Rede 1. Mai 2015 Osnabrück Moin, Kolleginnen und Kollegen. Ich freue mich aufrichtig, zusammen mit euch zur 125. Jährung den 1. Mai als unserem Tag der gemeinsamen Interessen, dem Tag der Würdigung arbeitender, tätiger Menschen zu begehen. Ja, beim Tag der Arbeit geht es um die Würde der Menschen und um die Interessen der Menschen. Zu lange fehlte der Respekt vor der Arbeit und erst jetzt, mit dem Mindestlohn, haben wir da wieder einen Anfang geschafft. Aber uns geht es nun einmal um mehr. Uns Gewerkschafter eint das Interesse, dass die Menschen von ihrer Arbeitskraft auch leben können und weder jungendlich noch im Alter von Armut bedroht werden. Das macht den Tag der Arbeit aus. Seit 125 Jahren. Am 1. Mai vor 125 Jahren ging es um den 8-Stunden-Tag. Oder wie unsere Gegner damals meinten: den Untergang des Abendlandes. Heute lautet unser Motto zum 1. Mai: Die Arbeit der Zukunft gestalten wir! Natürlich tun wir es. Wer den sonst? Schließlich ist auch das Jahr 2015 ein Datum in der langen Reihe der sozialpolitischen Errungenschaften, die Gewerkschaften inzwischen erstritten haben. So wurde 2015 in Deutschland der Mindestlohn eingeführt. Von der Arbeitszeit über die Lohnfortzahlung bei Krankheit oder den Mutterschutz und immer wieder bessere Löhne und Gehälter haben wir unabhängigen, freien, Gewerkschaften eine lange Spur sozialpolitischer Verantwortung hinterlassen. Daran werden wir gemessen und deswegen haben wir im DGB, dem Bund der Gewerkschaften einer heranwachsenden Generation unsere gesellschaftliche Bedeutung vermittelt. 1 Seit 125 Jahren nun machen wir am 1. Mai deutlich, worum es uns geht. Ich will daran erinnern, was das damals bedeutete. Das Deutsche Reich herrschte mit den Sozialistengesetzen und verfolgte die Arbeiterbewegung. Trotz allem versammelten sich die Arbeiterfamilien und forderten den 8-Stunden-Tag. Und wer sich damals zusammen tat. Arbeiter aus Preußen, Bayern oder Polen, aus Wüttenberg, Lettland, Sachsen sogar Hannover, monarchischen Staaten und Gebilde, aus denen mit patriotischem Vokabular gegen die Anderen gehetzt wurde. Und gegen die Arbeiterbewegung, über alle Grenzen ausgebeutet wurde. Machen wir uns nichts vor: schon damals war dieser unsägliche Patriotismus und Instrument der Herrschenden und Rassismus dazu da, uns zu spalten. Wenn wir zulassen, wie in diesem Land mit Flüchtlingen, Fremden umgegangen wird, dann können wir nur verlieren. Verlieren an Würde und an der Menschlichkeit, die für jeden in diesem Land und in Europa gelten muss. Wir Gewerkschaften stehen für ein soziales Europa – und haben nichts zu verschenken. Weder unsere Ansprüche an ein soziales Europa, noch an Menschenwürde. Denn die ist nicht teilbar, ob nun bei der Gestaltung von Arbeit für die Zukunft, noch im Lebensrecht der Flüchtlinge. Sie sind uns willkommen und sollen dazu gehören. Das ist unsere Tradition bereits vor 125 Jahren! Kolleginnen und Kollegen, heute geht es auch um Viel: die Zukunft der Arbeit, die wir gestalten wollen. Einer unserer ersten Beiträge ist die „Gute Arbeit“ und die Forderung nach Anerkennung dieser Leistung. Leistung, die ohne Unterschied Frauen und Männer erbringen. Warum ist die Bezahlung nicht gleich? Warum ertragen wir die Spaltung? Das tun wir nicht – wir bekämpfen sie! Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das ist unser Kampf gegen Ausgrenzung und Unterdrückung. Ob gegen Frauen oder bei Leiharbeit. 2 Uns spalten zu lassen schwächt uns. Also, Kolleginnen und Kollegen, ist unsere Forderung auch unsere Solidaritätserklärung und Teil unserer täglichen Aufgaben für bessere Arbeit! Eine weitere Forderung ist, den Wandel der Arbeit so zu gestalten, gesund ein angemessenes Rentenalter zu erreichen und wie vorher vom Lohn nachher auch von der Rente leben zu können. Armut ist ein Produkt des kapitalistischen Systems und weder gottgewollt noch akzeptabel. Da gibt es Menschen, angeführt von den Ideologen der Bertelsmann- Stiftung, die diese Realität verbiegen und tatsächlich meinen, Armut würde durch Bildung bekämpft und deshalb seien die Kindergärten Instrument der Armutsbekämpfung. Was für ein Unsinn. Der Kapitalismus schafft die Ungleichheit und unser Bildungssystem selektiert in Oben und Unten. Das ist Grundbildung! Und wo wir gerade dabei sind: Der Streik im Sozial- und Erziehungsdienst macht sehr deutlich, wie wenig die Arbeit dort wert geschätzt wird. Wenn wir uns ansehen, wo der Staat in Deutschland eigentlich zu wenig macht, wofür mehr Geld ausgegeben werden müsste, dann geht es dabei nicht nur um Investitionen in Beton, es geht in ganz hohem Maße