Herausforderung Mindestlohn Seit dem 01.01.2015 gilt der gesetzliche, flächendeckende Mindestlohn, der im Mindestlohngesetz (MiLoG) geregelt ist. Er sollte in erster Linie Arbeitnehmer vor Niedriglöhnen schützen. Der neue Mindestlohn trifft aber vor allem die Arbeitgeber mit nicht unerheblichen Pflichten und Haftungsrisiken. Dieser Beitrag soll einen Überblick über einige praxisrelevante Regelungen des MiLoG geben, insbesondere die Auftraggeberhaftung näher beleuchten und Handlungsoptionen für die Praxis aufzeigen. I. Das MiLoG ist wie folgt aufgebaut: §1 Mindestlohn §2 Fälligkeit des Mindestlohns §3 Unabdingbarkeit des Mindestlohns §§ 4 - 12 Mindestlohnkommission § 13 Haftung des Auftraggebers §§ 14 - 21 Kontrolle und Durchsetzung durch staatliche Behörden §§ 22 - 24 Schlussvorschriften 1. Zur Zahlung des Mindestlohnes sind nach § 20 MiLoG alle Arbeitgeber mit Sitz im Inoder Ausland verpflichtet, soweit sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen. Vom Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 18 Jahren, auch geringfügig Beschäftigte (sog. Minijobber) und Praktikanten im Sinne des § 26 BBiG (Ausnahmen: § 22 Abs. 1 Nr. 1 - 4 MiLoG) erfasst. Der gesetzliche Mindestlohn gilt generell nicht für Jugendliche bis 18 Jahre ohne abgeschlossene Berufsausbildung, die zur Berufsausbildung Beschäftigten, ehrenamtlich Tätige, Langzeitarbeitslose (1 Jahr oder länger arbeitslos) für die ersten 6 Monate der Beschäftigung und Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller. Für Letztere gilt jedoch der „abgestufte Mindestlohn“ (§ 24 Abs. 2 MiLoG). Stand: April 2015 1 2. Die Fälligkeit des Mindestlohns wird durch § 2 MiLoG geregelt. Demnach ist der Mindestlohn zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, zu zahlen. Wird in einem 12-Monatszeitraum für abgerechnete und ausgezahlte Stunden im Schnitt der Betrag von € 8,50 brutto nicht erreicht, ist entweder die Differenz zu vergüten oder bezahlter Freizeitausgleich zu gewähren, vgl. § 2 Abs. 2 MiLoG. 3. Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind gemäß § 3 MiLoG unwirksam. Ein Verzicht ist nur durch gerichtlichen Vergleich möglich und die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang könnte eine Überprüfung der Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen erforderlich sein. Unter § 3 MiLoG fallen nämlich insbesondere Ausschlussfristen (Franzen in Erfurter Kommentar, 15. Auflage 2015, § 3 MiLoG, Rn. 2,3). Damit unterliegt der Anspruch eines Arbeitnehmers auf die Arbeitsvergütung bis zur Höhe des Mindestlohns der regelmäßigen dreijährigen Verjährung nach §§ 195, 199 BGB. Zwar dürfte die Klausel nicht gänzlich unwirksam, sondern geltungserhaltend zu reduzieren sein. Empfehlenswert ist es aber, den Anspruch auf Mindestlohn – ähnlich wie bei der Vorsatzhaftung – von der Ausschlussklausel auszunehmen. Gleiches gilt für Abgeltungsklauseln, etwa in Aufhebungsverträgen oder Betriebsvereinbarungen. Durch diese wird geregelt, dass mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. mit Zahlung einer vereinbarten Abfindung sämtliche zwischen den Parteien bestehende Ansprüche abgegolten sind. Auch hier sollten Ansprüche aus dem MiLoG ausdrücklich ausgenommen werden. Arbeitgeber sind daher gut beraten, umgehend zu prüfen, ob und in welcher Höhe der Mindestlohn auf Optimierungsbedarf welche Art hinsichtlich und Weise zu bestehender, zahlen ist. Außerdem standardisierter ist der Arbeitsverträge, Aufhebungsverträge oder Beendigungsvereinbarungen zu prüfen. Stand: April 2015 2 II. Die wesentliche Tücke des MiLoG liegt aber für die meisten Unternehmen nicht in der Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes, da ohnehin zumeist höhere Löhne gezahlt werden. Vielmehr sind die Aufzeichnungspflichten (§ 17 MiLoG: Erstellen und Bereithalten von Dokumenten) und die Auftraggeberhaftung (§ 13 MiLoG, § 14 Arbeitnehmer-Entsendegesetz) von Bedeutung. 