Fünf Jahre, vier EM-Medaillen

35
Tages-Anzeiger – Montag, 8. Juni 2015 Sport
Wild und Ryf
allen voraus
Die Schweizer Triathleten
prägen den Ironman 70.3
von Rapperswil-Jona.
Jörg Greb
Rapperswil-Jona
2200 Athleten aus 63 Nationen starteten am Ironman 70.3 in RapperswilJona. Diese Internationalität aber
­spiegelte sich weder an der Spitze der
Männer noch der Frauen. Die Schweizer ­dominierten. Bei den Frauen degradierte Daniela Ryf ihre Gegnerinnen zu
Statistinnen. Bei den Männern setzte
sich Ruedi Wild gegen seine nationalen
Gegner ­Manuel Küng, Jan van Berkel,
Ronnie Schildknecht und Mike Aigroz
durch. Ryf wie Wild sicherten sich die
Mittel­d istanz-Schweizer-Meister-Titel.
Wild liess sich dabei durch seinen
Auftakt wider Plan – er vermochte auf
den 1,9 Schwimmkilometern Küng nicht
zu folgen – nicht beirren. Unbeeindruckt
liess ihn ebenso das Anwachsen seines
Rückstands auf fast drei Minuten während der 90 Radkilometer.
Das Eigenlob des Siegers
Erst im Final gestoppt: Max Heinzer (rechts) verlor gegen die Weltnummer 1 Gauthier Grumier. Foto: Valeriano Di Domenico
Fünf Jahre, vier EM-Medaillen
Max Heinzer gewann an der Fecht-EM in Montreux Silber im Einzel – Kauter, Steffen und Borsky enttäuschten.
Monica Schneider
Montreux
Gold verloren oder Silber gewonnen?
Max Heinzer musste nach einem langen
Wettkampftag und der Siegerehrung im
pompösen Stravinski-Auditorium im
Kongresszentrum von Montreux nicht
lange überlegen. «Ich bin sehr glücklich
mit Silber, ich bin überhaupt nicht enttäuscht, habe alles versucht, alle Energie aus mir herausgeholt», ratterte er
seine Gefühle ein wenig roboterhaft herunter und ergänzte, die Franzosen hätten mit Gauthier Grumier ihre Favoritenrolle ausgespielt. 12:15 war Heinzer
der Nummer 1 der Welt im Final unter­
legen, die Gründe für die Niederlage
konnte oder wollte der 27-Jährige nicht
genau benennen, mitgespielt hatten
aber wohl mehrere Faktoren.
Im Halbfinal hatte er sich mit Gabor
Boczko ein aufreibendes Gefecht geliefert, wobei ihn der Ungar lange Phasen
ans hintere Ende der Bahn drängte und
Heinzer aus der Defensive agieren
musste. Was ihm äusserst gut gelang. Er
erarbeitete sich einen scheinbar komfortablen Vierpunktevorsprung (10:6) und
forderte das Publikum wie schon den
ganzen Tag über wild gestikulierend zu
mehr Stimmung auf. Auch dies gelang
ihm, allerdings stürzte er bei der nächsten Aktion und verletzte sich an der
Fechthand leicht. Der Physiotherapeut
pflegte ihn mit Eisspray, gegen einen
Verband wehrte sich Heinzer jedoch,
weil er befürchtete, die Bewegungs­
freiheit sei damit eingeschränkt.
Kniefall mit Urschrei
Er büsste nun seinen Vorsprung ein, weil
vielleicht doch nicht mehr die ganze
Kraft da war. Und dennoch konnte er bis
zum Ende und einem 14:14 mit Boczko
mithalten, das war der Moment, der eine
Entscheidungsminute nötig machte. Für
die Zuschauer ist dies die spannendste
Phase, für die Fechter natürlich die nervenaufreibendste. Heinzer gelang grandios der Punkt, was gleichbedeutend mit
der Finalqualifikation war.
Mit acht Weltcupsiegen ist Heinzer
der erfolgreichste Schweizer Fechter,
über Bronzemedaillen an Europameisterschaften war er allerdings bis jetzt nie
hinausgekommen. 2011, 2012 und 2014
belegte er Platz 3, und als ihm mindestens dieser gestern auch wieder sicher
war, gab es für ihn kein Halten mehr.
Seine Erleichterung, nach dem Weltcupsieg in Heidenheim Anfang Jahr und
dem 2. Platz vor zwei Wochen in Rio an der
EM erneut zu den Medaillengewinnern zu
gehören, entlud sich in einem Sprint die
Bahn hinauf und hinunter, einem zweiten
Durchgang mit schwingendem Arm und
einem Kniefall mit Urschrei. Nach dem
Halbfinal dann schien er nur noch erschöpft und blieb auf der Bahn liegen.