auch um Personal. Wir brauchen mehr Personal in wichtigen sozialen Bereichen, in Kitas, in der Jugendhilfe, in der Altenpflege, in Krankenhäusern, in anderen sozialen Diensten. Und dieses Personal muss endlich angemessen bezahlt werden. Selbst in der eigenen schön geredeten Weltsicht können sie nicht glaubwürdig bleiben … diejenigen die „Gute Arbeit“ billig halten wollen. Ihr merkt schon – hier wäre vieles anzusprechen. Wer kennt ihn nicht, den geilen Geiz, der alle billig macht. Auch die Arbeitskraft. Meist einher gehend mit unzumutbaren Bedingungen, denen wir uns gleichgültig zeigen sollen. Und doch scheint damit längst nicht die Spitze des Eisberges erklommen, an dessen unteren Ende jedes Mühen umsonst ist. Abrutschen als Konzept spricht aus vielem, was diese Bundesregierung angeht. 3 Eines deren Projekte wird uns besonders hart treffen, wenn wir nicht genug Gegenwind erzeugt bekommen. TTIP! Billige Produkte, billige Arbeit, garantierte Gewinne – das grob skizzierte Bild von TTIP verspricht vor allem eines: satte Gewinne für die Fonds, die Heuschrecken, die bereits überall plündernd am Werk sind. Derzeit aufgefallen im Gesundheitswesen, wie es der AMEOS-Belegschaft auffiel oder bei WMF, einmal eine gute, heimische Marke. TTIP greift tatsächlich in alle Bereiche ein. Nachhaltig und dann kaum mehr regulierbar. Was jetzt schon schwer durchschaubar ist, wird dann außerhalb der demokratischen Kontrolle stattfinden. Den Preis zahlen wir alle. Wie uns jede diese ach so segensreich gepriesenen Privatisierungen viel kostet. Dabei wollen wir es anders herum. Demokratisierung nämlich! Also: Auf geht, TTIP ausbremsen, verhindern. Demokratie geht anders und das ist nun einmal das, was wirklich zählt. Das ist, worauf ich heute hinaus will! 125 Jahre kommen Gewerkschaften am 1. Mai zusammen für die Interessen der Menschen, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um für sich und die Ihren überhaupt Lebensbedingungen zu schaffen. Seit über 125 Jahren stehen Gewerkschaften für die solidarische Gesellschaft. Und noch länger streitet die Arbeiterbewegung für ihre Rechte, für alles das, was sich hinter dem Wörtchen „Demokratie“ verbirgt. Darum geht es mir heute ganz besonders. Demokratie fängt dort an, wo wir zusammen stehen. Deswegen sage ich hier ganz deutlich: Hände weg vom Streikrecht! Ich weiß sehr wohl, dass hier Uneinigkeit besteht, welche Strategien wir verfolgen wollen. Auch wir Gewerkschaften streiten uns um die besseren Bedingungen für die Kolleginnen und Kollegen, für unsere Mitglieder. Aber eins ist sicher: So lange den Unternehmern und Managern beliebig gestellt bleibt, 4 Auszulagern zu umgehen, sich aus Tarifverträgen zu stehlen oder durch Hintertüren wie zuerst Leiharbeit und jetzt Werkvertrag die Löhne und Gehälter zu drücken, ist die politische Entscheidung eine andere: Es ist politisch eine qualifizierte Regelung nötig. Vor der aber drücken sich die Verantwortlichen und wir werden vorgeführt. Lasst uns die Frage klären, wie viel Verpflichtung die Arbeitgeberseite hat, die Tarifautonomie auch zu betreiben. Dann können wir klären, wer wo zuständig ist – wie wir das Beste für unsere Mitglieder und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schaffen! Deshalb meine Grundhaltung: Hände weg vom Streikrecht! Wisst ihr, was mich umtreibt? Acht Wochen mussten die Kolleginnen und Kollegen bei AMEOS Osnabrück streiken, um Tarifverhandlungen zu erzwingen. Die Beschäftigten der Krankenhäuser werden genötigt, sich am Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu beteiligen. Gleichzeitig werden mit dem Gesundheitswesen riesige Gewinne realisiert und überall liegt die Versorgung im Argen. Bis hin zur ärztlichen Grundversorgung oder der durch Hebammen. Und wenn ich an die Kolleginnen und Kollegen aus den Pflegeberufen denke, ist es schwer, noch sachlich und zielführend zu argumentieren. Weil uns zu viele Manager und Strategen gegenüber sitzen, denen die Menschen einfach egal sind. Leute mit Macht und Einfluss, sehr viel Geld und zu oft ohne Skrupel. Wir haben uns und unsere Bereitschaft, für unsere Interessen gemeinsam einzutreten. Deswegen KollegInnen erinnere ich an den Streik bei AMEOS. Ohne die solidarische Unterstützung, die vielen aktiven Beiträge aus den verschiedensten Betrieben sind solche Kämpfe nicht durchzuhalten. Der gemeinsame Druck in der Öffentlichkeit – das ist unsere Stärke! Deswegen Kolleginnen und Kollegen – erinnere ich der 125 zurückliegenden Maiveranstaltungen: Nicht vergessen, worin unsere Stärke besteht! 5
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