1 Manuskript radioWissen SENDUNG: 20.03.2015 9.05 Uhr/B2

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Manuskript
radioWissen
SENDUNG: 20.03.2015
9.05 Uhr/B2
AUFNAHME:
STUDIO:
GESCHICHTE
Ab 8. Schuljahr
TITEL:
Der Vietnamkrieg - Ein Albtraum in Indochina
AUTOR:
Michael Zametzer
REDAKTION:
Nicole Ruchlak
REGIE:
Martin Trauner
TECHNIK:
Michael Krogmann
PERSONEN:
Erzählerin:
Rahel Comtesse
Zitator 1 (Zit. u. Overvoice) Martin Fogt (PS)
Zitator 2 (Zwischentitel)
Frank Manhold (PS)
Zuspielungen
Prof. Bernd Greiner, div. hist. O-Töne
Besondere Anmerkungen:
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Musik Z8002515 009
ATMO Krieg Hubschrauber
1 ZUSP Archiv Dietrich Mummendey [F831367 01/001]
Der Krieg ist nach Saigon gekommen, und heute Nacht krachten hier Raketen und
Granatwerfer in die Stadt. Angriffsziel der Kommunisten war vor allem der
Flugplatz von Saigon, von dem aus in den letzten zwei Monaten mehr als 50.000
Vietnamesen und Amerikaner vor den gefürchteten Einmarsch der Vietcong außer
Landes flohen.
ERZÄHLERIN:
Saigon, 30. April 1975: Die Hauptstadt Südvietnams steht kurz vor dem Fall –
Nordvietnamesische Kampfverbände, die Vietcong, nähern sich dem
Stadtzentrum. Der WDR-Reporter Dietrich Mummendey meldet sich zum letzten
Mal aus der umkämpften Stadt.
2 ZUSP Archiv, Dietrich Mummendey [F831367 01/001]
Nach den Raketensalven dieser Nacht gaben die Amerikaner heute das Signal
zum Aufbruch. Innerhalb weniger Stunden sollen sämtliche verbleibende
Amerikaner evakuiert werden.
Musikakzent Z8002515 007
ERZÄHLERIN:
Der einzige Weg aus Saigon heraus: Per Hubschrauber vom Dach der USBotschaft auf einen sicheren Flugzeugträger. Die Bilder von drängelnden
Amerikanern und Vietnamesen, die verzweifelt einen Platz in einem der Helikopter
zu ergattern versuchen, gehen um die Welt. Unter den Flüchtenden ist auch der
CIA-Mitarbeiter Frank Snepp. Er erinnert sich an die dramatischen Stunden in
Saigon:
ZITATOR 1:
Als die Posten uns sahen, schoben sie die wartenden Vietnamesen aus dem Weg.
Ich konnte nicht in ihre Augen sehen.
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Es war der schlimmste Moment in meinem Leben. Ich erkannte, dass ich Teil
eines Zerrbildes geworden war, eines Zerrbildes amerikanischer Ehre.
Musik aus
MUSIK – Jimi Hendrix/Star Spangled Banner in Woodstock Z9383135 020
ERZÄHLERIN:
Der Fall von Saigon – er markiert das Ende US-amerikanischer Präsenz in
Vietnam, das Ende von dreißig Jahren Krieg um die Macht in dem
südostasiatischen Land, das Ende einer fast hundert Jahre währenden
Fremdherrschaft.
MUSIK Titel: Vietnamesisch C134643 039
ZITATOR 2/ TITEL:
Das koloniale Erbe Vietnams und der Kampf um die Unabhängigkeit
ERZÄHLERIN:
Seit Ende des 19. Jahrhunderts war Indochina, das südostasiatische Festland,
Teil des französischen Kolonialreiches. Erst als die Japaner 1941 die französische
Kolonie besetzen, schlägt die Stunde der „Viet Minh“, der Kommunistischen
Unabhängigkeitsbewegung unter ihrem charismatischen Führer Ho Chi Minh. Mit
Hilfe der USA können die Viet Minh das japanische Regime in ihrem Kampf um
die Freiheit stürzen. Ausgerechnet die Amerikaner, die das Land später verwüsten
werden, sind die Geburtshelfer der vietnamesischen Unabhängigkeit. Am 2.
