Bis zum Umfallen gekämpft - Fencing Euro 2015 Montreux

Neuö Zürcör Zäitung
30 SPORT
Montag, 8. Juni 2015 ^ Nr. 129
Bis zum Umfallen gekämpft
An den Europameisterschaften unterliegt der Degenfechter Max Heinzer erst im Final dem Weltranglistenersten Gauthier Grumier
Zu den drei EM-Medaillen in
Bronze kommt nun eine in Silber
dazu. «Vize-Europameister» töne
doch recht gut, summiert Max
Heinzer nach hartem Kampf.
resümierte er zutreffend. Neben den
körperlichen Ressourcen war im Final
wohl auch dieses Glück aufgebraucht.
Gold hin, Silber her; über den Moment hinaus hat der zweite Platz im
grösseren Bild Bedeutung. Er reiht sich
zu den dritten Plätzen, die Heinzer im
Einzel an den EM 2011, 2012 und 2014
belegt hat; er passt zur laufenden Saison
mit dem Sieg am prestigeträchtigen
Heidenheimer Pokal und dem zweiten
Platz am Grand Prix in Rio; er gibt mit
Blick auf die Olympischen Spiele 2016
das 1,5-Fache der normalen Punktzahl
im Ranking; er verleiht Zuversicht für
den EM-Mannschafts-Wettkampf vom
Mittwoch. Nachdem Heinzer vor Jahresfrist in Strassburg Bronze gewonnen
hatte, gab es mit der Mannschaft ja Gold
– zum dritten Mal in Serie.
Peter Jegen, Montreux
Erst liegt er bäuchlings am Boden, dann
fällt er aufs Knie, letztlich stürzt er sogar
auf seine rechte, den Degen führende
und bereits etwas lädierte Hand. Auf
dem Weg zu EM-Silber muss Max Heinzer viel aushalten, konkreter, der 27-jährige Schwyzer mutet seinem Körper
abermals viel zu. So wie immer, wenn
der einstige Florettfechter auf der
Planche steht. Seit Heinzer mit dem
Degen fechtet, hat er einen ganz eigenen Stil entwickelt: aggressiv, schnell,
unkonventionell, körperbetont. Er sei
der Hecht im Karpfenteich, heisst es
vom passionierten Fischer, an den Gestaden des Genfersees aber evozierte er
ein anderes Bild. Heinzer wirkte wie ein
Löwe, der verletzt und angeschlagen bis
zum Umfallen kämpfte, so lange, wie es
einfach noch ging – und bis im Final der
Franzose Gauthier Grumier den siegbringenden Treffer zum 15:12 setzte.
Nicht Gold verloren
Im ersten Moment war Heinzers Enttäuschung darüber riesengross. Wie ein
Mantra spulte er noch verschwitzt und
gezeichnet vom langen Wettkampftag
Stereotypen herunter wie: «Es war mein
Traum, hier in der Schweiz die Schweizer Hymne zu hören» oder «irgendwann
werde ich noch glücklich sein». Das war
freilich bereits nach der Siegerehrung
der Fall. Da sprach Heinzer mit der
Medaille um den Hals vom Gewinn von
Silber, nicht vom Verlust von Gold, zufrieden stellte er fest: «Vize-Europameister tönt doch recht gut.» Geschei-
Ärger bei Steffen und Kauter
Heinzer (links) kämpft wie ein Löwe, verletzt und angeschlagen, bis Grumier den siegbringenden Treffer setzt.
tert war er ja auch bloss am 31-jährigen
Weltranglistenersten, gegen den der direkte Vergleich bisher bei 1:1 stand.
Die körperlichen Blessuren führte
Heinzer zur Erklärung der Niederlage
aber nicht ins Feld. Die gestauchte
Hand habe ihn einzig nach dem Sturz im
Halbfinal gegen den Ungarn Gabor Boczko geniert, weshalb aus einem 10:6
noch ein 13:13 wurde, womit das Gefecht in die Zusatzminute ging, in der
Heinzer den Siegtreffer setzte. «Ich
hatte heute verschiedentlich Glück»,
KEYSTONE
.........................................................................................................................................................................
Besuch des reichen Präsidenten
jeg. ^ Das Magazin «Forbes» führt Alisher Usmanow an 71. Stelle der reichsten
Leute, auf 14,1 Milliarden Dollar wird
sein Vermögen geschätzt. Kein Wunder
also, wurde der Russe in Montreux in
edler Karosse vorgefahren und nett von
Olivier Carrard begrüsst, dem Präsidenten von Swiss Fencing. Das tat der Genfer Anwalt indes in Ausübung des Protokolls, ist Usmanow doch Präsident des
internationalen Fechtverbandes FIE.
