Informationskompetenz in der Grundschule – Illusion oder

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Autorin:
Datz, Margret.
Titel:
Informationskompetenz in der Grundschule – Illusion oder Notwendigkeit?
Quelle:
Gapski, Harald / Tekster, Thomas (Hrsg.): Informationskompetenz im
Kindes- und Jugendalter. Marl 2012, S. 103-115.
Verlag:
kopaed.
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Die Zahlen in eckigen Klammern kennzeichnen das Seitenende der Originalausgabe.
Margret Datz
Informationskompetenz in der Grundschule – Illusion
oder Notwendigkeit?
In unserer Informationsgesellschaft, in der Medien eine übergroße Rolle spielen, sind
Fähigkeiten im Umgang mit verschiedenen Informationswegen – und Angeboten
in elektronischer Form ebenso wie in Printform – unverzichtbar. Deshalb gehört die
Vermittlung dieser Kompetenzen lt. den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz auch
zum Erziehungsauftrag der Schule. Unsere Aufgabe ist es, das weite Feld der Informationen Schritt für Schritt gemeinsam mit den Kindern zu erobern. Bei dieser Eroberung
können wir auf die verschiedensten Arten von Medien zurückgreifen und Informationskompetenz sozusagen durch Medienkompetenz vermitteln.
1. Was bedeutet Informationskompetenz für Grundschüler?
In der heutigen Zeit ist Informationskompetenz vor allem für die Berufs- und Arbeitswelt die wesentlichste Kompetenz überhaupt. Fragen erkennen, Antworten suchen
und dafür Strategien entwickeln, gefundene Antworten beurteilen und abwägen und
sie schließlich dem Anlass entsprechend aufbereiten und darbieten: das alles muss
man können, um sich in unserer Gesellschaft zurechtzufinden und zu behaupten.
Nicht umsonst sprechen wir von der Informationsgesellschaft, in der die Medien eine
übergroße Rolle spielen. Wir werden überflutet von Zeitungen, Zeitschriften, Büchern,
Broschüren, Radio- und Fernsehsendungen, Kinofilmen, CDs und Internetseiten – und
in diesem Wust von Aussagen „die Wahrheit” zu finden, fällt auch geübten Nutzern
nicht ganz leicht.
Muss man aber mit diesem Überangebot auch schon unsere Kinder konfrontieren?
Oder sollte man sie nicht lieber davon fernhalten, einen Freiraum schaffen, um sie
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nicht zu überfordern, weil sie das alles gar nicht richtig verarbeiten, geschweige denn
verstehen können? Wenn wir ehrlich sind, haben wir keine Wahl, denn wir können
weder sämtliche Medien noch unsere Kinder unter Verschluss halten. Spätestens im
Freizeitbereich werden sie mit unzähligen Angeboten konfrontiert und werden gewiss
scheitern, wenn sie nicht gelernt haben, wie man mit dieser Überfülle an Informationen umgeht. Was wir tun können und müssen, ist, sie vorzubereiten und ihnen mögliche Wege durch den Mediendschungel aufzuzeigen. Selbstverständlich [104] wird
das nur in kleinen Schritten und an kindgerechten Beispielen geschehen können und
schon deshalb weit von Überforderung entfernt sein. Eine wirkliche Überforderung
wäre es jedoch, Kinder nach der Grundschulzeit ohne Vorbereitung in die Medienwelt
zu schicken.
Kinder, die unter Anleitung mit Medien umgehen lernen, wachsen wie selbstverständlich mit diesen Aufgaben auf. Deshalb gehört es zum Erziehungsauftrag der Schule,
die Schülerinnen und Schüler Schritt für Schritt mit Medienkompetenzen zu versehen. Lt. der Beschlüsse der Kultusministerkonferenz über die Bildungsstandards im
Fach Deutsch im Primarbereich sollen sie u. a. „verschiedene Sorten von Sach- und
Gebrauchstexten kennen, [...] Angebote in Zeitungen, Zeitschriften, in Hörfunk und
Fernsehen, auf Ton- und Bildträgern sowie im Netz kennen, nutzen und begründet
auswählen, Informationen in Druck- und – wenn vorhanden – elektronischen Medien
suchen [...]”1. In diesem Zusammenhang wird dort auch im Bereich „Lesen – Mit Texten und Medien umgehen” nicht von bloßer Lesefertigkeit gesprochen, sondern auch
von Leseerfahrungen. Zudem sollen die Kinder lernen, Texte zu erschließen und mit
Hilfe verschiedener Medien zu präsentieren.
