1 Manuskript radioWissen SENDUNG: Donnerstag, 26.03.2015 9.30 - 9.50 Uhr AUFNAHME: STUDIO: BIOLOGIE TITEL: Algen und Quallen Ungewöhnliche Kost AUTORIN: Stephanie Eichler REDAKTION: Gerda Kuhn REGIE: Susi Weichselbaumer PERSONEN: Sprecher Sprecherin OV weiblich OV männlich Zuspielungen: Josep-Maria Gili, Biologie-Professor am Institut für Meereswissenschaften in Barcelona, Francisco Mir, Lebensmittelbiologe und Inhaber der Firma „balearisches Zentrum für angewandte Biologie“ auf Mallorca, Consuelo Guerra, Meereswissenschaftlerin an der Universität von Cadiz Besondere Anmerkungen: podcastfähig ED 18.10.2012 ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 2 Musik 1 M0011499Z00: Sprecher: Quallen sind etwas fürs Auge: Mit grünen oder phosphoreszierenden Tentakeln, mit bläulichen oder kräftig gelben Schirmen, wie die runden Körper einiger Quallen bezeichnet werden, treiben sie im Meer. Die Qualle Cotylorhiza tuberculata hat eine runde, kräftig gelbe Erhebung in der Mitte, wie ein Dotter. Spiegeleiqualle. Sie wird tatsächlich so genannt. Die Bestände der Spiegeleiqualle haben in den letzten Jahren im Mittelmeer stark zugenommen, denn die natürlichen Fressfeinde, einige Fischarten, sind weniger geworden. Musik 1 M0011499Z00 ENDE Atmo 1: kochendes Wasser in der Küche Sprecherin: Quallen sind aber auch etwas für Gourmets. Bis sie auf dem Teller landen, werden sie allerdings meist erst einmal tiefgefroren. Und dann in der Küche des Konsumenten wieder aufgetaut. Die aufgetaute Spiegeleiqualle ist flach, denn sie hat jede Menge Wasser verloren. Das Tauwasser wird mit einer Tasse Reis zum Kochen gebracht. Im Handumdrehen riecht es in der ganzen Küche nach Fisch und nach Meer. MUSIK C1480480023 Sprecher: Quallen sind biologisch gesehen Nesseltiere, so wie auch Polypen, gleichzeitig sind sie auch Blumentiere - in diese Kategorie fallen beispielsweise auch Seeanemonen. Sie alle verfügen über Nesselgift, das je nach Konzentration und Art harmlos oder gefährlich sein kann. Das Gift der Scheiben- oder Schirmquallen ist harmlos, das der Würfelquallen gefährlich. Die bizarren Schönheiten werden auch als Plankton bezeichnet, weil sie trotz kleinerer Schwimmbewegungen durch ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 3 die Strömung bewegt werden. MUSIK C1480480023 ENDE Der Biologie-Professor Josep-Maria Gili schaut sich die Quallen am liebsten im offenen Meer an. Seinen Urlaub verbringt er gerne in der Südsee, weil dort häufig Quallen vorkommen. Sprecherin: Der Professor hat auch schon viele Quallen verzehrt. Sie waren außen knusprig und innen zart, sagt er. Atmo 2: Rauschen und Plätschern im Institut für Meereswissenschaften Sprecher: Gili rückt seine Brille zurecht und blickt auf seine vielen Quallen, die er in kleinen Aquarien im Keller des Instituts für Meereswissenschaften in Barcelona züchtet. O-Ton 1 (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch): „En la zona de China, Indochina y Japon ... Que màs quieres?“ OV 1 In China, Indochina, Japan und Korea finden sich getrocknete Quallen in jedem Salat. Ich ziehe Seezunge vor, aber Quallen sind auch nicht schlecht. Sie haben sehr wenig Kalorien und kein Cholesterin. Sie liefern fast nur Eiweiße und Spurenelemente. Was willst du mehr? Musik 2 C1250740Z00: (aus dem Archiv vom BR, zur Vertonung wie Gift aus den Tentakeln schießt) ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 4 Sprecher: Doch viele Quallen sind giftig. Auf den Tentakeln sitzen hoch explosive Nesselkapseln, aus denen bei Berührung Nesselgift herausschießt. Je nach Quallenart kann es Hautrötungen bewirken, Muskellähmung, Atemnot und schlimmstenfalls sogar Herzstillstand. Sprecherin: Diese Wirkungen stellen sich ebenfalls ein, wenn man das Gift mit der Nahrung aufnimmt. Trotzdem stehen einige giftige Quallenarten seit Menschengedenken in Ostasien auf dem Speiseplan, was viele Schriften bezeugen. Allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass frühere Generationen Methoden kannten, wie man das die Wirkung des Quallengifts außer Kraft setzen kann. Musik 2 C1250740Z00 ENDE: Spanische Lebensmittelbehörden dürfen jedenfalls die betreffenden Quallenarten nicht zum Verzehr freigegeben: Professor Gili und andere Forscher versuchen nun, Argumente zu liefern, um die Freigabe der europäischen Qualle als Nahrungsmittel zu bewirken: O-Ton 2: (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch) „Vamos a empezar … cuales son menos toxicas.