Algen - Nahrungsmittel der Zukunft:

1
Manuskript
radioWissen
SENDUNG: Donnerstag, 26.03.2015
9.30 - 9.50 Uhr
AUFNAHME:
STUDIO:
BIOLOGIE
TITEL:
Algen und Quallen
Ungewöhnliche Kost
AUTORIN:
Stephanie Eichler
REDAKTION:
Gerda Kuhn
REGIE:
Susi Weichselbaumer
PERSONEN:
Sprecher
Sprecherin
OV weiblich
OV männlich
Zuspielungen:
Josep-Maria Gili, Biologie-Professor am Institut für Meereswissenschaften in Barcelona,
Francisco Mir, Lebensmittelbiologe und Inhaber der Firma „balearisches Zentrum für angewandte
Biologie“ auf Mallorca,
Consuelo Guerra, Meereswissenschaftlerin an der Universität von Cadiz
Besondere Anmerkungen: podcastfähig
ED 18.10.2012
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2
Musik 1 M0011499Z00:
Sprecher:
Quallen sind etwas fürs Auge: Mit grünen oder phosphoreszierenden Tentakeln,
mit bläulichen oder kräftig gelben Schirmen, wie die runden Körper einiger Quallen
bezeichnet werden, treiben sie im Meer. Die Qualle Cotylorhiza tuberculata hat
eine runde, kräftig gelbe Erhebung in der Mitte, wie ein Dotter. Spiegeleiqualle. Sie
wird tatsächlich so genannt. Die Bestände der Spiegeleiqualle haben in den letzten
Jahren im Mittelmeer stark zugenommen, denn die natürlichen Fressfeinde, einige
Fischarten, sind weniger geworden.
Musik 1 M0011499Z00 ENDE
Atmo 1:
kochendes Wasser in der Küche
Sprecherin:
Quallen sind aber auch etwas für Gourmets. Bis sie auf dem Teller landen, werden
sie allerdings meist erst einmal tiefgefroren. Und dann in der Küche des
Konsumenten wieder aufgetaut. Die aufgetaute Spiegeleiqualle ist flach, denn sie
hat jede Menge Wasser verloren. Das Tauwasser wird mit einer Tasse Reis zum
Kochen gebracht. Im Handumdrehen riecht es in der ganzen Küche nach Fisch
und nach Meer.
MUSIK C1480480023
Sprecher:
Quallen sind biologisch gesehen Nesseltiere, so wie auch Polypen, gleichzeitig
sind sie auch Blumentiere - in diese Kategorie fallen beispielsweise auch
Seeanemonen. Sie alle verfügen über Nesselgift, das je nach Konzentration und
Art harmlos oder gefährlich sein kann. Das Gift der Scheiben- oder Schirmquallen
ist harmlos, das der Würfelquallen gefährlich. Die bizarren Schönheiten werden
auch als Plankton bezeichnet, weil sie trotz kleinerer Schwimmbewegungen durch
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die Strömung bewegt werden.
MUSIK C1480480023 ENDE
Der Biologie-Professor Josep-Maria Gili schaut sich die Quallen am liebsten im
offenen Meer an. Seinen Urlaub verbringt er gerne in der Südsee, weil dort häufig
Quallen vorkommen.
Sprecherin:
Der Professor hat auch schon viele Quallen verzehrt. Sie waren außen knusprig
und innen zart, sagt er.
Atmo 2:
Rauschen und Plätschern im Institut für Meereswissenschaften
Sprecher:
Gili rückt seine Brille zurecht und blickt auf seine vielen Quallen, die er in kleinen
Aquarien im Keller des Instituts für Meereswissenschaften in Barcelona züchtet.
O-Ton 1 (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch):
„En la zona de China, Indochina y Japon ... Que màs quieres?“
OV 1
In China, Indochina, Japan und Korea finden sich getrocknete Quallen in jedem
Salat. Ich ziehe Seezunge vor, aber Quallen sind auch nicht schlecht. Sie haben
sehr wenig Kalorien und kein Cholesterin. Sie liefern fast nur Eiweiße und
Spurenelemente. Was willst du mehr?
