Veranstaltungsbericht

Kooperation zwischen ÖPNV
und Carsharing-Anbietern:
Sinnvoll oder nicht?
7. ÖPNV Innovationskongress, 09.-11. März 2015
Bericht, 19. Mai 2015
Traffic & Tourism
1.
Carsharing Thema auf dem ÖPVN Innovationskongress
Carsharing feiert in diesem Jahr 25. Geburtstag – bereits Mitte 1988 gab es das erste
Carsharing-Angebot in Berlin. Seitdem wurde dieses stetig ausgebaut und
ausdifferenziert. Mittlerweile gibt es drei verschiedene Arten von Carsharing: Stationen
basiertes, Free-floating und Peer-to-Peer Carsharing. In fast jeder Großstadt gibt es
mittlerweile mindestens eines dieser Angebote. Die Anbieter kommen zum Teil direkt
aus der Automobilbranche, wie beispielsweise DriveNow (BMW) oder car2go (Audi).
Aber auch ÖPNV-Dienstleister bieten mittlerweile eigene Carsharing-Systeme an, wie
etwa Flinkster (Deutsche Bahn). Nach Angaben des Bundesverbandes Carsharing (BSC)
gibt es in Deutschland schätzungsweise mehr als eine Million Carsharing-Kunden
(Stand: September 2014); Tendenz steigend.
Kooperation zwischen ÖPNV und Carsharing-Anbietern: Sinnvoll oder nicht?
Auch auf dem ÖPNV-Innovationskongress in Freiburg, der Anfang März 2015 stattfand,
war Carsharing ein wichtiges Thema: Viele ÖPNV-Betreiber und Verbünde überlegen,
mit einem Carsharing-Anbieter in ihrer Stadt zu kooperieren oder gar ein eigenes
Carsharing-System zu implementieren. Unsicherheit besteht jedoch darin, ob ein
Carsharing-System dem ÖPNV nützt oder gar schadet. Die Befürchtung: Fahrgäste
könnten durch Carsharing verloren gehen.
ÖPNV-Innovationskongress 2015: Carsharing  Bericht  19. Mai 2015  Seite 2
2.
Marktforschungsstudie zu Carsharing gibt Aufschluss
IFAK hat im Frühjahr 2014 eine Studie durchgeführt, in der es unter auch um die
Auswirkungen von Carsharing auf den ÖPNV ging. In der repräsentativen Befragung
wurden telefonisch 3.000 Personen einer deutschen Großstadt mit fast 1,5 Millionen
Einwohnern unter anderem zu ihrem Mobilitätsverhalten und der Nutzung von
Carsharing befragt.
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Carsharing nicht zu einer Kannibalisierung des
ÖPNV führt. Im Gegenteil: Das Angebot kann den ÖPNV ergänzen und unterstützen.
Die Befragung ergab, dass 5 Prozent der Befragten Carsharing bereits nutzen. Die
überwiegende Mehrheit nutzt Carsharing nicht für den alltäglichen Verkehr und damit
eher selten. So nutzen jeweils 43 Prozent Carsharing ein bis drei Tage im Monat oder
seltener als einmal pro Monat.
Abbildung: Carsharing-Nutzung
1%
1%
4 bis 7 Tage pro Woche
5%
7%
2 bis 3 Tage pro Woche
1 Tag pro Woche
43%
1 bis 3 Tage im Monat
43%
weniger als 1 mal pro
Monat
weiß nicht
Basis: 150 Carsharing-Nutzer einer deutschen Großstadt
Dass Carsharing nicht im Alltag genutzt wird, sondern eher zu besonderen Anlässen,
zeigt auch die Auswertung der Fahrtanlässe:
Auf den ersten drei Plätzen liegen die Anlässe



„Fahrt im Rahmen von Freizeitaktivitäten“ (48 Prozent),
„Private Erledigungen“ (37 Prozent) und
„Erledigen von Einkäufen“ (31 Prozent).