“ OV2 : Wir beginnen eine Zusammenarbeit mit der spanischen Lebensmittelstiftung “Alicia”, die für eine innovative und gesunde Ernährung eintritt. Wir wollen dabei die Fragen klären, wie man das Gift der Quallen unschädlich machen und welche Quallenarten man am besten essen kann. Wir möchten auch wissen, welche Quallen am wenigsten giftig sind. Atmo 3: Kramen in einer Tiefkühltruhe ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 5 Sprecherin: Einige Verfahren, die das Gift der Qualle unschädlich machen sollen, hat der Lebensmittelbiologe Francisco Mir erprobt. Er erforscht neben der Spiegeleiqualle auch die Leuchtqualle, Pelagia noctiluca, deren Bestände sich im Mittelmeer ebenfalls vergrößert haben. Er kramt in einer riesigen Tiefkühltruhe im Lager seiner Firma im beschaulichen Hafen von Portitxol auf Mallorca und holt ein Päckchen mit Tentakeln aus der Truhe, dann zwei Quallenschirme der Spiegeleiqualle. Der Biologe hat tote Quallen unter anderem auch extremer Hitze ausgesetzt oder sie in Essiglösung eingelegt, um ihr Gift unschädlich zu machen. Bei all diesen Verfahren blieben allerdings auch Fragen offen. O-Ton 3: (Francisco Mir, ca. 45 Jahre alt, spricht Spanisch) „Despues de destinctas pruebas …. cien por cien.“ OV3: Nach einigen Versuchen ist es uns bereits geglückt, das pure Quallengift zu isolieren. Wir haben das Gift zum Teil schon definiert, aber noch nicht vollständig. Uns ist noch nicht geglückt nachzuweisen, dass diese einfachen Verfahren, das Quallengift auch zu hundert Prozent unschädlich machen. Sprecher: Das Gift der Qualle ist ein Nesselgift, bestehend aus eiweißhaltigen Botenstoffen, die als Waffe gegen Fressfeinde und Beutetiere dienen. Ein kleiner Rest des Gifts bleibt auch bei den Verfahren von Francisco Mir noch wirksam, weshalb die Tentakeln, auf denen das Gift sitzt, abgeschnitten werden müssen. Das ist ein sehr aufwendiges und somit teures Verfahren – nichts für die Lebensmittelindustrie. Sprecherin: Francisco Mir ist sich aber sicher, eines Tages ein unkompliziertes Verfahren zu ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 6 finden, um das Quallengift vollständig unschädlich zu machen. Sprecher: Dann bliebe noch zu klären, wie man Quallen am besten züchten kann, denn im offenen Meer kommen die meisten Quallenarten nur ein paar Wochen lang im Hochsommer vor. In der übrigen Zeit schwimmen im Meer winzige Polypen. Polypen sind eine Entwicklungsvorstufe von Quallen. O-Ton 4: (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch) „Cuando hablamos del …. como vegetales, necesitas invernaderos.“ OV 4: Wenn Quallen für die Lebensmittelindustrie interessant sein sollen, braucht man Quallen das ganze Jahr über. Das ist so wie bei pflanzlicher Nahrung. Zur Züchtung von Salat und Gemüse braucht man Gewächshäuser. MUSIK C1250740Z00 Sprecher: Und zur Züchtung von Quallen braucht man Aquarien, in denen der Wissenschaftler die Meeresströmung imitiert, denn nur bei einer adäquaten Strömung werden aus Polypen Quallen. Am Institut in Barcelona, an dem Professor Gili forscht, kann der gesamte Zyklus der Quallenentwicklung nachverfolgt werden – das gelingt an keinem anderen Institut in Europa. Professor Gili deutet auf ein Aquarium, in dem kaum sichtbar Polypen treiben. Er gibt ein wenig Plankton hinein - kleinste Meereslebewesen. Immer dann, wenn aus den Polypen Quallen werden sollen, verabreicht Gili ihnen größere Mengen Plankton und setzt die Polypen in wärmeres Wasser. Unter diesen Bedingungen wachsen Quallen heran, die bald geschlechtsreif sind. Aus den männlichen Quallen platzen Päckchen mit Samenzellen ins