Musik 2 C1250740Z00:
(aus dem Archiv vom BR, zur Vertonung wie Gift aus den Tentakeln schießt)
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Sprecher:
Doch viele Quallen sind giftig. Auf den Tentakeln sitzen hoch explosive
Nesselkapseln, aus denen bei Berührung Nesselgift herausschießt. Je nach
Quallenart kann es Hautrötungen bewirken, Muskellähmung, Atemnot und
schlimmstenfalls sogar Herzstillstand.
Sprecherin:
Diese Wirkungen stellen sich ebenfalls ein, wenn man das Gift mit der Nahrung
aufnimmt. Trotzdem stehen einige giftige Quallenarten seit Menschengedenken in
Ostasien auf dem Speiseplan, was viele Schriften bezeugen. Allerdings gibt es
keine Hinweise darauf, dass frühere Generationen Methoden kannten, wie man
das die Wirkung des Quallengifts außer Kraft setzen kann.
Musik 2 C1250740Z00 ENDE:
Spanische Lebensmittelbehörden dürfen jedenfalls die betreffenden Quallenarten
nicht zum Verzehr freigegeben: Professor Gili und andere Forscher versuchen nun,
Argumente zu liefern, um die Freigabe der europäischen Qualle als
Nahrungsmittel zu bewirken:
O-Ton 2: (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch)
„Vamos a empezar … cuales son menos toxicas.“
OV2 :
Wir beginnen eine Zusammenarbeit mit der spanischen Lebensmittelstiftung
“Alicia”, die für eine innovative und gesunde Ernährung eintritt. Wir wollen dabei
die Fragen klären, wie man das Gift der Quallen unschädlich machen und welche
Quallenarten man am besten essen kann. Wir möchten auch wissen, welche
Quallen am wenigsten giftig sind.
Atmo 3:
Kramen in einer Tiefkühltruhe
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Sprecherin:
Einige Verfahren, die das Gift der Qualle unschädlich machen sollen, hat der
Lebensmittelbiologe Francisco Mir erprobt. Er erforscht neben der Spiegeleiqualle
auch die Leuchtqualle, Pelagia noctiluca, deren Bestände sich im Mittelmeer
ebenfalls vergrößert haben. Er kramt in einer riesigen Tiefkühltruhe im Lager
seiner Firma im beschaulichen Hafen von Portitxol auf Mallorca und holt ein
Päckchen mit Tentakeln aus der Truhe, dann zwei Quallenschirme der
Spiegeleiqualle.
Der Biologe hat tote Quallen unter anderem auch extremer Hitze ausgesetzt oder
sie in Essiglösung eingelegt, um ihr Gift unschädlich zu machen. Bei all diesen
Verfahren blieben allerdings auch Fragen offen.
O-Ton 3: (Francisco Mir, ca. 45 Jahre alt, spricht Spanisch) „Despues de
destinctas pruebas …. cien por cien.“
OV3:
Nach einigen Versuchen ist es uns bereits geglückt, das pure Quallengift zu
isolieren. Wir haben das Gift zum Teil schon definiert, aber noch nicht vollständig.
Uns ist noch nicht geglückt nachzuweisen, dass diese einfachen Verfahren, das
Quallengift auch zu hundert Prozent unschädlich machen.
Sprecher:
Das Gift der Qualle ist ein Nesselgift, bestehend aus eiweißhaltigen Botenstoffen,
die als Waffe gegen Fressfeinde und Beutetiere dienen. Ein kleiner Rest des Gifts
bleibt auch bei den Verfahren von Francisco Mir noch wirksam, weshalb die
Tentakeln, auf denen das Gift sitzt, abgeschnitten werden müssen. Das ist ein sehr
aufwendiges und somit teures Verfahren – nichts für die Lebensmittelindustrie.
