Gedenkgottesdienst «100 Jahre Armenier-Genozid» 25. April 2015, Fraumünster Zürich Begrüssung von Pfr. Dr. Niklaus Peter Kirchgemeinde Fraumünster Zürich Geschätzte Anwesende, liebe Mitchristen, liebe Trauergemeinde Es ist gut, dass wir hier im Fraumünster versammelt sind – um zu gedenken. Einer der grossen Tragödien dieses Jahrhunderts zu gedenken: des Leids, der Schmerzen, der Verzweiflung, des Todes so vieler armenischer Brüder und Schwestern in jenen dunklen Jahren bis 1915. Gedenken heisst: vor Gott bringen, gedenken heisst: nicht wegschauen, gedenken heisst: darauf hoffen, dass vor Gott die Wahrheit angesprochen werden kann, dass aber auch Versöhnung und Frieden reelle Chancen bekommen. Gedenken heisst auch: wir erinnern uns des Karfreitags, aber wir vergessen Ostern nicht – denn es verbindet uns alle der Glaube an Gottes Liebe und an die Auferstehung. In diesem Sinne begrüsse ich Sie alle sehr herzlich in dieser mehr als 1000-jährigen Kirche – die für den Geist der Versöhnung steht: hier standen eine russisch-orthodoxe Ikonostase in der Zeit der napoleonischen Wirren, ein katholischer Altar in der Zeit des jungen Bundesstaates im 19. Jahrhundert, und hier sehen Sie die Glasfenster Marc Chagalls. Er war einer der wirklich versöhnlichen Künstler, seine Kunst war stets menschlich und eine, die Menschen verbindet. In diesem Geiste wollen wir jetzt zusammen mit Musik, Stille, Worten diese Gedenkfeier begehen. Begrüssung von Pfr. Shnork Tchekidjian Armenisch-Apostolische Kirchgemeinde Surp Sarkis Liebe Teilnehmende an dieser Gedenkfeier Ich begrüsse Sie alle herzlich und schätze Ihre Teilnahme an dieser 100-Jahre Gedenkfeier des Völkermordes an den Armeniern. In der Nacht vom 24. auf den 25. April 1915 liess die Regierung des osmanischen Reiches Hunderte von armenischen Intellektuellen und geistlichen Führern verhaften und deportieren. Das Ziel dieser Aktion war es, die armenische Minderheit auszulöschen. Die meisten wurden unterwegs getötet oder sie kamen während der sogennanten Todesmärsche um. Der Genozid an den Armeniern zählt zu den schlimmsten Verbrechen der Menschheit. Es ist nicht vergessen und darf nicht vergessen werden, denn das Vergessen oder gar die Leugnung öffnet den Weg zu neuen Verbrechen. Aufgrund des christlichen Glaubens und ihres Vertrauens in Gott wurden die Opfer von 1915, welche für das armenische Volk Symbol der Qualen und der Trauer waren von armenischen Katholikos vorgestern, an den 100-Jahre Gedenkfeier in Etschmiadzin heilig gesprochen. Wir wollen vergeben. Aber Vergebung setzt Anerkennung und Reue voraus. Das armenische Volk ist überzeugt, dass ihm Gerechtigkeit widerfahren wird. So stimmt es zuversichtlich, dass eine steigende Zahl Intellektueller weltweit die Ereignisse von 1915 als Völkermord an den Armeniern anerkennt. Möge Gott auch der internationalen Gemeinschaft der direkt und indirekt Involvierten die Kraft geben, das Vergehen am armenischen Volk anzuerkennen und sich dafür zu entschuldigen. Damit legen wir unsere Anliegen unsere Trauer und unsere Hoffnungen vor Gott. Deshalb dieses religiöse Totengedenken. Viele Armenier leben und arbeiten heute in Ländern, welche seinerzeit ihre geretteten Vorfahren aufgenommen haben und die zu ihrer zweiten Heimat geworden sind. Zu diesen gehört auch die Schweiz, die viele armenische Waisen aufgenommen hat. Dafür sind wir dankbar. Grusswort von Pfarrer Daniel Infanger Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SEK Sehr geehrte Schwestern und Brüder, Schreckliches ist geschehen vor 100 Jahren. Und Wichtiges ist daraus gewachsen. Wir gedenken heute der zahllosen Opfer des Armeniergenozids. Ebenso gedenken wir des beispiellosen Einsatzes von Schweizerinnen und Schweizern für das armenische Volk damals und bis heute. Schon bei den