Wasser heraus, die die weiblichen Quallen zu ihren Eierstöcken führen. Im Körper der weiblichen Qualle findet dann die Befruchtung statt. Es entstehen Larven, aus denen schließlich Polypen ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Atmo 5: Am Strand, mit spielenden Kindern etc. Sprecherin: Die Bestände der Leuchtqualle, Pelagia noctiluca, haben im Mittelmeer stark zugenommen. Diese Quallenart wird zunehmend an die Urlaubsstrände gespült. Gleiches gilt für die Spiegeleiqualle. Der Kontakt mit ihr führt zu leichten Hautrötungen. Ihr harmloses Gift kann völlig wirkungslos gemacht werden, indem man die Qualle mit eiskaltem Wasser übergießt. Die Spiegeleiqualle kommt im Juli und August vor – rund fünf Prozent der Population landen am Strand. An Land sterben sie - ihr Gift ist aber weiterhin wirksam. Deshalb ist beim Anfassen der Qualle Vorsicht geboten, sagt Josep-Maria Gili: O-Ton 6 (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch): „La cojes por ariba … depende del condimiento. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Im Jahre 2008 ging er an drei Forscher, denen ein wichtiger Durchbruch gelungen war: Es gelang, das Protein GFP, das für das grüne Leuchten der Qualle Aequorea victoria sorgt, zu isolieren und als Farbstoff für fast jedes andere Protein in jedem anderen Organismus zu verwenden. Was bisher verborgen war, wurde dank des grünen Moleküls der Qualle sichtbar! Mit Hilfe dieses Proteins entwickelten die Wissenschaftler Methoden, um die Entwicklung von Nervenzellen oder die Ausbreitung von Krebszellen zu beobachten. GFP gab sozusagen auch Grünes Licht für neue Ansätze in der Alzheimer- und Krebstherapie-Forschung. Die Wissenschaft erhofft sich noch weitere Impulse durch die Erforschung der Qualle, betont Professor Gili: O-Ton 7: (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch) „Hace quinientos miliones … tanto exito en los oceanos.“ ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 9 OV7: Dieses Tier ist seit 500 Millionen Jahren auf der Welt. Wir Menschen zwischen einem und 10 Millionen Jahren. Die Quallen sind so gut an ihren Lebensraum angepasst, dass wir alle Einzelheiten ihrer Biologie kennenlernen wollen. Wir wollen wissen, warum diese Tiere in den Ozeanen solchen Erfolg haben. Sprecherin: Verlieren Quallen einen Tentakel, wächst ihnen einfach ein neuer nach. Musik 3: C1250740Z00 Sprecher: Quallen werden in der Fachsprache als Medusen bezeichnet. Sie sind nach der Medusa in der griechischen Mythologie benannt. Denn so wie sich die Schlangenhaare um das hässliche Haupt der Medusa bewegen, so bewegen sich auch die Tentakeln der Qualle um den Quallenkörper. Die Medusa mit dem Schlangenhaar galt übrigens als schöne Frau, doch wurde sie von der griechischen Göttin Athene verwandelt. Zur Strafe, denn Medusa hatte sich in einem Tempel mit Poseidon eingelassen. Athene setzte noch eins oben drauf: Wer die furchterregende Medusa anschaute, erstarrte zu Stein. So, wie einst die griechische Medusa, stellen heute die Medusen der Ozeane eine Bedrohung da – Professor Gili wird plötzlich ernst, als er erläutert, warum: Musik 3: C1250740Z00 O-Ton 8 (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch): „Para nosotros como …. que nos preocupa.“ OV 8: Was uns Forschern Sorgen macht, ist ein ökologisches Problem – ein großes Problem, das alle Ozeane betrifft. Es gibt immer mehr Quallen und immer weniger ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Die Meere sind überfischt. Das ist das große ökologische Problem, vor dem wir heute stehen. Sprecher: Und die einzige richtige Antwort darauf wäre, weniger zu fischen. Aber könnte man den Fischbestand im Meer nicht auch dadurch schützen, dass man die Quallen einfach abfischt? Sprecherin: Das ist möglich, aber nur in Ostasien oder an der amerikanischen Atlantikküste – denn dort sind die Quallen groß. Die Quallen, die im Mittelmeer und anderswo leben, sind kleiner und rutschen durch die Maschen der Fischernetze. Um diese Quallen abzufischen, bräuchte man so kleinmaschige Netze, dass durch sie praktisch das ganze Meer leergefischt würde. Außerdem werden Quallen von der Strömung bewegt und bleiben meist nicht lange am selben Ort. Mag es auch gelingen, Quallenschwärme im Meer ausfindig zu machen - sobald ein Fischerboot die betreffende Stelle erreicht, sind die Quallen vermutlich schon wieder ganz woanders. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 11 Sprecher: Quallen als Fischfutter in Aquakulturen zu verwenden, könnte aber dazu beitragen, die Fischbestände zu schonen und so die Quallen zu reduzieren. In Europa werden pro Kilogramm Zuchtfisch mindestens zwei Kilogramm Fisch, der im offenen Meer gefangen wurde, verfüttert. Gäbe man Fischen in Aquakulturen anstatt Fisch Quallen zu fressen, würde das zumindest den Fischbestand in den Meeren schonen. Welche Quallenarten des Mittelmeers dafür in Frage kämen, muss erst noch erforscht werden. Musik 4 C125070Z00 Sprecher: Nicht nur Quallen, auch Algen könnten an Fische verfüttert werden. Algen stehen nämlich an erster Stelle in der marinen Nahrungskette. Tierisches Plankton, viele Fische und andere Meerestiere ernähren sich von Algen. Eine Gruppe von Meereswissenschaftlern an der Universität von Cadiz erforscht die Alge. Der Einsatz von Algen als Fischfutter in Aquakulturen ist dabei ein wichtiges Thema - selbst Raubfische können sich zu einem Großteil pflanzlich, von Algen, ernähren. Welche Algenarten als Fischfutter taugen, untersuchen die Meereswissenschaftler an der südspanischen Atlantikküste. Musik 4 C125070Z00 ENDE Atmo 6: Möwen Sprecher: Die Regionalregierung hat den Forschern riesige Meeresbecken in der Bucht von Cadiz, in denen Algen wild wachsen, zugeteilt. Anders als die Braunalgen, die im Sommer häufig die Nord- und Ostsee und den Starnberger See bedecken, sind die Algen, die hier wachsen, völlig ungiftig. Das Wasser ist zudem sehr sauber, was sich an den Algen nachweisen lässt: Die Menge der in ihnen enthaltenen ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Zusammen mit Mónica Medina und Raquel Velázquez (sprich: Rakel Welaskes) – ebenfalls Meeresbiologinnen - hat sie eine Firma gegründet, die Algen erntet, verarbeitet und vertreibt. Dafür wurde sie mit dem spanischen Gründerpreis und weiteren regionalen Preisen ausgezeichnet. Die drei Frauen dürfen in demselben Gebiet Algen ernten, in dem sie auch forschen; wissenschaftliche Interessen treffen sich hier mit den Interessen der Geschäftsfrauen, denn zu viele Algen würden das Wasser verschmutzen - ein zu üppiges Wachstum wäre also ohnehin unerwünscht. Bis zu 300 Kilo Algen ernten die drei Frauen pro Monat. Fast täglich waten sie in das Meer hinein, um mit bloßen Händen sogenannten "Meersalat" aus dem Wasser zu fischen - die wissenschaftliche Bezeichnung dieser Grünalge lautet Ulva lactuca. Das Meeresgemüse landet später auf den Tellern von Restaurants, in Feinkostläden und in heimischen Kochtöpfen – gepökelt, getrocknet oder frisch. Doch was genau essen die Menschen eigentlich, wenn sie Algen verzehren? O-Ton 9: (Consuelo Guerra, 33 Jahre alt, spricht Spanisch) „El alga no es … son de agua salada.“ OV 9: Die Alge ist strenggenommen keine Pflanze. Sie hat weder Wurzeln, noch Blüten, noch Samen. Aber wie Pflanzen gedeihen Algen nur, wenn das Sonnenlicht sie erreicht und Photosynthese möglich ist. Sie wachsen sowohl in Süß- als auch in ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 13 Salzwasser. Sprecher: Im Pflanzenreich gibt es neben Samenpflanzen auch Farne, Moose und Flechten - und eben auch Algen. Manche von ihnen sind viele Meter lang, andere Arten sind winzig klein, mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Jedes Jahr wachsen in den Weltmeeren Milliarden Tonnen Algen. Sie spielen eine wichtige Rolle für unser Klima, denn mittels Photosynthese holen sie große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Sprecherin: Algen sind nicht nur für das Klima wichtig - sie sind auch als Nahrung für den Menschen empfehlenswert. Meereswissenschaftlerin Consuelo Guerra betont : O-Ton 10: (Consuelo Guerra, 33 Jahre alt, spricht Spanisch) „Porque tiene toda ... necesitas como organismo.