Sprecherin:
Francisco Mir ist sich aber sicher, eines Tages ein unkompliziertes Verfahren zu
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finden, um das Quallengift vollständig unschädlich zu machen.
Sprecher:
Dann bliebe noch zu klären, wie man Quallen am besten züchten kann, denn im
offenen Meer kommen die meisten Quallenarten nur ein paar Wochen lang im
Hochsommer vor. In der übrigen Zeit schwimmen im Meer winzige Polypen.
Polypen sind eine Entwicklungsvorstufe von Quallen.
O-Ton 4: (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch)
„Cuando hablamos del …. como vegetales, necesitas invernaderos.“
OV 4:
Wenn Quallen für die Lebensmittelindustrie interessant sein sollen, braucht man
Quallen das ganze Jahr über. Das ist so wie bei pflanzlicher Nahrung. Zur
Züchtung von Salat und Gemüse braucht man Gewächshäuser.
MUSIK C1250740Z00
Sprecher:
Und zur Züchtung von Quallen braucht man Aquarien, in denen der
Wissenschaftler die Meeresströmung imitiert, denn nur bei einer adäquaten
Strömung werden aus Polypen Quallen. Am Institut in Barcelona, an dem
Professor Gili forscht, kann der gesamte Zyklus der Quallenentwicklung
nachverfolgt werden – das gelingt an keinem anderen Institut in Europa.
Professor Gili deutet auf ein Aquarium, in dem kaum sichtbar Polypen treiben. Er
gibt ein wenig Plankton hinein - kleinste Meereslebewesen. Immer dann, wenn
aus den Polypen Quallen werden sollen, verabreicht Gili ihnen größere Mengen
Plankton und setzt die Polypen in wärmeres Wasser. Unter diesen Bedingungen
wachsen Quallen heran, die bald geschlechtsreif sind. Aus den männlichen
Quallen platzen Päckchen mit Samenzellen ins Wasser heraus, die die weiblichen
Quallen zu ihren Eierstöcken führen. Im Körper der weiblichen Qualle findet dann
die Befruchtung statt. Es entstehen Larven, aus denen schließlich Polypen
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werden.
MUSIK C1250740Z00 ENDE
Atmo 4:
Meer/ starke Brandung
O-Ton 5: (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch) „Las medusas son
… y se mueren.“
OV5:
Quallen sind die Schmetterlinge des Meeres. Wie die Schmetterlinge aus den
Raupen hervorgehen, so gehen Quallen aus Polypen hervor. Und zwar zu dem
Zweck der sexuellen Fortpflanzung. Einmal befruchtet, sterben die Schmetterlinge.
Bei den Quallen verhält es sich ebenso: Wenn sie die Geschlechtsreife erreicht
haben, pflanzen sie sich fort und sterben.
Atmo 5:
Am Strand, mit spielenden Kindern etc.
Sprecherin:
Die Bestände der Leuchtqualle, Pelagia noctiluca, haben im Mittelmeer stark
zugenommen. Diese Quallenart wird zunehmend an die Urlaubsstrände gespült.
Gleiches gilt für die Spiegeleiqualle. Der Kontakt mit ihr führt zu leichten
Hautrötungen. Ihr harmloses Gift kann völlig wirkungslos gemacht werden, indem
man die Qualle mit eiskaltem Wasser übergießt. Die Spiegeleiqualle kommt im Juli
und August vor – rund fünf Prozent der Population landen am Strand. An Land
sterben sie - ihr Gift ist aber weiterhin wirksam. Deshalb ist beim Anfassen der
Qualle Vorsicht geboten, sagt Josep-Maria Gili:
O-Ton 6 (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch): „La cojes por ariba
… depende del condimiento.