1. Aufzeichnungspflichten Jeder Arbeitgeber hat nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) bereits jetzt die über die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden (§ 3 ArbZG) hinausgehende Arbeitszeit aufzeichnen und die entsprechenden Unterlagen zwei Jahre aufbewahren, vgl. § 16 Abs. 2 ArbZG. Der Gesetzgeber hat die Dokumentations- und Meldepflichten aus dem MiLoG auf Arbeitnehmer, deren verstetigtes regelmäßiges Monatsentgelt höchstens brutto 2958 Euro beträgt, durch Rechtsverordnung (Mindestlohndokumentationspflichten- Verordnung, s. ext. Link) begrenzt. Jeder Arbeitgeber muss künftig bei Minijobbern, Zeitarbeitnehmern oder Arbeitnehmern aus den Wirtschaftszweigen von § 2 a Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz (bei denen Sofortmeldepflicht nach § 28a Abs. 4 SGB IV besteht) gesonderte Aufzeichnungen über die Arbeitszeit führen, vgl. § 17 MiLoG. Der Arbeitgeber ist demnach verpflichtet, Beginn, Dauer und Ende der täglichen Arbeitszeit festzuhalten und diese Aufzeichnungen zwei Jahre lang ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren. Die Aufzeichnung der Arbeitszeit muss spätestens bis zum Ablauf des siebten Tages des auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages erfolgen. Arbeitgeber haben zudem die für die Kontrolle der Zahlung des Mindestlohns erforderlichen Unterlagen im Inland in deutscher Sprache bereitzuhalten. Diese Aufbewahrungspflicht umfasst den gesamten Zeitraum der Beschäftigung des jeweiligen Arbeitnehmers, insgesamt jedoch nicht länger als zwei Jahre. Stand: April 2015 3 2. Haftung des Auftraggebers § 13 MiLoG regelt die Haftung des Auftraggebers und verweist hierzu auf das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG). Er lautet: § 14 des ArbeitnehmerEntsendegesetzes findet entsprechende Anwendung. In § 14 AEntG heißt es: Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 8 wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Ursprünglich galt die Auftraggeberhaftung im Rahmen des AEntG nur im Bereich der Baubranche und war beschränkt auf sog. „Generalunternehmer“ (ebenso die Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/1558 B S. 47), aber nicht auf bloße Bauherren als Unternehmer i. S. d. § 14 BGB anwendbar. Es sollte damit nicht jeder Auftraggeber haften, sondern nur derjenige Unternehmer, der zur Erfüllung eigener Pflichten Dritte einschaltet (sog. Generalunternehmer). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zum AEntG teilweise entschieden, dass die Haftung des § 14 AEntG eine ausschließliche Generalunternehmerhaftung, nicht aber eine umfassende Auftraggeberhaftung beinhaltet und der Begriff des „Unternehmers“ insoweit einschränkend auszulegen ist. Diese Entscheidungen sind allerdings auch nicht unumstritten. Außerdem dürfte diese Begrenzung im Zuge der Öffnung des AEntG für alle Branchen und Ausdehnung des § 14 AEntG auf Werk- und Dienstleistungen zu eng sein und könne auch für § 13 MiLoG so nicht gelten (Franzen in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Auflage 2015, § 13 MiLoG, Rn. 2). Zudem findet sich in der Gesetzesbegründung die Formulierung, dass eine Haftung des „Auftraggebers […], insbesondere eines Generalunternehmers“ gewollt ist. Der Zusatz „insbesondere“ spricht dafür, dass sich die Haftung nach § 13 MiLoG nicht nur auf eine Generalunternehmerhaftung wie nach dem AEntG beschränkt. § 13 MiLoG würde Stand: April 2015 4 demzufolge nicht ausschließlich Fälle betreffen, in denen der Auftragnehmer als Generalunternehmer auftritt, also Dritte einschaltet, um eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen, die er selbst gegenüber seinem Auftraggeber eingegangen ist. Grundsätzlich könnten demnach nicht nur Generalunternehmer, sondern auch Auftraggeber von komplexen Werk- oder Dienstleistungen von der Auftraggeberhaftung des § 13 MiLoG betroffen sein. Ausgenommen sind jedenfalls Werk- oder Dienstleistungen, die lediglich der Befriedigung des betrieblichen Eigenbedarfs des Unternehmers dienen (wie z.B. Reinigungsarbeiten im Büro). Maßgeblich soll derzeit nach überwiegender Auffassung sein, ob ein Dienstleister in Erfüllung einer eigenen vertraglichen Verpflichtung gegenüber einem Kunden/Dritten beauftragt wird (Franzen in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Auflage 2015, § 13 MiLoG, Rn. 2). Durch ein neues Gesetz ergeben sich – wie im vorliegenden Fall des MiLoG – immer auch Rechtsunsicherheiten, wo Raum zur Auslegung bleibt. Solche Rechtsunsicherheiten werden im Einzelnen noch richterlich zu klären sein, so dass hier vorerst Risiken verbleiben. Verstöße gegen das MiLoG können eine Ordnungswidrigkeit nach § 21 MiLoG darstellen. Diese kann in den Fällen des § 21 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 2 MiLoG mit einer Geldbuße bis zu 500.000,00 Euro, in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu 30.000,00 Euro geahndet werden, vgl. § 21 Abs. 3 MiLoG. III. Fazit Das neue Mindestlohngesetz birgt nicht nur Vorteile für die Arbeitnehmer, sondern auch erhebliche Haftungsrisiken für den Arbeitgeber. § 13 MiLoG soll die tatsächliche Wirksamkeit des Mindestlohns verstärken. Der Auftraggeber haftet also, sofern er Werk- oder Dienstleistungen durch einen Sub- oder Nachunternehmer ausführen lässt, für dessen Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohnes. Die Auftraggeberhaftung ist zudem verschuldensunabhängig, kann also insbesondere nicht durch eine sorgfältige Auswahl und umsichtige Überwachung des Subunternehmers Stand: April 2015 5 ausgeschlossen werden. Ein effektives Risikomanagement mit dem Ziel, das Haftungsrisiko zu minimieren, ist daher unverzichtbar. Sofern Unternehmen von dem Haftungsregime des MiLoG berührt sind, sollte u.a. Folgendes überlegt werden: 1. Ein wirksames Risikomanagement beginnt mit der sorgfältigen Auswahl des zu beauftragenden Subunternehmers. Außerdem muss eine kritische Prüfung dahingehend erfolgen, ob die Kalkulationsgrundlagen des Angebots den Mindestlohn abdecken. Es sollten nur die Angebote berücksichtigt werden, aus denen hervorgeht, dass die Pflicht zur Zahlung eines Mindestlohns eingerechnet ist. Geprüft werden sollte zudem beispielsweise, ob der Subunternehmer von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen ist (vgl. § 19 MiLoG). Im Einzelfall ist es empfehlenswert, sich von dem Subunternehmer eine entsprechende Bestätigung seines Wirtschaftsprüfers/Steuerberaters übergeben zu lassen. Die Prüfung der Seriosität des Subunternehmers kann auch durch die Vorlage einer Gewerbeanmeldung, der Eintragung in die Handwerkskammer/IHK, durch den Handelsregisterauszug bei GmbH´s, Auszug aus dem Gewerbezentralregister (nicht älter als 3 Monate) und/oder eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes erfolgen. 