news mai 2015 S P E Z I A L R B R e i s e r e r B i e s i n g e r R e c h t s a n w a l t s g e s e l l s c h a f t m b H Achtung Arbeitgeber: Der Zoll prüft! € 0 5 , 8 hn DOUANE ZOLL Reiserer Biesinger Rechtsanwälte o l t s e d n i M Der Zoll: Zuständigkeiten und Verfahrensfragen Aktuelles zum MiLoG Scheinselbständigkeit und Werkverträge 02 ] 03 RBnews SPEZIAL ] Inhalt · editorial editorial Dr. Kerstin Reiserer Rechtsanwältin Dr. Arnim Powietzka Rechtsanwalt Florian Christ Rechtsanwalt Inhalt Achtung Arbeitgeber: Der Zoll prüft! Editorial _ Am 27.04.2015 war in allen Zeitungen zu lesen, dass der Streit um den Mindestlohn beim Koalitionsgipfel in Berlin vertagt wurde. Die Union hat sich beim Gipfel mit ihren Wünschen nicht durchgesetzt, sie wollte die Auftraggeberhaftung bei der Zahlung des Mindestlohns abschwächen und die Gehaltsschwelle von EUR 2.958,- absenken, bis zu der Arbeitgeber in bestimmten Branchen Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit aufzeichnen müssen. Die vielen Fragen, mit denen sich Arbeitgeber seit dem 01.01.2015 im Zusammenhang mit der Gewährung des Mindestlohnes stellen, bleiben damit ungeklärt. Die Einhaltung des Mindestlohnes wird durch den Zoll überprüft, wobei 1.600 neue Stellen verbindlich zugesagt worden sind. 03 DER ZOLL: ZUSTÄNDIGKEITEN UND VERFAHRENSFRAGEN Der Zoll prüft – Zahlen und Fakten von Verena Weiss-Bölz _05 Wenn der Zoll vor der Tür steht! von Dr. Kerstin Reiserer _05 Zusammenhang zwischen strafrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verfahren von Verena Weiss-Bölz _06 AKTUELLES ZUM MILOG Mindestlohn für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftszeiten von Dr. Arnim Powietzka _08 Mindestlohn – auch für Praktikanten? von Katharina Heinz _09 Dokumentationspflichten und Erleichterungen von Marta Polczynski _10 Was muss für den Zoll bereitgehalten werden? von Christina Krämer _11 Arbeitnehmerentsendung in Zeiten des MiLoG von Christina Krämer _11 Wenn das Ehrenamt zur Arbeit wird – ehrenamtliche Tätigkeit und Mindestlohn von Marta Polczynski _13 Anrechnung von Vergütungsbestandteilen auf den Mindestlohn von Dr. Arnim Powietzka _14 Mindestlohn – Rechtsfolgen von Verstößen von Katharina Heinz _15 Die Auftraggeberhaftung bzgl. des Mindestlohns von Florian Christ_16 Aber damit nicht genug: Nach einer DPA-Meldung vom 13.03.2015 will Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles auch den Missbrauch von Werkverträgen künftig durch verschärfte Kontrollen eindämmen. Auch dies solle der Zoll übernehmen, so die Ministerin in ihrer Rede bei einem Jahresempfang des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in München. Im Rahmen seines ganzheitlichen Auftrages werden die Zollbeamten also beim Arbeitgeber nicht nur die Einhaltung des Mindestlohngesetzes prüfen, sondern auch verifizieren, ob die freien Mitarbeiterverträge nicht in Wahrheit Scheinselbstständige betreffen und ob die Werkverträge wirklich mit echten Werkunternehmern und nicht mit fiktiven Leiharbeitnehmern abgeschlossen wurden. Die angekündigte gesetzliche Neuregelung zu Werkverträgen wird das Ganze voraussichtlich im Laufe dieses Jahres noch abrunden. Wenn man weiter berücksichtigt, dass die Kriterien zur Scheinselbstständigkeit derzeit bei der zuständigen Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin sehr streng geprüft und gehandhabt werden, ergibt sich ein regelrechtes Minenfeld für Unternehmer und Arbeitgeber. Ausblick - Weitere politische Entwicklungen beim Mindestlohn von Florian Christ_17 SCHEINSELBSTÄNDIGKEIT UND WERKVERTRÄGE Grundlagen der Scheinselbständigkeit und Rechtsfolgen, insbesondere das Risiko der Strafbarkeit nach § 266a StGB von Dr. Kerstin Reiserer / Verena Weiss-Bölz _19 Kombination von Scheinselbständigkeit und Arbeitnehmerüberlassung von Verena Weiss-Bölz _21 Risiken minimieren durch Statusfeststellungsverfahren von Verena Weiss-Bölz _22 Wir nehmen diese Situation zum Anlass für unser RB news Spezial Arbeitsrecht und wollen Sie über die neusten Entwicklungen im Umgang mit dem Zoll, im Bereich des MiLoG und zum Thema Scheinselbstständigkeit und Werkverträge informieren. 04 ] 05 RB ] Seminar RBnews SPEZIAL ] Der Zoll: Zuständigkeiten und Verfahrensfragen DER ZOLL: ZUSTÄNDIGKEITEN UND VERFAHRENSFRAGEN Wenn der Zoll vor der Tür steht! Der Zoll prüft – Zahlen und Fakten Das Mindestlohngesetz ist jetzt noch kein halbes Jahr in Kraft und wir haben die ersten Erfahrungen mit den verschärften Kontrollen durch den Zoll. Arbeitgeber sind im Moment damit beschäftigt, in allen Beschäftigungsgruppen zu prüfen, ob die strengen Regeln des MiLoG eingehalten sind. Entgegen der landläufigen Meinung betrifft dies nicht nur Arbeitgeber, die im Niedriglohnsegment tätig sind, was besonders anschaulich wird durch einen Blick in Vertriebsverträge. Während es bisher absolut üblich war, dass Vertriebsmitarbeiter eine geringe Festvergütung erhalten, um sich in erster Linie über Provisionen zu verdienen, ist dies nach dem MiLoG nicht mehr möglich. Denn Provisionen werden nicht immer monatlich fällig und sind im Übrigen – naturgemäß – nicht garantiert. Dabei beeindruckt es den Zoll auch nicht, wenn der Arbeitgeber lückenlos darlegen kann, dass der Vertriebsmitarbeiter in den letzten 10 Jahren im Schnitt auf EUR 10.000,- brutto Einkommen gekommen ist. von Rechtsanwältin Verena Weiss-Bölz Montag, 22. Juni 2015 14.00 - ca. 17.30 Uhr * Reiserer Biesinger Rechtsanwälte Achtung Arbeitgeber: Der Zoll prüft! Referenten: Dr. Kerstin Reiserer - Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Arnim Powietzka - Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Verena Weiss-Bölz - Rechtsanwältin Der Zoll prüft Statistiken, Zahlen und Befugnisse des Zolls Ganzheitlicher Prüfungsansatz: Erläuterungen, wie der Zoll vorgeht und wie sich Arbeitgeber vorbereiten können Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Aktuelle Entwicklungen im MiLoG Berechnungen zur Arbeitszeit Das Dilemma mit den Praktikanten Dokumentationspflichten und Ausnahmeregelungen Die Ehrenamtlichen Scheinselbstständigkeit und Werkverträge Grundlagen der Scheinselbstständigkeit und Rechtsfolgen, vor allem § 266a StGB Ausblick und neue Gesetzesinitiativen Risiken minimieren durch Statusverfahren Ort: Kanzleiräume der RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Sofienstraße 21) Bitte schicken Sie uns Ihre Anmeldung bis spätestens 9. Juni 2015 per Fax 0 62 21 – 4 34 16-61 oder per Mail [email protected] oder rufen Sie uns einfach unter Telefon 0 62 21 – 4 34 16-11 an. Die Teilnehmerzahl ist auf 20 Personen begrenzt, bei großer Nachfrage werden wir Ihnen einen Ersatztermin anbieten. Unsere Anfahrtsskizze finden Sie unter www.rb-heidelberg.com * mit Kaffeepause ,.......................................................... Der Gesetzgeber hat dem Zoll die Prüfungskompetenz zur Einhaltung des Mindestlohns übertragen. In diesem Zusammenhang hatte die Politik bereits vor Einführung des Mindestlohns angekündigt, die Personalstruktur des Zolls massiv aufzustocken. Aus diesem Grund hatte die Fraktion Die LINKE Anfang März eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Die Bundesregierung berichtete Ende März 2015 über die Befugnisse und Prüfungsergebnisse des Zolls sowie auch über die derzeitige sowie geplante Personalsituation (vgl. BT-Drs. 18 / 4496). Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) hat nach Kenntnis der Bundesregierung seit 01.01.2015, konkret in den Monaten Januar und Februar 2015, insgesamt 8434 Prüfungen bei Arbeitgebern durchgeführt. Dabei ist zu beachten, dass keine differenzierte statistische Erfassung zu einzelnen Prüfungsaufgaben erfolgt (bspw. Sozialversicherung, Ausländerbeschäftigung, Sozialleistungen, Mindestlohn), da die FKS regelmäßig von einem ganzheitlichen Prüfansatz ausgeht, d.h. bei jedem Arbeitgeber werden alle in Betracht kommenden Prüfaufgaben abgedeckt. Aufgrund der Tatsache, dass der Mindestlohn nach dem MiLoG spätestens zum Ende des Monats Februar 2015 fällig war, lagen bei der Beantwortung der kleinen Anfrage noch keine Ergebnisse zum Thema Mindestlohn vor. Zur Personalsituation führt die Bundesregierung aus, dass der FKS im Jahr 2015 insgesamt 6842 Planstellen zur Verfügung stehen. Ca. 600 Dienstposten seien im Bereich der FKS aktuell unbesetzt. Für die Kontrolle des gesetzlichen Mindestlohns wurde ein zusätzlicher Personalbedarf von 1600 Arbeitskräften ermittelt. Abschließend hat die Bundesregierung noch eine Statistik ausgewiesen, wie viele Ermittlungsverfahren die FKS wegen Verstoßes gegen Aufzeichnungspflichten (§ 23 Abs. 1 Nr. 8 und 9 des AEntG bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AEntG alt, § 16 Abs. 1 Nr. 17 und 18 AÜG) in den Jahren 2010 bis 2014 sowie Ermittlungsverfahren insgesamt eingeleitet hat: ............................................................................................................................................................................. Jahr eingeleitete eingeleitete Ermittlungsverfahren Ermittlungsverfahren wegen Aufzeichnungspflichten insgesamt ............................................................................................................................................................................. 2010 1 651 177 323 2011 1 961 168 384 2012 2 115 148 448 2013 2 369 135 016 2014 2 614 137 292 ............................................................................................................................................................................. ............................................................................................................................................................................. ............................................................................................................................................................................. ............................................................................................................................................................................. RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH · Sofienstraße 21 · 69115 Heidelberg Telefon 0 62 21 - 4 34 16 - 0 · Telefax 0 62 21 - 4 34 16 - 61 · [email protected] ............................................................................................................................................................................. von Rechtsanwältin Dr. Kerstin Reiserer Arbeitgeber tun gut daran, die Vorgaben des MiLoG ernst zu nehmen, denn der Zoll steht wirklich schon vor der Tür und ist bei ersten Arbeitgebern aus unserem Mandantenkreis auch schon über die Schwelle getreten. Gemeinsam mit unserem Mandanten hatten wir z.B. die Arbeitsverträge von Busfahrern, die behinderte Kinder zu den Behinderteneinrichtungen befördern und sie dabei betreuen, neu gestaltet und in Anlehnung an die bisher vorliegende Rechtsprechung der Arbeitsgerichte die Arbeitszeitfragen festgelegt. Denn eins steht fest, Mindestlohn ist nur zu gewähren für Arbeitszeiten, nicht dagegen für Wegezeiten, also die Anfahrt zur Arbeit. Die anonyme Beschwerde eines betroffenen Fahrers und ein von der Gewerkschaft lancierter Pressebericht hat ausgereicht und der Zoll stand vor der Tür. Der Zoll war der Meinung, dass die neuen Arbeitsverträge eine Umgehung des MiLoG darstellen und hat den Arbeitgeber aufgefordert, auch die Anfahrtszeiten zur Arbeit mit EUR 8,50 zu vergüten. Das Argument, dass die öffentlichen Kostenträger, bei denen diese Sozialleistung abgerechnet wird, nur die echte Arbeitszeit vergüten, war aus Sicht des Zolls nicht beachtlich. Da die Subunternehmerhaftung, die das MiLoG vorsieht, für öffentliche Behörden nicht gilt, schien guter Rat teuer. Denn der Zoll stellte in Aussicht, dass bei Beibehaltung der Vertragsstruktur mit einem Bußgeld nach den