“ OV 10: Algen sind sehr nahrhaft. Sie haben mehr Kalzium als Milch. Sie liefern Eisen, das der Körper gut aufnehmen kann, sowie Selen, Zink, Vitamin A, B, C und E. Ich bin Vegetarierin und kann meinen Bedarf an Proteinen und Jod decken, weil ich viele Algen esse. Algen liefern alles, was dein Organismus braucht. MUSIK CD96836004 Sprecherin: Algen sind in Ostasien schon seit Jahrhunderten im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. Und auch in Europa isst jeder, der Sushi mag, automatisch auch Nori, also getrocknete Rotalgen wie Porphyra yezoensis und Porphyra tenera. Auch an Algenprodukte wie Alginat, Agar-Agar und Carragen, die unter anderem in Eiscreme und Joghurt enthalten sind, haben wir uns längst gewöhnt. MUSIK CD96836004 ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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MUSIKAKZENT In einer alten Lagerhalle haben die Wissenschaftlerinnen eine Trockenkammer eingerichtet, in die aus Löchern in der Wand warme Luft dringt. Consuelo Guerra trägt ein Tablett mit gereinigten Algen hinein. Atmo 8: Brummen der Heizungsanlage O-Ton 11: (Consuelo Guerra, 33 Jahre alt, spricht Spanisch) „Hacemos la deshidratacion … como el caviar.“ OV 11: In dieser Kammer trocknen die Algen so wie traditionellerweise bei den Japanern: Langsam und schonend wird Feuchtigkeit entzogen. So erhalten wir ein Produkt von sehr guter Qualität. Hier ist noch eine weitere Algenart: Ogonori, eine Rotalge, Gracilaria sp (sprich: Gracilaria S P) mit wissenschaftlichem Namen. Sie hat einen sehr intensiven Geschmack und ist leicht knusprig wie Kaviar. Sprecherin: Consuelo Guerras Kollegin Raquel Velázquez hat den Tisch gedeckt. Sie hat darauf Schächtelchen gestellt, die mit Algen unterschiedlichster Konsistenz gefüllt ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 15 sind: Algen als Pulver, getrocknet, gehackt und eingelegt. Und mittendrin steht ein Teller frisch geernteter, roher Algen. Zum Anbeißen. (Weiter mit vollem Mund, die Algen werden verkostet, eventuell Atmo: Besteck wird auf Tisch gelegt, Teller verschoben etc.) Der Meersalat schmeckt ein bisschen wie Mangold und Spinat - und natürlich nach Meer. Salzen muss man ihn nicht. Jetzt Ogonori: Auch salzig. Noch ein Tick würziger. Gut. Atmo 9: In einem Restaurant (Atmo vom BR) Sprecherin: Quallen stehen noch nicht auf der Speisekarte. Algen haben sich aber auf unseren Tellern bereits einen festen Platz erobert. Sprecher: Die Meeresbiologin Consuelo Guerra und ihre Kolleginnen möchten den Fischern der Region einen Ausweg aus der Krise der gesamten Branche zeigen. Während diese früher an der südspanischen Atlantikküste große Mengen an Thunfisch, Garnelen und Langusten fingen, bleiben heute die Netze häufig leer, denn das Gebiet ist überfischt. O-Ton 12: (Consuelo Guerra, 33 Jahre alt, spricht Spanisch) En el sector de la pesca ... los fondos marinos. OV 12: Die Fischer haben die Algen noch nicht für sich entdeckt. Dabei könnte die Alge ihre Lebensgrundlage sichern. Wir wollen ihnen zeigen, dass man Algen abfischen und für den Verzehr verkaufen kann. Aber wir befürchten auch, dass die Fischer dabei so aggressiv vorgehen wie beim Fischfang und die Algenbestände ernsthaft bedrohen. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 16 MUSIK M0011499Z00 Sprecherin: Noch kann davon zum Glück nicht die Rede sein. An der Atlantikküste wachsen üppige Algenteppiche. Im Meer, das in der Sonne glitzert, schimmern sie saftig grün. Für die Zukunft bleibt zu hoffen: Sollten Algen langfristig erfolgreich gezüchtet werden, wäre zu wünschen, dass dabei nicht dieselben Fehler wiederholt werden wie beim Fischfang. Denn das Meer verteilt zwar seine Schätze großzügig an den Menschen, aber es kann nicht alle Disharmonien wieder ausgleichen. MUSIK M0011499Z00 ENDE ENDE ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de
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