2. Informationskompetenz in der Praxis
2.1 Umgang mit Informationen im Unterricht der Grundschule
Was war es doch früher für Lehrer und Schüler einfach. Man hatte Hefte, Bücher und
die Wandtafel. „Schlag auf im Buch Seite ...! Schreib von der Tafel ab.” Auf eine Frage
gab es eine Antwort, die man an einer bestimmten Stelle im Buch fand und auswendig lernen konnte. Einfach, aber wahrscheinlich genauso langweilig und wenig nachhaltig. Bücher gibt es zwar immer noch, aber nicht ausschließlich und der Umgang
mit den verschiedenen Informationsträgern hat sich wesentlich verändert und durch
die neuen Medien ist eine zusätzliche Herausforderung entstanden. Informationen
werden nicht mehr auf dem Tablett serviert, sondern müssen auf verschiedenen Wegen selbst gesucht werden. Damit hat sich auch die Form des Unterrichts wesentlich
verändert.
1 Kultusministerkonferenz (2005): Beschlüsse der Kultusministerkonferenz, Bildungsstandards im
Fach Deutsch für den Primarbereich (Jahrgangsstufe 4), München, S. 14.
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Selbstverständlich überfallen wir die Kinder nicht mit dem schwierigen Auftrag, in
einer Fülle vorhandener Medien nach der Lösung eines bestimmten Problems zu suchen. Zuerst müssen sie lernen, einzelne Texte auf ihren Informationsgehalt hin zu untersuchen. Damit kann man beginnen, sobald sie lesen können. In jedem Text gibt es
wichtige und weniger wichtige Informationen. Am deutlichsten wird das an Sachtexten, die zur Übung am Anfang sehr kurz sein sollten. Die Kinder markieren oder unterstreichen im Text, was ihnen wichtig erscheint und besprechen anschließend [105]
ihre Ergebnisse. Der Umfang der Texte wird nach und nach gesteigert und es werden
konkrete Arbeitsaufträge zum Inhalt gestellt: „Beschreibe den Igel. Was erfährst du
über seine Lebensweise? Was erfährst du über seinen Lebensraum?”
In einem nächsten Schritt erhalten die Schülerinnen und Schüler eine kleine Auswahl
von Medien, in der sie nach bestimmten Informationen suchen sollen. Darunter kann
auch ein Link zu einer Internetseite sein, der zunächst der Einfachheit halber vom
Lehrer unter den Favoriten im Browser gespeichert werden sollte. Wichtig dabei ist,
dass die Ergebnisse zum Schluss besprochen und verglichen werden. Dabei können
die Kinder durchaus Unterschiede feststellen, die das Wissen anbahnen, dass man mit
Informationen sorgfältig umgehen muss und nicht alles ungeprüft übernehmen sollte.
Diese Art von Arbeit setzt selbstverständlich einen Unterricht in freierer Form voraus,
aber wenn Kinder sich selbst lesend, verstehend und vergleichend mit Informationen
befasst haben, ist der Gewinn daraus intensiver und nachhaltiger. Lösungen selbstständig finden ist zwar schwieriger, aber weitaus interessanter und macht mehr Spaß.
Und Spaß an einer Sache haben, hat noch nie geschadet! Schwierig ist diese Vorgehensweise natürlich für Kinder, die noch größere Probleme mit dem Lesen und Verstehen von Texten haben. Dem kann man aber mit Partner- oder Gruppenarbeit entgegensteuern. Dabei muss dann auf heterogene Leseleistung geachtet werden, damit
man sich gegenseitig helfen kann.
