geht es zur Predigt, das Motto lautet: Augen auf! - MoGo

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MOGO Hamburg 2014
Augen au f!
Hauptkirche St. Michaelis, 22. Juni 2014
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Liebe MOGO-Gemeinde,
Augen auf! – Wir haben die Geschichte gehört, wie Jesus einem Menschen die
Augen öffnet. Eine Heilungsgeschichte. Eine Wundergeschichte.
1. Blind vertrauen
Markus
10,46-52
Sie kamen nach Jericho.
Als Jesus mit seinen Jüngern und einer großen Menschenmenge von dort
weiterzog, saß ein blinder Bettler am Straßenrand, Bartimäus, der Sohn
des Timäus.
Er hörte, dass es Jesus von Nazaret war, der vorbeikam.
Da fing er an zu rufen: »Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!«
Von allen Seiten fuhr man ihn an, er solle still sein.
Doch er schrie nur umso lauter: »Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!«
Kann man so was glauben? Keiner von uns war dabei, keiner hat gesehen, dass
das wirklich geschehen ist damals.
Und es ist schwer, zu glauben, was man nicht sieht. Oder?
Es gibt die Geschichte von einem Bergwanderer, der allein unterwegs ist
und sich beim Wandern die herrlichen Alpengipfel anschaut, statt auf den
Weg zu achten. Er tritt neben den Weg, stolpert – und rutscht den Hang
hinab.
Nach ein paar Metern kann er sich gerade noch an einem Gestrüpp festhalten. Nun hängt er da über dem Abgrund, hält sich mit Mühe und Not
fest. Und weit und breit ist niemand zu sehen.
Sie riefen den Blinden und sagten zu ihm: »Hab nur Mut! Steh auf, er ruft
„Hilfe“, ruft er. „Ist hier jemand, der mir helfen kann?“
Und noch einmal: „Hilfe!“
dich!«
Da hört er eine Stimme. Eine warme, freundliche Stimme: „Ich bin da.“
Jesus blieb stehen und sagte: »Ruft ihn her!«
Da warf der Mann seinen Mantel ab, sprang auf und kam zu Jesus.
»Was möchtest du von mir?«, fragte Jesus.
»Lieber Herr«, antwortete der Blinde, »ich möchte sehen können!«
Da sagte Jesus zu ihm: »Geh nur! Dein Glaube hat dir geholfen.«
Im selben Augenblick konnte der Mann sehen.
Nun schloss er sich Jesus an und folgte ihm auf seinem Weg.
„Ja, äh: Wer? Wo?“, ruft der Wanderer. „Kannst du mir helfen?“
„Ich bin’s. Gott. Ich bin da.
Du kannst dich ruhig fallen lassen. Ich bin da und fange dich auf.“
„Hilfe! Ist hier sonst noch jemand, der mir helfen kann?“
Es fällt schwer zu glauben, wenn man nichts sieht. Ganz klar.
Ich sage: Es geht trotzdem. Der blinde Mann aus der biblischen Geschichte vorhin, Bartimäus, macht es uns vor.
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Als Jesus damals durch die Städte Israels zog, haben ihm ganz oft viele Menschen zugehört. Weil er offenbar spannend von Gott und vom Leben erzählen
konnte. Weil er sich den Menschen zuwandte, die zu ihm kamen.
hinbekommen. Wahrscheinlich geht es euch ähnlich: Wir sind meist eher so wie
der Bergwanderer, der sich lieber nicht in Gottes Hände fallen lassen will. Weil er
sie nicht sieht.
Aber kaum jemand hat damals begriffen, dass man es bei Jesus mit Gott zu tun
bekommt. Die Menschen damals waren auch skeptisdh, ob das Leben – Gott sein
Dank! – wieder heil werden kann.
Ich habe in den letzten Wochen ein paarmal versucht, mit geschlossenen Auge zu
laufen. Zu joggen. Auf einem ganz geraden Weg, wo links und rechts Wiese ist
und wo mir niemand entgegen kam, dort einmal mit geschlossenen Augen zu laufen. Obwohl ich wusste, dass mir eigentlich nicht wirklich was passieren kann,
habe ich schon nach wenigen Metern die Augen wieder aufgemacht. Augen auf!
Aber Bartimäus, der Sohn des Timäus, sitzt blind am Straßenrand und glaubt das.
Er ist derjenige, der versteht. Der seine Chance sieht und der seine Chance ergreift.
Was für eine Geschichte! Der Blinde kann mehr sehen und verstehen als die anderen, deren Augenlicht in Ordnung ist. Die Sehenden wollen den Blinden, der um
Hilfe bittet, von Jesus fern halten, weil sie das Elend lästig finden. Die haben
nichts verstanden, die haben nicht gesehen, dass Jesus gekommen ist, um zu
helfen.
Ihr könnt das selber mal ausprobieren, wie schwer es ist, mit geschlossenen Augen zu laufen, und wie gut das tut, die Augen aufzumachen.