Und weil dieser in Lausanne am Sonntag
eine Sitzung der Exekutive hatte, wurde
die Nähe zu Montreux für einen Besuch
der Final-Gefechte im Auditorium Stravinski genutzt. Die beeindruckende Lokalität macht einen grösseren Posten im
EM-Budget von mehr als einer Million
Franken aus. Usmanows FIE steuert
dazu genau 10 000 Franken bei.
Im Team ist Heinzer aber bloss einer
von vier Fechtern. Die anderen sind
Fabian Kauter, Benjamin Steffen und
Peer Borsky. Sie hatten 2014 die Ränge
11 (Kauter), 39 (Borsky) und 58 (Steffen) belegt, nun sind sie im Einzel auf
den Plätzen 21 (Steffen), 26 (Kauter)
und 31 (Borsky) zu finden. Auch das ist
ein Spiegel der laufenden Saison, in der
vor allem der Basler Steffen guten Tritt
gefunden hat. Entsprechend ärgerte sich
der Routinier darüber, dass er gegen
den Letten Mihails Jefremenko (6:15) in
alte Verhaltensmuster zurückfiel und zu
wenig forsch in die Distanz ging.
Kauter derweil ereiferte sich an der
Passivität des Ukrainers Maxim Chworost. Der Berner machte das Gefecht,
der Gegner aber die Punkte – 8:15. Geradezu überfahren wurde Borsky vom
Italiener Paolo Pizzo, dem EM-Zweiten
des letzten Jahres und Weltmeister von
Catanio 2011. 6:13 lag der junge Zürcher schon nach dem ersten Drittel zurück, weil er mental bereits nach dem
zweiten Gegentreffer umgefallen war.
Nur ein Murmeltier sorgt für Aufregung
Mo Farah erschöpft
Lewis Hamilton gewinnt den ereignislosen GP von Kanada – keine Punkte fürs Sauber-Team
In Birmingham wegen Wirbels um seinen Trainer nicht am Start
Elmar Brümmer, Montreal ^ Das Murmeltier, das zur Halbzeit den Circuit
Gilles Villeneuve vor drei heranrasenden Rennwagen kreuzt, kommt mit dem
Schrecken davon, für die Zuschauer ist
es einer der spannendsten Momente
eines ungewöhnlich ereignislosen kanadischen Grand Prix. Es sei denn, man
interessiert sich fürs Bremsenschonen
und Benzinsparen. Denn über diese beiden Faktoren wird das Duell an der
Spitze, das gleichzeitig eines um die
Spitze in der Formel-1-Weltmeisterschaft ist, entschieden.
Lewis Hamilton, aus der 44. PolePosition seiner Karriere gestartet,
kommt mit 2,2 Sekunden Vorsprung vor
seinem Mercedes-Team-Kollegen Nico
Rosberg ins Ziel und hat damit die
Genugtuung nach dem taktisch verlorenen Rennen in Monte Carlo. Die Emo-
tionen lösten sich nach dem engen, aber
komfortablen Duell: «Es ist grossartig,
wieder ganz oben zu stehen. Das habe
ich gebraucht – ich liebe Montreal.»
Mercedes belegt zum vierten Mal im
siebenten Rennen die Plätze 1 und 2. In
der Gesamtwertung führt der Brite jetzt
wieder mit 17 Punkten vor dem Deutschen. Auch der dritte Rang wird mit
einem Mercedes-Motor herausgefahren, erstmals in diesem Jahr schafft es
der finnische Williams-Pilot Valtteri
Bottas aufs Podium, vor seinem Landsmann Kimi Räikkönen im Ferrari.
Die Italiener hatten sich eigentlich
erhofft, mit einem generalüberholten
Chassis, einer Motorenausbaustufe und
einer veränderten Spritmischung den
Angriff auf die Silberpfeile zu starten.
Doch Räikkönen verlor seinen dritten
Startplatz durch einen Ausrutscher auf
Hamilton vor Rosberg – schon wieder erreicht Mercedes die Plätze 1 und 2.
EPA
kalten Reifen, und Sebastian Vettel
musste das Rennen von Position 18 aufnehmen – zu Elektronikproblemen war
am Samstag noch eine Strafe für ein
missachtetes Überholverbot gekommen. Seine Aufholjagd stellte sogar den
von Platz 15 herausgefahrenen 6. Rang
von Felipe Massa (Williams) in den
Schatten. Mit einer cleveren Taktik und
der perfekten Reifennutzung erreichte
Vettel Rang 5 und unterstreicht so das
Potenzial, das in ihm und dem italienischen Rennwagen liegt. Mehrere haarige Duelle, darunter mit Fernando
Alonso und Nico Hülkenberg, kennzeichneten den Weg zurück nach vorn.
Alonso hingegen steht für das personifizierte Pech. McLaren-Honda war
einmal mehr von Ausfällen geplagt. Der
Spanier wirkt nach dem vierten vorzeitigen Aus im sechsten Rennen für das
umgekrempelte Team, seinem dritten
Out in Folge, genervt. Als ihn der Renningenieur zum Benzinsparen auffordert,
mault Alonso zurück: «Ich will nicht.