Bestimmungen des MiLoG und wohl auch mit einem Ermittlungsverfahren nach § 266a StGB wegen Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge zu rechnen sei. So viel zu den besorgniserregenden Nachrichten. Die Geschichte hat sich inzwischen etwas freundlicher weiterentwickelt: In Abstimmung mit unserem Mandanten haben wir Kontakt mit dem Zoll aufgenommen, um in einem Gespräch die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Bewertung der verschiedenen Arbeitszeiten zu klären. Es gab ein erstes großes Sondierungsgespräch mit den örtlich Verantwortlichen des Zolls unter Einschaltung der Deutschen Rentenversicherung für den Bereich der Sozialversicherung und einer Repräsentantin des BFD (Bundesfinanzdirektion). Denn der BFD ist für die Frage der Bewertung von MiLoG-Fragen die übergeordnete Behörde mit der Kompetenz, streitige Fragen verbindlich 06 ] 07 zu entscheiden. Für uns Arbeitsrechtler ist diese Situation grotesk: Wir sitzen in einer großen Besprechungsrunde und diskutieren mit Beamten des Zolls, der Deutschen Rentenversicherung und des BFD arbeitsgerichtliche Entscheidungen zur Bewertung von Arbeitszeitfragen: Wann ist die Fahrt zur Arbeitsstätte ausnahmsweise vom Arbeitgeber zu vergüten? Wie müssen Bereitschaftszeiten mit dem Mindestlohn bezahlt werden? Wie sind Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes oder auch von Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten zu diesem Themenkreis zu bewerten? Dies sind Diskussionen, die sich eigentlich vor den Arbeitsgerichten abspielen sollten. In Zukunft entscheiden öffentliche Behörden über diese Fragen und legen hier die Spielregeln fest. Man könnte es auch anders ausdrücken: Das Arbeitsrecht wird mehr und mehr zu einem Teil des öffentlichen Rechts, denn Auseinandersetzungen zum Arbeitsrecht werden nicht mehr nur von den Arbeitsgerichten geklärt, sondern eben von Mitarbeitern öffentlicher Behörden. Das gilt nicht nur für die vielen offenen Fragen zum MiLoG. Auch die Frage, wann ist ein Mitarbeiter Freelancer und wann abhängig beschäftigter Arbeitnehmer. Streitigkeiten hierzu entstehen häufig nicht etwa, weil die betroffenen Mitarbeiter gegen ihren Vertragspartner, den Arbeitgeber vorgehen, sondern weil der Zoll als Kontrollinstanz beim Arbeitgeber vorstellig wird. Mit diesem „kleinen Erlebnisaufsatz“ zum Thema MiLoG möchte ich Sie sensibilisieren für die Gefahren, die sich aus dem vielleicht nicht ganz korrekten Umgang mit dem MiLoG ergeben. Wenn der Zoll nicht überzeugt werden kann, dass der Mindestlohn gezahlt wird, ist mit zum Teil großen Bußgeldern zu rechnen und Geschäftsführer sowie Vorstände müssen sich auf Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft einstellen. Deswegen der dringende Rat: Gehen Sie Ihre Mitarbeitergruppen durch, analysieren Sie, ob Sie Risikobereiche haben, was immer dann möglich sein kann, wenn die echte Fixvergütung für den Gesamteinsatz des Arbeitnehmers den Mindestlohn von EUR 8,50 pro Stunde nicht erreicht. Zusammenhang zwischen strafrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verfahren von Rechtsanwältin Verena Weiss-Bölz Steht der Zoll vor der Tür, so prüft er als Ermittlungsbehörde der Staatsanwaltschaft, ob Verstöße gegen das MiLoG, das Schwarzarbeitergesetz oder aber gar das Arbeitnehmerentsendegesetz vorliegen. Sollten sich Anzeichen für einen etwaigen Verstoß ergeben, wird in der Regel vom Zoll ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die arbeits- und sozialrechtlichen Fragen, ob der Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz bezahlt wird oder aber auch ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt, werden häufig zunächst einmal in einem Strafverfahren geklärt. Das Verfahren sieht in der Praxis zumeist so aus, dass der Zoll seine Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft übermittelt, nachdem er in der Regel noch eine Bewertung des Sachverhalts und RBnews SPEZIAL ] Der Zoll: Zuständigkeiten und Verfahrensfragen eine Schadensberechnung bezüglich etwaiger nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge von der Deutschen Rentenversicherung einholt. Oftmals erfolgt die Schadensberechnung im sog. Summenbeitragsverfahren, so dass die einzelnen Beträge nicht einem speziellen Versicherungspflichtigen zugeordnet werden, sondern ein gesamter Schaden berechnet wird, der letztlich der Sozialkasse zur Verfügung steht, ohne eine bestimmte Zuordnung zu einem Arbeitnehmer vorzunehmen. Die Deutsche Rentenversicherung hat damit auch Kenntnis von den erhobenen Vorwürfen und leitet hierzu zumeist auch ein sozialversicherungsrechtliches Verfahren gegen das Unternehmen ein. Hierzu erfolgt zumeist eine Anhörung zu dem Sachverhalt und den erhobenen Vorwürfen, dann ziehen sich die Behörden jedoch zurück und warten auf den Ausgang des strafrechtlichen Verfahrens. Die gesamte Akte wird also der Staatsanwaltschaft zugeleitet, die dann prüft, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine Anklageerhebung vorhanden ist. Sollte dies der Fall sein, nimmt das strafrechtliche Verfahren seinen Lauf. Während früher zu beobachten war, dass die Strafgerichte hier zurückhaltend waren und insbesondere die Verfahren mit der Rentenversicherung abgewartet haben, lässt sich der jüngeren Vergangenheit die Tendenz entnehmen, dass die Strafgerichte unabhängig von einem bereits abgeschlossenen sozialversicherungsrechtlichen Verfahren entscheiden. Dies ist für die Praxis wenig nachvollziehbar, da eine Strafbarkeit nur in Betracht kommt, wenn nach sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen überhaupt eine Beitrags- und Abführungspflicht besteht. Insofern wäre es sachgerechter, zunächst die sozialversicherungsrechtlichen Verfahren abzuwarten, ehe eine strafrechtliche Beurteilung erfolgt. Gleichwohl können die Strafgerichte den Sachverhalt eigens würdigen und machen von diesem Recht auch rege Gebrauch, so dass sämtliche Fragen der Abgrenzung bei Scheinselbständigkeit oder aber auch arbeitsrechtliche Fragen der Arbeitszeit bzw. der Einhaltung des MiLoGs vor den Strafgerichten auszufechten sind. Für das Strafverfahren ist es damit von größter Relevanz, dass dort bereits intensive und konkrete Darlegungen in arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht erfolgen. Denn der Ausgang des Strafverfahrens ist nicht nur für den Geschäftsführer relevant, sondern auch für die nachfolgenden Verfahren und Auseinandersetzungen mit der Rentenversicherung. Es kann nämlich gelingen, das strafrechtliche Verfahren so zu beenden, dass auch für die Rentenversicherung wenig Spielraum verbleibt, etwaige Vorwürfe weiter aufrecht zu erhalten. So konnten wir für einen Mandanten aus der Baubranche beispielsweise in der Vergangenheit im strafrechtlichen Verfahren gegen die Geschäftsführerin einen Freispruch erwirken, was wiederum zur Folge hatte, dass der Ansprechpartner der Rentenversicherung bereits kurz nach dem Verfahren signalisierte, dass durch den Freispruch auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht keine bzw. allenfalls noch wenige Vorwürfe aufrecht erhalten werden könnten. Insofern zeigen die Praxis und dieser geschilderte Beispielsfall, dass eine intensive Vorbereitung eines etwaigen strafrechtlichen Verfahrens auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht von essentieller Bedeutung ist. Im Übrigen bietet es sich auch an, frühzeitig mit den zuständigen Behörden ein Gespräch zu suchen. Reiserer, Herausgeberin Praxishandbuch Kündigung und Personalabbau De Gruyter Verlag 2014 ISBN: 978-3-11-033455-5 08 ] 09 AKTUELLES ZUM MILOG Mindestlohn für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftszeiten von Rechtsanwalt Dr. Arnim Powietzka Die Höhe des Mindestlohns beträgt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG EUR 8,50 brutto „ je Zeitstunde “. Daher ist von erheblicher Bedeutung, welche Zeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit berücksichtigt werden und mit dem gesetzlichen Mindestlohn bezahlt werden müssen (siehe dazu RB news Spezial vom November 2014, S. 15). Insbesondere stellt sich die Frage, ob auch Zeiten der Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienste mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten sind (siehe dazu RB news Spezial vom November 2014, S. 16 f.). Das Bundesarbeitsgericht hat eine Entscheidung zu Sonderregelungen für die Pflegebranche getroffen, die vermutlich auch für den gesetzlichen Mindestlohn erhebliche Auswirkungen haben wird (BAG, Urteil vom 19.11.2014 – 5 AZR 1101 /12). Die Klägerin war bei einem privaten Pflegedienst als Pflegehelferin beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte die Pflege und Betreuung zweier demenzkranker Schwestern in einem katholischen Schwesternheim. Die Klägerin arbeitete in zweiwöchigen Rund-um-die-UhrDiensten (sog. „Rudu“-Dienste). Während dieser Dienste bewohnte sie ein Zimmer in unmittelbarer Nähe zu den Schwestern und war verpflichtet, im Schwesternheim anwesend zu sein, um erforderlichenfalls Tätigkeiten erbringen zu können. Die Klägerin verlangte für die Zeiten dieser Dienste den zu dieser Zeit gemäß § 2 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) geltenden Mindestlohn von EUR 8,50 für 24 Stunden bzw. nach Abzug von Pausen 22 Stunden täglich. Die Klage hatte Erfolg. Nach den damaligen Regelungen der PflegeArbbV betrug das Mindestentgelt EUR 8,50 „ je Stunde “. Das BAG stellt fest, dass die Verordnung damit an die vergütungspflichtige Arbeitszeit anknüpfe. Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst seien nicht nur Arbeitszeit im Sinne des ArbZG, sondern auch vergütungspflichtige Arbeit im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB. Zwar könne für diese Sonderformen der Arbeit eine geringere Vergütung vereinbart werden, hiervon habe der Verordnungsgeber aber keinen Gebrauch gemacht. Die nur arbeitsvertragliche Vereinbarung einer unter dem Mindestentgelt liegenden Vergütung für Bereitschaftsdienste sei wegen Verstoßes gegen § 2 PflegeArbbV unwirksam. Inzwischen hat der Verordnungsgeber die Regelung der PflegeArbbV geändert. Dort ist nun bestimmt, dass zum Zwecke der Entgeltberechnung die Zeiten des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit auf der Grundlage einer kollektivrechtlichen oder einer schriftlichen einzelvertraglichen Regelung mit mindestens 25 % als Arbeitszeit bewertet werden. Von besonderem Interesse über die Pflegebranche hinaus ist die Urteilsbegründung des BAG jedoch in Bezug auf den gesetzlichen Mindestlohn. Denn auch der Gesetzgeber des MiLoG hat die Problematik von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftszeiten nicht ausdrücklich geregelt. Er hat lediglich einen gesetzlichen Mindestlohn von EUR 8,50 „ je Zeitstunde “ vorgeschrieben, ohne jedoch festzulegen, für welche Arbeitszeit dieser Mindestlohn zu zahlen ist. Auf Grundlage der Entscheidung des BAG zur PflegeArbbV wird man davon ausgehen müssen, dass auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst mit dem Mindestlohn zu vergüten sind. Für bloße Rufbereitschaft dürfte dies nicht gelten. Abweichende arbeitsvertragliche oder tarifliche Regelungen, die Bereitschaftsdienste nicht als vergütungspflichtige Arbeitszeit ansehen, dürften wohl unwirksam sein, da das MiLoG für solche Regelungen keine Öffnungsklausel enthält. Auch wenn Bereitschaftszeiten demnach zukünftig in vollem Umfang mit dem Mindestlohn bezahlt werden müssen, so ist doch stets im Einzelfall zu prüfen, ob sich daraus weitergehende Ansprüche der Mitarbeiter ergeben. So hat das ArbG Aachen in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 21.04.2015 – 1 Ca 448 /15) die Regelungen des TVöD-V für mit dem MiLoG vereinbar erachtet. Danach werden Bereitschaftszeiten nur zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit angerechnet, wobei die Summe von Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten im Durchschnitt 48 Stunden nicht überschreiten darf. Da der Arbeitnehmer zur Leistung von maximal 48 Stunden wöchentlich und somit 208,7 Stunden monatlich verpflichtet sei, betrage die Mindestvergütung nach dem MiLoG EUR 1.773,95 monatlich (208,7 x EUR 8,50). Die Monatsgrundvergütung von EUR 2.680,31 überschreite diese Mindestvergütung, weshalb die tarifliche Regelung nicht zu beanstanden sei. RBnews SPEZIAL ] Aktuelles zum MiLoG Mindestlohn – auch für Praktikanten? von Rechtsanwältin Katharina Heinz Nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) hat gemäß § 1 Abs. 1 MiLoG jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns in Höhe von EUR 8,50 brutto durch den Arbeitgeber. Auch Praktikanten im Sinne des § 26 Berufsbildungsgesetz (BBiG) gelten gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG grundsätzlich als Arbeitnehmer und können somit den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn geltend machen (siehe dazu RB news Spezial vom November 2014, S. 11). Von dieser Grundregel macht das Gesetz jedoch in § 22 Abs. 1 Nr. 1-3 MiLoG Ausnahmen. Nicht mit dem Mindestlohn zu vergüten sind folgende Praktikumsverhältnisse: Pflichtpraktika im Rahmen einer Ausbildung oder eines Hochschulstudiums bzw. im Rahmen eines dualen Studienganges (Beispiel: Jurastudierende, die laut Studien- bzw. Prüfungsordnung ein Praktikum bei einem Anwalt verpflichtend belegen müssen). Praktika bis zu drei Monaten, die der Berufsorientierung im weiteren Sinne dienen (Beispiel: Praktikant strebt Beruf in Gesundheitsbranche an und macht ein Praktikum in einer Pflegeeinrichtung). Dienen solche Praktika hingegen nicht der Berufsorientierung, ist ab dem ersten Tag Mindestlohn zu zahlen. Begleitende (freiwillige) Praktika zu Studium oder Ausbildung mit einer Dauer bis zu drei Monaten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat (Beispiel: BWL-Studentin macht freiwilliges Praktikum in einer Personalabteilung in einem Unternehmen, wenn ein solches nicht bereits zuvor dort abgeleistet wurde (dann Mindestlohn)). Aber auch diese Ausnahmen sind für den Arbeitgeber mit weiteren Hürden und auch Fragestellungen verbunden. Arbeitgebern, welche Praktikumsverhältnisse nach § 22 Abs. 1 Nr. 1-3 MiLoG begründen wollen, ist zu empfehlen, auf folgende Voraussetzungen bzw. Kriterien zu achten. Begrenzung auf drei Monate Anders als bei den Pflichtpraktika nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 MiLoG ist die Ausnahme bei freiwilligen Praktika und den Orientierungspraktika gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2-3 MiLoG auf drei Monate begrenzt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie mit Praktika zu verfahren ist, die länger als drei Monate dauern sollen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) führt in seinem Leitfaden zum MiLoG zu dieser Frage aus, dass ein Praktikum, welches länger als drei Monate dauert, komplett unter den Mindestlohn fällt und ab dem ersten Tag mit dem Mindestlohn zu vergüten ist. Dies gilt nach Auffassung des BMAS sowohl, wenn das Praktikum von vorneherein länger als drei Monate dauert, wie auch, wenn ein auf drei Monate befristetes Praktikum darüber hinaus verlängert wird. Vorbeschäftigungsverbot Für freiwillige ausbildungsbegleitende Praktika gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 MiLoG sieht das MiLoG zusätzlich eine zweite Beschränkung vor. Danach ist lediglich kein Mindestlohn zu zahlen, „ wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Auszubildenden bestanden hat “. Damit wird ein sog. „ Vorbeschäftigungsverbot “ statuiert. Dieses gilt aber nur bei freiwilligen ausbildungsbegleitenden Praktika. Wenn zuvor ein freiwilliges Orientierungspraktikum oder ein Pflichtpraktikum (gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1-2 MiLoG) gegeben war, greift das Vorbeschäftigungsverbot nicht ein. Des Weiteren legt das Gesetz auch nicht fest, welchen Zeitraum der Begriff „ zuvor “ umfasst. Nach den Ausführungen des BMAS sind mehrere studien- bzw. ausbildungsbegleitende Praktika bei demselben Arbeitgeber auch bei erheblichem zeitlichem Abstand zwischen den Praktika ausgeschlossen, so dass ein zweites freiwilliges Praktikum bei demselben Ausbilder zu keiner Zeit mehr möglich wäre. Nachweis des Arbeitgebers Des Weiteren stellt sich die Frage, wie der Arbeitgeber gegenüber den Zollbehörden den Nachweis eines Praktikums zur Orientierung oder eines Pflichtpraktikums erbringen kann. Das MiLoG enthält dazu keine Regelungen. Nach der Gesetzesformulierung weist das MiLoG dem Arbeitgeber die Beweislast zu. Nach den Ausführungen des BMAS und dem Frage-Antwort-Katalog der Deutschen Rentenversicherung an den Betriebsprüfdienst (Stand 30.12.2014) reicht es aus, wenn sich der Arbeitgeber für das Praktikum zur Orientierung bestätigen lässt, welche Ausbildung bzw. welches Studium beabsichtigt wird und welche Lernziele daran angeknüpft sind. Für das Pflichtpraktikum sei es ausreichend, wenn sich der Arbeitgeber die Bescheinigung für das Absolvieren einer Ausbildung (insb. Studienbescheinigung) und die entsprechende Bestimmung, aus der sich die Praktikumspflicht ergibt (z.B. Ausbildungs- oder Studienordnung), vom Praktikanten vorlegen lässt. Duales Studium Praxisphasen in dualen Studiengängen fallen, da sie in der Regel auf einer hochschulrechtlichen Bestimmung beruhen, unter § 22 Abs. 1 Nr. 1 MiLoG und sind somit nicht mit dem Mindestlohn zu vergüten. Dies folgt auch aus der Gesetzesbegründung, die insbesondere Praktika, welche im Rahmen von dualen Studiengängen absolviert werden, ausdrücklich vom Mindestlohn ausnimmt (vgl. BT-Drs. 18 /1020 [neu], S. 25). 10 ] 11 Dokumentationspflichten und Erleichterungen Eine weitere Vereinfachung der Aufzeichnungspflicht bringt die Mindestlohnaufzeichnungsverordnung (MiLoAufzV) mit sich. Danach genügt ein Arbeitgeber, von Rechtsanwältin Marta Polczynski Arbeitgeber, die sog. Minijobber beschäftigen oder in bestimmten Branchen tätig sind, in denen der Gesetzgeber die Gefahr einer Umgehung des Mindestlohns als besonders hoch angesehen hat, sind nach dem MiLoG verpflichtet, bestimmte Dokumente zu erstellen und diese zum Zwecke einer Kontrolle durch die Behörden der Zollverwaltung bereitzuhalten (vgl. hierzu S. 11). Damit gilt die Dokumentationspflicht des § 17 MiLoG, sobald ein Arbeitgeber Minijobber oder Arbeitnehmer der in § 2a SchwarzArbG genannten Bereiche Baugewerbe, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Personenbeförderungsgewerbe, Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, Schaustellergewerbe, Unternehmen der Forstwirtschaft, Gebäudereinigungsgewerbe, Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen und Unternehmern der Fleischwirtschaft beschäftigt sowie entsprechend für Entleiher, denen ein Verleiher Arbeitnehmer zur Arbeitsleitung in einem der genannten neun Branchen überlässt (vgl. dazu den Beitrag zur Arbeitnehmerentsendung, S. 11). Inhaltlich umfasst die Dokumentationspflicht die Verpflichtung, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit innerhalb einer Woche aufzuzeichnen und die Aufzeichnungen für mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) stellt auf der Seite www.der-mindestlohn-gilt.de hierfür einen Musterbogen zur Verfügung, in welchen der Arbeitgeber die jeweiligen Daten eintragen bzw. eintragen lassen kann. Noch einfacher soll die Arbeitszeiterfassung mit der BMAS-App „ einfach erfasst “ gehen, welche ebenfalls auf der genannten Seite zum Download bereitsteht. Seit Inkrafttreten des MiLoG hat das BMAS zudem zwei neue Verordnungen erlassen, die die Dokumentationspflicht des Arbeitgebers erleichtern sollen: Nach der Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung (MiLoDokV) gilt die Dokumentationspflicht nicht bei Arbeitnehmern, deren verstetigtes regelmäßiges Monatsentgelt EUR 2.958,- brutto überschreitet und für die der Arbeitgeber seine nach § 16 Abs. 2 ArbZG bestehende Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeit und zur Aufbewahrung dieser Aufzeichnungen tatsächlich erfüllt. „ Verstetigtes monatliches Arbeitsentgelt “ ist das monatliche Arbeitsentgelt, das auf der Basis einer vereinbarten Stundenzahl unabhängig von der Anzahl der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden gezahlt wird und das auf das ganze Jahr gesehen dem gesetzlichen Mindestlohn von EUR 8,50 pro geleisteter Arbeitsstunde entspricht. RBnews SPEZIAL ] Aktuelles zum MiLoG Was muss für den Zoll bereitgehalten werden? von Rechtsanwältin Christina Krämer soweit er Arbeitnehmer mit ausschließlich mobiler Tätigkeit beschäftigt, diese keine konkreten Vorgaben zur konkreten täglichen Arbeitszeit (Beginn und Ende) unterliegen und sich ihre tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich einteilen, seiner Aufzeichnungspflicht, wenn er für diese Arbeitnehmer nur die Dauer der tatsächlichen täglichen Arbeitszeit aufzeichnet. Eine ausschließlich mobile Tätigkeit liegt dann vor, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die nicht an Beschäftigungsorte gebunden ist. Die neuen Verordnungen MiLoDokV und MiLoAufzV führen in den einschlägigen Fällen zu Erleichterungen bei der Dokumentation der Arbeitszeiten. Zu beachten ist aber, dass den Arbeitgeber weiterhin Aufzeichnungspflichten nach § 16 Abs. 2 ArbZG treffen. Danach muss diejenige Arbeitszeit der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aufgezeichnet und die Aufzeichnung aufbewahrt werden, die über die werktägliche Arbeitszeit, die acht Stunden nicht überschreiten darf, hinausgeht. Nur in wenigen Ausnahmefällen, etwa bei leitenden Angestellten (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG), kann für den Arbeitgeber auch diese Aufzeichnungspflicht entfallen. Ob und in welchem Umfang Arbeitszeiten dokumentiert werden müssen, muss somit im Einzelfall geprüft werden. Weitere Entwicklungen im Bereich der Dokumentationspflichten rund um das Thema Mindestlohn sind jedenfalls zu erwarten. Nach einem Spitzentreffen der Regierungsparteien Ende April 2015 will die SPD das Gesetz und die Regelungen zur Umsetzung des Mindestlohns vorerst zwar unangetastet lassen; die Union drängt dagegen auf Nachbesserungen zugunsten der Unternehmer, insbesondere auch im Bereich der Dokumentationspflichten. Man wolle das Thema in einem Paket lösen und nicht einzelne Fragen herausbrechen. Welchen Umfang das Paket haben wird und wann damit gerechnet werden kann, steht bislang aber nicht fest. Klopft der Zoll an die Tür, um die Einhaltung des MiLoG zu überprüfen, ergeben sich seine Befugnisse aus § 15 MiLoG i.V.m. den Vorschiften des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG). Nach § 15 Satz 1 Nr. 1 MiLoG kann die Zollbehörde Einsicht in Arbeitsverträge, in Niederschriften nach § 2 NachwG und in andere Geschäftsunterlagen verlangen, die unmittelbar oder mittelbar Auskunft über die Einhaltung des Mindestlohns nach § 20 MiLoG geben. Der Zoll ist auch befugt, in die Lohn- und Meldeunterlagen, in Bücher und in andere Geschäftsunterlagen Einsicht zu nehmen, aus denen Umfang, Art oder Dauer von Beschäftigungsverhältnissen hervorgehen oder abgeleitet werden können, § 15 Satz 1 MiLoG, § 4 Abs. 1 SchwarzArbG. Soll nach § 17 Abs. 2 MiLoG die Einhaltung der Zahlung des Mindestlohns bei Arbeitgebern geprüft werden, die Arbeitnehmer nach § 8 Abs. 1 SGB IV (sog. „ Mini-Jobber “) oder in den in § 2a SchwarzArbG genannten Bereichen (Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen, Baugewerbe, Fleischwirtschaft, Forstwirtschaft, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Gebäudereinigung, Personenbeförderung, Schaustellergewerbe, Spedition / Transport / Logistik) beschäftigen, fordert die Zollbehörde explizit folgenden Unterlagen: ˚ Arbeitsvertrag (oder Niederschriften