Heinzer hatte im Lauf des Tages
schwierige Augenblicke gemeistert, zu
Beginn des Turniers aber auch ein bisschen Genugtuung erfahren. Als er nach
den Vorrundengefechten auf den Russen
Anochin traf, war dies auch ein Wiedersehen mit dem einstigen Nationalcoach
Angelo Mazzoni. Trotz Plan, zusammen
mit seinem Trainerkollegen G
­ ianni Muzio
die Schweizer nächstes Jahr an die Olympischen Spiele von Rio zu führen, wech-
selte Mazzoni nach Russland. Anscheinend gelang ihm aber nicht, Anochin auf
die Nummer 4 der Welt einzustellen, der
Schweizer siegte überlegen 15:4.
Die Ernüchterung
So erfreulich der Tag für Heinzer endete,
so enttäuschend und ernüchternd verlief
er für die anderen drei Teammitglieder.
Weder Benjamin Steffen (21.), Fabian Kauter (26.) noch Peer Borsky (31.), mit 24
Jahren der jüngste und unerfahrenste,
schafften den Sprung unter die besten 16.
Steffen kam von Anfang an und nach einigen misslungenen Aktionen das Selbstvertrauen abhanden. Kauter ärgerte sich
über passive Gegner, gegen die «ich das
Gefecht mache und sie dann die Punkte».
Und Borsky glaubte, auch gegen den italienischen Vulkan Paolo Pizzo, ein äusserst erfahrener Offensivfechter, hätte es
ein Rezept gegeben. Zur Stärkung für den
Teamwettbewerb vom Mittwoch haben
diese Leistungen kaum beigetragen,
selbst wenn alle beteuern, das sei bis
dann vorbei und vergessen.
Resultate, Seite 34
Im Halbmarathon (21,1 km) holte der
Samstagerer den Toggenburger bei
­Streckenhälfte schon ein und lief einem
ungefährdeten ­Triumph entgegen, seinem ersten auf der 70.3-Distanz. «Mir
gelang eine taktische Meisterleistung,
die mir viel Selbstvertrauen für meine
Saisonhöhepunkte v
­ermittelt», bilanzierte er. Diese sind die Langdistanz-WM
Ende Juni sowie die 70.3-EM und –WM
von Anfang und Ende August.
Stärker als Vorbereitungsrennen
­gewichteten Jan van Berkel (3./viertes
internationales 70.3-Rennen innert fünf
Wochen), Ronnie Schildknecht (4./
drei Wochen nach dem dritten Rang am
Ironman Texas) sowie Frauensiegerin
Daniela Ryf ihre Einsätze. Insbesondere
Ryf präsentierte sich dennoch in einer
unwiderstehlichen Verfassung. Die letztjährige 70.3-Welt- und -Europameisterin
sowie Ironman-Hawaii-Zweite führte
vom ersten Meter an. Sie nahm der
zweitplatzierten Sonja Tajsich (D) bis ins
Ziel über 18 Minuten ab und vermochte
sich bis weit in die Laufstrecke in den
Top Ten der Männer zu halten – ehe sie
etwas einbrach.
Die gesunde St. Moritzer Luft
«Das ist das Schöne an Testrennen»,
sagte sie dazu. «Du kannst mehr riskieren, als wenn es um sehr viel geht.»
­Dennoch kamen nur 13 Männer mit besseren Zeiten ins Ziel. Die Solothurnerin
bilanzierte: «Ich kann die spezifische
­
Vorbereitung auf die Saison­höhe­punkte
nun mit viel Elan angehen.» Sie wird
dies in einem vierwöchigen Höhen­
training in St. Moritz tun.
Rapperswil. Halb-Ironman (1,9 km Schwimmen,
90 km Rad, 21,1 km Lauf). Männer: 1. Wild 3:51:27.
2. Küng 1:11. 3. Van Berkel 2:11. 4. Schildknecht 2:52. –
Frauen: 1. Ryf 4:08:43. 2. Tajsich (De) 18:06. 3. Möller
(De) 22:38. 4. Kunz (Sz) 27:07.
Artiges Mercedes-Duell endet mit Hamiltons Revanche
Der Brite gewann in Kanada
sein viertes Formel-1-Rennen
der Saison vor Teamrivale
Nico Rosberg. Sauber büsste
den 5. WM-Rang ein.
René Hauri
Es gab da diesen Funkspruch. Kurz nach
Rennhälfte. Der Adressat: Nico Rosberg,
der zu der Zeit seinen Teamrivalen, den
führenden Lewis Hamilton jagte. Knapp
eineinhalb Sekunden Rückstand hatte
der Deutsche auf den Briten. Und dann
also wurde er um Folgendes gebeten:
Wegen stark beanspruchter Bremsen soll
er sich doch bitte die nächsten zehn Runden zurückhalten, ehe er wieder daran
denken könne, um den Sieg zu kämpfen.
Das wirkte seltsam. Wie der verzweifelte Versuch von Mercedes, Wiedergutmachung zu betreiben, hatte man dem
Weltmeister doch vor zwei Wochen in
Monaco noch den Sieg genommen. Als
ihn das Team während einer Safety-CarPhase an die Box rief, um ihm die Reifen
zu wechseln, obwohl das nicht nötig
­gewesen wäre. Rosberg und auch FerrariFahrer Sebastian Vettel zogen an ihm
vorbei. Plötzlich war der Kampf um den
WM-Titel wieder hochspannend. 10
Punkte betrug die Differenz zwischen
Hamilton und Rosberg vor dem GP von
Kanada noch. Und der Herausforderer
schien nicht gewillt, diese wieder auf 17
anwachsen zu lassen.