2. In einer schriftlichen Verpflichtungserklärung sollte der Subunternehmer bestätigen, dass von ihm oder von seinen weiteren Subunternehmern eingesetzte Arbeitnehmer den jeweils geltenden gesetzlichen Mindestlohn erhalten. In diesem Zusammenhang gilt: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Es ist daher empfehlenswert, sich Prüf- und Kontrollrechte einräumen zu lassen, z.B. in Gestalt der unaufgeforderten Vorlage von Lohnabrechnungen hinsichtlich der Aufzeichnungen über geleistete Arbeitsstunden und über die hierfür gezahlten Arbeitsentgelte. Darüber hinaus kann vertraglich vereinbart werden, dass unaufgefordert Nachweise über die Abführung von Urlaubs- und Sozialversicherungsbeiträgen vorgelegt werden müssen, beispielsweise durch die Vorlage einer aktuellen Unbedenklichkeits- bescheinigung für die Sozialversicherungsbeiträge. Stand: April 2015 6 Insbesondere sollte vertraglich fixiert werden, dass die schriftliche, vorherige Zustimmung zum Einsatz von Sub-Subunternehmen erforderlich ist sowie eine Vertragsstrafe fällig und ein (außerordentliches) Kündigungsrecht möglich ist für den Fall der Nichtzahlung des Mindestlohnes. Zudem sollten Freistellungsregelungen aufgenommen werden, die den Auftraggeber von Lohnansprüchen und diesbezüglichen Rechtsverteidigungskosten freistellen. Im Rahmen der Verpflichtungserklärung sollte der Subunternehmer auch dazu verpflichtet werden, ebenfalls eine Verpflichtungserklärung zur Einhaltung von MiLoG und AEntG von dem von ihm beauftragten Sub-Subunternehmen (sowie ggf. für alle weiteren Sub-Subunternehmen der Sub-Subunternehmen) einzuholen und sich diesbezüglich ebenfalls Kontrollrechte einräumen zu lassen. In diesem Zusammenhang ist allerdings das Risiko zu bedenken, dass solch umfassende Rechte in die betriebliche Organisation des Auftragnehmers eingreifen und diese als Anzeichen für einen Scheinwerkvertrag gesehen werden könnten. Der Gesetzgeber hat dies zwar ausgeschlossen (Insam/Hinrichs/Tacou, NZA-RR 2014, 573). Es ist aber derzeit nicht absehbar, inwieweit das aufgrund der Praxis sozialversicherungsrechtlicher Betriebsprüfungen dennoch Bedeutung erlangen könnte. 3. Während der Durchführung Risikomanagement des Vertrages ist in Bezug auf ein effektives anhand geeigneter Maßnahmen zu überwachen, ob der Subunternehmer die von ihm übernommenen Verpflichtungen einhält. Regelmäßig wenigstens stichprobenartig – sollten Kontrollen durchgeführt und diese dokumentiert werden. Ergeben sich anhand konkreter Anhaltspunkte hieran Zweifel und lassen diese befürchten, dass der Subunternehmer die von ihm übernommenen Verpflichtungen nicht vollen Umfanges einhält, sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, nicht auszuschließenden und/oder drohenden Risiken entgegenzuwirken. Stand: April 2015 7 Sollten Sie in Ihrem Unternehmen hinsichtlich der aufgezeigten Thematik und damit verbundenen Risiken Handlungsbedarf sehen, beraten wir Sie gerne. Nina Senninger Rechtsanwältin TPW Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Tel. +49 40 881410-129 [email protected] Dieser Beitrag ist nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung und Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der darin enthaltenen Informationen wird nicht übernommen. Aufgrund der teilweise verkürzten Darstellungen und der individuellen Besonderheiten jedes Einzelfalls können und sollen die Ausführungen keine persönliche Beratung ersetzen. Stand: April 2015 8
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