September 1945 – es ist der Tag der Kapitulation Japans – ruft Ho Chi Minh die
Republik Vietnam aus.
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4 ZUSP O-TON Bernd Greiner [0:11:57.6]
Ho Chi Minh war im Grunde genommen, schon in der Zeit, der Organisator der
Strippenzieher, der Charismatiker, der die Viet Minh zusammengehalten hat…
ERZÄHLERIN:
Bernd Greiner ist Historiker am Hamburger Institut für Sozialforschung.
5 ZUSP O-TON Bernd Greiner [0:11:57.6]
…und für ihn war der zweite Weltkrieg sozusagen die politische Wasserscheide,
er hat sehr früh begriffen, dass dieser zweite Weltkrieg das Tor öffnen würde, für
nationale Unabhängigkeitsbewegung, das mit dem Zweiten Weltkrieg das Ende
des Kolonialismus eingeläutet werden würde.
ERZÄHLERIN:
Die Vietnamesen haben im Kampf um die Unabhängigkeit ihre Rechnung ohne die
Kolonialmacht Frankreich gemacht. Die will ihren Besitz nicht kampflos aufgeben.
Wenige Tage nach Ho Chi Minhs Unabhängigkeitserklärung landen
Fallschirmjäger und Fremdenlegionäre im Land. Es beginnt ein blutiger Krieg, der
erst 1954 mit der Niederlage der Franzosen in der Entscheidungsschlacht bei Dien
Bien Phu endet. Auf der Genfer Außenministerkonferenz vom 21. Juli 1954 wird
die Teilung Vietnams entlang des 17. Breitengrades beschlossen. Der Nordteil –
die Volksrepublik Vietnam unter Führung Ho Chi Minhs – gerät fortan unter
Einfluss der Sowjetunion und Chinas. Im Süden dagegen herrscht bis 1963 Ngo
Dienh Diem, ein korrupter Diktator, der jede Opposition, sei es von Kommunisten,
Buddhisten und Katholiken brutal unterdrückt.
MUSIK Titel: Vietnamesisch C134643 039
ZITATOR 2/TITEL:
Im Fadenkreuz des Kalten Krieges: Amerikanische Interessen in Vietnam
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ERZÄHLERIN:
In den 1950er Jahren, zu Beginn des Ost-West-Konflikts, beherrscht die
Dominotheorie das Sicherheitsdenken Washingtons. Sie sagt: Sollte Südvietnam
fallen, würden die angrenzenden Staaten, Laos, Kambodscha oder Thailand
ebenfalls zu einer Beute kommunistischer Aggression werden.
6 ZUSP O-TON Bernd Greiner: [0:05:56.5]
Und von daher hat man Schritt für Schritt seit den 1960er Jahren die eigene
Präsenz erhöht.
ERZÄHLERIN:
Schon John F. Kennedy hat als US-Präsident einem Plan zugestimmt, den
amerikanischen Einfluss in Südostasien schrittweise zu vergrößern: Mit der
Entsendung von Militärberatern nach Südvietnam, mit Finanzhilfen und geheimen
Kommandounternehmen. Lyndon B. Johnson, der nach Kennedys Ermordung
1963 ins Weiße Haus zieht, setzt diese Politik fort und sucht nach einem Anlass,
in Vietnam offen militärische Fakten zu schaffen. Diese willkommene Gelegenheit
bietet sich am 2. August 1964: Im Golf von Tonkin werden amerikanische
Zerstörer von nordvietnamesischen Torpedobooten beschossen. Einen Tag später
spricht Johnson zu den Amerikanern:
7 ZUSP Archiv - [BR C1511650 013]
These repeated acts of violence against the armed forces of the United States
must be met not only with alert defense, but with positive reply. That reply is…
ZITATOR 1 (Overvoice)
Diesen Gewaltakten gegen Streitkräfte der USA muss nicht nur mit erhöhter
Alarmbereitschaft, sondern auch aktiv begegnet werden.