Informationen nicht blind zu vertrauen, ist eine wesentliche Eigenschaft, die wir unseren Kindern lehren müssen. Nicht alles, was gesagt, gedruckt oder im Internet veröffentlicht ist, muss stimmen. Ein gesundes Misstrauen ist angebracht; es gilt abzuwägen, zu überprüfen, zu vergleichen. Kinder neigen dazu, kritiklos zu übernehmen, was
Erwachsene (z. B. die Lehrerin / der Lehrer) sagen. Auch hier beginnt die Erziehung
im Kleinen. Ich schreibe und gestalte die meisten Arbeitsblätter, die ich in der Schule
einsetze, selber und bitte dann die Kinder darum, auf eventuelle Fehler zu achten.
Anfangs stoße ich damit bei ihnen auf Unverständnis, denn was der Lehrer schreibt,
muss doch zwangsläufig richtig sein. Ich mache ihnen klar, dass auch ich mich irren
und Fehler machen kann. So sensibilisiert, lesen sie die Texte aufmerksamer und kritischer, vor allem, wenn sie dann ab und zu wirklich einen Fehler finden.
Wenn Kinder gelernt haben, mit Informationen umzugehen, kann die Lehrerin / der
Lehrer den Unterricht im Idealfall gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern gestalten und trotzdem die in den Rahmenplänen geforderten Kriterien erfüllen. Zu einem vorgegebenen Sachthema z. B. fragen wir uns: „Was wollen wir darüber wissen?”
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und notieren die Vorschläge der Kinder. Die nächste Frage lautet: „Wo [105] können
wir suchen?” Dabei kann der Lehrer durchaus Hilfestellung geben und zusätzlich Medien bereitstellen. Die Kinder machen sich dann auf die Suche nach den Antworten,
die sie aufbereiten (Plakat, Wandzeitung) und schließlich präsentieren. Erfahrungsgemäß geben sie sich bei solchen Präsentationen sehr große Mühe und geübte Zuhörer
stellen auch Nachfragen zu den so erhaltenen Informationen.
2.2 Auf dem Weg ins World Wide Web
Aus der modernen Mediengesellschaft ist das Internet mit seiner Überfülle an Informationen, die man in Sekundenschnelle und rund um die Uhr weltweit abrufen kann,
nicht mehr wegzudenken. In den meisten deutschen Haushalten ist mindestens ein
Computer mit Internetanschluss vorhanden. Von den 18 Schülerinnen und Schülern
meiner Klasse der Jahrgangsstufe 3 ist das bei 17 der Fall. Der überwiegende Teil der
Kinder ist also im privaten Bereich den Umgang mit digitalen Medien gewöhnt.
Auch jede Schule in der Bundesrepublik Deutschland kann dank des Vereins „Schulen
ans Netz e. V.” (1996, Initiative des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft,
Forschung und Technologie und der Deutschen Telekom) über einen kostenlosen Internetanschluss verfügen. In diesem Netz gibt es eine ganze Reihe von Angeboten für
Kinder, die nicht nur zum Spielen animieren, sondern auf kurzweilige Art und Weise
Wissen vermitteln. Einige sind sogar speziell für den Einsatz im Unterricht hergestellt.
Viele große Firmen oder Verbände investieren in die Kundschaft von morgen und richten Websites ein, die z. B. im Bereich Gesundheit oder Energie der Schule fantastische
Dienste leisten können.2 Das Gleiche gilt für verschiedene Fernsehsender3, einige Ministerien4 und sogar für den deutschen Bundestags5. Daneben gibt es Stiftungen, die
sich für den kindgerechten Einsatz digitaler Medien im Unterricht stark machen und
vereinzelt auch private Initiativen mit dem gleichen Motiv6. Warum also sollte man
2 Vgl. zum Beispiel E.ON: Kinderwelt der Energie. Online erreichbar unter: https://www.eon.de/de/
eonde/pk/energieUndZukunft/Kinderwelt/index.htm oder das Wasserwirtschaftsamt Ansbach: Ein
Tropfen geht auf Reisen. Online erreichbar unter: http://www.wwa-an.bayern.de/wasserschule/
ein_tropfen_geht_auf_reisen/
3 Vgl. zum Beispiel Bayerischer Rundfunk: BR-Kinderinsel. Online erreichbar unter: http://www.bronline.de/kinder/, den SWR: Das grüne Buch. Online erreichbar unter: http://www.kindernetz.de/
oli/tierlexikon oder das Angebot des ZDF: ZDF tivi - logo! - Wissen! Online erreichbar unter: http://
www.tivi.de/fernsehen/logo/rubrik/00103/index.html
4 Vgl. zum Beispiel die Angebote der folgenden Ministerien: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Online erreichbar unter: http://www.bmu-kids.de/, Ministerium für
Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg Vorpommern. Online erreichbar unter: http://www-mvnet.mvnet.de/inmv/land-mv/troll/natur/ und Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend. Online erreichbar unter: http://www.kinder-ministerium.de/
5 Vgl. die Angebote des Deutschen Bundestages. Online erreichbar unter: https://www.kuppelkucker.de/ und https://www.parlamentsprofi.de/
6 Vgl. zum Beispiel folgende Angebote: Internet-ABC. Online erreichbar unter: http://www.internetabc.de/kinder/, Schulen ans Netz. Online erreichbar unter: http://www.schulen-ans-netz.de/ und
Klicksafe. Online erreichbar unter: http://www.klicksafe.de/
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wirklich gute Internetseiten, die kindgerecht und informativ sind, nicht im Unterricht
einsetzen?