Jedenfalls war in der Folge nichts
­davon zu sehen, dass er die Bremsbeläge
auf dem Circiut Gilles Villeneuve schonen würde, der ja gerade von diesen
­alles abverlangt mit seinen langen Geraden und engen Kurven. Rosberg hielt
den Rückstand konstant zwischen einer
und eineinhalb Sekunden. Er ersparte
aber seinem Rennstall Schreckmomente.
Er attackierte Hamilton nicht und fuhr
als Zweiter über die Ziellinie.
Ganz gesittet. Ganz im Sinne von Toto
Wolff und Niki Lauda auch. Den Österreichern, der eine Teamchef, der andere
Aufsichtsratsvorsitzender von Mercedes, die um die Wette strahlten. So, wie
es später auch der 30-jährige Doppelweltmeister tat, als er nach zwei Nieder-
lagen im internen Duell wieder von zuoberst auf dem Podest in die Menge
winkte. «Es war ein fantastisches Wochenende. Ich hatte während dem ganzen Rennen das Gefühl, dass die Balance
sehr gut war, spürte aber gleichzeitig
auch, dass Nico imstande ist, immer wieder ein paar Meter aufzuholen. Es war
ein intensiver Grand Prix. Ich weiss
allerdings nicht, wie es für euch Zu­
schauer war», rief Hamilton dann noch.
Vettels spektakuläre Aufholjagd
Nun, diese bekamen weiter hinten deutlich mehr spannende Szenen zu sehen.
Etwa von Kimi Räikkönen, der gerade
die Reifen ­gewechselt hatte, als er sich
in der Haarnadelkurve drehte. Davon
profitierte sein finnischer Landsmann
Valtteri Bottas, der für Williams den ersten Podestplatz seit dem Saisonfinale
2014 in Abu Dhabi herausfuhr.
Für das grösste Spektakel aber war
Räikkönens Ferrari-Kollege Sebastian
Vettel besorgt. Der Deutsche, der bis gestern ein Wochenende zum Vergessen erlebt hatte. Im Qualifying war er wegen eines defekten Transistors nicht über
Startplatz 16 hinausgekommen. Dann
wurde er auch noch um fünf Plätze nach
hinten versetzt, weil er den Manor von
Roberto Merhi bei roter Flagge überholt
hatte. Das ergab letztlich Position 18. Nur
Jenson Button (McLaren-Honda) und
Max Verstappen (Toro Rosso) starteten
noch hinter dem vierfachen Weltmeister.
Button war wegen eines Motorwechsels
gar nicht erst zur Qualifikation angetreten und Verstappen wurde wegen des
fünften Motorwechsels und dem Unfall
mit Romain Grosjean in Monte Carlo um
15 Strafplätze nach hinten versetzt.
Vettel hatte nicht vor, sich lange so
weit hinten im Feld aufzuhalten. Nach
einem frühen Boxenstopp machte er
sich auf die Aufholjagd und beendete
diese auf Rang 5. Am Anfang dieser standen auch Überholmanöver gegen die
beiden Sauber-Piloten Marcus Ericsson
und Felipe Nasr. Vettel hatte wenig
Mühe, an ihnen vorbeizuziehen. Der
Brasilianer und der Schwede wurden 14.
und 16., womit das Schweizer Team zum
vierten Mal im siebten Rennen ohne
Punkte blieb. Es verlor zudem den
5. WM-Rang an Lotus.
Wieder zuoberst: Hamilton. Foto: Keystone
GP Kanada in Montreal
1. Lewis Hamilton (Gb), Mercedes 1:31:53,145
2. Nico Rosberg (De), Mercedes + 2,285
3. Valtteri Bottas (Fi), Williams
+ 40,666
4. Räikkönen (Fi), Ferrari, 45,625. 5. Vettel (De), Ferrari, 49,903. 6. Massa (Br), Williams, 56,381. 7. Maldonado (Ven), Lotus, 66,664. 8. eine Runde zurück: Hülkenberg (De), Force India. – 14. Ericsson (Sd), Sauber.
15. Verstappen (Ho), Toro Rosso. 16. zwei Runden zurück: Nasr (Br), Sauber. – Ausfälle. Alonso (44.
Runde): Auspuff. Button (54.): Auspuff. Merhi (57.):
unbekannt.
WM-Stand (7/19). Fahrer: 1. Hamilton 151. 2. Rosberg
134. 3. Vettel 108. – 10. Nasr 16. 16. Ericsson 5. –
Teams: 1. Mercedes 285. 2. Ferrari 180. 3. WilliamsMercedes 104. – 6. Sauber 21.
Nächstes Rennen: GP Österreich am 21. Juni.