…of freedom and in defense of peace in south-east Asia.
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8 ZUSP O-Ton Bernd Greiner [0:09:16.6]
Der Kongress hat der Exekutive freie Hand gegeben, alles zu tun, was sie für
richtig hielt, und mit militärischen Mitteln gegen die als übermächtig konstruierte
Bedrohung Nordvietnams vorzugehen.
ERZÄHLERIN:
Die Amerikaner tun das, was ihnen schon im Zweiten Weltkrieg zum Sieg
verholfen hat: Sie setzen auf die Überlegenheit der Technik. Insgesamt fallen auf
Vietnam in zehn Jahren mehr Bomben als im gesamten Zweiten Weltkrieg weltweit. Bernd Greiner.
9 ZUSP O-Ton Bernd Greiner [0:25:24.7]
Man hat geglaubt mit den Mitteln der Luftwaffe, mit Artillerie und mit einer in jeder
Hinsicht von der Bewaffnung überlegenen Bodentruppen den Vietkong in die Knie
zwingen zu können. Man hat völlig außer Acht gelassen, dass sich der militärische
Gegner nicht auf die Form der eigenen Kriegsführung einlässt. Der Vietkong hat
überhaupt nicht daran gedacht, sich in einer offenen Feldschlacht mit den
Amerikanern aufzureiben.
Musik Z8002515 005
ERZÄHLERIN:
Vietcong – die unter den US-Truppen gebräuchliche Abkürzung für
„vietnamesische Kommunisten“: Damit ist nicht nur die reguläre
Nordvietnamesische Armee gemeint, sondern vor allem die südvietnamesischen
Guerillas der National Liberation Front, die auf Seiten Nordvietnams kämpfen. Die
sind, was Ausrüstung und Technologie angeht, den Amerikanern zwar weit
unterlegen, allerdings haben sie andere Stärken: Sie schaffen es, ihre Taktik den
Gegebenheiten anzupassen: Die Vietcong kämpfen aus dem Hinterhalt, bewegen
sich nachts, im Schutz des Dschungels und im Untergrund.
MUSIK - aus
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Musik C106767 011
ERZÄHLERIN:
Gigantische Tunnelsysteme, oft über 100 Kilometer lang, durchziehen die Gegend
um Saigon. Die Lebensader für die in Südvietnam kämpfenden Vietcong ist der
Ho-Chi-Minh-Pfad - ein tausende Kilometer langes System von Dschungelwegen
und Straßen, das den Süden mit Nordvietnam verbindet - über Laos und
Kambodscha. Waffen, Munition, Lebensmittel und Soldaten gelangten darüber in
den Süden. Zu Fuß, mit Lastenfahrrädern und teilweise mit sowjetischen LKWs.
Die effektivste Waffe des Vietcong, sagt der Historiker Bernd Greiner, war
allerdings – seine Willenskraft.
Musik aus
10 ZUSP O-Ton Bernd Greiner [0:23:18.6]
Dieses Durchhaltevermögen haben die Amerikaner dramatisch unterschätzt, sie
hatten keinerlei Vorstellung von den moralischen Ressourcen, die in diesen
Widerstand eingeflossen sind, und daran sind sie am Ende auch gescheitert.
ERZÄHLERIN:
Der vietnamesischen Kampfmoral haben die Amerikaner nur eins entgegen zu
setzen: Noch mehr Truppen, noch mehr Bomben, noch mehr Material. Es beginnt
die Amerikanisierung des Krieges.