Ein Gegenargument ist oft die Gefahr, in der die Kinder durch Porno-, Gewalt- oder so
genannte Abzock-Seiten geraten können, wenn sie im Internet arbeiten. Diese Gefahr
darf nicht verleugnet werden, denn sie besteht bei unsachgemäßem und unvorbereitetem Umgang mit dem Medium und wir als Erziehungsinstitution tragen eine hohe
Verantwortung und müssen sie vor dieser Gefährdung schützen.
Wenn das Internet im Unterricht benutzt wird, sind deshalb auf jeden Fall vorher mit
den Schülerinnen und Schülern bestimmte Vereinbarungen zu treffen und Sanktionen
festzulegen, falls diese nicht eingehalten werden. Unkontrolliertes Herumklicken im
Netz ist strengstens verboten und Befremdliches muss der Lehrkraft sofort gemeldet
werden. Wer sich nicht an die Vereinbarungen hält, wird für bestimmte [107] Zeit
von der Arbeit ausgeschlossen. Da Kinder sehr gerne mit digitalen Medien arbeiten,
scheuen sie diese Sanktionen und halten sich in der Regel an die Vereinbarungen. Innerhalb von zwölf Jahren musste ich dieses Internetverbot erst zweimal aussprechen.
Beide Male waren die Kinder nicht von Anfang an in der Klasse und diese Art der
Recherche noch nicht gewöhnt.
Richtig eingesetzt können Internetseiten jedoch ganze Schulbücher oder Lexika ersetzen und geben den Kindern die Möglichkeit, sich Informationen auf anschauliche und
interessante Art und Weise anzueignen.
Da Kinder sich im Netz ungewollt „verirren” können, ist es wichtig, sie anfangs gezielt zu bestimmten Inhalten hinzuführen. Die Lehrerin / der Lehrer sucht zu seinen
Arbeitsaufträgen Internetseiten, die die nötigen Informationen bereithalten und
speichert sie unter den Favoriten im Browser ab. Die Kinder klicken dann die entsprechenden Links an, um ihren Auftrag erledigen und Lösungen notieren zu können.
Anschließend können sie bei Bedarf erneut die Favoriten (Microsoft Internet Explorer)
bzw. Lesezeichen (Mozilla Firefox) aufrufen, um weitere Links anzuklicken. Sie machen
auf diese Weise ihre ersten gelenkten Schritte im Internet, sind auf der sicheren Seite
und arbeiten trotzdem mit dem neuen Medium. Die Handhabung ist denkbar einfach
und kann auch von weniger versierten Kindern problemlos durchgeführt werden.
Aber auch hier kann Partner- bzw. Gruppenarbeit bei eventuellen Schwierigkeiten
helfen.
Besser noch lässt es sich aber mit einer so genannten interaktiven Lernumgebung
arbeiten, weil die Inhalte strukturierter dargeboten werden können. Mit Hilfe eines
einfachen HTML-Editors kann man z. B. ein Projekt im Sachunterricht fächerübergreifend anlegen und die Nutzung verschiedener Medien vorsehen: Arbeitsblätter, Internetseiten, zum Thema passende interaktive Quiz- oder Zuordnungsübungen, Lexika,
Schulbücher oder Sachbücher.