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OV 6:
Man greift sie von oben, am besten mit einem Handschuh, und setzt sie in einen
Eimer voll kaltem Süßwasser mit Eiswürfeln. Nach ein paar Stunden holst du sie
heraus, entfernst die Tentakeln und lässt den Quallenschirm trocknen. Du kannst
die Qualle auch einfrieren, auftauen und dann zubereiten. Ob sie dir schmeckt,
hängt davon ab, wie gut du sie würzt.
Sprecherin:
Wasabi, das auch zu Sushi gegessen wird, und Senf sind dafür geeignet.
Sprecher:
Kochen, Würzen, Schmecken – Hier dreht sich alles nur ums Essen! Dabei stehen
Quallen in engem Zusammenhang mit dem Nobelpreis für Chemie! Im Jahre 2008
ging er an drei Forscher, denen ein wichtiger Durchbruch gelungen war: Es
gelang, das Protein GFP, das für das grüne Leuchten der Qualle Aequorea victoria
sorgt, zu isolieren und als Farbstoff für fast jedes andere Protein in jedem anderen
Organismus zu verwenden. Was bisher verborgen war, wurde dank des grünen
Moleküls der Qualle sichtbar!
Mit Hilfe dieses Proteins entwickelten die Wissenschaftler Methoden, um die
Entwicklung von Nervenzellen oder die Ausbreitung von Krebszellen zu
beobachten. GFP gab sozusagen auch Grünes Licht für neue Ansätze in der
Alzheimer- und Krebstherapie-Forschung.
Die Wissenschaft erhofft sich noch weitere Impulse durch die Erforschung der
Qualle, betont Professor Gili:
O-Ton 7: (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch) „Hace quinientos
miliones … tanto exito en los oceanos.“
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OV7:
Dieses Tier ist seit 500 Millionen Jahren auf der Welt. Wir Menschen zwischen
einem und 10 Millionen Jahren. Die Quallen sind so gut an ihren Lebensraum
angepasst, dass wir alle Einzelheiten ihrer Biologie kennenlernen wollen. Wir
wollen wissen, warum diese Tiere in den Ozeanen solchen Erfolg haben.
Sprecherin:
Verlieren Quallen einen Tentakel, wächst ihnen einfach ein neuer nach.
Musik 3: C1250740Z00
Sprecher:
Quallen werden in der Fachsprache als Medusen bezeichnet. Sie sind nach der
Medusa in der griechischen Mythologie benannt. Denn so wie sich die
Schlangenhaare um das hässliche Haupt der Medusa bewegen, so bewegen sich
auch die Tentakeln der Qualle um den Quallenkörper. Die Medusa mit dem
Schlangenhaar galt übrigens als schöne Frau, doch wurde sie von der
griechischen Göttin Athene verwandelt. Zur Strafe, denn Medusa hatte sich in
einem Tempel mit Poseidon eingelassen. Athene setzte noch eins oben drauf: Wer
die furchterregende Medusa anschaute, erstarrte zu Stein.
So, wie einst die griechische Medusa, stellen heute die Medusen der Ozeane eine
Bedrohung da – Professor Gili wird plötzlich ernst, als er erläutert, warum:
Musik 3: C1250740Z00
O-Ton 8 (Josep-Maria Gili, ca. 55 Jahre alt, spricht Spanisch): „Para nosotros
como …. que nos preocupa.“
OV 8:
Was uns Forschern Sorgen macht, ist ein ökologisches Problem – ein großes
Problem, das alle Ozeane betrifft. Es gibt immer mehr Quallen und immer weniger
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Fische.
Nehmen wir zum Beispiel die Qualle Pelagia noctiluca. Sie ist eine der
Quallenarten, die das ganze Jahr über vorkommt. Ihre Bestände nehmen zu. Sie
übt also das ganze Jahr über zunehmend Druck auf das Ökosystem Meer aus.