Ende 1965 sind 181.000 US-Soldaten in Südvietnam stationiert. Um der GuerillaTaktik des Vietcong zu begegnen, setzt Washington auf eine Strategie der
Abnutzung:
ZITATOR 1:
Search and destroy, body count, move on.
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ERZÄHLERIN:
Aufspüren und vernichten, die Toten zählen, weiter. Die Hoffnung: Irgendwann
würde sich der Vietcong erschöpft geschlagen geben. Eine entscheidende Rolle
spielt dabei die Luftkavallerie: Hubschraubereinheiten, die mit ihren Bordwaffen
gezielt auf alles schießen, was sich bewegt und nur entfernt vietnamesisch
aussieht.
11 ZUSP O-Ton Bernd Greiner [0:28:08.8]
Also im Grunde genommen hat man einen Krieg - wie ein amerikanischer General
es mal formuliert hat - gegen die Geburtenrate Nordvietnams geführt, Bodycount
genannt. also je mehr Opfer auf vietnamesischer Seite, desto schneller kommt
man zum Ziel - wer die Opfer waren, war dann am Ende egal, auch das eine
dramatische Unterschätzung, dass just diese Form der Kriegsführung, der
Widerstand, die Vietnamesen nur noch mehr anstachelt.
MUSIK Titel: Vietnamesisch C134643 039
ZITATOR 2/TITEL:
Der Schmutzige Krieg
Musik Z8002515 007
ERZÄHLERIN:
Die blinde Zerstörungswut, die wachsende Grausamkeit vieler US-Einheiten
gegenüber der Zivilbevölkerung – sie ist auch Ausdruck wachsender Verzweiflung
der Amerikaner:
Angesichts eines Gegners, der scheinbar aus dem Nichts auftaucht, zuschlägt und
wieder im Dickicht des Dschungels verschwindet. Der ausgedehnte Urwald, der
weite Teile Vietnams, Laos und Kambodschas bedeckt, ist der wichtigste
Rückzugsraum für den Vietcong.
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Deshalb hat Präsident Kennedy schon Ende 1961, lange bevor ein GI
vietnamesischen Boden betreten hat, sein Okay zum Einsatz von hochgiftigen
Chemikalien gegeben.
MUSIK aus
ZITATOR 2:
Agent Orange
ERZÄHLERIN:
Um dem Vietcong buchstäblich die Tarnung zu nehmen, versprühen Flugzeuge
insgesamt 70 Millionen Liter an Entlaubungsmitteln. Diese Herbizide enthalten
hochgiftiges Dioxin. Flugzeuge und Hubschrauber bringen es nicht nur über dem
Dschungel, sondern auch über Reisfeldern und anderen Anbauflächen aus. Das
Dioxin schädigt ungeborene Kinder, führt zu schweren Missbildungen und löst
Krebs aus. Noch Jahrzehnte später leiden Millionen Menschen in Vietnam, Laos
und Kambodscha an den Spätfolgen des Gifteinsatzes.
12 ZUSP O-Ton Bernd Greiner [0:29:41.5]
Einige dieser Regionen, die mehrmals mit Agent Orange, und anderen
Entlaubungsmitteln angegriffen wurden, sind im Grunde genommen über
Generationen kontaminiert, man findet heute noch im vietnamesischen Reis
Restelemente dieses Dioxins, die Wälder, der Dschungel ist nachgewachsen, aber
im Grundwasser, in allen möglichen Bodensubstanzen ist dieses Gift nach wie vor
da, und das wird noch auf absehbare Zeit zu Gesundheitsschäden führen, nicht
nur in Vietnam selbst, sondern auch in den Exportprodukten.
Musik Z8002515 007
ZITATOR 2:
Napalm
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ERZÄHLERIN:
Napalm: Eine zähflüssiges Benzingemisch, das bei Temperaturen von bis zu 1200
Grad Celsius verbrennt. Es klebt auf der Haut, verursacht schwerste
Verbrennungen und kann nur schwer mit Wasser gelöscht werden. Tiefflieger
werfen das Napalm in Metallkanistern oder Streubomben ab, so dass es sich über
eine breite Fläche verteilen kann.