Die Kinder nutzen diese Lernumgebung als Plattform, von der aus sie gezielt kindgemäße Webseiten, Filme oder Bilder im Internet ansteuern können ebenso wie andere
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interaktive Übungen, die auf der Festplatte gespeichert sind. Zudem können [108]
dort auch weitere Anweisungen zur Nutzung des Angebots hinterlegt werden. Als
Druckversion erhalten die Schülerinnen und Schüler eine Übersicht über die zu erledigenden Aufgaben (Pflichtaufgaben / Wahlaufgaben), so dass sie und auch die Lehrkraft jederzeit Einsicht in den Stand der Arbeit haben.
Der große Vorteil dieses strukturierten Medienangebots ist, dass die Kinder sehr
selbstständig arbeiten und, nach Absprache mit der Partnerin / dem Partner, frei
entscheiden können, welche Aufgabe sie gerade erledigen möchten. Sie lernen mit
verschiedenen Medien umzugehen und sehen, dass es viele Wege gibt, sich Informationen zu beschaffen.
2.3 Das World Wide Web als Trainer der Informationskompetenz
Bei den eben vorgestellten Maßnahmen arbeiten die Kinder zwar mit einem vielseitigen Medienangebot, aus dem sie die richtigen Informationen entnehmen müssen.
Das ist aber eigentlich nur der erste Schritt auf dem Weg zur Informationskompetenz,
denn diese Materialien sind ja vorgegeben.
Unser Ziel ist jedoch, bei den uns anvertrauten Kindern das Verständnis anzubahnen,
dass man mit Informationen sorgfältig umgehen, sie abwägen und vergleichen muss,
[109] bevor man sie übernimmt. Informationen können vom Informator zu seinen
Gunsten „gefärbt sein”, also ist es auch wichtig, den Urheber zu kennen.
Im World Wide Web gibt es jedoch eine Reihe von Angeboten, die uns bei dieser Aufgabe unterstützen.
2.3.1 Tech Pi und das Inforadar
Dazu gehört die Episode „Das Inforadar” aus der Lernumgebung Tech Pi und Mali Bu7,
die im Rahmen des Projekts„ Naturwissenschaften entdecken” im Auftrag von Schulen
ans Netz e.V. und dem Ministerium für Bildung und Forschung entwickelt wurde. Die
Lernumgebung macht sich die Vorteile des narrativen Lernens zu Nutze. Der Außerirdische Tech Pi, den seine Neugier auf die Erde verschlagen hat, und sein irdischer
Freund, der Schmetterling Mali Bu, bestehen gemeinsam Abenteuer und werden mit
Problemen konfrontiert, die es zu lösen gilt. Die Geschichte „Das Inforadar” regt dazu
an, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Es wird deutlich, dass
die richtige Auswahl nötig ist, um brauchbare und unbrauchbare Aussagen zu einem
bestimmten Thema zu unterscheiden.
Autoren sind kluge Menschen, Redakteure der Zeitungen recherchieren gründlich und
schreiben die Wahrheit, Informationen aus dem Internet kann ich vertrauen! Diese
landläufigen Meinungen gilt es zu hinterfragen und richtigzustellen.
7 Tech Pi und Mali Bu. Web 2.0 in der Grundschule. Online erreichbar unter: http://techpi-und-malibu.de/ Vgl. dazu auch die Unterrichtseinheit Lernen mit Tech Pi: Informationskompetenz. Online
erreichbar unter: http://www.lehrer-online.de/techpi-inforadar.php
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In der Geschichte treffen Tech Pi und Mali Bu an einem heißen Sommertag in einem
Schwimmbad eine Gruppe von Kindern, die über die Nutzung von Sonnenschutzmitteln diskutieren und sich nicht einigen können, wer Recht hat. Tech Pi schlägt vor, ein
Info-Radar zu bauen, das verschiedene Informationen auf ihre Richtigkeit testen kann.
