BankBSImussBussevon211Millionen

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VALERIANO DI DOMENICO
NZZ am Sonntag 5. April 2015
Bank BSI muss Busse von 211 Millionen
innert sieben Tagen an die USA bezahlen
GABRIELE PUTZU / TI-PRESS / KEYSTONE
Das Institut will die Summe von den Steuern abziehen – andere dürften folgen. Von Sebastian Bräuer
beschränkt. Doch bei der Berechnung der Bussen gibt es kein Entgegenkommen. Die Höhe
hängt davon ab, wie viel unversteuerte USGelder die Banken zu verschiedenen Zeitpunkten annahmen; die Strafsätze reichen
von 20% bis 50%. In einem Schreiben vom
6. März an involvierte Anwälte hatte das
Justizministerium die Anforderungen beim
Nachweis, dass Gelder regulär versteuert waren, noch einmal präzisiert: Steuerehrliche
aktuelle oder ehemalige Kunden müssen bereit sein, sich namentlich beim Justizministerium identifizieren zu lassen.
Diese Forderung ist vor allem bei aufgelösten Kundenverhältnissen schwierig zu erfüllen. Auch deswegen zeichnet sich ab, dass Washington von den «Gruppe 2»-Banken zusammengenommen einen signifikanten Milliardenbetrag erhalten wird. Damit erhält die Frage, ob sich die Bussen in der Schweiz von der
Steuer abziehen lassen, eine hohe Relevanz.
Banken haben ein gutes Argument
Der Verkauf der BSI Bank aus Lugano an die brasilianische Finanzgruppe BTG Pactual rückt nach der Einigung mit den USA näher.
D
ie Tessiner Privatbank BSI tat
einiges für ihre amerikanischen Kunden. Sie gründete
Tarnfirmen auf den Bahamas, den Kanalinseln oder
Malta. Offerierte Lebensversicherungsverträge mit separater Depotverwaltung, um Identitäten zu
verschleiern. Sie verteilte Kreditkarten, auf
die nach verschlüsselten Hinweisen per Telefon, Fax oder E-Mail («Mein Tank ist leer»,
«Können Sie uns etwas Musik herunterladen»)
unversteuertes Vermögen überwiesen wurde.
Warnzeichen wurden missachtet. Im Jahr
2009, als die Grossbank UBS zugeben musste,
Tausenden US-Personen bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben, nahm die BSI immer noch Neukunden mit nicht deklarierten
Vermögen auf. «Damit setzte die Bank sich
und ihre Mitarbeitenden in den USA unverhältnismässig hohen Rechts- und Reputationsrisiken aus», stellte die Finanzmarktaufsicht (Finma) diese Woche fest.
Am Montag folgte die Quittung. Die BSI akzeptierte in den Verhandlungen mit dem USJustizministerium eine Busse von 211 Mio. $.
Sie ist damit die erste Bank aus der «Gruppe 2»
des US-Programms, die den Steuerstreit abschliesst. In die «Gruppe 2» gehören Institute,
die von sich aus eingeräumt hatten, unversteuerte US-Gelder angenommen zu haben.
Bundesrat sieht Handlungsbedarf
Die USA wollen nicht auf das Geld warten: Im
«Non-Prosecution Agreement» ist festgehalten, dass der Betrag innerhalb von sieben Tagen zu bezahlen ist. Er dürfte also schon jetzt
nach Washington überwiesen sein. Doch
letztlich könnte es passieren, dass nicht der
Bankbesitzer, der italienische Versicherer Generali, für die 211 Mio. $ aufkommt, sondern
der Schweizer Steuerzahler. Die BSI wird versuchen, die Busse von der Steuer abzusetzen.
Die Chancen stehen nicht schlecht. Denn
eine klare und schweizweit einheitliche Regelung zur Abzugsfähigkeit von Bankenbussen
211
Mio.$
zahlt die BSI Bank,
um den Steuerstreit
mit den USA beizu­
legen. Das ent­
spricht knapp 8%
der deklarierten
und nicht deklarier­
ten US­Gelder, die
das Tessiner Geld­
haus in der Spitzen­
zeit verwaltet hatte.
existiert bis heute nicht. Im Februar kündigte
Finanzministerin Eveline-Widmer Schlumpf
in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger»
an, dass sich dies ändern werde. «Es ist
schlicht nicht haltbar, eigentliche Bussen von
den Steuern abzuziehen», sagte sie. Der Bundesrat arbeite an einem Gesetzesvorschlag.
Jetzt läuft der Politik allerdings die Zeit davon. In der «Gruppe 2» befinden sich 65 bis 80
Banken. Weitere Abschlüsse stehen bevor. Ein
Anwalt, der für mehrere der betroffenen Institute arbeitet, erwartet bereits in den kommenden beiden Wochen die nächsten Vergleiche. Das liegt auch auch an der Beispielhaftigkeit des BSI-Deals: In harten Verhandlungen
zwischen US-Justizministerium und Bankanwälten ist ein Mustervertrag entstanden,
der nun vielfach zum Einsatz kommen dürfte.