Musik aus
13 ZUSP O-Ton Bernd Greiner [0:30:49.2]
Und die Bilder, die von diesen Napalm-Angriffen um die Welt gingen, haben nicht
nur die weltweite Empörung gegen die amerikanische Kriegführung unterstützt
sondern auch in Südvietnam selbst für einen solchen Skandal, für eine solche
Abscheu geführt, dass wiederum die Opposition gegen die Amerikaner zusätzlich
verstärkt wurde.
MUSIK - Jimi Hendrix - Star Spangled Banner in Woodstock
ERZÄHLERIN:
Die Berichte über den schmutzigen Krieg zeigen Wirkung. Während im Jahr 1964
85 Prozent der Amerikaner mit Johnsons Vietnam-Politik einverstanden waren,
hatte er 1967 weit weniger als die Hälfte hinter sich. In Washington demonstrieren
100.000 Menschen gegen den Krieg in Vietnam. Und auch in Europa,
insbesondere in Frankreich und der Bundesrepublik gehen Studenten,
Friedensaktivisten und außerparlamentarische Gruppen auf die Straße.
Musik aus
14 ZUSP DRA[2894919 01/002 (FFM)]Demonstration West Berlin: Ho Ho Ho Chi
Minh – Rufe, darüber
Musik Z 8007267Z010
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((ERZÄHLERIN:
Mit dem Schlachtruf „Ho Ho Ho Chi Minh“ ziehen Zehntausende im Februar 1968
durch West-Berlin – an der Spitze prominente Figuren der Studentenbewegung
wie Rudi Dutschke.
15 ZUSP DRA[2894919 01/002 (FFM)] Demonstration West Berlin:
Im Augenblick versuchen die Demonstranten Blocks zu bilden, und Lücken im Zug
zu lassen, um dann im leichten Laufschritt vorwärts kommen zu können.))
Musik C106767 013
ERZÄHLERIN:
Der Vietnamkrieg tobt auch in den Medien. Via Fernsehen kommt er in die
Wohnzimmer der westlichen Welt, zeigt bislang unvorstellbar grausame Bilder: Die
neunjährige Kim Phuc, die, von Napalm verbrannt, nackt aus ihrem zerstörten Dorf
läuft. Die Erschießung eines Vietcong vor laufender Kamera. Feuerstürme im
Urwald, Angriffe aus dem Hinterhalt, die Jagd auf flüchtende Frauen und Kinder
vom Hubschrauber aus - die Reporter sind zum ersten Mal in einem Krieg live
dabei, sie folgen den Einheiten oft tagelang.
ERZÄHLERIN:
Ein eindrucksvolles Statement gegen den Krieg liefern auch die Veteranen: Oft an
Leib und Seele verstümmelt, erwartet sie zu Hause keine Siegesparade. Sie
werden als Mörder beschimpft und an den Rand einer Gesellschaft gedrängt, in
der der Krieg längst unpopulär geworden ist.
Musiken aus
Der Vietnam-Krieg ist ein Krieg ohne Fronten. Wer ist ein Vietcong, wer ein
einfacher Dorfbewohner? Die Amerikaner beantworten diese Frage mit
unterschiedsloser Gewalt. Mit ihrer Taktik, die Zivilbevölkerung durch Terror von
ihrer Unterstützung des Vietcong abzubringen, bewirken sie aber genau das
Gegenteil.
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Die Folge: Die Truppe verroht. Das Massaker an der Dorfbevölkerung von My Lai
wird zum Sinnbild für schwere Kriegsverbrechen amerikanischen Soldaten an der
vietnamesischen Zivilbevölkerung. Im März 1968 vergewaltigen amerikanische
Soldaten die Frauen des Dorfes und bringen nahezu alle Bewohner um.
