujustierungen“4 infrage und kritisieren die unverhältnismäßigen Eingriffe in den Regelungs-
*
1
2
3
4
Die Autoren sind Rechtsanwälte der Sozietät Görg Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Köln.
RegE v. 29.9.2015, ZInsO 2015, 2073. S. auch RefE, ZInsO 2015, 624, hierzu Brinkmann, NZG 2015, 697; Dahl/Linnenbrink/Schmitz, NZI 2015, 441 f.; Frind,
ZInsO 2015, 1001 f. und 1192 f.; Ganter, WM 2015, 905; Huber, ZInsO 2015, 713; Reiners, ZInsO 2015, 1192; Stellungnahme des DAV 30/2015 durch den
Ausschuss Insolvenzrecht, ZInsO 2015, 1258 f.; Stellungnahme NIVD, ZInsO 2015, 1315 f.
Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001; Ganter, WM 2015, 2117; ders. auf der ZIP-Jahrestagung zum Insolvenzrecht 2015; Hacker, NZI 2015, 873; Huber,
ZInsO 2015, 2297; K. Schmidt, ZIP 2015, 2104; Maier, ZInsO 2015, 2262; Stellungnahme des DAV Nr. 61/2015 durch den Ausschuss Insolvenzrecht, abrufbar
unter www.anwaltverein.de.
Sog. „Ausschussempfehlung“, BR-Drucks. 495/1/15 v. 13.11.2015, abgdr. in ZInsO 2015, 2423.
RegE, ZInsO 2015, 2073 f.
Unauthenticated
Download Date | 3/29/16 11:44 AM