ersten Massakern an Armeniern in den Jahren 1894-96 hat die Schweiz aufgehorcht. Zahlreiche Schweizerinnern und Schweizer sind Ende 19./anfangs 20. Jahrhundert in die Stammgebiete der Armenier gezogen. Sie bauten Spitäler und Waisenhäuser auf und leisteten wertvolle Arbeit. Nicht nur wurden sie Augenzeugen der grausamen Deportationen und Massaker, sie riskierten mit ihrer Hilfeleistung an Armeniern auch ihr eigenes Leben. Viele der Schweizerinnen und Schweizer, die sich damals für die Armenier einsetzten, stammten aus kirchlichen Kreisen. Bis in unsere Zeit hält dieses Engagement der Schweizer Kirchen für das Armenische Volk an. Es ist deshalb kein Zufall, dass heute verschiedene Vertreter der Schweizer Landeskirchen hier vorne stehen. Vertreter der lokalen, der kantonalen und der nationalen Ebene. Schreckliches ist geschehen vor 100 Jahren. Und Wichtiges wächst daraus. Zum Beispiel die Beziehung zwischen dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund und dem Katholikos von Kilikien Aram I. 2013 vereinbarten der Katholikos Aram und der Ratspräsident des Kirchenbundes Gottfried Locher eine gemeinsame Gedenkfeier anlässlich der 100 Jahre Armeniergenozid. Sie wird am 26. September dieses Jahres stattfinden in der Ref. Kirche in Walzenhausen. Dort also, wo der Armeniervater Jakob Künzler heimatberechtigt war. Zu dieser Gedenkfeier darf ich Sie ganz herzlich einladen. Schreckliches ist geschehen vor 100 Jahren. Und Wichtiges soll daraus wachsen. Wir gedenken der Ereignisse von damals und haben zugleich jene Bilder im Kopf, die wir heute in den Medien sehen. Wieder sind Hunderttausende Menschen auf der Flucht. Und wieder in derselben Weltgegend. Der Blick auf unsere unerschrockenen Schweizer Vorfahren macht uns Mut zu eigenem Engagement für Vertriebene und Verfolgte. Nun wünsche ich uns ein würdiges Gedenken der armenischen Opfer. Möge Gott die Verstorbenen in seinem Frieden ruhen lassen und möge er sich unserer Zeitgenossen aller Religionen erbarmen, die heute systematisch verfolgt werden. Grusswort von Kirchenrat Fritz Oesch Evangelisch reformierte Landeskirche des Kantons Zürich Liebe armenische Mitchristen Liebe Schwestern und Brüder Liebe Anwesende Es ist mir eine grosse Ehre, Ihnen die Grüsse des Kirchenrates der Evang.-ref. Landeskirche des Kantons Zürich überbringen zu dürfen. Und es freut mich sehr, dass diese Gedenkfeier in einer unserer Kirchen stattfinden darf. Es ist dem Kirchenrat ein grosses Anliegen, Ihnen seine Solidarität zu versichern im Gedenken an die Ermordung von über einer Million Armenierinnen und Armeniern und anderer Minderheiten im Osten der heutigen Türkei. Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder, sagte Paulus. Der Kirchenrat nimmt darum Anteil am unerträglichen Leid, das die Leugnung des Genozids auch heute noch verursacht und es ist ihm schmerzlich bewusst, dass die Verletzung der Würde der Opfer und ihrer Nachfahren durch diese Leugnung weiterhin anhält. Wir sind hier in dieser Kirche versammelt, um gemeinsam dieses grauenvollen Völkermordes zu gedenken. Erleichtern würde uns, wenn sich die Menschheit in der Zwischenzeit eines Besseren belehrt hätte und die Einsicht und die Scham vor solchem Tun seine Wiederholung verhinderte. Das ist leider nicht der Fall. Die Kriege und Genozide halten weiterhin an und fast jeden Tag müssen wir aus den Medien neue Abscheulichkeiten unermesslichen Ausmasses zur Kenntnis nehmen. Es ist nicht zuletzt diese Aktualität, die uns umso mehr in die Verantwortung ruft, Ungeheuerlichkeiten gegen die Menschlichkeit stets auch als solche zu benennen. Liebe Anwesende, der Kirchenrat der Zürcher Landeskirche versichert Ihnen seine Anteilnahme im Gedenken an den Genozid vor 100 Jahren. Wo immer er kann, setzt er sich dafür ein, früheres