Todesschwadronen wüten im „Indianerland“ – so heißten die Nördlichen
Provinzen Vietnams im Soldatenjargon – setzen Dörfer in Brand, töten wahllos.
Wird ein Gebiet zur „Free Fire Zone“ erklärt, haben die Bordschützen der
Hubschrauber freie Hand: Was sich am Boden bewegt, wird zum Ziel. Body
Count.
Musik C106767 011
Musik Z 8007267Z010
ERZÄHLERIN:
Ebenso die Vietcong verüben grausame Massaker an vermeintlichen
Kollaborateuren: Im März 1967 töten nordvietnamesische Verbände 200 Zivilisten,
die im Verdacht stehen, den Amerikanern zu helfen. Während der sogenannten
Tet-Offensive 1968 leiden 150.000 Menschen in der alten Kaiserstadt Hue
wochenlang unter der grausamen Terrorherrschaft der Vietcong, zweitausend
Einwohner werden exekutiert.
Musik aus
MUSIK Titel: Vietnamesisch C134643 039
ZITATOR 2:
1968 – Der Wendepunkt des Krieges
Musik Z8002515 009
ERZÄHLERIN:
Seit drei Jahren schon kämpfen amerikanische Soldaten in Vietnam. Was als
begrenzte Militäraktion begonnen hat, droht für die USA zum Fiasko zu werden.
1968 sind 550.000 US-Soldaten in Südvietnam stationiert – eine Entscheidung ist
nicht in Sicht.
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Musik Z 8007267Z010
ERZÄHLERIN:
Saigon, 30. Januar 1968. Der Beginn des vietnamesischen Neujahrsfestes Tet.
Die meisten Soldaten, Amerikaner und Südvietnamesen, sind im Urlaub. Da
erschüttern schwere Explosionen die Innenstadt von Saigon.
Ein Selbstmord-Kommando sprengt ein Loch in die Mauer der US-Botschaft.
Es ist der Auftakt zur größten Offensive des Vietcong und - zur Wende des
Krieges. Ein kommunistischer Großangriff von über 80.000 Soldaten. Derartiges
haben die Amerikaner nicht mehr für möglich gehalten.
Musiken aus
MUSIK Titel: Vietnamesisch C134643 039
ERZÄHLERIN:
Tatsächlich ist die sogenannte Tet-Offensive von 1968 militärisch eine
Katastrophe für Nordvietnam: 50.000 Vietcong sterben bei dem wahnwitzigen
Angriff.
16 ZUSP Archiv General Westmoreland [BR 68213190 016]
I Told the Commander in Chief that…ich habe dem Oberbefehlshaber der
amerikanischen Streitkräfte, Präsident Johnson, gesagt, dass der psychologische
Erfolg der Vietcong-Offensive ausgeblieben ist.
ERZÄHLERIN:
Doch der kommandierende General in Vietnam, William Westmoreland, schätzt
die Lage falsch ein. Denn propagandistisch ist die Tet-Offensive ein schwerer
Schlag für die USA, die Wirkung auf die Truppe verheerend. Der Angriff zeigt: Der
Vietcong ist längst nicht besiegt. Das Jahr 1968 bringt überdies einen politischen
Wechsel. Lyndon Johnson, der 1964 als Friedenspräsident gewählt worden war,
und den Krieg doch eskalieren ließ, wird abgewählt. Sein Nachfolger ist der
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Republikaner Richard Nixon. Und ausgerechnet der Hardliner Nixon beendet die
Amerikanisierung des Vietnamkrieges: Fortan sollen die Südvietnamesen allein
kämpfen. Die Amerikaner ziehen sich zurück - auf Raten.
MUSIK Titel: Vietnamesisch C134643 039
ZITATOR 2:
1969 bis 1975 - Der lange Rückzug aus Vietnam
ERZÄHLERIN:
Richard Nixon, der glühende Anti-Kommunist, als Friedensbringer in Vietnam?