Der Bau der Maschine schlägt fehl und die Kinder müssen sich selbst Möglichkeiten
überlegen, wie sie an die besten Auskünfte kommen. Sie recherchieren im Internet,
gehen in die Stadtbibliothek, kaufen eine Sportzeitschrift und machen eine Befragung
unter den Besuchern. Sie erhalten diverse Informationen, die sich unterscheiden und
stellen zudem fest, dass sie nicht alles verstehen und auch nicht alles zu ihrem Thema
passt. [110]
Genau das ist der Punkt, an dem unsere Arbeit einsetzt: Wir müssen unseren Kindern
bestimmte Kriterien an die Hand geben, die ihnen die Auswahl erleichtern. Wichtig
sind dabei vor allem folgende Gesichtspunkte: Wer hat die Information herausgegeben, welchem Zweck dient sie und kann ich sie überhaupt verstehen.
Der Urheber eines Textes über Sonnenbrand, um den es in dieser „rech Pi”-Geschichte geht, kann ein Arzt sein, der in verständlichen Worten seine Patienten vor den Auswirkungen der Sonne warnt. Es kann aber auch ein frustrierter Urlauber sein, der sich
im Internet seinen Schmerz von der Seele redet oder ein uneinsichtiger „Sonnenanbeter”, der jegliche Warnungen in den Wind schlägt. Der Zweck eines Textes wird besonders deutlich, wenn man Aussagen in der Werbung mit den Aussagen unabhängiger
Testberichte vergleicht. Der Werbetext will zum Kauf animieren und wird nur Positives
herausstellen, während Testberichte über das gleiche Produkt oft etwas ganz anderes
zutage bringen. Schließlich trägt die beste wissenschaftliche Abhandlung nicht zur
Wissensvermittlung bei, wenn sie mit unverständlichen Fremdwörtern gespickt ist.
Es fällt den Kindern leicht, sich mit den Protagonisten zu identifizieren und deshalb
auch die geschilderten Probleme nachzuempfinden. Durch Tech Pi und seine Freunde,
die zum Schluss über die Ergebnisse ihrer Recherche diskutieren, wird deutlich, dass
nicht nur der Inhalt von Informationen geprüft werden muss, sondern auch die Quelle.
Die Plattform bietet aber nicht nur eine interessante Geschichte und die Lösung der
Probleme, sondern auch die Möglichkeit der vertiefenden Übung einzelner Aspekte.
An bestimmten Stellen, die unter der Zeitleiste durch Punkte markiert sind, sind Aufgaben eingebaut. An diesen Stellen öffnet sich automatisch ein Fenster. Es enthält die
Aufgabenstellung und ein Arbeitsblatt als PDF. Die Geschichte kann jetzt angehalten
werden, um diese Aufgaben zu lösen. Danach kann sie dort fortgesetzt werden.
In unserem Fall erfährt man durch diese intensivere Übungsmöglichkeit, dass man
bei Zeitschriften als Informationsquelle am besten die zum Thema passende Fachzeitschrift wählt und dass man Fachleute mit bestimmten Spezialgebieten befragt.
In einer weiteren Aufgabe wird der Unterschied zwischen Werbung und Testbericht
deutlich und schließlich recherchieren die Kinder in verschiedenen Suchmaschinen
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und erfahren, dass die Auswahl der Informationen schwieriger wird, je umfangreicher
die Ergebnisliste ist. Im Internet müssen sie auch zwei verschiedene Texte zum gleichen Thema lesen und beurteilen, welcher für sie verständlicher ist.
Alles in allem bekommen sie hier nicht nur einen guten Einblick in die Problematik,
sondern nutzen bei der Arbeit auch die verschiedensten Medien: Internetrecherche,
[111] Hören einer vertonten und illustrierten Geschichte zu einem bestimmten Thema, Schreiben auf Arbeitsblättern und Hinterlegen von eigenen Notizen auf der Lernplattform. Informationskompetenz wird sozusagen geschult durch Medienkompetenz.