nach § 2 NachwG) ˚ Arbeitszeitnachweise (Differenzierung nach Beschäftigungsort, falls regional unterschiedliche Mindestlöhne in Betracht kommen) ˚ Lohnabrechnungen ˚ Nachweise über erfolgte Lohnzahlungen. Sofern sich der Arbeitgeber auf eine Arbeitszeitflexibilisierung berufen möchte, müssen zusätzlich noch folgende Dokumente bereitgehalten werden: ˚ schriftliche Vereinbarung der Arbeitszeitflexibilisierung ˚ Ausgleichskonto für jeden Arbeitnehmer, ggf. getrennte Stundenaufzeichnung neue / alte Bundesländer ˚ Nachweis über Absicherung des Ausgleichskontos (z.B. Bankbürgschaft, Sperrkonto), falls nach Tarifvertrag oder Rechtsverordnung erforderlich. Die Dokumente sind in Deutschland und in deutscher Sprache bereitzuhalten. Der Zoll weist ausdrücklich auf die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Satz 2 MiLoG hin, die besagt, dass der Arbeitgeber die Unterlagen auf Verlangen des Zolls am Ort der Beschäftigung vorzulegen hat. Dies soll aber die Ausnahme und nicht die Regel sein und ist durch den Zoll sachgerecht zu begründen, denn grundsätzlich kann der Aufbewahrungsort im Inland frei bestimmt werden, vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 4 MiLoG. Neben den Unterlagen, die zur Überprüfung der rechtzeitigen Zahlung des Mindestlohns herangezogen werden, müssen dem Zoll auch die Aufzeichnungen nach § 17 Abs. 1 MiLoG vorgelegt werden, sofern eine solche Dokumentationspflicht besteht (vgl. dazu den Beitrag S. 10). Arbeitnehmerentsendung in Zeiten des MiLoG von Rechtsanwältin Christina Krämer Seit dem 01.01.2015 sind nach § 20 MiLoG Arbeitgeber sowohl mit Sitz im In- als auch im Ausland verpflichtet, ihren in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern den nach dem MiLoG festgelegten Mindestlohn in Höhe von EUR 8,50 brutto pro Zeitsunde zu zahlen. Folglich haben Arbeitnehmer, die im Rahmen der Arbeitnehmerentsendung auf Weisung ihres Arbeitgebers, der seinen Sitz nicht im Inland hat, in Deutschland vorrübergehend eine Beschäftigung ausüben, einen Anspruch auf den Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG. Insofern handelt es sich bei dem Mindestlohn um einen Mindestentgeltsatz im Sinne des § 2 Nr. 1 AEntG, so dass das eigentlich auf den einzelnen Arbeitsvertrag anwendbare Recht unbeachtlich ist. Das MiLoG findet auch in diesen Fällen nur dann keine Anwendung, wenn der betroffene Arbeitnehmer nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des MiLoG fällt (§ 22 MiLoG). Umgekehrt muss der Mindestlohn nach dem Wortlaut des § 20 MiLoG aber nicht gezahlt werden, wenn ein Arbeitnehmer zeitweise nicht in Deutschland beschäftigt ist, obwohl deutsches Recht auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Allerdings bleibt der Arbeitgeber auch dann an seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gebunden, aus denen sich der Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns ergibt. Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die Arbeitnehmer zur Ausführung von Werk- oder Dienstleistungen nach Deutschland entsenden, haben – neben der Zahlung des Mindestlohns – folgende Pflichten: Anmeldung vor Beginn jeder Tätigkeit nach §§ 16 Abs. 1 MiLoG, 18 Abs. 1 AEntG (schriftlich, in deutscher Sprache) und Mitteilung entsprechender Änderungen Abgabe einer Versicherung nach §§ 16 Abs. 2 MiLoG, 18 Abs. 2 AEntG bzgl. der Einhaltung der Zahlung des Mindestlohns bzw. der Gewährung von Arbeitsbedingungen im Sinne des AEntG Führung von Arbeitszeitnachweisen nach §§ 17 Abs. 1 MiLoG, 19 Abs. 1 AEntG (Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertags; mindestens zweijährige Aufbewahrungspflicht ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt; vgl. den Beitrag zu den Dokumentationspflichten, S. 10) 12 ] 13 Bereithaltung der erforderlichen Unterlagen (vgl. dazu S. 11) in Deutschland und in deutscher Sprache nach §§ 17 Abs. 2 MiLoG, 19 Abs. 2 AentG. teilung entbehrlich sein. Die Mindestlohnaufzeichnungsverordnung enthält des Weiteren Erleichterungen hinsichtlich der Dokumentationspflichten für mobile Tätigkeiten. Dies gilt auch für Entleiher, die Arbeitnehmer von einem Verleiher mit Sitz im Ausland entleihen. Voraussetzung für das Bestehen solcher Pflichten ist aber, dass der Arbeitgeber / Entleiher in Branchen des § 2a SchwarzArbG oder in denen des AEntG tätig ist. Spezialfall: grenzüberschreitende Transporte Besondere Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob auch nur kurzfristig sich in Deutschland aufhaltende ausländische Arbeitnehmer „ als im Inland beschäftigt “ nach § 20 MiLoG gelten. Im Bereich des reinen Transitverkehrs (Personen- und Güterbeförderung durch Deutschland mit Start- und Zielort außerhalb der BRD) hat die EU-Kommission am 21.01.2015 zur Klärung der Frage, ob die Anwendung des Mindestlohns auf den reinen Transit durch Deutschland mit EU-Recht vereinbar ist, ein Pilotverfahren eingeleitet, dem sich die Bundesrepublik Deutschland freiwillig angeschlossen hat, wobei die Bundesregierung der Auffassung ist, dass die derzeitigen Regelungen EU-rechtskonform seien. Bis zur Klärung der europarechtlichen Fragen zur Anwendung des MiLoG im Transitbereich werden die Kontrollen der Zollverwaltung in diesem Bereich ausgesetzt. Zudem werden laut der Internetseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (www.der-mindestlohn-gilt.de) sowie des Zolls (www.zoll.de) Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 21 MiLoG nicht eingeleitet, bereits eingeleitete Verfahren werden eingestellt und nach dem MiLoG sowie den entsprechenden Verordnungen erforderliche Meldungen bzw. Einsatzplanungen sowie Aufzeichnungen sind nicht zu erstellen und abzugeben. Die Kabotagebeförderung (Start- und Zielort von Trans-portdienstleistungen, die von einem ausländischen Unternehmen erbracht werden, befinden sich innerhalb Deutschlands) und der grenzüberschreitende Straßenverkehr mit Be- oder Entladung in Deutschland ist dagegen nicht von der Aussetzung betroffen, so dass hier die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns gilt, solange Arbeitsleistung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erbracht wird. Die weitere Entwicklung – insbesondere im Bereich des reinen Transitverkehrs – bleibt abzuwarten. Folgende Branchen sind von den vorgenannten Normen erfasst: ............................................................................................................................................................................. § 2a SchwarzArbG ............................................................................................................................................................................. Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen Baugewerbe Fleischwirtschaft Forstwirtschaft Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe Gebäudereinigung Personenbeförderung Schaustellergewerbe Spedition / Transport / Logistik ............................................................................................................................................................................. AEntG ............................................................................................................................................................................. Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung / Winterdienst Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach SGB II und III Bauhaupt- und -nebengewerbe Briefdienstleistungen Friseurhandwerk Gebäudereinigung Land- und Forstwirtschaft / Gartenbau Pflegedienstleistung Schlachten / Fleischverarbeitung Sicherheitsdienstleistung Textil- und Bekleidungsindustrie Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft ............................................................................................................................................................................. Abweichend von den oben genannten Meldepflichten ist nach § 2 Mindestlohnmeldeverordnung bei Beschäftigungen in Schichtoder Nachtarbeit, an mehreren Beschäftigungsorten am selben Tag sowie bei ausschließlich mobilen Tätigkeiten – wie sie vermehrt im Speditions-, Transport und Logistikgewerbe vorkommen – eine Einsatzplanung abzugeben. Daneben kann auch eine Änderungsmit- Sozialversicherungsrechtliche Aspekte der Arbeitnehmerentsendung Deutsches Sozialversicherungsrecht findet nach dem Territorialitätsprinzip grundsätzlich auf alle Beschäftigungsverhältnisse, die innerhalb der Bundesrepublik Deutschland bestehen, Anwendung (§ 3 SGB IV). In Entsendefällen, in denen ein Arbeitnehmer durch seinen Arbeitgeber vorübergehend zur Ausübung seiner Tätigkeit in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union entsendet wird, ändert sich zwar der Beschäftigungsort, jedoch nicht auch zwingend das anzuwendende Sozialversicherungsrecht. Im Rahmen der Arbeitnehmerentsendung kommt es für die Behandlung der Sozialversicherungspflicht maßgeblich darauf an, ob der betreffende Arbeitnehmer eine sog. A1-Bescheinigung vorlegen kann, die zu einer Zuordnung zum Sicherungssystem des Herkunftslandes führt. Soll z.B. ein in Deutschland beschäftigter Arbeitnehmer aufgrund der Weisung seines Arbeitgebers voraussichtlich für maximal 24 Monate ins Ausland entsandt werden, während die arbeitsrechtliche Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehen bleibt, so verbleibt der Arbeitnehmer in der deutschen Sozialversicherung, wenn eine A1-Bescheinigung vom zuständigen deutschen Sozialversicherungs- RBnews SPEZIAL ] Aktuelles zum MiLoG träger (gesetzliche Krankenkasse des Arbeitnehmers oder – falls keine gesetzliche Krankenversicherung besteht – Rentenversicherungsträger / Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.V.) erteilt wurde. Zugleich wird aber auch für den Sozialversicherungsträger des Einsatzlandes verbindlich, dass der Arbeitnehmer der Sozialversicherung seines Herkunftslandes zuzuordnen ist und der Arbeitgeber im Aufnahmeland von der Sozialversicherungspflicht befreit ist und daher keine Meldungen zur Sozialversicherung abgeben muss. Nach der Rechtsprechung entfaltet eine A1-Bescheinigung absolute Bindungswirkung für alle anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, solange sie nicht von den Behörden des ausstellenden Staates zurückgenommen oder für ungültig erklärt wurde (EuGH v 21.01.2006 – C-2 / 05 – Herbosch Kiere; BGH v. 24.10.2006 – 1 StR 44 / 06). Dementsprechend unterfällt ein ausländischer Arbeitnehmer nicht der deutschen Sozialversicherungspflicht, wenn er nach Deutschland entsandt wird und eine A1-Bescheinigung vorlegen kann. Er ist aber auch nicht zur Inanspruchnahme von Leistungen der deutschen Sozialversicherung berechtigt. Aufgrund der umfassenden Bindungswirkung der A1-Bescheinigung auch für die deutschen Gerichte, scheidet eine Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen aus, da durch die Bescheinigung bindend festgestellt wird, dass eine deutsche Sozialversicherungspflicht nicht besteht. Der BGH ließ jedoch ausdrücklich offen, ob auch dann eine Straffreiheit vorliegt, wenn die Sozialversicherungsbeiträge im Herkunftsland nicht ordnungsgemäß abgeführt worden sind, da dies in dem zu entscheidenden Fall durch das ausländische Unternehmen erfolgte. Zu beachten ist aber, dass der Arbeitgeber zur entsprechenden Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet ist, wenn eine A1-Bescheinigung von der ausstellenden Behörde zurückgenommen oder für ungültig erklärt wird. Sie verliert dann ihre Wirkung und zwar von Anfang an. Dies gilt auch für den gutgläubigen Arbeitgeber. Wenn das Ehrenamt zur Arbeit wird – ehrenamtliche Tätigkeit und Mindestlohn von Rechtsanwältin Marta Polczynski Das Mindestlohngesetz (MiLoG) nimmt in § 22 Abs. 3 MiLoG die sog. ehrenamtlich Tätigen aus dem Anwendungsbereich des Mindestlohns aus. Die auf den ersten Blick klare Ausnahmebestimmung verursacht bei näherer Betrachtung eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Denn die Krux liegt darin, dass das MiLoG den Begriff des ehrenamtlich Tätigen – wie im Übrigen auch das gesamte Arbeitsrecht – nirgends definiert. Nach der Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales liegt eine ehrenamtliche Tätigkeit vor, „wenn sie nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz dient, sondern Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber den Belangen des Gemeinwohls sowie den Sorgen und Nöten anderer Menschen ist.