Tatsächlich kündigt der frischgewählte Präsident im Juni 1969 den Abzug von
25.000 Soldaten an, und - einen allmählichen Rückzug aller Bodentruppen bis
1971. Allerdings, sagt Bernd Greiner, hatte der Hardliner dabei nicht unbedingt die
Beendigung des Krieges im Auge…
17 ZUSP O-Ton Bernd Greiner [0:38:53.9]
…sondern er hat versucht, den Preis des Krieges für die amerikanische
Bevölkerung tolerabel zu machen. In dem Moment, wo man die eigene militärische
Präsenz in Südvietnam reduziert hat, hat man dafür gesorgt, dass auch die
Opferzahl in den eigenen Reihen zurückging, und damit auch die Opposition im
eigenen Land gegen den Krieg.
ERZÄHLERIN:
Natürlich war der Krieg noch keineswegs beendet. Die amerikanische Luftwaffe
weitet ihre Luftangriffe über die Grenzen Vietnams aus, nach Laos und
Kambodscha - noch immer gilt es, den Ho-Chi-Minh-Pfad zu zerstören. Die
sogenannten „Linebacker“- Angriffe des Jahres 1972 haben vor allem die
Demoralisierung der Bevölkerung in Nordvietnam zum Ziel. Und am Boden muss
fortan die südvietnamesische Armee allein gegen den Vietcong kämpfen - zwar
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technisch hochgerüstet von den Amerikanern, aber schlecht ausgebildet und
demoralisiert.
Musik Z 8007267Z001
ERZÄHLERIN:
In den Jahren 1971 und 1972 beginnt sich im Verhältnis der beiden Blöcke im
Kalten Krieg eine Phase der Entspannung abzuzeichnen. Nixon besucht als erster
US-Präsident die Volksrepublik China. In Moskau unterzeichnet er mit Breschnew
SALT I – den Vertrag über die Begrenzung strategischer Waffensysteme. Vietnam
ist für Washington, Moskau und Peking zum lästigen Stolperstein auf
internationaler Bühne geworden. Nixons Berater Henry Kissinger verhandelt in
Paris mit nordvietnamesischen Unterhändlern – im Geheimen.
MUSIK aus
18 ZUSP HÖRFUNKBEITRAG FRIEDEN VON 1973 [NDR F803135]
Der Krieg ist zu Ende, so verkünden es heute Morgen die Schlagzeilen. Zumindest
ein Waffenstillstand ist in Vietnam erreicht. Vom nächsten Sonntag an soll in
Indochina nicht mehr gekämpft werden. Der amerikanische Präsident Richard
Nixon hat das in der vergangenen Nacht über alle Fernseh- und Rundfunksender
der USA verkündet. Er hat bekannt gegeben, dass sich die Amerikaner aus
Südvietnam zurückziehen werden.
ERZÄHLERIN:
Nach fast vierjährigen Verhandlungen, die immer wieder zu scheitern drohten,
können die Kriegsparteien am 23. Januar 1973 in Paris einen Waffenstillstand
aushandeln. Den Menschen in Vietnam, Laos und Kambodscha sollen nach dem
Abzug der Amerikaner noch viele grausame Jahre des Bürgerkriegs bevorstehen Bis im Jahr 1989 die Waffen endgültig schweigen.
Für die USA ist der Krieg jedoch beendet, der über 55.000 Amerikanern und etwa
3,5 Millionen Vietnamesen das Leben gekostet hat.
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Die USA haben ihren Nimbus als Kreuzritter für die Freiheit eingebüßt. Das
sinnlose Töten, die Massaker an Zivilisten, die Massenvernichtungswaffen – und
das Eingeständnis, den Gegner unterschätzt zu haben: Das ist bis heute das
Trauma der besiegten Großmacht.
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