Inwiefern? Quallen leben dort, wo Fische ihre Eier ablegen, denn Fischeier und larven sind für Quallen ein gefundenes Fressen. Quallen tragen also dazu bei, die
Fischbestände zu reduzieren. Dabei könnten sich die Fische selbst gut gegenüber
den Quallen behaupten, denn viele Fischarten ernähren sich ihrerseits von
Quallen. Wir aber holen die Fische und damit die natürlichen Fressfeinde der
Quallen aus dem Meer. Die Meere sind überfischt. Das ist das große ökologische
Problem, vor dem wir heute stehen.
Sprecher:
Und die einzige richtige Antwort darauf wäre, weniger zu fischen. Aber könnte man
den Fischbestand im Meer nicht auch dadurch schützen, dass man die Quallen
einfach abfischt?
Sprecherin:
Das ist möglich, aber nur in Ostasien oder an der amerikanischen Atlantikküste –
denn dort sind die Quallen groß. Die Quallen, die im Mittelmeer und anderswo
leben, sind kleiner und rutschen durch die Maschen der Fischernetze. Um diese
Quallen abzufischen, bräuchte man so kleinmaschige Netze, dass durch sie
praktisch das ganze Meer leergefischt würde.
Außerdem werden Quallen von der Strömung bewegt und bleiben meist nicht
lange am selben Ort. Mag es auch gelingen, Quallenschwärme im Meer ausfindig
zu machen - sobald ein Fischerboot die betreffende Stelle erreicht, sind die
Quallen vermutlich schon wieder ganz woanders.
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Sprecher:
Quallen als Fischfutter in Aquakulturen zu verwenden, könnte aber dazu
beitragen, die Fischbestände zu schonen und so die Quallen zu reduzieren. In
Europa werden pro Kilogramm Zuchtfisch mindestens zwei Kilogramm Fisch, der
im offenen Meer gefangen wurde, verfüttert. Gäbe man Fischen in Aquakulturen
anstatt Fisch Quallen zu fressen, würde das zumindest den Fischbestand in den
Meeren schonen. Welche Quallenarten des Mittelmeers dafür in Frage kämen,
muss erst noch erforscht werden.
Musik 4 C125070Z00
Sprecher:
Nicht nur Quallen, auch Algen könnten an Fische verfüttert werden. Algen stehen
nämlich an erster Stelle in der marinen Nahrungskette. Tierisches Plankton, viele
Fische und andere Meerestiere ernähren sich von Algen.
Eine Gruppe von Meereswissenschaftlern an der Universität von Cadiz erforscht
die Alge. Der Einsatz von Algen als Fischfutter in Aquakulturen ist dabei ein
wichtiges Thema - selbst Raubfische können sich zu einem Großteil pflanzlich,
von Algen, ernähren. Welche Algenarten als Fischfutter taugen, untersuchen die
Meereswissenschaftler an der südspanischen Atlantikküste.
Musik 4 C125070Z00 ENDE
Atmo 6: Möwen
Sprecher:
Die Regionalregierung hat den Forschern riesige Meeresbecken in der Bucht von
Cadiz, in denen Algen wild wachsen, zugeteilt. Anders als die Braunalgen, die im
Sommer häufig die Nord- und Ostsee und den Starnberger See bedecken, sind die
Algen, die hier wachsen, völlig ungiftig. Das Wasser ist zudem sehr sauber, was
sich an den Algen nachweisen lässt: Die Menge der in ihnen enthaltenen
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Bakterien und Metalle liegt weit unter den zugelassenen Grenzwerten.
Sprecherin:
Weil es in Südspanien noch keine gesetzlichen Regelungen für die Verarbeitung
von Algen zu Fischfutter oder Nahrungsmittel für den Menschen gibt, gelten die
derzeit gültigen Grenzwerte von Salat auch für diese Produkte.
