Strafprozess

H. Fuchs, Pflichtübung aus Straf- und Strafprozessrecht, SS 2015, Fälle zum Strafprozess
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Fragen und Fälle zum Strafprozess
1.
Wie beginnt ein Strafverfahren, wie endet es? Welche rechtliche Bedeutung haben Beginn und Ende?
2.
Wie erfährt der Staatsanwalt / das Gericht (welches?) von einem Strafverfahren?
3.
Bei wem kann man sich über die Polizei beschweren?
4.
Gegen A läuft ein Strafverfahren. Er kann die Tat aber gar nicht begangen haben, weil er zur angegebenen
Zeit woanders war. Das könnte X bezeugen. Wie kann A erreichen, dass X angehört wird?
5.
A hat ihren Cousin angezeigt, weil er sie bestohlen hat.
− Bald darauf möchte sie ihre Anzeige zurückziehen – kann sie das?
− Das Verfahren wird eingestellt (warum?). Kann A dagegen etwas unternehmen?
6.
A ist mit einer Schreckschusspistole in eine Trafik gestürmt und hat von der Trafikantin X „Geld oder Leben“ verlangt. X hat sich aber nicht einschüchtern lassen, sondern den X angebrüllt, er solle verschwinden.
Eingeschüchtert hat A das auch getan, wurde aber von Passanten verfolgt und nach 10 Minuten von Polizisten gestellt.
− Dürfen die Polizisten A festnehmen?
− Wenn er festgenommen wird: Wie lange bleibt er in Haft?
− Was kann der Verteidiger unternehmen, damit A aus der Haft herauskommt?
− Wenn A vernommen werden soll: Kann er sich zuvor mit seinem Verteidiger besprechen? Kann der
Verteidiger bei der Vernehmung dabei sein?
7.
Bei A wird Suchtgift gefunden. Kann man es ihm wegnehmen?
8.
Wie geht der Staatsanwalt nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens vor?
9.
A wird beschuldigt, er habe seiner Großmutter gegen ihren Willen 100 Euro aus ihrer Handtasche genommen und dabei Gewalt anwendet, indem er ihr einen Stoß versetzt habe. Es wird Anklage erhoben. Kann A
etwas dagegen tun?
10. Der Zeuge X hat im Vorverfahren den Angeklagten A belastet. X ist auch zur Hauptverhandlung geladen,
− kommt aber nicht.
− kommt zwar, weigert sich aber, noch einmal auszusagen.
Kann das Gericht die Vernehmung aus dem Vorverfahren verwenden (wie?) und sein Urteil darauf stützen?
11. Das (mutmaßliche) Opfer (eines Sexualdelikt / eines Raubes) will in der HV nicht aussagen, jedenfalls
nicht in Gegenwart des Angeklagten. Kann / muss man diese (verständlichen) Wünsche erfüllen? Welche
Probleme ergeben sich, wenn man auf die Aussage des Opfer-Zeugen verzichtet?
12. A ist angeklagt, weil er 10.000 Euro veruntreut haben soll. Er kommt nicht zur Hauptverhandlung. Wie hat
das Gericht vorzugehen?
13. Im Vorverfahren hat der Beschuldigte vor der Polizei gestanden, in der Hauptverhandlung bestreitet er die
Tat: Kann die Aussage vor der Polizei in die Hauptverhandlung eingebracht werden?
Der Beschuldigte behauptet, von der Polizei geschlagen wurden zu sein: Kann man seine Aussage (trotzdem) in die Hauptverhandlung einbringen? Was ist zu tun?
14. A ist wegen Diebstahls von Schmuck im Wert von 10.000 Euro angeklagt. In der Hauptverhandlung stellt
sich heraus
− dass der Ring eine (gute) Imitation und nur 1.000 Euro wert ist;
− dass der Ring 60.000 Euro wert ist;
− dass A den Ring nicht weggenommen hat, sondern dass er ihm vom Eigentümer zur Verwahrung
übergeben worden war und A den Ring dann für sich behalten hat;
− dass der Bestohlene der Bruder des A ist.
