Inputreferat - Dualproblematik Alkohol und Häusliche Gewalt

Philipp Frei
Leiter Kommunikation und Innovation Blaues Kreuz Schweiz
Gewaltberater Schweiz und région des grands lacs
Projektentwicklung und -­‐begleitung Alkohol und häusliche Gewalt
über das Projekt
Grundlage des NPA-­‐Projekts «Alkohol und häusliche Gewalt in der Beratungspraxis» des Blauen Kreuz Schweiz:
• Erarbeitung eines interdisziplinären Praxis-­‐Handbuches
als Adaptation des «Stella Project Toolkit» (2007)
• Implementierung institutioneller Leitlinien innerhalb des schweizerischen Blauen Kreuzes,
Leitfanden für externe Institutionen
• Weiterbildungen • Sensibilisierung der Öffentlichkeit
Definition
Häusliche Gewalt liegt vor, wenn Personen innerhalb einer bestehenden oder aufgelösten familiären, ehelichen oder eheähnlichen Beziehung physische, psychische oder sexuelle Gewalt ausüben oder androhen. Schwander, 2003 Hauptmerkmale
• Emotionale Bindung zwischen Opfer und Täter/in
• Verletzung der Integrität durch körperliche oder seelische Gewalt (oder deren Androhung)
• Gewalt oft im engsten Lebensumfeld
• Wiederholte Gewaltausübung über einen längeren Zeitraum
• Zunehmende Intensität
• Zusammenhang zwischen Dominanz-­‐/ Kontrollverhalten und Gewaltausübung
Gewaltformen
Zwang &
Drohung
Ökonomischer
Missbrauch
Missbrauch der
Geschlechterrollen
Einschüchterung
MACHT
UND
KONTROLLE
Kinder als
Druckmittel
Missbrauch von
Emotionen
Isolation
Verharmlosung,
Leugnung und
Beschuldigung
Gewaltspirale
Studie „Gewalt in der Partnerschaft und Alkohol“
Social Insight (2013), im Auftrag des BAG
Untersuchungsziel:
Zusammenhang zw. Gewalt in der Partnerschaft und problematischer Alkoholkonsum
Quantitative Befragung:
Opferberatung: nur Frauen
Gewaltberatung: nur Männer
Qualitative Befragung:
Interviews mit Fachkräften aller Bereiche
Interviews mit Gewaltausübenden
outcomes
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Bei rund der Hälfte der gewaltbetroffenen Frauen ist eine Dualproblematik vorhanden.
Bei rund einem Dritte der gewaltausübenden Männer ist eine Dualproblematik vorhanden.
Rund 70% der befragten Personen haben Kinder.
outcomes
In den (qualitativen) Interviews mit den Fachkräften in der Gewaltberatung zeigt sich, dass…
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interdisziplinäre Kontakte nur sporadisch und kaum eingespielt sind und sich dies teilweise zu Ungunsten der Ratsuchenden auswirkt.
Interesse und Bereitschaft für mehr Austausch da wäre.
durch eine stärkere Zusammenarbeit vor allem Nutzen für die Fachkräfte selbst und für die Betroffenen erwartet wird. Crash-­‐Kurs Alkohol und hl. Gewalt
Beurteilen Sie die folgenden Aussagen und entscheiden Sie, ob Sie als Gruppe zustimmen, oder nicht. Was ist ein Mythos, was Realität?
Häusliche Gewalt ist ein Phänomen, das in allen Schichten vorkommt.
A)
Richtig
B)
Falsch
Begründung:
Studien zeigen, dass häusliche Gewalt in allen Schichten vorkommt und vor allem durch gemeinsames Auftreten von Risikofaktoren zustande kommt und nicht in Abhängigkeit der Schichtzugehörigkeit.
Häusliche Gewalt ist eine familiäre Angelegenheit.
A)
Richtig
B)
Falsch
Begründung:
Viele Formen von häuslicher Gewalt sind strafrechtlich verfolgbar, teilweise sogar als Offizialdelikt eingestuft. Häusliche Gewalt kann daher nicht als familiäre Angelegenheit betrachtet werden.
Häusliche Gewalt ist eine familiäre Angelegenheit.
A)
Richtig
B)
Falsch
Begründung:
Viele Formen von häuslicher Gewalt sind strafrechtlich verfolgbar, teilweise sogar als Offizialdelikt eingestuft. Häusliche Gewalt kann daher nicht als familiäre Angelegenheit betrachtet werden.
Häusliche Gewalt hängt ursächlich mit Alkoholmissbrauch zusammen.
A)
Richtig
B)
Falsch
Begründung:
Es gibt keinen einfachen kausalen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und häuslicher Gewalt. Nicht alle Personen, die ein Suchtangebot in Anspruch nehmen, üben Gewalt aus und nicht alle Gewaltausübenden trinken Alkohol.
Die Behandlung eines Alkoholproblems von Gewaltausübenden hilft, auch die Gewaltproblematik in der Familie/Partnerschaft zu reduzieren.
A)
Richtig
B)
Falsch
Begründung:
Obwohl angenommen wird, dass die Behandlung eines problematischen Alkoholkonsums den Schweregrad von häuslicher Gewalt reduzieren kann, muss unbedingt die Gewaltproblematik auch angegangen werden (Dynamik von Macht und Kontrolle). Die Häufigkeit der Gewalt nimmt mit Alkoholreduktion nicht unbedingt ab – im Gegenteil, manchmal nimmt sie zu.
Personen mit einem problematischen Alkoholkonsum verlieren unter Alkoholeinfluss die Kontrolle und können dadurch gewalttätig werden.
A)
Richtig
B)
Falsch
Begründung:
Die Erfahrung zeigt, dass die Betroffenen unter Umständen (z. B. bei Erscheinen der Polizei) durchaus in der Lage sind, ihre Gewalthandlungen zu kontrollieren. Diese ist in gewisser Weise auch da, wenn Gewaltausübende gezielt bei einer Person (z. B. Partner/in) und nicht wahllos gegenüber Personen Gewalt anwenden. Meist bestehen in dieser Beziehung auch ein spezifisches Gewaltmuster-­‐ /Dynamik.
aus der Praxis
Wieso bleiben Menschen in einer missbräuchlichen Beziehung?
aus der Praxis
Direktes Nachfragen ist zentral!
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Empathie und wertschätzender Umgang
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Gespräch unter vier Augen
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Vertraulichkeit betonen, Grenzen aufzeigen
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Berücksichtigung von Ängsten:
• Fremdplatzierung der Kinder
• Kenntnisnahme der gewaltausübenden Person
• Schuldzuweisung
aus der Praxis
Gewaltentstehung ist immer multikausal
• Subjektiver Nutzen der Gewalt
• Mangelnde Konfliktkompetenz
• Frustration
• Kompensation
• Unzureichende Impulskontrolle
• Überforderung
• ...
• Gewaltausübende nennen ihren Konsum oft als Begründung (oder als Entschuldigung) für die Gewalthandlungen. Dieses Muster muss hinterfragt werden.
aus der Praxis
Grundsatz:
Wie besser man sich kennt, desto einfacher und effizienter gestaltet sich die Zusammenarbeit.
Formen der Zusammenarbeit
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Gemeinsame/ Gegenseitige Schulungen
Hospitationen
Schriftliche Zusammenarbeitsvereinbarungen
Regelmässige Austauschtreffen/ Runde Tische
Anonymisierte Fallbesprechungen
Fragen?