Consuelo Guerra gehört zur Forschergruppe an der Universität von Cadiz. Sie
beschäftigt sich allerdings nicht nur als Meereswissenschaftlerin, sondern auch als
Geschäftsfrau mit der Alge. Zusammen mit Mónica Medina und Raquel
Velázquez (sprich: Rakel Welaskes) – ebenfalls Meeresbiologinnen - hat sie eine
Firma gegründet, die Algen erntet, verarbeitet und vertreibt. Dafür wurde sie mit
dem spanischen Gründerpreis und weiteren regionalen Preisen ausgezeichnet.
Die drei Frauen dürfen in demselben Gebiet Algen ernten, in dem sie auch
forschen; wissenschaftliche Interessen treffen sich hier mit den Interessen der
Geschäftsfrauen, denn zu viele Algen würden das Wasser verschmutzen - ein zu
üppiges Wachstum wäre also ohnehin unerwünscht.
Bis zu 300 Kilo Algen ernten die drei Frauen pro Monat. Fast täglich waten sie in
das Meer hinein, um mit bloßen Händen sogenannten "Meersalat" aus dem
Wasser zu fischen - die wissenschaftliche Bezeichnung dieser Grünalge lautet
Ulva lactuca. Das Meeresgemüse landet später auf den Tellern von Restaurants,
in Feinkostläden und in heimischen Kochtöpfen – gepökelt, getrocknet oder frisch.
Doch was genau essen die Menschen eigentlich, wenn sie Algen verzehren?
O-Ton 9: (Consuelo Guerra, 33 Jahre alt, spricht Spanisch) „El alga no es … son
de agua salada.“
OV 9:
Die Alge ist strenggenommen keine Pflanze. Sie hat weder Wurzeln, noch Blüten,
noch Samen. Aber wie Pflanzen gedeihen Algen nur, wenn das Sonnenlicht sie
erreicht und Photosynthese möglich ist. Sie wachsen sowohl in Süß- als auch in
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Salzwasser.
Sprecher:
Im Pflanzenreich gibt es neben Samenpflanzen auch Farne, Moose und Flechten
- und eben auch Algen. Manche von ihnen sind viele Meter lang, andere Arten sind
winzig klein, mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Jedes Jahr wachsen in den
Weltmeeren Milliarden Tonnen Algen. Sie spielen eine wichtige Rolle für unser
Klima, denn mittels Photosynthese holen sie große Mengen des Treibhausgases
Kohlendioxid aus der Atmosphäre.
Sprecherin:
Algen sind nicht nur für das Klima wichtig - sie sind auch als Nahrung für den
Menschen empfehlenswert. Meereswissenschaftlerin Consuelo Guerra betont :
O-Ton 10: (Consuelo Guerra, 33 Jahre alt, spricht Spanisch) „Porque tiene toda
... necesitas como organismo.“
OV 10:
Algen sind sehr nahrhaft. Sie haben mehr Kalzium als Milch. Sie liefern Eisen, das
der Körper gut aufnehmen kann, sowie Selen, Zink, Vitamin A, B, C und E. Ich bin
Vegetarierin und kann meinen Bedarf an Proteinen und Jod decken, weil ich viele
Algen esse. Algen liefern alles, was dein Organismus braucht.
MUSIK CD96836004
Sprecherin:
Algen sind in Ostasien schon seit Jahrhunderten im wahrsten Sinne des Wortes in
aller Munde. Und auch in Europa isst jeder, der Sushi mag, automatisch auch Nori,
also getrocknete Rotalgen wie Porphyra yezoensis und Porphyra tenera. Auch an
Algenprodukte wie Alginat, Agar-Agar und Carragen, die unter anderem in
Eiscreme und Joghurt enthalten sind, haben wir uns längst gewöhnt.
MUSIK CD96836004
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Für Küstenbewohner in Spanien, Frankreich oder England galten Algen übrigens
lange Zeit als ein ganz gewöhnliches Gemüse. Doch in vielen europäischen
Küstenregionen gerieten sie als Nahrungsmittel in Vergessenheit. Heute ist das
Unternehmen der Meereswissenschaftlerin Consuelo Guerra der einzige Betrieb in
Andalusien, der Algen als Nahrungsmittel wieder entdeckt hat.