Es gibt blinde Leistungssportler, die laufen den Marathon. Dabei vertrauen sie auf
jemanden, der vor ihnen her läuft. Sie vertrauen blind darauf, dass er sie warnt,
wenn eine Kurve kommt oder wenn etwas im Weg liegen sollte. Ich finde das absolut fantastisch.
Und wunderbarer Weise geht die Geschichte gut aus: Bartimäus wird geheilt, er
muss nicht länger als hilfloser Bettler sein Leben fristen. „Augen auf!“, konnte Jesus offenbar so zu ihm sagen, dass Bartimäus tatsächlich die Augen öffnet und
nun auch noch all das sieht, was er vorher nicht sehen konnte.
Offenbar geht das doch: Wenn ich weiß, dass jemand anderes für mich die Augen
offen hält; und wenn ich weiß, dass ich demjenigen vertrauen kann – dann kann
ich blind vertrauen. Es gibt Paare, es gibt Freundschaften, wo das über Jahre und
Jahrzehnte hin funktioniert. Blind vertrauen.
Zu schön, um wahr zu sein?
Eure Erfahrungen sind anders, denkt ihr?
Im Blick auf Gott geht das aber auch. Wenn ich mich darauf verlasse, dass Gott
auf mich acht gibt, dann werde ich keine Angst haben, ins Bodenlose zu fallen.
Auch wenn es schwer ist, sich darauf zu verlassen, darauf zu vertrauen – ohne
dass ich das sehe.
Ja, unsere Erfahrungen sind meist andere. Die Dinge gehen oft nicht gut aus im
Leben. Viele Kranke werden nicht gesund, viele Menschen müssen mit Einschränkungen leben. Bartimäus, der Sohn des Timäus, ist ein besonderer Fall.
Und trotzdem ist die Geschichte eine, bei der mir ganz viel bekannt vorkommt.
Zum Beispiel das blinde Vertrauen des Bartimäus. Das ist etwas, das ich so nicht
Wer sich blind auf einen Menschen oder (wie Bartimäus) auf Gott verlassen kann,
der ist gut dran.
Die Skeptischen und die Zweifelnden finden es umso wichtiger, die Augen auf zu
machen. Augen aufmachen ist auch gut.
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2. Augen auf: Schau dich um!
Liebe MOGO-Gemeinde,
Lasst uns das jetzt einmal versuchen. Augen auf!
Schaut euch bitte einmal um – hier drin im Michel und genauso draußen auf der
Straße. Schaut euch bitte einmal um und guckt, wer da neben euch sitzt oder neben euch steht. Wenn ihr eure Nachbarn schon kennt, weil sie mit euch hierher
gekommen sind, dann schaut bitte einen Menschen weiter. Schaut euch mal um!
Augen auf!
Ist das nicht klasse, was da an Typen, an Persönlichkeiten, an netten oder irritierten Menschen mit euch unterwegs ist? Tausende Menschen, tausende Lebensgeschichten, tausend verschiedene Gründe, hier zu sein. Aber jetzt sind wir gemeinsam hier und feiern Motorradgottesdienst.
Wenn ihr irgendwann einmal traurig seid und euch allein fühlt, dann denkt an diesen Moment zurück: Ihr seid nicht allein unterwegs. Ihr könnt jetzt die Augen aufmachen und später in der Erinnerung noch einmal. Ihr seid nicht allein unterwegs.
Wir werden so mit Bildern zugeballert, durch die Medien, die Werbung,
dass wir es manchmal schlicht vergessen, die Augen für die Menschen aufzumachen. Wäre doch schrekclich, wenn zuhause igendwann der Fernseher kaputt
geht und sich die Eheleute auf dem Sofa sitzend verdutzt angucken und beide
denken: Holla, ist der alt geworden! – Dann doch lieber: Augen auf!
Und nun schaut doch bitte noch einmal weiter. Augen auf! Da ist eine große Stadt
um euch herum. Hamburg! Ihr seht gerade nur ein paar Häuser und Straßen dieser Stadt, aber dabei wisst ihr doch:
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Das ist eine große, schöne Stadt. Eine reiche Stadt – und gleichzeitig eine Stadt
mit vielen Wohnungslosen. Eine lebendige Stadt – und gleichzeitig ein Ort, in dem
uns das Flüchtlingselend Europas vor Augen geführt wird.
Augen auf! Die Welt um uns herum ist voller Möglichkeiten und voller Probleme.
Wenn euch jemals langweilig sein sollte, dann macht einfach die Augen auf und
macht euch klar: Wir alle stehen mitten drin im Leben, da gibt es tausend Chancen
und tausend Aufgaben.
Und bitte noch ein drittes Mal: Augen auf!
Schaut bitte einmal nach oben in den Himmel. (Da sind die Leute hier im Michel
klar im Nachteil. Aber wir hier schauen einfach hoch in die Kirche – und stellen
uns vor, wie es da drüber aussieht.)
Also: Augen auf! Über euch: Der Himmel. Keine Sonne zu sehen? Doch, sie ist
da. Manchmal hinter Wolken. Aber sie ist da. Jeden Tag.