2.3.2 Das Internet-ABC: Wissen, wie’s geht
Der Verein „Internet-ABC e.V.” mit Sitz in Düsseldorf hat sich auf die Fahne geschrieben, ein werbefreies Portal für Kinder einzurichten, wo sie sich sicher aufhalten, Wissen aneignen, spielen und miteinander kommunizieren können. Die Rubrik „Wissen,
wie’s geht”8 befasst sich dabei speziell mit dem Internet, zeigt den Kindern, wie es
funktioniert und welche Gefahren dort lauern. Wer weiß, wie es geht, macht weniger
Fehler!
Das Angebot richtet sich an Schule und Freizeit: Es gibt ein Lehrerhandbuch mit umfangreichen Unterrichtsmaterialien und einer CD9. Für Eltern gibt es ein Elternportal,
in dem die Inhalte kommentiert und mit Tipps versehen sind.
Die Rubrik ist in vier Bereiche unterteilt: 1. Surfen & Internet – So funktioniert das
Internet, 2. Achtung! Die Gefahren – Darauf solltest du achten! 3. Lesen, Hören, [112]
Sehen – Medien im Internet, 4. Mitreden und Mitmachen – Selbst aktiv werden. Die
Kinder lernen die Fachsprache kennen, erfahren, wie sie ins Netz kommen und welche Technik dazu benötigt wird. Sie erhalten einen Überblick über die bekanntesten
Browser und wie sie funktionieren. Sie lernen, wie man mit Suchmaschinen umgeht
und werden auf das Urheberrecht aufmerksam gemacht. Sie machen Bekanntschaft
mit Gefahren, die im Netz lauern und mit Möglichkeiten, sich davor zu schützen.
Dabei geht es nicht nur um Gefahren für Leib und Leben (Missbrauch), sondern auch
um Viren und verlockende Werbung. Sie lernen, wie man E-Mails schreibt, an Chats
teilnimmt und welchen Spaß, aber auch Ärger soziale Netzwerke einbringen können.
Kurz gesagt: Sie werden befähigt, sich des Netzes mit all seinen Möglichkeiten trotz
der Gefahren zu bedienen.
Ausgehend von einem informativen Text werden Übungen angeboten, die das Gelesene anwenden und vertiefen. Dabei macht man sich die Vorliebe der Kinder zum Raten, Spielen und Suchen zu Nutze: Suchrätsel, Lückentexte, Zuordnungsübungen und
8 Internet-ABC: Wissen, wie’s geht. Online erreichbar unter: http://www.internet-abc.de/kinder/
wwg.php
9 Internet-ABC (Hrsg.) (2012): Wissen, wie’s geht! Mit Spaß und Sicherheit ins Internet. Handbuch
des Internet-ABC e.V. für Lehrerinnen und Lehrer mit Arbeitsblättern und didaktischen Hinweisen
für den Unterricht (2.-6. Schuljahr), Düsseldorf. Online erreichbar unter: http://www.internet-abc.
de/eltern/cdrom-unterrichtsmaterialien.php
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Kreuzworträtsel regen dazu an, sich intensiv mit den Informationen aus den Texten
zu befassen. Kleine Filme und Konzentrationsspiele zum jeweiligen Thema runden die
Arbeit ab. Da manche Texte recht umfangreich sind und Kinder, deren Lesefertigkeit
noch etwas zu wünschen übrig lässt, vielleicht abschrecken würden, gibt es die Möglichkeit, sie auch anzuhören.
Für den Unterricht hat sich bewährt, auch die Materialien in gedruckter Form zu
nutzen, Texte und Aufgaben sind mit der Online-Version identisch. So können in Klassen mit nur wenigen Computern Engpässe vermieden werden. Außerdem haben die
Kinder auf der Papierversion die Möglichkeit, Texte zu bearbeiten, wichtige Informationen zu markieren oder sich Notizen zu machen.
2.3.3 Suchmaschinen
Informationen im Internet zu finden, ist dank diverser Suchmaschinen kein Problem.
Selbst Grundschulkinder kennen den Begriff „googeln” und meinen damit auch „im
Internet suchen”. Zweifelhaft ist allerdings, ob sich Google und Co. für Kinder eignen.