“ Nach der Begründung des Regierungsentwurfs der Bundesregierung zum MiLoG sind auch solche Personen ehrenamtlich tätig, die einen Freiwilligendienst im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG leisten. Dies sind beispielsweise Personen, die einen Bundesfreiwilligendienst (BFD), ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr ableisten. Im Einzelfall bestehen jedoch Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Arbeitsverhältnis und Ehrenamt. Wie so oft kommt es hierfür auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls an. Entscheidend für die Einordnung des Vertragstyps ist nicht die Bezeichnung der Tätigkeit, sondern der tatsächliche Tätigkeitsinhalt. Ergibt sich beispielsweise, dass die vermeintlich ehrenamtlich tätige Person einem umfangreichen Weisungsrecht seines Auftraggebers unterliegt, so ist sie in Wahrheit als Arbeitnehmer einzustufen. Die Vereinbarung der Ehrenamtlichkeit wäre dann unwirksam. Zwischen den Vertragsparteien bestünde in diesem Fall ein normales Arbeitsverhältnis, das sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Arbeitsverhältnissen unterscheidet (zum Arbeitnehmerbegriff in Abgrenzung zum Ehrenamt vgl. RB news Spezial vom November 2014, S. 13f.). Denkbar ist auch eine Konstellation, dass eine Person neben einer geringfügigen Beschäftigung auch eine darüberhinausgehende ehrenamtliche Tätigkeit ausübt. Unproblematisch ist, dass die Tätigkeit, die im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung als sog. Minijob ausgeübt wird, ein Arbeitsverhältnis darstellt, auf welches die Bestimmungen des MiLoG Anwendung finden. Das darüberhinausgehende ehrenamtliche Engagement ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Jedoch muss sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben, welche konkreten Leistungen in welchem Umfang Teil des Minijobs sind. Es muss klar abgegrenzt sein, dass die ehrenamtliche Tätigkeit ihrer Art und ihrem Inhalt nach eine andere darstellt als die im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung praktizierte Tätigkeit. Andernfalls kann der Verdacht einer Umgehung des Mindestlohns entstehen. 14 ] 15 Als „Entlohnung“ für eine ehrenamtliche Tätigkeit kann eine Aufwandsentschädigung oder, falls die Voraussetzungen vorliegen, eine Übungsleiterpauschale nach § 3 Nr. 26 EStG bzw. Ehrenamtspauschale nach § 3 Nr. 26a EStG gezahlt werden (zur Übungsleiterbzw. Ehrenamtspauschale vgl. RB news Spezial vom November 2014, S. 14). Der gesetzliche Mindestlohn gilt hier gerade nicht. Es ist weder eine Zeiterfassung noch eine maximale Stundenzahl zu beachten. Dies ist gilt auch dann, wenn neben dem Ehrenamt eine weitere Beschäftigung, beispielsweise ein Minijob, ausgeübt wird, solange die Tätigkeiten nach ihrer Art und ihrem Umfang klar voneinander abgrenzbar sind (s.o.). In Bezug auf die weitere Beschäftigung sind der gesetzliche Mindestlohn sowie die sich aus dem MiLoG ergebenden Dokumentationspflichten freilich anzuwenden (vgl. Beitrag zu den Dokumentationspflichten, S. 10 sowie RB news Spezial vom November 2014, S. 18). Aktuelle Entwicklungen nach Einführung des Mindestlohns zum 1.1.2015 gab es bisher in dem Bereich der Vertragsamateur-Fußballspieler: Diese können von ihren Vereinen eine Vergütung bis zu EUR 450,- netto erhalten, ohne dass die Tätigkeitszeiten für Spiele, Training oder Besprechungen aufwendig ermittelt und aufgezeichnet werden müssen, so die Einigung zwischen Bundesministerin Nahles und den Spitzenfunktionären des deutschen Sports vom 23.02.2015. Kontrollen des Zolls bei den Vereinen wegen Einhaltung des Mindestlohns bei den Vertragsamateuren sollen daher nicht durchgeführt werden. Wenn auch diese Entwicklung gerade für viele örtliche und regionale Vereine von erheblicher Bedeutung ist, so wäre dennoch mehr Klarheit auch im geschäftlichen Bereich wünschenswert, insbesondere bei Abgrenzungsfragen zwischen Arbeitnehmertätigkeit und Ehrenamt. Anrechnung von Vergütungsbestandteilen RBnews SPEZIAL ] Aktuelles zum MiLoG Mindestlohn – Rechtsfolgen von Verstößen auf den Mindestlohn von Rechtsanwältin Katharina Heinz von Rechtsanwalt Dr. Arnim Powietzka Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG beträgt der gesetzliche Mindestlohn EUR 8,50 brutto pro Stunde. Erhält ein Arbeitnehmer neben dem Grundgehalt zusätzliche Vergütungsbestandteile wie z.B. Urlaubsund Weihnachtsgeld, Zulagen und Zuschläge, so stellt sich die Frage, inwieweit diese Leistungen auf den Mindestlohn angerechnet werden können, so dass zumindest im Durchschnitt der gesetzliche Mindestlohn erreicht werden kann, obwohl das Grundgehalt unter EUR 8,50 pro Stunde liegt. Im Grundsatz geht man davon aus, dass nur solche Leistungen auf den Mindestlohn anzurechnen sind, die als unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Mitarbeiters gezahlt werden. Jährliche Sonderzahlungen sind nach überwiegender Meinung schon deshalb nicht anrechenbar, da sie nicht bei Fälligkeit des gesetzlichen Mindestlohns bezahlt werden (siehe RB news Spezial vom November 2014, S. 8 f.). Das Arbeitsgericht Berlin hatte sich in einer der ersten Entscheidungen zum MiLoG bereits mit der Anrechnung von Arbeitgeberleistungen zu befassen. Die Arbeitnehmerin war bislang für eine Grundvergütung von EUR 6,44 brutto je Stunde zzgl. Leistungszulage und Schichtzulagen beschäftigt gewesen. Ferner hatte sie ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung erhalten. Aufgrund der Einführung des MiLoG zum 01.01.2015 sprach die Arbeitgeberin eine Änderungskündigung aus. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis und bot der Arbeitnehmerin gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von zukünftig EUR 8,50 brutto bei Wegfall der Leistungszulage, des Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung fortzusetzen. Das Arbeitsgericht Berlin hielt die Änderungskündigung für unwirksam. Der gesetzliche Mindestlohn solle unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die – wie das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung – nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unwirksam (ArbG Berlin, Urteil vom 04.03.2015 – 54 Ca 14420 /14). Die Mitarbeiterin wird daher die zusätzlichen Arbeitgeberleistungen zukünftig zusätzlich zu dem gesetzlichen Mindestlohn von EUR 8,50 brutto beanspruchen können. Zivilrechtliche Konsequenzen Eine Vereinbarung, die den Mindestlohn unterschreitet, stellt zunächst gemäß § 3 Satz 1 MiLoG eine unwirksame Vergütungsabrede dar. Der Arbeitsvertrag bleibt im Übrigen allerdings wirksam. Die sich daran anschließende Frage, welche Vergütung anstatt der unwirksam vereinbarten Vergütung zu zahlen ist, lässt sich demgegenüber nicht ohne weiteres beantworten. Im Wesentlichen bestehen zwei verschiedene Lösungsansätze, welche auch beide vertreten werden. Nach einer Ansicht kann der Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zum Mindestlohn geltend machen, u.a. mit dem Argument, dass der gesetzliche Schutzzweck in erster Linie auf die Sicherung des Mindestlohns beschränkt ist. Eine andere Auffassung geht dahingehend, dass § 612 Abs. 2 BGB anzuwenden wäre, nach welcher die „ übliche Vergütung “ als vereinbart anzusehen wäre. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG diejenige, die am gleichen Ort in ähnlichen Berufen für vergleichbare Arbeit tatsächlich bezahlt wird. In der Regel erfolgt sodann eine Orientierung an dem branchenüblichen Tariflohn, was ggf. dazu führen kann, dass der Anspruch des Arbeitnehmers den Mindestlohnanspruch i.H.v. EUR 8,50 erheblich überschreitet. Diese Streitfrage ist noch nicht abschließend geklärt, so dass insoweit die ersten Urteile der der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung abzuwarten sind. Die derzeitige Tendenz scheint in Richtung der üblichen Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB zu gehen. Sozialversicherungsrechtliche Folgen Mittelbar ergeben sich aus der Unwirksamkeit der Vergütungsabrede auch sozialversicherungsrechtliche Folgen. Wurde dem Arbeitnehmer eine Vergütung unter dem Mindestlohn gezahlt, ist der Arbeitgeber zur Nachzahlung der für die Differenz anfallenden Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet. Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gilt das sog. Entstehungsprinzip, welches besagt, dass Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen treffen den Arbeitgeber somit unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer die Differenz des Entgelts auch tatsächlich gerichtlich geltend macht. Beiträge der Sozialversicherung fallen also auch für lediglich geschuldetes, bislang noch nicht ausgezahltes Arbeitsentgelt an (§ 22 Abs. 1 SGB IV). Zudem können nach § 24 Abs. 1 SGB IV in diesem Zusammenhang nicht unerhebliche Säumniszuschläge erhoben werden. Ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen Neben den zivil- und sozialrechtlichen Folgen beruhen die Konsequenzen des Mindestlohngesetzes in erster Linie auf straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Konsequenzen. Der Ordnungswidrigkeitenkatalog befindet sich in § 21 MiLoG. Die zentrale Norm befindet sich in § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG, welcher den Verstoß gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns sanktioniert. Danach handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig den gesetzlichen Mindestlohn in seiner jeweiligen Höhe nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Auch die Beauftragung unzuverlässiger Subunternehmer kann in Verbindung mit § 13 MiLoG gemäß § 21 Abs. 2 MiLoG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Nach dieser Vorschrift drohen dem Arbeitgeber Bußgelder, wenn dieser Werk- oder Dienstleistungen in erheblichem Umfang an Subunternehmer vergibt und dieser weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass der Subunternehmer den Mindestlohn an seine Arbeitnehmer nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Eine Haftung des Auftraggebers wird regelmäßig dann zu bejahen sein, wenn dieser bei Vertragsschluss mit den Subunternehmern schon klare Anhaltspunkte dahingehend hatte, dass dieser durch die angebotenen Konditionen den Auftrag nicht mindestlohnkonform erbringen kann [siehe dazu auch S. 16]. Zudem werden gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1-3 MiLoG Verstöße des Arbeitgebers gegen Mitwirkungs- und Duldungspflichten bei behördlichen Prüfungen mit einem Bußgeld geahndet. Diese Vorschrift nimmt insbesondere auf § 15 MiLoG Bezug, welcher die Befugnisse des Zolls, insbesondere zur Prüfung und Befragung von Personen, zum Betreten von Grundstücken und Geschäftsräumen und zur Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen begründet und dem betroffenen Arbeitgeber entsprechende Duldungspflichten auferlegt. Verstöße gegen die Melde- und Versicherungspflichten können nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 - 6 MiLoG geahndet werden. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 7- 8 MiLoG sind schließlich auch Verstöße gegen die Dokumentations- und Bereithaltungspflichten des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 1 und 2 MiLoG mit Bußgeldern bewehrt [vgl. dazu S. 10]. Bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns und gegen die Beauftragung unzuverlässiger Subunternehmer kann ein Bußgeld bis zu EUR 500.000,- verhängt werden. In den übrigen Fällen kann eine Geldbuße bis zu EUR 30.000,- drohen. Strafrechtliche Konsequenzen Zahlt der Arbeitgeber den gesetzlichen Mindestlohn nicht, kommt neben den ausgeführten Ordnungswidrigkeiten regelmäßig auch eine Strafbarkeit nach § 266a StGB in Betracht. Danach ist das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen strafbewehrt. Eine Strafbarkeit nach § 266a StGB kommt nur bei vorsätzlichem Handeln in Betracht, wobei bedingter Vorsatz allerdings ausreicht [siehe dazu S. 19]. 16 ] 17 Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge Zudem ist in § 19 MiLoG noch eine weitere Sanktion für den Arbeitgeber vorgesehen: der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge. Wird ein Arbeitgeber wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 21 MiLoG mit einer Geldbuße von wenigstens EUR 2.500,belegt, so soll er gemäß § 19 MiLoG für eine angemessene Zeit bis zur nachgewiesenen Wiederherstellung der Zuverlässigkeit von der Teilnahme an einem Wettbewerb um Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsaufträge öffentlicher Auftraggeber ausgeschlossen werden. Diese Sanktion kann für eine Vielzahl von Unternehmen – z.B. in der Baubranche – mit existenzbedrohenden Folgen verbunden sein. Die Sanktionsmöglichkeiten bei einer Verletzung des Mindestlohngesetzes sind umfangreich, so dass es für den Arbeitgeber zur Vermeidung von Konsequenzen von besonderer Wichtigkeit ist, die aufgezeigten Pflichten und Risiken zu kennen. Die Auftraggeberhaftung bzgl. des Mindestlohns von Rechtsanwalt Florian Christ In den vergangenen Monaten wurden zwischen vielen deutschen Unternehmen zahllose neu gestaltete und bis dato unbekannte sog. Garantie- und Freistellungsvereinbarungen in Bezug auf den neuen gesetzlichen Mindestlohn ausgetauscht. Die Firmen fordern unter den Auswirkungen des Mindestlohngesetztes von ihren (zum Teil langjährigen) Vertragspartnern Erklärungen und Versprechen darüber, dass diese ihren Mitarbeitern tatsächlich Mindestlöhne auszahlen. Wie kommt es zu dieser aufwändigen und teilweise befremdlichen Entwicklung? Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet nach § 13 MiLoG i.V.m. § 14 AEntG (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) für die Verpflichtungen dieses Unternehmers zur Zahlung des Mindestlohns wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. § 13 MiLoG verweist insoweit auf § 14 AEntG. Diese in das MiLoG übernommene Bürgenhaftung ist - anders als noch in einem vorhergehenden Gesetzesentwurf (BT-Drucks. 18 /1558 S. 47) - sogar verschuldensunabhängig ausgestaltet. Diese „ Garantiehaftung “ für fremde Mindestlohnansprüche wirft zwar durchaus verfassungsrechtliche Bedenken auf. Allerdings haben die Gerichte die vergleichbare Regelung in § 14 AEntG jedenfalls bislang unter europaund verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten für zulässig erachtet. Diese erweiterte Haftung ermöglicht es den Arbeitnehmern von Fremdfirmen ihre Mindestlohnansprüche (zumindest in Höhe des Nettomindestlohns) auch direkt gegen den Auftraggeber geltend zu machen. Da die Arbeitnehmer sogar ein Wahlrecht haben, ob sie ihren Arbeitgeber oder den Auftraggeber direkt in Anspruch nehmen wollen, ist absehbar, dass diese Mindestlohnhaftung des Auftraggebers vor allem bei einer Insolvenz von Subunternehmern besondere Bedeutung haben könnte. RBnews SPEZIAL ] Aktuelles zum MiLoG Die Bürgenhaftung ist zudem nicht nur auf das jeweils nächste Glied in einer Subunternehmerkette begrenzt. Vielmehr können Arbeitnehmer eines „Nach-Nachunternehmers“ unmittelbar auch den letztverantwortlichen Auftraggeber in Anspruch nehmen. Dieser muss dann die Mindestlohnforderung im Außenverhältnis zu den fremden Arbeitnehmern erfüllen und kann dann nur im Innenverhältnis (ggf. anteilig) Regress nehmen. In einem potentiellen Insolvenzfall wird dieser Regressanspruch allerdings oftmals wertlos bleiben. lohns durch ihre Subunternehmer selber überzeugen. Hierbei sollte allerdings darauf geachtet werden, dass durch solche Kontrollmöglichkeiten keine datenschutzrechtlichen Probleme entstehen oder die Annahme einer Scheinselbstständigkeit genährt wird. Es bleibt zu hoffen, dass zunächst die Behörden und sodann auch die Gerichte zur Frage der Tragweite der Bürgenhaftung auch die begrenzende Auslegung aus dem Arbeitnehmerentsendegesetz auf die Auftraggeberhaftung im MiLoG übertragen. Denn danach gelten nur solche Unternehmen als Subunternehmen, die unmittelbar „ eigene Aufgaben “ des Auftraggebers im Verhältnis zu dessen Kunden wahrnehmen, so dass nicht alle Werk- und Dienstleistungsverträge des unternehmerischen Alltags im Anwendungsbereich der Haftungsregelungen liegen. In dieser Richtung gibt es erfreulicherweise bereits aktuell entwarnende Aussagen des Arbeitsministeriums auf dessen Internetseite. So soll beispielsweise ein Industrieproduktionsunternehmern nicht für den Mindestlohn der Mitarbeiter einer Sanitärfirma haften, wenn diese mit der Behebung einer Verstopfung der Unternehmenstoiletten beauftragt wird. Denn hierbei handelt es sich nicht um eine „ eigene “ vertragliche Aufgabe des Unternehmens. Im Weiteren sollen auch beispielsweise der (einmalige) Neubau einer Werkshalle oder die Reparatur der Kaffeemaschine der Werkstattküche keine Haftung auf den Mindestlohn in Bezug auf die Mitarbeiter des Auftragsnehmers auslösen. von Rechtsanwalt Florian Christ Selbst wenn dieser einschränkenden Auslegung wohl gefolgt werden wird, bleibt von nun an jede Einschaltung von weiteren Unternehmen in die eigene Leistungsbeziehung mit Abnehmern oder Kunden mit einem Mindestlohn-Haftungsrisiko verbunden. Da die Auftraggeberhaftung im Außenverhältnis zu den Arbeitnehmern nicht ausgeschlossen werden kann, ist Unternehmen anzuraten, im Verhältnis zu Subunternehmen vertragliche und organisatorische Schutzmechanismen einzuführen. Dies kann z.B. durch die Vereinbarung der oben bereits angesprochenen Freistellungs- und Garantieerklärungen erfolgen. Zusätzlich wären aber auch vorläufige Zahlungseinbehalte bei der Bezahlung von Subunternehmen denkbar. Geregelt werden sollten außerdem Auskunfts- und Mitwirkungspflichten der Subunternehmer, die es dem Auftraggeber ermöglichen, sich gegen potentielle Mindestlohnklagen der Fremdmitarbeiter überhaupt zu verteidigen. Ferner könnte die Einschaltung weiterer Nachunternehmer von der Zustimmung des Auftraggebers abhängig gemacht werden oder Subunternehmer sollten zumindest verpflichtet werden, bei der Einschaltung von Verleihern und Nachunternehmern ihrerseits adäquate Vertragsstandards im Hinblick auf den Mindestlohn vorzusehen, um eine Auftraggeberhaftung in der Leistungskette zu vermeiden. Eine zusätzliche Begrenzung des Haftungsrisikos könnte zudem vorsehen, dass sich Unternehmen in regelmäßigen Abständen, zumindest aber im Verdachtsfalle, von der Einhaltung des Mindest- Ausblick - Weitere politische Entwicklungen beim Mindestlohn Das Mindestlohngesetz war vor dessen Einführung zum Jahresbeginn 2015 sowohl von den politischen Parteien als auch von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften lange Zeit stark umstritten. Zu unklar erschienen die Anforderungen und rechtlichen Auswirkungen einer gesetzlichen Mindestlohnvorgabe. Und als ob die Verwirrung und Rechtsunsicherheit über die Anwendung und die Tragweite des Mindestlohngesetzes nicht schon groß genug gewesen wäre, erließ der Gesetzgeber schon zum Jahresanfang 2015 folgende „ konkretisierenden “ zusätzlichen Rechtsverordnungen: die Mindestlohnaufzeichnungsverordnung (MiLoAufzV), die Mindestlohnmeldeverordnung (MiLoMeldV) und die Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung (MiLoDokV). Zusätzlich wurde vom Arbeitsministerium vermeldet, es würden zur Kontrolle des Mindestlohns ca. 1600 neue Stellen beim Zoll geschaffen. Die Kontrolleure sollten an der Schusswaffe ausgebildet und eingesetzt werden. Die Diskussionen über Inhalt und Ausgestaltung der Mindestlohnregelungen endeten allerdings nicht mit dem Inkrafttreten des Gesetzes im Januar 2015. Im Gegenteil, insbesondere weil viele Unternehmen nun bemerkten, mit welchen organisatorischen und auch bürokratischen Hindernissen die praktische Umsetzung der Mindestlohnregelungen behaftet ist, wurden Berufsverbände politisch aktiv und fordern Nachbesserungen beim Mindestlohn. Denn selbst die vielen Unternehmen, die ihre Mitarbeiter deutlich über Mindestlohn bezahlen, sollen künftig neue Dokumentations- und Haftungspflichten erfüllen. Die Verbände werfen Bundesarbeitsministerin Nahles vor, mit den Regelungen „ weit übers Ziel hinausgeschossen “ zu sein. Und bei dieser Kritik gehe es gerade nicht um die Höhe des Mindestlohns oder um das Ob, sondern im Schwerpunkt um die ergänzenden Ausführungsbestimmungen, die sich in vielen Branchen als praxisfern und kaum praktikabel erweisen würden. Im Hinblick auf den am 26. April 2015 tagenden Koalitionsausschusses war zuletzt Hoffnung aufgekommen, die politischen Parteien könnten sich bereits auf kurzfristige Erleichterungen für Unternehmen bei der Umsetzung der Mindestlohnvorgaben verständigen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks äußerte im Vorfeld seine klare Erwartung, dass lediglich kosmetische Änderungen am Mindestlohngesetz bei weitem nicht ausreichen würden. Die Koalition müsse bereits jetzt den Mut aufbringen, Fehler und Übermaß zu korrigieren. Damit stärke sie auch die Akzeptanz des gesetzlichen Mindestlohns bei den Unternehmern. Man vertraue diesbezüglich auch auf die Zusage der Bundeskanz- lerin, diesbezüglich nochmals tätig werden zu wollen. Aus den politischen Lagern hatte vor allem die CSU vor dem Spitzentreffen im April Änderungen gefordert. Sie wollte etwa die sog. Auftraggeberhaftung bei der Zahlung des Mindestlohns abschwächen und die Gehaltsschwelle von EUR 2.958,- absenken, bis zu der Arbeitgeber in bestimmten Branchen Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit aufzeichnen müssen. Die Beratungen des Koalitionsausschusses hatten sich dann zwar bis weit nach Mitternacht hingezogen und waren erst am frühen Montagmorgen beendet worden. Zwischen den Koalitionspartnern gab es bis zuletzt unterschiedliche Standpunkte. Es wurden allerdings zunächst keine Änderungen am Mindestlohngesetz oder an der Verordnung vereinbart. „ Wenn wir richtig erfassen, richtig kontrollieren und richtig umsetzen, dann schützen wir damit auch die 99 Prozent der Arbeitgeber, die es richtig machen wollen, die Ehrlichen, die den Lohn auszahlen, vor Lohndumping und Lohnkonkurrenz und unfairem Wettbewerb ”, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und begründete hiermit ihre Absage an kurzfristige Gesetzesänderungen. Die Koalitionspartner wiesen demgegenüber darauf hin, dass die Entwicklung weiter zu beobachten sei und zu einem späteren Zeitpunkt Änderungen erneut zu diskutieren seien. Die Unternehmen können somit derzeit nicht davon ausgehen, bei der Umsetzung der Mindestlohnvorgaben kurzfristig gesetzgeberische Schützenhilfe zu erhalten. In Fällen von Unklarheiten oder gar rechtlichen Konflikten sind somit in den nächsten Monaten und Jahren die Gerichte aufgerufen, Rechtssicherheit zu schaffen. Nach ersten Rückäußerungen der Arbeitsgerichte sind die Eingangszahlen in Bezug auf Mindestlohnklagen derzeit aber noch nicht in bemerkenswerter Weise angestiegen. Mittlerweile gibt es allerdings erste Musterklageverfahren von Berufsverbänden, welche die generalisierten Aufzeichnungspflichten der Arbeitszeit von Arbeitnehmern betreffen. So will in einem Verfahren vor dem Finanzgericht Hamburg ein Verband die Vorgabe gerichtlich prüfen lassen, ob Arbeitgeber in der Landwirtschaft und im Gartenbau verpflichtet