Entscheidungshilfe Lohnarten und Mindestlohn Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland als Lohnuntergrenze der gesetzliche Mindestlohn. Dieser ist mit aktuell 8,50 Euro im § 1 Abs. 1 MiLoG (lang: Mindestlohngesetz) festgeschrieben und soll künftig alle zwei Jahre überprüft und ggf. angepasst werden. Demnach haben Arbeitnehmer grundsätzlich für jede geleistete Arbeitsstunde einen gesetzlichen Mindestanspruch auf die Vergütung nach § 1 Abs. 1 MiLoG, und Arbeitgeber müssen somit nach § 20 MiLoG i.V.m. § 2 Abs. 1 MiLoG wenigstens den Mindestlohn vergüten. In der betrieblichen Personalpraxis stellen sich seit dem 1. Januar 2015 u.a. folgende Fragen zur Anwendung: 1. Welche Formen der Lohnzahlungen gibt es im Unternehmen? 2. Welche Entgeltbestandteile (Zulagen, Zuschläge, Lohnarten) stehen dem gesetzlichen Mindestlohn funktional gleich und können somit auf diesen angerechnet werden? 3. Wie erfolgt die Berechnung des gesetzlichen Mindestlohns? Das MiLoG selbst lässt derzeit die Beantwortung vieler Fragen in der Praxis noch offen. Nachdem der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland nicht ganz neu ist – denn mit dem Arbeitnehmerentsendegesetz war es auch vor dem 1. Januar 2015 bereits möglich, Branchenlohntarife nach dem TVG als allgemeinverbindlich zu erklären –, konnte unter Zugrundelegung bereits bestehender Rechtsprechung und i.V.m. mit den veröffentlichten Gesetzeskommentierungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (kurz: BMAS) eine erste fachliche Einschätzung sowie Beurteilung zum Stand 30. März 2015 vorgenommen werden, welche Entgeltbestandteile auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch anrechenbar sind. Hauptkriterium und Grundsatz für die Anrechenbarkeit der verschiedenen Entgeltbestandteile ist, dass diese Zahlungen nicht das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung berühren und im Rahmen der Normalleistung gezahlt werden. Nur dann sind die Lohnzahlungen dem gesetzlichen Mindestlohn funktional gleichgestellt und können auf diesen angerechnet werden. Maßgeblich für die Beurteilung sind die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (kurz: EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (kurz: BAG). Grundlage hierfür ist u.a. die Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG), nach der in einem EUMitgliedstaat vorgesehene Mindestlohnregelungen zwingend sowohl für ausländische als auch für inländische Arbeitgeber gelten müssen und die bisher in Deutschland u.a. mit dem AEntG umgesetzt wurde. Hinweise: • Es gilt, auch weiterhin ständig zu prüfen, inwieweit sich durch Rechtsprechung oder gesetzgeberische Anpassung die Anrechnung von Entgeltbestandteilen zum gesetzlichen Mindestlohn ändert. So beispielsweise jüngst die erste Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Berlin zum Mindestlohngesetz, wonach mit dessen Urteil vom 04.03.2015, Az.: 54 Ca 14420/14, zum Mindestlohn eine Anrechnung von Urlaubsgeld und jährlicher Sonderzahlung auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch nicht zulässig wäre. Nach dieser Entscheidung ist eine Änderungskündigung, mit der durch den Wegfall der Einmalzahlung des Urlaubsgeldes die monatliche Anrechnung des Urlaubsgeldes auf den gesetzlichen Mindestlohn erreicht werden soll, unwirksam. Denn Leistungen, die nicht unmittelbar die Arbeitsleistung entgelten, können nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden. • In Anlehnung an die bisherigen Veröffentlichungen des BMAS und einer Vielzahl von Kommentierungen zum MiLoG kann m.E.n. davon ausgegangen werden, dass nur dann, wenn mit Bezug zur Normalleistung ein unwiderruflicher arbeits- oder tarifvertraglicher Rechtsanspruch auf einmalgezahltes Entgelt besteht, eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn erfolgen kann. Änderungen (Änderungskündigungen) der Auszahlungsmodalitäten sind u.a. auch deshalb unbedingt vor diesem Hintergrund zu prüfen • Wichtig ist, dass zum vorgenannten Urteil des Arbeitsgerichts vom 04.03.2015, Az.: 54 Ca 14420/14, die Rechtsprechung der nächsten Instanzen sowie aber auch die künftige generelle Entwicklung der Rechtsprechung zum gesetzlichen Mindestlohn zu beobachten sind. • Quellen der bisherigen fachlichen Beurteilung waren u.a. die Veröffentlichungen des Bundesarbeitsgerichts, des Zolls und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. 4 Entscheidungshilfe Lohnarten und Mindestlohn • Nachfolgende Entscheidungshilfe ist keine rechtsverbindliche Auslegung des Mindestlohngesetzes, sondern lediglich eine fachliche Bewertung in Form von allgemeinen Hinweisen aus Sicht des Verfassers. Zu einer Rechtsberatung im Hinblick auf konkrete Fallgestaltungen ist der Verfasser nicht berufen. München, im März 2015 Torsten Franke 5 Entscheidungshilfe Lohnarten und Mindestlohn Lohnarten-/ Zulagenbezeichnung Beschreibung Abfindungen (Entlassungs- Entschädigung für künftig entgehendes Arbeitsentgelt entschädigung) bzw. bei vorgezogener Altersrente für Ausgleich von Rentenabschlägen. Fälligkeit mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Mit dem gesetzlichen Mindestlohn (MiLo) funktional gleichwertig? Voraussetzung ist, dass die Vergütung im Rahmen der Normalleistung geschuldet ist Auf den gesetzlichen MiLo anrechenbar? Nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn (kurz: MiLo) anrechenbar. nein Achtung: Auf Ansprüche aus dem gesetzlichen MiLo kann nicht außergerichtlich verzichtet werden! Abgeltung (Abfindung von vertraglich geschuldeten Ansprüchen) Abgeltung von Ansprüchen aus dem vorangegangenen bzw. noch bestehenden Dienstverhältnis sind m.E. nicht auf den MiLo anrechenbar. Nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn (kurz: MiLo) anrechenbar. Abtretung Abtretung nach § 398 BGB: Keine Auswirkung auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch. Maßgebend ist das Nettoentgelt. Die Pfändungsgrenzen nach § 850 ff. ZPO dürfen nicht unterschritten werden. nein Akkordlohn muss mindestens die Normalleistung der ArbN vergüten und somit für jede Zeitstunde, in der ArbN ihre Arbeitsleistungen erbracht haben, wenigstens den Mindestlohn vergüten. ja Ein Anspruchsinhaber kann mithilfe einer Abtretungserklärung seine Forderung an eine beliebige Person übertragen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass kein Abtretungsverbot nach § 399 BGB sowie § 400 BGB vorliegt und es sich bei der Forderung um eine bestimmbare Forderung handelt. nein Achtung: Auf Ansprüche aus dem gesetzlichen MiLo kann nicht außergerichtlich verzichtet werden! Die Abtretung ist grundsätzlich formfrei und besteht zugunsten eines Dritten. Die Lohnabtretung kann nur aus dem Nettobetrag oberhalb des unpfändbaren Teils des Arbeitsentgelts erfolgen. Grundlage zur Ermittlung sind die Pfändungsgrenzen nach § 850 ff. ZPO. Die Geltendmachung einer Abtretung kann somit maximal aus dem pfändbaren Nettoentgelt erfolgen. Akkordlohn Vergütung in Abhängigkeit von Leistungsvorgaben. Vergütung durch Akkordlohn erfolgt in Abhängigkeit der tatsächlich erbrachten Arbeitsleitungen eines einzelnen ArbN. Akkordvereinbarungen sind durch das MiLoG nicht ausgeschlossen und daher auch weiterhin zulässig. 