Meine dritte Klasse bekam für einen Zoobesuch von mir die Aufgabe, vorab wissenswerte Informationen über Löwen zu finden. „Dann googeln wir eben!”, schlugen sie
wie selbstverständlich vor. Sie stellten aber entsetzt fest, dass über fünf Millionen
Ergebnisse ausgeworfen wurden, die zum großen Teil viel zu schwierig waren und
sich auch nicht alle nur auf die Tiere bezogen. Damit waren sie natürlich vollkommen
überfordert und verloren sogar die Lust an der Aufgabe, die sie mit so viel Elan begonnen hatten. Erst als ich ihnen als Alternative drei Kindersuchmaschinen (Blinde
[113] Kuh, Helles Köpfchen und fragFINN) anbot, kehrte der Eifer zurück. Nach einigen
Schwierigkeiten, die sie miteinander besprachen und lösen konnten, präsentierten sie
schließlich stolz ganz passable Ergebnisse zu ihrem Thema.
Frustriert stellte das eine oder andere Kind zunächst fest, dass es auf seine Suche
die Antwort erhielt: „Ich habe leider nichts gefunden.” Ein Blick zum Nachbarn zeigte
aber, dass dieser Resultate aufweisen konnte. Ein Austausch ergab, dass die Rechtschreibung falsch war und die Suchmaschine nach der Berichtigung exakt arbeitete.
Ein weiteres Problem war die genaue Formulierung des Suchbegriffes. Es fiel den
Kindern schwer, ihre Wünsche zu strukturieren und Unterbegriffe zu finden, aber auch
dabei konnten sie sich gegenseitig helfen.
Auch bei Kindersuchmaschinen muss aus einer Ergebnisliste ausgewählt werden.
Zuerst klickten sie einen Beitrag nach dem anderen an, um ihn zu lesen, was natürlich
viel Zeit in Anspruch nahm. Dann entdeckte ein Junge, dass ein Blick auf den kurzen
Einführungstext unter jedem Link schon eine grobe Auswahl ermöglicht und sich so
Zeit sparen lässt. [114] Folgendes hielten wir für die weitere Arbeit fest: Suchmaschinen für Erwachsene eignen sich nicht für uns, weil zu viele Seiten angezeigt werden,
von denen wir eine ganze Reihe gar nicht verstehen. Je genauer wir unsere Wünsche
in die Kindersuchmaschine eingeben, desto besser ist das Resultat. Die Suchmaschine
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kann nur Begriffe finden, die sie kennt. Wenn wir Wörter falsch schreiben, bekommen
wir kein Ergebnis. Der Einführungstext unter dem Link gibt uns einen kurzen Einblick
in den Inhalt. Mit diesen Erkenntnissen ist ihre Informationskompetenz ein ganzes
Stück gewachsen.
3. Fazit
Wir müssen uns, wie alle Generationen vor uns auch, den Gegebenheiten und Anforderungen der Gesellschaft stellen. Es nutzt nichts, die Augen zu verschließen oder die
Informationsflut zu verfluchen. Wenn wir unsere Kinder nicht anleiten, mit dem Internet umzugehen, werden sie sich ohne Frage darin verirren und als Jugendliche und
Erwachsene große Schwierigkeiten haben. Einen Schulneuling schicken wir nicht ohne
Übung in den teilweise lebensgefährlichen Straßenverkehr, bringen das Kind aber
auch nicht bis zum Ende der Grundschulzeit vor die Schultür. Wir gehen zunächst die
Wege gemeinsam mit ihm, zeigen ihm die Gefahren und leiten es Schritt für Schritt
zur Selbstständigkeit. Ein Kind, das um die Gefahren weiß, kann sie erkennen und sich
vorsehen – egal in welcher Lebenssituation.
Selbstverständlich können wir in der Grundschule keine mit allen Wassern gewaschenen Informationsexperten hervorbringen, aber wir können – und müssen – Verständnis anbahnen für die Chancen und Möglichkeiten, die uns die vielfältigen Medien
bieten, aber auch für die Gefahren, die in ihnen stecken. Insofern ist Informationskompetenz in der Grundschule keine Illusion, sondern eine Notwendigkeit.
Hinweis
Sämtliche erwähnten Webinhalte und Programme wurden von der Autorin erprobt in
der Grundschule Jungeroth, 53567 Kölsch-Büllesbach.
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