Medikationsfehler… und wie man sie vermeidet - Medizinische

14. Innovationsgipfel
Medizinische Hochschule Hannover
20. März 2013
Medikationsfehler… und wie man sie vermeidet
Prof. Dr. med. Dirk O. Stichtenoth
Institut für Klinische Pharmakologie
Fallbericht Frau W., 76 Jahre, 51 kg
•
Anstrengungsdyspnoe. D.: „Altersherz“
 Digoxin 0,25 mg/d, Hydrochlorothiazid 25 mg/d, u.a.
•
Verwirrtheit, Übelkeit
 Piracetam 1200 mg/d, Metoclopramid 3 x 10 mg/d
Trotzdem reduzierter AZ, Übelkeit, VES
Plötzlich Besserung aller Beschwerden
Institut für Klinische Pharmakologie
1
Ursache
Tod des Arztes vor 4 Wochen
Ende der Digitalis-Intoxikation
Institut für Klinische Pharmakologie
5% aller Krankenhaus-Aufnahmen
•
10-15% der Krankenhaus-Aufnahmen
•
In 5% ursächlich für verlängerten
Krankenhausaufenthalt
50
%
bei älteren Patienten
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Bedeutung schwerwiegender Nebenwirkungen
Schnurrer et al. Internist 2003; 44: 889
Institut für Klinische Pharmakologie
2
Schwerwiegende
Nebenwirkungen
Medikationsfehler
1%
Vermeidbar 40%
Unvermeidbar
Brennan et al. NEJM 1991; 324: 370
Bates et al. J Gen Intern Med 1995; 10: 199
Institut für Klinische Pharmakologie
Vermeidbare
Nebenwirkungen
19% Andere Fehler
Verordnungsfehler
0,4% Falscher Patient
3,3% Falscher Applikationsweg 3,3% Andere Ursachen
5% Doppelverordnung
5% Falscher Wirkstoff
11,6%
Falsche Applik.-form
41,8%
Überdosierung
12,9%
Bekannte Allergie
81% Verordnungsfehler
16,5%
Unterdosierung
Lesar et al. JAMA 1997; 277: 312
Institut für Klinische Pharmakologie
3
Deutschland, GKV-Versicherte ≥65 Jahre
© WIdO 2012
Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) 2012
Institut für Klinische Pharmakologie
Vermeidung von
Medikationsfehlern
1. Patientensicherheit als Unternehmensziel