Um das notwendige Know How für die Verarbeitung der Algen zu entwickeln,
richten die Forscherinnen den Blick nach Ostasien. Die Methode der Trocknung
von Algen haben sie von dort übernommen.
MUSIKAKZENT
In einer alten Lagerhalle haben die Wissenschaftlerinnen eine Trockenkammer
eingerichtet, in die aus Löchern in der Wand warme Luft dringt. Consuelo Guerra
trägt ein Tablett mit gereinigten Algen hinein.
Atmo 8: Brummen der Heizungsanlage
O-Ton 11: (Consuelo Guerra, 33 Jahre alt, spricht Spanisch) „Hacemos la
deshidratacion … como el caviar.“
OV 11:
In dieser Kammer trocknen die Algen so wie traditionellerweise bei den Japanern:
Langsam und schonend wird Feuchtigkeit entzogen. So erhalten wir ein Produkt
von sehr guter Qualität.
Hier ist noch eine weitere Algenart: Ogonori, eine Rotalge, Gracilaria sp (sprich:
Gracilaria S P) mit wissenschaftlichem Namen. Sie hat einen sehr intensiven
Geschmack und ist leicht knusprig wie Kaviar.
Sprecherin:
Consuelo Guerras Kollegin Raquel Velázquez hat den Tisch gedeckt. Sie hat
darauf Schächtelchen gestellt, die mit Algen unterschiedlichster Konsistenz gefüllt
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sind: Algen als Pulver, getrocknet, gehackt und eingelegt. Und mittendrin steht ein
Teller frisch geernteter, roher Algen. Zum Anbeißen.
(Weiter mit vollem Mund, die Algen werden verkostet, eventuell Atmo: Besteck
wird auf Tisch gelegt, Teller verschoben etc.)
Der Meersalat schmeckt ein bisschen wie Mangold und Spinat - und natürlich
nach Meer. Salzen muss man ihn nicht. Jetzt Ogonori: Auch salzig. Noch ein Tick
würziger. Gut.
Atmo 9: In einem Restaurant (Atmo vom BR)
Sprecherin:
Quallen stehen noch nicht auf der Speisekarte. Algen haben sich aber auf unseren
Tellern bereits einen festen Platz erobert.
Sprecher:
Die Meeresbiologin Consuelo Guerra und ihre Kolleginnen möchten den Fischern
der Region einen Ausweg aus der Krise der gesamten Branche zeigen. Während
diese früher an der südspanischen Atlantikküste große Mengen an Thunfisch,
Garnelen und Langusten fingen, bleiben heute die Netze häufig leer, denn das
Gebiet ist überfischt.
O-Ton 12: (Consuelo Guerra, 33 Jahre alt, spricht Spanisch) En el sector de la
pesca ... los fondos marinos.
OV 12:
Die Fischer haben die Algen noch nicht für sich entdeckt. Dabei könnte die Alge
ihre Lebensgrundlage sichern. Wir wollen ihnen zeigen, dass man Algen abfischen
und für den Verzehr verkaufen kann. Aber wir befürchten auch, dass die Fischer
dabei so aggressiv vorgehen wie beim Fischfang und die Algenbestände ernsthaft
bedrohen.
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MUSIK M0011499Z00
Sprecherin:
Noch kann davon zum Glück nicht die Rede sein. An der Atlantikküste wachsen
üppige Algenteppiche. Im Meer, das in der Sonne glitzert, schimmern sie saftig
grün.
Für die Zukunft bleibt zu hoffen: Sollten Algen langfristig erfolgreich gezüchtet
werden, wäre zu wünschen, dass dabei nicht dieselben Fehler wiederholt werden
wie beim Fischfang. Denn das Meer verteilt zwar seine Schätze großzügig an den
Menschen, aber es kann nicht alle Disharmonien wieder ausgleichen.
MUSIK M0011499Z00 ENDE
ENDE
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