sind, für alle Arbeitnehmer die Arbeitszeit aufzuzeichnen oder nur für geringfügig Beschäftigte. Die weitere legislative und vor allem aber die judikative Entwicklung wird beim Thema Mindestlohn genau zu beobachten sein. 18 ] 19 RBnews SPEZIAL ] Scheinselbständigkeit und Werkverträge SCHEINSELBSTÄNDIGKEIT UND WERKVERTRÄGE Grundlagen der Scheinselbständigkeit und Rechtsfolgen, insbesondere das Risiko der Strafbarkeit nach § 266a StGB von Rechtsanwältinnen Dr. Kerstin Reiserer und Verena Weiss-Bölz Scheinselbständigkeit ist seit jeher ein großes Thema, ob in der Praxis oder aber auch in der politischen Diskussion. Vor allem die aktuelle Regierung hatte bereits in ihrem Koalitionsvertrag aus 2013 angekündigt, dass die Problematik der Scheinwerkverträge, aber auch der Scheinselbständigkeit nun angegangen werden soll. Bislang hatte die Politik andere Themen im Fokus, wie etwa das Mindestlohngesetz, aber für dieses Jahr wurden die im Koalitionsvertrag angestrebten gesetzlichen Regelungen in diesem Themenkreis angekündigt. Aus diesem Grund sollen im folgenden Beitrag nochmals die Grundlagen der Scheinselbständigkeit und ihre Rechtsfolgen bzw. Risiken aufgezeigt werden, da eine Sensibilisierung in der Praxis in diesen Bereichen unerlässlich ist. Eine selbständige Tätigkeit und freie Mitarbeiter sind in vielen Branchen anzutreffen, da diese eine Vielzahl von Vorteilen – meist sowohl für den Auftraggeber wie den Auftragnehmer – mit sich bringt. Problematisch wird eine selbständige Tätigkeit aber dann, wenn diese nur zum Schein vereinbart wurde, tatsächlich aber ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht und das Vertragsverhältnis auch wie ein solches gelebt wird. Dann nämlich liegt die sog. Scheinselbständigkeit vor, die weitreichende und massive Rechtsfolgen insbesondere für die Unternehmen hat. Neben den finanziellen Auswirkungen und Risiken für das Unternehmen, hat die Scheinselbständigkeit auch für die vertretungsberechtigten Organe – bei einer GmbH etwa die Geschäftsführer – massive und v.a. persönliche Konsequenzen. Es besteht die Gefahr, dass der Geschäftsführer sich nach § 266a StGB strafbar macht, denn das Nichtabführen von Sozialleistungsbeitragen ist strafbewehrt. Aufgrund des Umstands, dass die Personalstruktur des Zolls aufgestockt wurde und noch weiter wird und der Zoll einen ganzheitlichen Prüfungsansatz verfolgt, erlangt das Strafbarkeitsrisiko der Scheinselbständigkeit unseres Erachtens in der Praxis größere Bedeutung. Da der Zoll als Ermittlungsbehörde der Staatsanwaltschaft prüft, kann bei einem Aufdecken einer möglichen Scheinselbständigkeit sogleich ein Strafverfahren eingeleitet werden. durch den Zoll demnach auch der Staatsanwalt an die Tür klopft, ist nicht zu unterschätzen. Auch unsere anwaltliche Praxis zeigt gerade in der jüngeren Vergangenheit, dass oftmals ein Strafverfahren bereits vor Abschluss einer etwaigen sozialversicherungsrechtlich abschließenden Beurteilung durchgeführt wird und demnach die Strafgerichte eine eigenständige Prüfung vornehmen, ob jemand Arbeitnehmer oder Selbständiger ist. Die Abgrenzung richtet sich aber auch hier nach den allgemeinen Grundsätzen, die auch im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht gelten. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, auch im Strafverfahren eine umfassende und ausführliche Abgrenzung darzulegen und die Kriterien der Selbständigkeit hervorzuheben. In finanzieller Hinsicht und gerade für die Unternehmen ist bei der Scheinselbständigkeitsproblematik eine etwaige Nachzahlungsverpflichtung der Sozialversicherungsbeiträge von entscheidender Bedeutung. Je nach Anzahl der Scheinselbständigkeitsfälle kann hier sogar eine Gefährdung des Unternehmens drohen. Ergeht nämlich ein Bescheid bzw. wird festgestellt, dass der Selbständige in Wahrheit Arbeitnehmer ist, dann drohen erhebliche Nachzahlungsrisiken für die Unternehmen. Das Unternehmen ist dann nicht Auftraggeber, sondern Arbeitgeber des „ Selbständigen “. Die Einordnung der Tätigkeit als abhängige Beschäftigung hat demnach grundsätzlich die Beitragspflicht in sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung zur Folge. Das Gravierende für die Unternehmen dabei ist, dass allein dieses nach den gesetzlichen Regelungen des § 28e SGB IV die angefallenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den zurückliegenden Zeitraum, für den ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt worden ist, schuldet, und zwar sowohl den Arbeitgeber- wie auch den Arbeitnehmeranteil. Die rückwirkende Haftung erstreckt sich dabei regelmäßig auf vier Jahre, bei vorsätzlichem Verhalten sogar auf 30 Jahre. Im Wesentlichen trägt demnach der Unternehmer das Risiko der Scheinselbständigkeit alleine, da ihm nur geringe Möglichkeiten zur Seite stehen, gegenüber dem Scheinselbständigen Regress zu nehmen. Da es sich nach der Feststellung um einen Arbeitnehmer handelt, treffen den Arbeitgeber in arbeitsrechtlicher Hinsicht sodann auch sämtliche Pflichten, die er gegenüber seinen Arbeitnehmern hat. Es kommen demnach sämtliche Arbeitnehmerschutzvorschriften zur Anwendung, wie etwa das Kündigungsschutzgesetz oder aber auch das Arbeitszeitgesetz. Schließlich kann auch in steuerrechtlicher Hinsicht eine gewisse Nachzahlungsverpflichtung bestehen für die nicht abgeführte Lohnsteuer. Unternehmer und Arbeitnehmer sind insoweit Gesamtschuldner. Reiserer / Bölz, Autorinnen Werkvertrag und Selbstständigkeit Die Problematik der Scheinwerkverträge und der Scheinselbstständigkeit De Gruyter Verlag 2014 ISBN: 978-3-11-034113-3 Auch wenn eine Strafbarkeit nach § 266 a StGB nur bei vorsätzlichem Handeln des Geschäftsführers besteht, ist zu beachten, dass hierfür allerdings bereits bedingter Vorsatz ausreicht, der nach Vorstellung einiger Strafgerichte bereits dann vorliegt, wenn der Geschäftsführer bzw. das vertretungsberechtigte Organ den Sachverhalt hätte kennen können, ggf. auch unter Beiziehung von Sachverständigen. Das Risiko, dass nach einer Betriebsprüfung oder nach einer Prüfung Obgleich die Selbständigkeit für beide Parteien eine Fülle von Vorteilen bieten kann, so bestehen auf der Kehrseite auch zahlreiche Risiken, die gerade von den Unternehmen beachtet werden sollen. Besonders für die Organe der Gesellschaft kann die Scheinselbständigkeit sogar persönliche Konsequenzen haben, nämlich dann, wenn ein Strafverfahren nach § 266a StGB geführt wird und ggf. eine Verurteilung droht. 20 ] 21 RBnews SPEZIAL ] RB Seminare · Scheinselbständigkeit und Werkverträge Kombination von Scheinselbständigkeit und Arbeitnehmerüberlassung von Rechtsanwältin Verena Weiss-Bölz Die Bundesregierung hat in der Presse bereits angekündigt, noch vor der Sommerpause einen konkreten Gesetzesentwurf gegen den Missbrauch von Werkverträgen bzw. die Scheinselbständigkeit vorlegen zu wollen. Nicht nur die Scheinselbständigkeit, sondern auch der Scheinwerkvertrag und die damit verbundene Abgrenzungsproblematik zur Arbeitneh-merüberlassung bieten derzeit große Schwierigkeiten und v.a. Risiken und Gefahren für die Unternehmen. Die Risiken und Schwierigkeiten erhöhen sich aber noch weiter, wenn die Scheinselbständigkeit mit Scheinwerkverträgen kombiniert wird. Auch solche Fälle sind in der Praxis zu verzeichnen, man denke etwa an Fallgestaltungen, bei denen der Werkunternehmer sich zur Erfüllung des Vertrages gegenüber dem Werkbesteller nicht nur seiner eigenen Arbeitnehmer bedient, sondern eben zur Erfüllung des Vertrages auch freie Mitarbeiter einsetzt und auf solche zurückgreift. Dann kann zum einen das Risiko der illegalen Arbeitnehmerüberlassung im Raum stehen oder aber andererseits auch das Risiko der Scheinselbständigkeit, nämlich dann, wenn die freien Mitarbeiter ihre Dienstleistung nicht weisungsfrei und nicht ohne Eingliederung beim Dritten erbringen, also Arbeitnehmer sind. RB SEMINARE Neben den RB news, die Sie gerade in Händen halten, wollen wir mit unseren regelmäßigen Seminarveranstaltungen zu einer Vielzahl wirtschaftsrechtlicher Themen unsere Mandanten über für Sie wichtige und aktuelle Rechtsentwicklungen und Fragestellungen unterrichtet halten und sensibilisieren. Die Veranstaltungen sind kostenlos. Jeder Teilnehmer erhält in der Regel ein umfassendes Skript, das es ihm ermöglicht, das Gehörte nachzulesen. Wir hoffen damit einen Beitrag zu leisten, der es Ihnen ermöglicht, sich in Ihrem rechtlichen Umfeld sicherer zu bewegen und dabei rechtliche und wirtschaftliche Nachteile und Risiken zu vermindern, im besten Fall sogar ganz zu vermeiden. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich auch weiterhin für unsere aktuellen Seminarveranstaltungen interessieren würden. Darüber hinaus sind wir aber auch jederzeit und gerne bereit, Anregungen Ihrerseits aufzunehmen und Seminarthemen aufzubereiten, die für Sie von besonderer Bedeutung oder Interesse sind. Auf Wunsch halten wir Seminarveranstaltungen gerne auch im geschlossenen Kreis in Ihrem Unternehmen ab. Weitere Informationen finden Sie unter www.rb-heidelberg.com Solche Fallgestaltungen lassen sich insbesondere in der IT-Branche beobachten, wie auch das in der Presse weit verbreitete Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 01.02.2013 hinsichtlich des DaimlerKonzerns zeigte. Tückisch ist an diesen Fallgestaltungen, dass sie für Unternehmen oftmals nicht ohne weiteres erkennbar sind, so dass besondere Vorsicht geboten ist, wenn nicht nur Arbeitnehmer des Werkunternehmers zur Erfüllung der Werkleistungen herangezogen werden, sondern auch freie Mitarbeiter und Selbständige. Auch im Rahmen von Subunternehmerverträgen kommt die Kombination von Scheinwerkvertrag und Scheinselbständigkeit in der Praxis häufig zum Tragen. Werden die Subunternehmerverhältnisse nur vorgespiegelt, handelt es sich in Wirklichkeit also um eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung, so ergeben sich die bereits beschriebenen massiven Rechtsfolgen auch im Hinblick der illegalen Arbeitnehmerüberlassung. Gleiches gilt im Hinblick auf die Rechtsfolgen der Scheinselbständigkeit, wenn die tatsächliche Vertragsdurchführung zeigt, dass der Werkunternehmer den freien Mitarbeiter so eingliedert bzw. diesen so konkrete Weisungen erteilt, dass er tatsächlich als Arbeitnehmer anzusehen ist. In diesem Zusammenhang ist streng zu prüfen, ob die vertraglichen Vereinbarungen und die tatsächliche Ausgestaltung übereinstimmen. Laut verschiedenen Berichten (etwa Personalmagazin Haufe 06 / 2014) ist nach eigenen Aussagen des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit Regelungen zur Bekämpfung der Scheinwerkverträge bzw. der Scheinselbstständigkeit bis spätestens Ende 2015 zu rechnen. Welche Inhalte die Regelungen letztlich tatsächlich enthalten werden, bleibt derzeit nur zu spekulieren. Angedacht war bereits im Koalitionsvertrag, dass v.a. die Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung verschärft und hier auch die Beteiligungs- rechte des Betriebsrats gestärkt werden sollen. Künftig soll nur noch eine „ offene “ Arbeitnehmerüberlassung möglich sein, so dass der derzeit praktizierte „Reservefallschirm“, bei der für die Durchführung von Werkverträgen gleichwohl eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis für den Fall der Arbeitnehmerüberlassung beantragt wird, nicht mehr möglich wäre. Schließlich soll eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten gesetzlich verankert werden. Im Fokus der Diskussion und der Debatte stehen demnach auf den ersten Blick mehr die Arbeitnehmerüberlassung bzw. die Scheinwerkverträge und weniger die Scheinselbstständigkeit. Schaut man genauer hin, so entdeckt man aber auch entscheidende Auswirkungen für die Scheinselbständigkeit. Denn es gibt bereits erste Vorschläge für gesetzliche Regelungen, wie beispielsweise das vom Land NRW beauftragte Gutachten von Brors / Schüren zeigt. Diese plädieren insbesondere für die Einführung einer Vermutungsregelung in § 1 Abs. 4 AÜG-E, welche wie folgt lauten sollte: „ Werden Arbeitnehmer in der Betriebsorganisation eines Dritten tätig, so wird vermutet, dass sie an den Dritten überlassen werden. Die Vermutung kann durch den Nachweis widerlegt werden, dass die Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber im Rahmen eines Werkoder Dienstvertrags mit dem Dritten eingesetzt werden. “ Gleiches gelte für die Problematik der Scheinselbstständigkeit, so dass bei Solo-Selbständigen eine gleichgelagerte Regelung vorgeschlagen wird: „ Immer dann, wenn die Dienste in einer fremden Betriebsorganisation geleistet werden, wird vermutet, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis zum Inhaber der Betriebsorganisation handelt. “ Dies wäre letztlich eine Beweislastumkehr, welche den Unternehmen die Beweislast auferlegt. Insofern bleibt sowohl für die Problematik der Scheinwerkverträge als auch der Scheinselbständigkeit die aktuelle politische Diskussion und etwaige konkrete Regelungsvorschläge zu beobachten, insbesondere dann, wenn Fallgestaltungen vorliegen, die beide Thematiken in sich vereinen. 