Ich seh doch jetzt schon aus wie ein
Amateur. Erst fahre ich ein Rennen,
dann konzentriere ich mich aufs Benzin.» Auch sein Teamkollege Jenson
Button, der bereits die Qualifikation
durch einen Motorenwechsel verpasste,
musste zehn Runden vor Schluss die
Segel streichen.
Die Sauber-Piloten Marcus Ericsson
und Felipe Nasr konnten zwar das Rennen zu Ende fahren, doch mehr als
Rang 14 für den Schweden und Platz 16
für den Brasilianer waren nicht drin –
ein enttäuschendes Ergebnis und die
Fortsetzung der Achterbahnfahrt für
das Schweizer Team, das ein FahrzeugUpdate erst für nach der Sommerpause
angekündigt hat. Die Nullnummer von
Montreal bedeutet auch, dass der Hinwiler Rennstall von Platz 5 in der Konstrukteurs-Wertung auf Rang 6 abrutscht, punktgleich mit Force India.
(si) ^ Mo Farah, das Aushängeschild des
Diamond-League-Meetings von Birmingham, ist der Veranstaltung ferngeblieben. Wenige Stunden vor dem
Start über 1500 m hatte der Brite die
Teilnahme abgesagt. Hintergrund sind
die Dopingvorwürfe gegen Alberto Salazar, den Trainer des zweifachen
Olympiasiegers und dreifachen Weltmeisters. Die Dopinganschuldigungen
gegen seinen Coach haben Farah stark
zugesetzt. Er verzichtete auf den Start,
weil er sich «emotional und physisch erschöpft» fühle.
Bei idealen Bedingungen unterboten
in der Königsdisziplin über 100 m neben
dem 21-jährigen Amerikaner Marvin
Bracy (9,93 Sekunden) auch der Brite
Adam Gemili (9,97) und Bracys Landsmann Michael Rodgers (9,97) die 10-Sekunden-Marke. Der amerikanische Jah-
resschnellste Justin Gatlin, der in dieser
Saison 9,74 Sekunden vorgelegt hat,
fehlte im Alexander Stadium ebenso
wie der jamaicanische Weltrekordhalter
Usain Bolt, der erst am kommenden
Wochenende in New York wieder am
Start stehen wird.
Die international wertvollste Leistung gelang dem kenyanischen Speerwerfer Julius Yego. Seine 91,39 m im
letzten Versuch, die erst nachträglich
durch einen Jury-Entscheid in die Wertung kamen, waren nicht nur Jahresweltbestleistung und afrikanischer Rekord, sondern auch der weiteste Speerwurf seit Jahren.
Die Schweizer Farben vertrat Fabienne Schlumpf über 3000 m Steeple.
Die Zürcher Oberländerin blieb in
9:46,54 Minuten rund sechs Sekunden
über ihrer Saisonbestzeit.
Neue Position für Kambundji
(si) ^ Die Schweizer Sprint-Staffel der
Frauen hat in Genf in neuer Zusammensetzung eine Zeit von 43,11 Sekunden erreicht. Von den Europäerinnen
waren diese Saison bisher erst die Britinnen schneller (42,84). Das Quartett
blieb nur 17 Hundertstel über dem
Schweizer Rekord. Der Sprint-Nationalcoach Laurent Meuwly liess seine
schnellste Läuferin, Mujinga Kambundji, die dritte statt wie üblich die erste
Ablösung laufen. Zudem übernahm die
nominelle Ersatzläuferin Joelle
¨
Golay
von Fanette Humair die Schlussstrecke.
Die ersten beiden Ablösungen liefen
Marisa Lavanchy und Lea
´ Sprunger.
Den Wechsel Kambundjis von der ersten auf die dritte Position begründete
Meuwly damit, dass «wir so von ihrer
Schnelligkeit auf etwa 120 Metern profi-
tieren statt nur auf 100 Metern». Im
Einzelrennen über 100 m verzichtete
Kambundji nach guten 11,31 im Vorlauf
wegen leichter Rückenschmerzen auf
einen Start im Final.
Alex Wilson erreichte am Meeting in
Regensburg (Deutschland) über 100 m
in 10,20 Sekunden die zweitschnellste
Zeit seiner bisherigen Karriere. Von der
Limite für die WM in Peking trennen
ihn noch vier Hundertstel. Erst einmal,
beim Schweizer Rekord 2013 in Bulle
(10,12), war der 25-Jährige schneller.
«Mit diesem Resultat bin ich sehr zufrieden. Ich konnte in den letzten zwei
Wochen gut trainieren und freue mich,
dass ich trotz einem kleinen Stolperer
eine solche Zeit gelaufen bin», sagte der
24-Jährige. Im Final wurde er wegen
eines Fehlstarts disqualifiziert.