An einigen Stellen enthält er Zugeständnisse
der US-Seite. So ist keine Rede mehr davon,
dass Schweizer Banken nach dem Abschluss
in den USA auch mit Regulatoren oder Steuerbehörden aus Drittstaaten kooperieren müssen. Ausserdem ist die Kooperation nicht
mehr wie zunächst gefordert zeitlich unbegrenzt, sondern grundsätzlich auf vier Jahre
Ein Anwalt, der für
mehrere Banken
arbeitet, erwartet
in den kommenden
beiden Wochen die
nächsten Vergleiche.
Schon im September hatte der Bundesrat die
aktuelle Rechtslage in einer Stellungnahme
umrissen. Die Einschätzung hilft jedoch bei
den «Gruppe 2»-Banken nur begrenzt weiter.
Bussen und «pönale Verwaltungssanktionen»
seien keine geschäftsmässig begründeten
Aufwendungen und daher steuerlich nicht abzugsfähig, schrieb der Bundesrat. Bei gewinnabschöpfenden Sanktionen sei dies anders:
«Diese sind steuerlich abzugsfähig.»
Nach dieser Auslegung ist entscheidend, in
welche der beiden Kategorien Zahlungen der
«Gruppe 2»-Banken einzuordnen sind: Busse
im engeren Sinne oder Gewinnabschöpfung.
Hier besteht unter Juristen keine Einigkeit. In
der Vereinbarung der BSI ist schlicht von einer
«Penalty» die Rede. Die Banken haben jedoch
ein gutes Argument: Sie müssen lediglich ein
«Non-Prosecution Agreement» eingehen. Das
ist eine nach US-Recht schwächere Sanktionierung als ein «Deferred-Prosecution Agreement», wie es die UBS unterzeichnete, und
erst recht kein strafrechtliches Schuldeingeständnis, wie es der Credit Suisse abverlangt
wurde.
Letztlich könnte die Frage der Abzugsfähigkeit das Bundesgericht beschäftigen. Dort gibt
es zu den «Gruppe 2»-Banken noch keinen
Grundsatzentscheid.
Die BSI, die vor dem Verkauf an die brasilianische Finanzgruppe BTG Pactual steht, hält
sich nach aussen mit Prognosen zurück. Auf
die Frage, ob es gelingen werde, die Busse von
der Steuer abzuziehen, sagt eine Sprecherin
der Bank lediglich: «Die Entscheidung wird
auf Bundesebene gefällt.»
Bad Bank
Ex-Chef der Bank Frey will den Finanzplatz aufräumen
Der Steuerstreit mit den USA
löst im Schweizer Bankensektor
tiefgreifende Veränderungen
aus. Der renommierte Finanz­
marktexperte und Rechts­
anwalt Alex Geissbühler rechnet
in den nächsten Monaten mit
einer «Serie von Übernahmen».
«Es ist zu befürchten, dass
einige kleinere Banken aus der
‹Gruppe 2› des US­Programms
aufgrund der anstehenden
Bussen in Schwierigkeiten gera­
ten werden», sagt er. Andere
Geldhäuser leiden unter den
regulatorischen Verschärfun­
gen oder müssen sich aus Com­
pliance­Gründen von bestimm­
ten Kundensegmenten verab­
schieden. Auch sie suchen nach
Käufern.
Oft kommen Fusionen nicht
zustande, weil potenzielle Käu­
ferbanken Bedenken haben,
sich mit Altlasten herumschla­
gen zu müssen. Basierend auf
dieser Erkenntnis hat Geissbüh­
Flavio Battaini
ler mit Partnern eine Geschäfts­
idee entwickelt: Eine Bad Bank,
die eben jene Altlasten über­
nimmt und geordnet liquidiert,
also etwa das US­Geschäft.
Die neue Firma könnte in den
kommenden Monaten viel zu
tun bekommen. Geissbühler
berichtet von Gesprächen mit
mehreren Interessenten.
Chef der Bad Bank wird einer,
der die Aufgabe, ein Geldhaus
aufzulösen, bereits aus eigener,
leidvoller Erfahrung kennt.
Flavio Battaini stand als Inte­
rimschef an der Spitze der
Bank Frey, die mittlerweile ihre
Lizenz abgegeben hat. Dort
sei die Abwicklung beispielhaft
verlaufen, lobt Geissbühler:
«Battaini hat das hervorragend
gemeistert. Damit ist er für die
neue Aufgabe prädestiniert.»
Geissbühler, selbst Präsident
des Verwaltungsrates, wünscht
sich ein Entgegenkommen der
Finanzmarktaufsicht. «Es wäre
auch im Sinne des Regulators,
wenn Banken, die ihre Lizenz
abgeben, professionell abge­
wickelt werden», sagt er. Sonst
übliche Bewilligungsvorausset­
zungen wie eine strikte Einhal­
tung der Eigenmittelvorschrif­
ten oder eine aus mindestens
drei Personen bestehende
Geschäftsleitung seien nicht
zwingend nötig. (smb.)