Und die Sterne? Klar, jetzt nicht, die sind nur nachts zu sehen.
Aber sie sind da.Sogar tagsüber. Bloß von anderem Licht überstrahlt.
Und Gott? Nein, nicht zu sehen. Aber auch er ist da.
Nein, nicht irgendwo da oben, sondern vor allem hier bei uns.
Aber der Blick nach oben kann uns daran erinnern, dass Gott da ist.
Ein kluger Mann hat einmal gesagt, dass es ein wichtiger Unterschied zwischen
Mensch und Vieh genau der ist: Der Mensch kann den Himmel sehen. Ein Rindvieh ist so gebaut, dass es auf den Staub und ins Gras guckt. Aber wir Menschen
sind so gebaut, dass wir den Himmel sehen können. Also: Augen auf! Lasst uns
den Himmel im Blick behalten!
(JaJa: Nicht beim Motorradfahren natürlich, aber sonst immer.)
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Warum ich euch das erzähle?
Ich glaube, dass unsere Blickrichtung wichtig ist fürs Leben. Unser Motto „Augen
auf!“ ist ein gutes Motto fürs Leben: Nicht, weil wir mit offenen Augen immer gleich
alles Wichtige sehen, sondern weil die offenen Augen unsere Blickrichtung bestimmen. Und die Blickrichtung bestimmt den Weg.
Als wir mit den MOGO-Helfern vor drei Wochen beim Fahrsicherheitstraining in
Lüneburg waren, hat uns der Trainer mehrfach gesagt: Schaut dort hin, wo ihr
hinfahren wollt! Schaut in der Kurve nicht nach außen in die Bäume – da wollt ihr
nicht hin. Schaut in der Kurve nach innen, dahin fahrt ihr dann auch.
Dass das beim Motorradfahren genau so funktioniert, wisst ihr bestimmt alle. Man
muss es sich ruhig trotzdem immer wieder gesagt sein lassen und muss es sich
manchmal auch selber sagen.
Im Leben generell ist das aber gar nicht so viel anders. Augen auf!
Wenn wir auf die Menschen um uns herum schauen, werden wir auch auf sie achten und werden mit ihnen zu tun kriegen.
Wenn wir auf die Welt um uns herum schauen, werden wir sehen, wo wir anpacken sollten, und werden sehen, was es für Möglichkeiten für uns gibt.
Wenn wir auf den Himmel schauen und die Sache mit Gott im Blick halten, werden
wir den Fragen des Lebens und den Rätseln unserer Existenz näher kommen.
Augen auf: Versucht es einfach!
3. Augen auf: Die Sache mit Gott
Noch eins will ich euch zum Thema „Augen auf!“ sagen. Das betrifft Gott.
Nach allem, was ich weiß und glaube, begleitet Gott unser Leben mit offenen Augen. Er sieht uns.
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Christian Morgenstern hat vor vielen Jahren, als die besten Ferngläser der Welt
von der Firma Zeiß gebaut wurden, einmal folgende Zeilen gedichtet:
Ein Hase saß auf einer Wiese, / des Glaubens, niemand sähe diese.
Doch, im Besitze eines Zeißes / betrachtet voll gehaltnen Fleißes
vom vis-a-vis gelegnen Berg / ein Mensch den kleinen Löffelzwerg.
Ihn aber blickt hinwiederum / ein Gott von fern an, mild und stumm.
Könnt ihr euch das vorstellen? Das Gott uns sieht, ohne dass wir ihn sehen? Ich
finde die Szenerie aus dem kleinen Gedicht nett: Gott sieht uns, so wie wir einen
Hasen beobachten können. Der Hase merkt nichts. Wir merken nichts. Und doch
hat Gott seine Augen auf und sieht uns.
Ich glaube, dass das stimmt: Gott sieht uns.
Und ich glaube, dass es auch bei Gott so ist: Die Blickrichtung bestimmt den Weg.
Warum hat Gott die Augen für uns auf und schaut uns an?
Ich glaube. weil er sich um uns kümmert.
Weil er uns liebt.
weil es ihm nicht egal ist, wie es uns ergeht und was wir tun –
deswegen schaut er uns an. Und das will ich doch glauben.
Die Bibel ist voll von Geschichten darüber, dass Gott auf uns Menschen schaut
und dann auch auf uns zugeht. Die Geschichte von Jesus, der zum blinden
Bartimäus kommt, ist nur eine davon. Wenn das stimmt, dass Gott uns anschaut
und im Blick behält – dann haben wir guten Grund, unser Leben zuversichtlich und
mit Gottvertrauen zu leben. Das Elend und die Not sieht Gott dann ja auch.
„Augen auf!“ heißt für mich deshalb auch: Mach dir immer wieder klar, dass Gott
dich im Blick behält. Du gehst nicht verloren. Egal, auf welchen Irrwegen und Abwegen du bist – Gott sieht dich und gibt dich nicht auf. Wie wunderbar! //