Sport29 sonntagszeitung.ch | 7. Juni 2015 Géroudet verpasst Medaille Schweizer Fechterinnen scheitern an der EM früh Max Heinzer ist als Weltnummer 4 der Bestklassierte im starken Schweizer Team Montreux Tiffany Géroudet scheiterte an der Fecht-EM in Montreux als beste Schweizerin in den Achtelfinals und belegte Rang 14. Die Degen-Europameisterin von 2011 unterlag der Weltranglistenersten Emese Szasz aus Ungarn 14:15. Die 28-jährige Walliserin stand ihrem ersten Sieg über Szasz in einem Gefecht über neun Minuten so nah wie noch nie. Géroudet führte im Duell zweier Linkshänderinnen 8:4 und 14:13. Mit e inem abschliessenden Doppeltreffer hätte sie die Viertelfinals erreicht. Doch Géroudet verfehlte diesen ganz knapp. «Ich bin enttäuscht über die verpasste Medaillenchance, aber zufrieden mit meiner Leistung», sagte Géroudet, die am Vormittag in den Vorrunden-Gefechten (auf fünf Punkte) Szasz noch 5:2 besiegt hatte. Foto: Tobias Anliker Kleine, grosse Fechtnation Der Weg an die Olympischen Spiele von Rio ist steinig An der EM in Montreux gehören die Schweizer Fechter heute zu den Mitfavoriten – neben den Franzosen Monica Schneider Montreux Der Franzose Yannick Borel hat vor zwei Wochen das Grand-Prix-Turnier der Degenfechter in Rio gewonnen, die Hauptprobe für die Olympischen Spiele von nächstem Sommer. Im Final schlug er Max Heinzer aus Immensee, im Viertelfinal den Berner Fabian Kauter. Borel war damit der sechste französische Turniersieger im achten Saisonwettkampf, einen Weltcup gewann Heinzer (den prestigeträchtigen von Heidenheim), einen der Este Nikolai Nowosjolow. Diese Bilanz gibt die momentanen Kräfteverhältnisse wieder – im heutigen Einzelwettbewerb an der EM in Montreux sind die Franzosen die Hauptfavoriten. Und es nützt Heinzer, der Nummer 4 der Welt, in Montreux nicht einmal das Wissen, dass er Borel bezwin- gen kann, wie er das im Heidenheimer Final tat. Denn Borel ist an der EM gar nicht dabei. An kontinentalen Titelkämpfen sind pro Nation höchstens vier Fechter zugelassen. Bei sechs Saisonsiegern war das eine delikate Ausgangslage für den französischen Coach. Neben Borel fehlt auch Weltmeister Ulrich Robeiri. Die Strategie scheint also klar: Die derzeit Besten sollen sich schonen für die WM Mitte Juli in Moskau. An der EM sollen neben Gauthier Grumier, der Nummer 1 der Welt, auch weniger Erfahrene eine Gelegenheit erhalten, sich zu profilieren. Im Fechten ist Frankreich die «grande nation», die Schweiz die kleine, grosse Nation. Rund 60 000 Lizenzierten stehen gut 3000 gegenüber. Das ist auch der Grund, weshalb sich die Schweiz schon seit Jahrzehnten auf den Degen, die eine der drei Waffen (neben Säbel und Florett), konzentriert. In der Schweiz ging es auf internationalem Niveau schon immer darum, Kräfte und Ressourcen zu bündeln. Dies ist dem Verband sehr gut gelungen, wenn man die 23 Medaillen betrachtet, die Schweizerinnen und Schweizer allein seit der Jahrtausendwende an Olympia, WM und EM gewannen. mal 3-mal 3 Minuten, einen gröberen Durchhänger kann sich niemand leisten. Und: Erreicht einer der Schweizer den Final, wird er am Ende des Tages gegen zwölf Konkurrenten gefochten haben. Zwölfmal sich auf einen Gegner einstellen, zwölfmal eine Strategie ausarbeiten, zwölfmal Spannung aufbauen, elfmal die Emotionen Wer in den Final will, muss zwölfmal fechten Die Rivalität der beiden Länder erinnert ein wenig ans Tennis. Etwas unterscheidet die Sportarten