Was hat jeweils zu geschehen?
15. Was ist der Grundsatz der freien Beweiswürdigung? Wie verhindert das Gesetz, dass die freie Beweiswürdigung zur Willkür wird?
16. Ist das Rechtsmittelgericht an die geltend gemachten Rechtsmittelgründe gebunden? Oder kann / muss es
auch von amtswegen eingreifen?
17. Jemand ist rechtskräftig verurteilt worden: Kann er jetzt noch etwas gegen seine Verurteilung unternehmen? In welchen Fällen, unter welchen Voraussetzungen?
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18. A wird wegen Diebstahls von Schmuck im Wert von 200.000 Euro schuldig gesprochen und zu
18 Monaten teilbedingter Freiheitsstrafe verurteilt. A bringt gegen das Urteil vor:
− „Ich habe den Ring nicht gestohlen, ich habe von der Sache keine Ahnung. Das Gericht hat den falschen Zeugen geglaubt.“
− „Zugegeben, ich habe den Ring gestohlen. Aber der Ring ist höchstens ein Drittel wert, wahrscheinlich noch weniger.“
Welches Rechtsmittel kann A erheben, welche Rechtsmittelgründe kann er geltend machen?
19. A wird beschuldigt, er habe einer Frau, die gerade wegen eines Kreislaufkollapses ohnmächtig gewesen sei,
aus der Handtasche 500 Euro weggenommen. Obwohl er die Tat leugnet, wird A vor dem Bezirksgericht
nach § 127 StGB angeklagt und anklagegemäß zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die das
Gericht gem. § 43 StGB bedingt nachsieht. A erhebt dagegen Berufung, weil er die Tat nicht begangen habe, sondern eine Personenverwechslung vorliege. Das Rechtsmittelgericht verwirft die Berufung, ändert das
Urteil jedoch zu A‘s Überraschung dahin ab, das es statt der bedingten Freiheitsstrafe eine unbedingte
Geldstrafe von 180 Tagessätzen festsetzt.
− Welchen Berufungsgrund hat E geltend gemacht (gesetzliche Grundlage!)?
− Ist die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtig?
− A möchte sich mit dieser Entscheidung nicht zufrieden geben. Was kann er unternehmen?
20. A kauft von B in der Vorstellung, dass es sich um Kokain handelt, ein weißes Pulver und versucht, es weiterzuverkaufen. Die Sache fliegt jedoch auf, das Pulver wird beschlagnahmt und A wird in Haft genommen.
Die Laboruntersuchung ergibt jedoch, dass das Pulver in Wahrheit Milchzucker ist. Dennoch wird A angeklagt und wegen versuchten Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1, Abs 2 Z 1 (weil er schon einschlägig vorbestraft ist) SMG verurteilt. Nachträglich, und zwar
a) innerhalb der Rechtsmittelfrist
b) nach Rechtskraft des Urteils
erfährt A von einem Mithäftling, dass diese Verurteilung zu Unrecht erfolgt sein soll.
− Was kann A unternehmen?
− Wenn A recht bekommt: Hat das Auswirkungen auf die Verurteilung des B?
21. A ist angeklagt, er habe aus einem fremden Hotelzimmer
a) eine Geldtasche mit 500 Euro
b) eine Geldtasche mit 5.000 Euro
gestohlen. In der Hauptverhandlung stellt sich heraus, dass die Zimmertür verschlossen war und A den
Schlüssel, mit dem er sie aufgesperrt hat, in einem unbewachten Augenblick an der Rezeption weggenommen und später unbemerkt wieder zurückgehängt hat. – Was hat in der Hauptverhandlung zu geschehen?
22. A hat eine teure Auslagenscheibe eingeschlagen und ist dafür nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Nach Rechtskraft des Urteils erzählt A im Freundeskreis, dass er offenbar noch
Glück gehabt hat: Eigentlich hätte er vorgehabt, aus der Auslage Sachen zu stehlen, doch sei davon in der
Verhandlung glücklicherweise nicht die Rede gewesen.
− Angenommen der Staatsanwalt erfährt das: Kann das für A Nachteile haben?
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