22 ] 23 RBnews SPEZIAL ] Scheinselbständigkeit und Werkverträge · RB Autoren · Impressum Damit keine rückwirkende Nachzahlungsverpflichtung entsteht, muss der Betroffene neben der rechtzeitigen Antragstellung auch zustimmen, dass eine etwaige Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe der Entscheidung eintritt und es muss darüber hinaus auch ein Nachweis eines anderweitigen adäquaten Schutzes gegen die sonst von der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung erfassten Risiken der Krankheit und des Alters vorliegen. In der Praxis fehlt es manchmal an der privaten Absicherung gegen Risiken des Alters, so dass Auftraggeber gut beraten sind, hier ggf. beim Selbständigen nachzufragen bzw. dies vor einer Antragstellung zu prüfen. Risiken minimieren durch Statusfeststellungsverfahren von Rechtsanwältin Verena Weiss-Bölz Zur Vermeidung bzw. Minimierung der aufgezeigten massiven Rechtsfolgen und Risiken, die die Scheinselbständigkeit mit sich bringt, bietet das Gesetz für die Praxis ein sog. Statusfeststellungsverfahren an, das in § 7a SGB IV normiert ist. Auch wenn Statistiken belegen, dass die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund, die für die Statusfeststellungsverfahren zuständig ist, in den vergangenen Jahren immer strenger hin zu einer abhängigen Beschäftigung bewertet, kann sich dieses Verfahren in der Praxis gleichwohl zur Risikominimierung anbieten. Mit einem solchen Antrag auf Statusfeststellung, der sowohl vom Selbständigen als auch vom Auftraggeber gestellt werden kann, kann nämlich eine rechtsverbindliche Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status beantragt werden. Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund beurteilt den sozialversicherungsrechtlichen Status dann anhand des konkret vorgelegten Vertrages bzw. der geschilderten Umstände für die Tätigkeitsausübung. Aufgrund dessen ist eine verbindliche Statusfeststellung grundsätzlich auch nur für die konkrete Tätigkeit des Selbständigen und der Einzelperson möglich. In einer Vielzahl von gleichgelagerten Fällen kann ein einziges Statusverfahren allerdings als eine Art Musterverfahren geführt werden, so dass dann zumindest für etwaige andere gleichgelagerte Fälle der Ausgang des Verfahrens als Indiz herangezogen werden kann und bestenfalls die selbständige Tätigkeit ausweist. Für die Praxis besonders interessant ist der Umstand, dass gewisse Begünstigungen für den Auftraggeber bestehen, wenn der Antrag innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wird und die weiteren Voraussetzungen des § 7 a Abs. 6 SGB IV vorliegen. Dann beginnt nämlich eine etwaige Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe der Entscheidung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund und demnach nicht rückwirkend. Durch eine rechtzeitige Antragstellung kann demnach der Auftraggeber das erhebliche Risiko einer möglichen Nachzahlungsverpflichtung gänzlich vermeiden! Bei der Antragstellung sollte darüber hinaus auch berücksichtigt werden, dass die Deutsche Rentenversicherung meist in einer Stellungnahme oder einem Rundschreiben zu bestimmten Branchen eine grundsätzliche Auffassung hat, die dann entsprechend im Antrag und der Erläuterung der entsprechenden Umstände besonderen Ausdruck finden sollte. Es sollten also bereits mit der Antragstellung immer die Besonderheiten der betroffenen Tätigkeit als selbständige Tätigkeit erklärt und erläutert werden und auch entsprechend gestaltete Verträge beigefügt werden. Sollte die deutsche Rentenversicherung dem Statusfeststellungsantrag nicht folgen und damit eine abhängige Beschäftigung annehmen, so verbleibt für die Beteiligten die Möglichkeit des Widerspruchs oder sodann der Klage. Ein weiterer Vorteil des Statusfeststellungsverfahrens ist hierbei, dass nach § 7a Abs. 7 SGB IV der Widerspruch und die Klage nach dem Gesetz bereits ausdrücklich aufschiebende Wirkung haben. Der Bescheid kann also in dieser Zeit nicht vollstreckt werden. Durch das Statusfeststellungsverfahren kann also nach wie vor in einer Vielzahl von Fällen das Risiko der Scheinselbständigkeit minimiert bzw. eine Rückzahlungsverpflichtung sogar gänzlich ausgeschlossen werden. Das Statusfeststellungsverfahren bietet sich v.a. dann an, wenn eine Tätigkeit neu aufgenommen wird und innerhalb eines Monats der Antrag gestellt wird. Bei Tätigkeiten, die bereits über diesen Zeitraum hinaus bestehen, sollte im Einzelfall das Für und Wider eines Statusfeststellungsverfahrens sorgfältig geprüft werden. RB AUTOREN Dr. Kerstin Reiserer_Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Arnim Powietzka_Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Florian Christ_Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Verena Weiss-Bölz_Rechtsanwältin Katharina Heinz_Rechtsanwältin Marta Polczynski_Rechtsanwältin Christina Krämer_Rechtsanwältin Impressum Herausgeber_RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Heidelberg Design & Fotos_mm.design Martina Meyer · Dipl. Grafikdesignerin, Heidelberg Fotos People_Timo Volz Fotodesign, Mannheim 24 ] 25 RBnews SPEZIAL ] RB Autoren RB AUTOREN Verena Weiss-Bölz Rechtsanwältin Dr. iur. Kerstin Reiserer Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Gesellschafterin Arbeitsrecht Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Regensburg und München _Promotion zum Dr. iur. bei Professor Dr. Henrich _1990 - 1991 Richterin beim Landgericht Mosbach _1991 - 1992 Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, Professor Dr. von Hoyningen-Huene, Universität Heidelberg _1992 - 2005 tätig als Rechtsanwältin, ab 1999 auch Gesellschafterin einer überörtlichen, wirtschaftsberatenden Sozietät _ Seit 1996 Fachanwältin für Arbeitsrecht _ 2005 Gründung der Kanzlei RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Arbeitsrecht 2004 - 2009 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Mannheim mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Arbeitsrecht 2009 - 2011 Rechtsrefrendariat am Landgericht Mosbach mit Ausbildungsabschnitten bei einer überörtlichen, wirtschaftsberatenden Sozietät in Mannheim (Arbeitsrecht) und einer deutsch-englisch ausgerichteten Kanzlei in London, GB _ 2010 Fachanwaltslehrgang für Arbeitsrecht _ 2007 - 2011 freie Mitarbeiterin der RNV GmbH in Mannheim im Bereich Arbeitsrecht _ Seit 2011 bei RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Lehrbeauftragte an der Universität Mannheim Autorin zahlreicher Fachveröffentlichungen und Referentin bei großen Fachtagungen Katharina Heinz Rechtsanwältin Arbeitsrecht Dr. iur. Arnim Powietzka Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Gesellschafter 2004 - 2009 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Mannheim mit Schwerpunkt Unternehmensrecht (Wirtschaft und Arbeit) _ 2009 - 2011 Rechtreferendariat am Landgericht Mannheim mit Ausbildungsabschnitten am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, bei der Kanzlei Roth, Klein, Gilcher & Partner (Wirtschafts- und Arbeitsrecht) und beim Arbeitgeberverband für Dienstleistung, Groß- und Außenhandel Baden-Württemberg e.V. _ Seit 2012 Rechtsanwältin bei RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Arbeitsrecht 1993 - 1998 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg _ 1998 - 2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, Prof. Dr. von Hoyningen-Huene, Universität Heidelberg 2003 Promotion zum Dr. iur. bei Prof. Dr. von Hoyningen-Huene (Dissertation zum Thema „Kündigungsschutz im Kleinbetrieb und in der Wartezeit“ ausgezeichnet mit dem Südwestmetall Förderpreis 2003 für wissenschaftlichen Nachwuchs) _ 2000 - 2005 Rechtsanwalt bei Gleiss Lutz Rechtsanwälte in Stuttgart und München _ Seit 2005 Rechtsanwalt, seit 2008 auch Gesellschafter der Kanzlei RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH _ Fachanwalt für Arbeitsrecht Marta Polczynski Rechtsanwältin Arbeitsrecht Lehrbeauftragter an der Universität Heidelberg 2006 - 2012 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht 2012 - 2014 Rechtsreferendariat am Landgericht Wuppertal mit Ausbildungsabschnitten bei der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf (Arbeitsrecht), bei einer international tätigen, wirtschaftsberatenden Sozietät in Düsseldorf (Handels- und Gesellschaftsrecht) und einer deutsch-englisch ausgerichteten Kanzlei in London, GB _ 2009 - 2011 Studentische Mitarbeiterin bei einer erb- und gesellschaftsrechtlich ausgerichteten Kanzlei in Konstanz _ 2012 Freie Mitarbeiterin bei einer steuer- und steuerverfahrensrechtlich ausgerichteten Kanzlei in Düsseldorf _ Seit 2014 Rechtsanwältin bei RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Florian Christ Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Gesellschafter Christina Krämer Arbeitsrecht Rechtsanwältin 1997 - 2002 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen mit Studienaufenthalt in Straßburg / Frankreich _ 2002 - 2004 Rechtsreferendariat am Landgericht Landau (Pfalz) mit Ausbildungsabschnitten in Karlsruhe, Verwaltungshochschule Speyer und Sydney / Australien _ 2004 Freier Mitarbeiter bei Clifford Chance in Düsseldorf _ 2005 - 2006 Promotionsbegleitende Tätigkeit als Rechtsanwalt in Heidelberg _ Seit 2006 tätig als angestellter Rechtsanwalt und seit 2011 Gesellschafter der Kanzlei RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Arbeitsrecht 2006 - 2012 Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Mannheim und Göteborg (Schweden) mit den Schwerpunkten Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht _ 2012 - 2014 Rechtsreferendariat am Landgericht Mannheim mit Ausbildungsabschnitten bei PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft / Frankfurt am Main (Gesellschaftsrecht, M&A, Restrukturierung) und am Arbeitsgericht Mannheim / Schwerpunkt Arbeitsrecht _ 2008 - 2013 Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Prof. Dr. Carsten Schäfer, Universität Mannheim _ Seit 2015 Rechtsanwältin bei RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltschaftsgesellschaft mbH 26 ] 27 RBnews SPEZIAL ] RB Seminare Extern: Scheinselbstständigkeit und Scheinwerkverträge / Arbeitszeugnisse RB SEMINARE EXTERN Weitere Informationen finden Sie unter: Weitere Informationen finden Sie unter: www.forum-institut.de www.forum-institut.de Veranstaltungen Recht Veranstaltungen Personal RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH · Sofienstraße 21 · 69115 Heidelberg Telefon 0 62 21 - 4 34 16 - 0 · Telefax 0 62 21 - 4 34 16 - 61 · [email protected] · www.rb-heidelberg.com
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