2. Verankerung der Arzneimittelsicherheit in
Aus-, Weiter- und Fortbildung

3. Risikomanagement mit CIRS

4. Maßnahmen zur Verbesserung der
Arzneimitteltherapiesicherheit

5. Unterstützung der ärztlichen Therapieentscheidung
durch persönliche und elektronische Expertensysteme

Institut für Klinische Pharmakologie
4
Integratives Problemlösungskonzept der MHH:
Zentrum für Arzneimittelsicherheit (ZAS)
Ziel: Bündelung und Kommunikation
Arzneimittel-therapeutischer Expertise.
 Vermeidung von Medikationsfehlern,
Erhöhung der Arzneimittelsicherheit
 Optimierung der Schnittstelle stationär-ambulant
in Bezug auf die Arzneimitteltherapie
Institut für Klinische Pharmakologie
ZAS
Arzneimitteltherapieinformationssystem (ATIS), Vigilanzeinheit klinische Prüfungen
Arzneimittelsicherheit in
der Psychiatrie (AMSP)
Therapeutisches Drug
Monitoring,
pharmakogenetische
Analytik
Blutprodukte,
Transfusionsgesetz
und -richtlinien
Medikationsprozess,
UAW-Meldungen
Indikation und Wahl
eines Anti-Infektivums
Arzneimittelliste,
MHH-interne Leitlinien
Institut für Klinische Pharmakologie
5
Aufgaben des ZAS
• Zentrales Konsiliarsystem zu allgemeinen und patientenbezogenen
Fragen des Medikationsprozess. UAW-Meldungen
• Teil des 3Be-Systems® des Risikomanagements an der MHH
• Kommunikation: Arzneimittelportal im Intranet, Bereitstellung von
Informations-Software, Emailverteiler, Fortbildungsveranstaltungen
• Erstellungen interner Leitlinien
• Optimierung der ambulant/stationären Schnittstelle
• Unterstützung der Vigilanzeinheit klinische Prüfungen
Institut für Klinische Pharmakologie
Maßnahmen/Projekte
• Aktive Einbindung in das CIRS (Critical Incident Reporting System)
• Bereitstellung einer Informationsdatenbank. Projekte zu
Medikationsmodul und elektronischem Arzneimittel-Expertensystem
• Dokumentation pharmazeutischer Interventionen über DokuPik,
hausinterne „ApoNews“,
• Antibiotika-/Antimykotika-Surveillance. Projekte zu TDM/Theragnostik
• Kontinuierliche Kommunikation mit der Kassenärztlichen Vereinigung.
Projekt zur Optimierung der intersektoralen Arzneimitteltherapie
• Projekte zur Arzneimitteltherapiesicherheit im ambulanten Sektor
Institut für Klinische Pharmakologie
6
Suchanfragen im Arzneimittelportal der MHH an AID-Klinik®
35000
30000
25000
20000
15000
• Neuer Server
• Schulungen
• email
10000
5000
Mitteilung in Gehaltsabrechnung
an alle medizinischen Mitarbeiter
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Institut für Klinische Pharmakologie
Bündnis für Systemcompliance
Konzertierte Aktion von Apothekerkammer, KVN, AOK, Barmer-GEK,
DAK, MSD, Pfizer und MHH
 AMTS (Arzneimitteltherapiesicherheit)
 interdisziplinäre Zusammenarbeit und Compliance
Modellprojekt: „Polymedikation vermeiden - Behandlungssicherheit verbessern“
Patienten im DMP Diabetes; 34 Apotheken, 96 Arztpraxen im Landkreis Stade:
• Anonymisierte Fragebögen zur Zahl der eingenommenen Medikamente
• Zufriedenheit mit der Betreuung durch Arzt und Apotheker
• Erstellung und Erörterung eines Medikationsplans mit Arzt und Apotheker
Sause NÄB 2013; 3: 44
Institut für Klinische Pharmakologie
7
Patientenbefragung Start
• Im Durchschnitt 5,5 Medikamente
• Zusammenarbeit mit Ärzten & Apothekern: „gut“
Patientenbefragung nach 12 Monaten
Unverändert
Medikationsplan
• 11 Patienten in Apotheken
• 84 Patienten durch den Arzt
Abschluss-Befragung Ärzte und Apotheker
Einzelne lokale Kooperationen. Zusammenarbeit insgesamt nicht verbessert
Fazit
 Großer Bedarf und Bereitschaft der Patienten an Therapie-Optimierung
 Dieses Potential kann durch Compliance-Projekte ausgeschöpft werden
 Vertrauensbildung zwischen Ärzten und Apothekern Herausforderung
für dieses und vergleichbare Projekte
Sause NÄB 2013; 3: 44
Institut für Klinische Pharmakologie
AMTS-Projekt mit der KKH „Arzneimittel sicher anwenden“
DAZ 2012; 152 (7): 31-32
KKH
• spricht Versicherte an
• informiert, holt Einwilligung ein
• coacht
• erstellt Gesundheitsbericht
Patient
Behandelnder Arzt
• wertet Arzneimittelkonsil aus
• holt ggf. Zweitkonsil ein
• bespricht mit Patient
• entscheidet über Therapie
MHH
• erstellt Arzneimittel-Erstkonsil
• bietet Zweitkonsil an
• betreut Projekt wissenschaftlich
Institut für Klinische Pharmakologie
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Zusammenfassung
1. Nebenwirkungen sind ursächlich für
- 5% der Krankenhausaufnahmen
- 5% der verlängerten Krankenhausaufenthalte
- mehrere zehntausend Todesfälle
2. 50% der Nebenwirkungen beruhen auf Medikationsfehlern
3. Medikationsfehler sind zu 80% ärztlich bedingt
4. Individuelle und systemische Strategien zur Vermeidung von
Medikationsfehlern sind verfügbar. Grundlage Sicherheitskultur
5. Herausforderung: Bündelung arzneimittel-therapeutischer Expertise
und Zusammenarbeit der Partner im Gesundheitswesen
Institut für Klinische Pharmakologie
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