jedoch eklatant: Während Stan Wawrinka nach seinem Halbfinal-Triumph gegen Jo-Wilfried Tsonga zugab, dass man in einer fast vier Stunden dauernden Partie «viele Leben» habe, weisen Heinzer und Kauter darauf hin, «dass es im Fechten halt sehr schnell gehen kann». Ein Gefecht dauert maxi- Schweizer EM-Medaillen Seit 2000 2000 Madeira Gold Team Frauen 2004 Kopenhagen Gold Team Frauen 2007 Gand Bronze Fabian Kauter 2008 Kiew Bronze Michael Kauter 2010 Plovdiv Silber Team Männer Bronze Team Frauen 2011 Sheffield Gold Tiffany Géroudet Bronze Max Heinzer 2012 Legnano Gold Team Männer Bronze Max Heinzer 2013 Zagreb Gold Team Männer 2014 Strassburg Gold Team Männer Bronze Max Heinzer wieder herunterfahren, um für den nächsten Auftritt bereit zu sein. Gold gewinnt nur, wer in Form ist und diese auch ausspielen kann. Dass sie das können, wissen die Schweizer. Mit Heinzer (Weltnummer 4), Kauter (7) und dem Basler Benjamin Steffen (15) stehen sogar drei in den Top 15 der Welt, und alle schafften es in dieser Saison mindestens einmal aufs Podest: Heinzer in Heidenheim und Rio, Kauter im November in Tallinn, Steffen im März in Budapest und der Zürcher Oberländer Peer Borsky (Nr. 29), der sich zum fixen Teammitglied emporgearbeitet hat, im Dezember in Doha. Kauter sagt aber: «Es ist nicht selbstverständlich, dass jeder von uns am Sonntag seinen besten Tag hat. Ich hatte einen solchen schon zweimal an einer WM, und es blieb Bronze. Für den Erfolg muss man auch schlechte Erfahrungen gemacht haben.» «Positiv ist, dass Tiffany nun nach dem GP in Rio vor zwei Wochen an zwei Anlässen in Folge innerhalb der Olympia-Qualifikation die letzten 16 erreichte», betonte Co-Nationaltrainer Hervé Faget. Géroudet, derzeit die Nummer 47 der Welt, wird angesichts des zu wenig starken Schweizer Frauenteams wie zuletzt für London 2012 die Qualifikation als Einzelstarterin anstreben müssen. Die zwei bestklassierten Europäerinnen in der bereinigten Weltrangliste (abzüglich der Fechter aus den qualifizierten Länderteams) per Ende März 2016 qualifizieren sich für Rio. Zwei weitere Startplätze für Länder ohne Qualifikantin werden dann noch an einem europäischen Zonenturnier vergeben. Zweitbeste Schweizerin war Pauline Brunner als 29. Die Neuenburgerin imponierte in der ersten Hauptrunde mit einem 9:8Sieg nach Verlängerung über Anfisa Potschkalowa (Ukr) nach 3:7-Rückstand. In den Sechzehntelfinals war sie gegen die Weltranglistenzweite Ana Maria Branza (Rum) aber chancenlos. Laura Stähli und Angela Krieger schieden bereits in der Vorrunde aus. Formel weit, weit weg Die Formel 1 leidet unter Zuschauerschwund und wirkt hilflos. Der Vorschlag, Tankstopps wieder zu erlauben, wird abgelehnt Zürich/Montreal Sie verliessen sich auf die Daten des Computers. Wie sie es immer tun. Nur: Diesmal ging es schief. Die Mercedes-Ingenieure entschieden in Monaco, WM-Leader Lewis Hamilton während einer Safety-Car-Phase neue Reifen aufzuziehen. Sie glaubten, der Vorsprung des Briten würde reichen, um an der Spitze zu bleiben. Sie täuschten sich. Teamrivale Nico Rosberg siegte vor Sebastian Vettel. Hamilton blieb Rang 3 und der grosse Frust. Und dem Rennstall hämische Kommentare. Irgendwie war das Ganze erfrischend. Weil der Computer in diesem hochtechnologischen Sport eben doch nicht immer recht hat. Teamchef Toto Wolff sagte hinterher, sich in solchen Situationen künftig nicht mehr nur auf die Daten verlassen zu wollen, «sondern