6 Entscheidungshilfe Lohnarten und Mindestlohn Lohnarten-/ Zulagenbezeichnung Beschreibung Mit dem gesetzlichen Mindestlohn (MiLo) funktional gleichwertig? Voraussetzung ist, dass die Vergütung im Rahmen der Normalleistung geschuldet ist Akkordprämien Form der Prämienzahlung und Vergütung einer Mehrleistung über den Akkord hinaus. Ist nicht auf den gesetzlichen MiLo anrechenbar. Ziel nein und Zweck sind die zusätzliche Vergütung von Mehrarbeit/-leistung. Akkordzuschläge Form der Prämienzahlung und Vergütung einer Mehrleistung über den Akkord hinaus. Ist nicht auf den gesetzlichen MiLo anrechenbar. Ziel nein und Zweck sind die zusätzliche Vergütung von Mehrarbeit/-leistung. bAV – Arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersvorsorge Arbeitgeberbeiträge zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung sind kein Arbeitsentgelt. Sie dienen zum Aufbau und zur Finanzierung einer angemessenen Altersversorgung, bspw. als Abhängigkeit eines Arbeitgeberzuschusses zur Entgeltumwandlung der Arbeitnehmer. Arbeitgeberleistungen zur bAV dienen m.E. dem Aufbau einer Altersversorgung i.S. einer zusätzlichen betrieblichen Sozialleistung, u.a. zur Verbesserung des Arbeitgeberimages. Eine grundsätzliche Vergütung der Arbeitsleistung als Gegenleistung zur normalen Arbeitsleistung kann somit m.E.n. hierin nicht gesehen werden. Demnach sind die Arbeitgeberbeiträge nicht auf den gesetzlichen MiLo anrechenbar. nein Entgeltumwandlungsvereinbarungen i.S.d. § 1a BetrAVG bleiben unberührt. Diese sind nach BT-Drs. 18/1558, S. 35, als Vereinbarungen nach § 1a BetrAVG keine Vereinbarungen, welche zu einer Unterschreitung oder Beschränkung des Mindestlohnanspruchs führen. Die Entgeltumwandlung erfolgt aus dem Gesamtbruttoentgelt und bleibt auch zum Zeitpunkt der Finanzierung/Anwartschaft Arbeitsentgelt i.S.d. § 19 EStG. Demnach führen diese i.S.d. MiLoG nicht zur Minderung des gesetzlichen Mindestlohns und sind auch keine verspätete Auszahlung des Mindestlohns i.S.d. § 3 MiLoG. Minderung durch Entgeltumwandlung hat keine Auswirkung auf den Mindestlohnanspruch und kann somit in diesen Anspruch hinein erfolgen Diese Zahlungen dienen zur Sicherung des Arbeitnehmers im Alter und werden zum Aufbau einer Betriebsrente gezahlt. bAV – i.S.d. § 1a BetrAVG – Arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersvorsorge i.S.d. § 3 Nr. 63 EStG 7 Arbeitnehmerbeitrag bei Neuzusagen nach § 3 Nr. 63 EStG zum Aufbau einer mittelbaren betrieblichen Altersversorgung. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung, sofern die Voraussetzungen i.S.d. § 1a Abs. 1 BetrAVG erfüllt sind. Die Entgeltumwandlung erfolgt aus dem arbeitsvertraglichen Gesamtbruttoentgelt. Diese bleibt auch zum Zeitpunkt der Finanzierung/Anwartschaft Arbeitsentgelt i.S.d. § 19 EStG und ist durch die Regelung i.S.d. § 3 Nr. 63 EStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV steuerund sv-frei gestellt. Auf den gesetzlichen MiLo anrechenbar?
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