ÖPNV-Innovationskongress 2015: Carsharing  Bericht  19. Mai 2015  Seite 3
Alltägliche Fahrten, wie die Fahrt zum Arbeits- oder Ausbildungsplatz, liegen auf den
hinteren Plätzen und werden von weniger als 10 Prozent der jeweiligen CarsharingNutzer getätigt.
Carsharing ist kein Ersatz für ÖPNV
Carsharing wird nicht als Ersatz gesehen, sondern es ergänzt den ÖPNV: So stimmen 84
Prozent der Carsharing-Nutzer der Aussage zu, dass das Angebot eine gute Ergänzung
zum ÖPNV ist. Wenn ein Verkehrsmittel komplett substituiert wird, dann höchstens das
Auto: 63 Prozent stimmen der Aussage zu, dass Carsharing günstiger als ein eigenes
Auto ist. 52 Prozent sagen, dass Carsharing das eigene Auto sogar vollständig ersetzt.
Carsharing ersetzt das eigene Auto
Wenn konkret danach fragt wird, welche Verkehrsmittel bereits ersetzt wurden, geben
49 Prozent an, dass Carsharing das eigene Auto bereits substituiert hat. Zwar werden
auch Fahrten im ÖPNV ersetzt, aber dies hat eine völlig andere Qualität als das Ersetzen
eines Autos. Während man beim eigenen Autos davon ausgehen kann, dass das eigene
Auto abgeschafft oder gar keins angeschafft wurde, wird der ÖPNV nicht komplett
durch Carsharing substituiert. Da Carsharing zum größten Teil nicht häufiger als einmal
im Monat genutzt wird, sind dies nur wenige Fahrten. Deshalb ist hier kaum von einer
Kannibalisierung zu sprechen.
Carsharing-Nutzer sind überwiegend Monats- oder Jahreskarten-Käufer
Untermauert wird die Aussage, wenn sich die Ticketnutzung der Carsharing-Nutzer
angeschaut werden: 43 Prozent nutzen eine Monats- oder Jahreskarte; das heißt, hier
entfällt für den ÖPNV kein Erlös, da die Fahrten ja schon „bezahlt“ sind. Die Monatsoder Jahreskarte wird von Carsharing-Nutzern im Vergleich zur Gesamtbevölkerung
ÖPNV-Innovationskongress 2015: Carsharing  Bericht  19. Mai 2015  Seite 4
sogar überdurchschnittlich häufig genutzt. Am häufigsten wird ein Abo von den
Personen genutzt, die das eigene Auto bereits ersetzt haben – 51 Prozent nutzen
entweder eine Monats- oder eine Jahreskarte.
Abbildung: Fahrschein-Nutzung
40%
35
35
Gesamt
30%
28
26
20%
18
16
15
10%
8
9
6
CarsharingNichtnutzer
CarsharingNutzer
Auto bereits
ersetzt
25
16
8 8
8
5
2
2
0%
1
2
6 6
5
2
1
0
5
4
1
0
Basis: 3000 Befragte
Carsharing stärkt den ÖPNV
Dies stützt die These, dass Carsharing dem ÖPNV nicht schadet, sondern diesen sogar
noch unterstützt. Es wird auch bestätigt, dass wenn aufgrund eines ausreichen-den
Carsharing-Angebots das eigene Auto ersetzt werden kann, die Personen häufiger mit
dem ÖPNV fahren.
Kooperationen mit Carsharing-Anbietern oder gar die Etablierung eines eigenen
Carsharing-Systems kann sich also lohnen, um mehr Fahrgäste für den ÖPNV zu
gewinnen. Darüber hinaus wird das Image des ÖPNV-Anbieters aufgewertet. Letztlich
ist die Kooperation mit Carsharing-Anbietern oder die Etablierung eines eigenen
Carsharing-Systems auch eine Antwort auf die Frage, wer der führende Mobilitätsanbieter in einer Stadt ist und die Zügel in der Hand behält.
ÖPNV-Innovationskongress 2015: Carsharing  Bericht  19. Mai 2015  Seite 5
Ihre Ansprechpartner:
Sarah Kienzle
Consultant
Traffic & Tourism
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Heiko Partschefeld
Head of Traffic & Tourism
Tel: +49-6128-747-344
E-Mail: [email protected]
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