auf die Logik und den Menschenverstand». Es wäre etwas Neues. Denn längst sind die Autos mit Hunderten von Sensoren ausgerüstet, die Tausende von Daten in Echtzeit auf die Bildschirme der Ingenieure liefern. Es werden immer mehr. Genauso, wie es immer mehr Leute gibt, die sich diesen annehmen. Bei Ferrari sollen es während eines Rennens 100 Ingenieure sein, die sich an der Strecke und im Werk von Maranello um die Messwerte kümmern, um Bremszeitpunkt, Bremskraft, Lenkbewegung, Betätigung des Gaspedals, die Temperaturen von Öl, Wasser, Reifen, um Neigungswinkel, Zustand von Motor, Getriebe, von weiteren Aggregaten – und: um vieles mehr. Einstellungen am Fahrzeug, die Taktik, die Strategie: Sie basieren vor allem auf diesen Zahlen. Die Autos sind weitestgehend berechenbar geworden, genauso der Rennverlauf. Spannungsmomente sind rar, die Strategien für den Zuschauer undurchsichtig. Wer wie im Rennen liegt, wer welche Taktik verfolgt, wird immer schwieriger zu erkennen. Und: Die Entscheidungen fallen am Kontrollstand statt auf der Strecke. Gerhard Berger: «Es bleibt zu wenig für den Fahrer übrig» Das ist für eine Sportart fatal, die sich über ihre verwegenen Helden in den Cockpits definieren will. Dass die Fahrzeuge selber mittlerweile technologische Wunderwerke sind, hilft da auch nicht. Übersteuern, Untersteuern, alles wird mit entsprechenden Einstellungen ausgemerzt. Wie auf Schienen sollen sich die Boliden bewegen – und tönen dabei mit ihren V6-Turbomotoren und dem Hybridantrieb wie kleine Brüder ihrer Vorgänger. Der ehemalige Formel-1-Pilot und Teamchef von Toro Rosso, Gerhard Berger, sagte gegenüber «Auto, Motor und Sport»: «Ein Formel1-Auto mit 650 oder 700 PS hat viel zu wenig Leistung. Mit einer per- fekten Aerodynamik, den riesigen Auslaufzonen neben der Piste und den elektronischen Hilfen bleibt zu wenig für den Fahrer übrig.» Das alles dürften Gründe dafür sein, wieso die selbsternannte Königsklasse des Automobilsports zunehmend unter Zuschauerschwund leidet. 2014 sassen weltweit 25 Millionen Leute weniger vor dem Fernseher als ein Jahr zuvor. Bei RTL, das die Rennen seit 1991 überträgt, schalteten durchschnittlich 4,36 Millionen ein – es war der schlechteste Wert seit 20 Jahren. Als Michael Schumacher 2001 Weltmeister wurde, waren es 10,44 Millionen gewesen. RTL soll gar über einen Ausstieg nach dieser Saison nachgedacht haben. Beim Weltverband FIA und beim Vermarkter, dem Formula One Management von Bernie Ecclestone, hat man die prekäre Lage erkannt, scheint aber hilflos. Der 84-jährige Brite fordert die Rückkehr zu den V8-Motoren – nachdem die Hersteller Unsummen in die Entwicklung des neuen Antriebs investiert haben. Verhaltene Vorschläge brachte neulich die Strategiegruppe hervor, in der sechs Teams, FIA-Präsident Jean Todt und Ecclestone Einsitz haben: Die seit 2010 verbotenen Tankstopps sollen wieder erlaubt werden, um Spannung zu erzeugen – vor dem heutigen GP von Kanada stellten sich die Teams nun gegen diese Idee. Ab 2017 sollen aber die Reifen breiter werden, die Autos leichter und – auch dank aerodynamischen Anpassungen – bis zu sechs Sekunden schneller. Zumindest bis dahin dürften einige auf etwas hoffen, was noch nicht von den Ingenieuren kontrolliert werden kann: das Wetter. Gerade auf dem Circuit Gilles Villeneuve sorgte dieses wiederholt René Hauri für Spektakel. Qualifying GP Kanada ― 32
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