und gegenwärtiges Leid zu lindern, in Fürbitten und materiell. Wenn dieses Gedenken nur ein klein wenig dazu beiträgt, uns noch stärker für Mitmenschlichkeit und Solidarität einzusetzen und uns im Engagement um die Linderung aktueller Konflikte bestärkt, so mag es zwar nur ein schwacher, aber doch immerhin ein Trost sein. Grusswort von Generalvikar Dr. Josef Annen Katholische Kirche im Kanton Zürich Liebe Schwestern und Brüder Im Gedenken an den Genozid am armenischen Volk vor 100 Jahren sind wir versammelt. Wir wollen die Opfer von damals nicht vergessen. Es darf kein Vergessen geben. Warum nicht? Wir wollen nicht, dass so etwas wieder geschieht. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass die Opfer von Gewalt, Vertreibung, Krieg und Mord zu ihrem Recht kommen. Die Mörder dürfen nicht über ihre Opfer siegen – heute nicht und damals nicht. Gedenken, sich erinnern, heisst immer die Zukunft gestalten. Ich verneige mich vor den Opfern des armenischen Volkes, drücke meine Verbundenheit aus und überbringe die Grüsse der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Grusswort von Bischof Dr. Harald Rein Christkatholische Kirche der Schweiz Liebe Schwestern und Brüder Im Namen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen der Schweiz und der Christkatholischen Landeskirche darf ich heute Abend zu Ihnen sprechen. Der Genozid an den Armeniern im Osmanischen Reich erzeugte in der Schweiz schon vor hundert Jahren eine bis dahin noch nie gekannte Welle der Solidarität über die Sprachund Konfessionsgrenzen der Schweiz hinweg. Die bedeutenden Schweizer Bundesräte Gustave Ador und Giuseppe Motta setzten sich dafür ein, dass dieses Verbrechen von der Welt nicht übersehen und vergessen werde. Daher ist es wichtig an dem heutigen Totengedenken, an diese Verpflichtung zu erinnern. Das gilt besonders für die politische Schweiz, die bisher aus verschiedenen Gründen nicht bereit ist, diesen Genozid als solchen offiziell an zu erkennen. Aber nur so gehen wir Schritte auf dem Weg der Gerechtigkeit und des Friedens, auf dem uns Gott mit seinem Segen begleiten möge. Grusswort von Father Abuna Kerim Asmar Syrisch-orthodoxe Kirche Verehrte Brüder und Schwester in Jesus Christus! Ich fühle mich durch die Einladung zu dieser Andacht zum 100järigen Gedenkens an den Genozid geehrt. Unser Volk war Opfer jener Gräueltaten in Anatolien. Das Jahr 1915 bezeichnen wir als Seyfo – das Jahr des Schwertes. Im Jahre 1915 versuchten die Jungtürken die Christen nicht nur aus ihrer angestammten Heimat zu vertreiben, sondern auszulöschen. Millionen von Armenier, Assyrer, Chaldäer, Aramäer wurden Opfer des Genozids. Im Nahen Osten wiederholt sich nun dieser Genozid vor den Augen der ganzen Welt. Ein barbarischer Terror, Zerstörung von Kirchen, Klöstern sowie die Vernichtung unseres kulturellen Erbes durch den sog. «Islamischen Staat» setzt sich fort. Niemand hätte gedacht, dass solche unmenschlichen Taten möglich wären; diese laufen über die Sozialen Medien vor den Augen der westlichen Länder in Echtzeit ab. Darum darf die zivilisierte Welt nicht erlauben, dass solche Monster weiterhin Ihre Untaten verrichten. Der IS ist kein Zufall, aber ein brutaler Plan. An einer islamischen Konferenz in Pakistan im Jahre 1984 wurde beschlossen, dass alle Christen den Nahen Osten verlassen müssen. Damit war die Idee der IS geboren. Die IS setzt den Genozid von 1915 fort. Hunderttausende christliche Flüchtlinge und andere verfolgte Minderheiten brauchen dringend politische, humanitäre und gesundheitliche Hilfe, damit diese überleben können. Vor allem brauchen sie den Schutz der UN. Ich verneige mich vor allen Märtyrer von gestern, heute und morgen. TAUDI U ALOHO MNATARKHUN (aramäisch) Danke und Gott möge Sie beschützen.
© Copyright 2024 ExpyDoc