Herausgeber: Thimfilm GmbH, Leitermayergasse 43/4 , 1180 Wien Unter Blinden – Das extreme Leben des Andy Holzer Dokumentarfilm, Österreich 2014, 99 Minuten Buch und Regie: Eva Spreitzhofer Kamera: Leena Koppe Tom Mandl Dramaturgie: Anja Salamonowitz Originalton: Klaus Kellermann Sound Design: Veronika Hlawatsch Musik: Wolfgang Schlögl Regieassistenz: Nina Mayrhofer Aufnahmeleitung: Anu Shanker Tonmischung: Bernhard Maisch Schnitt: Harald Aue Produktionsleitung: Karin Schmatz Junior Producer: Jakob Pochlatko Producer: Dieter Pochlatko Themen: Blindheit, Sport, Individualität, Wahrnehmung, Inklusion, Biographie, Lebensgestaltung, Vorurteil, Grenzen, Barrierefreiheit Fächer: Deutsch, Geographie, Ethik, Religion, Bildnerische Erziehung, Psychologie und Philosophie Altersfreigabe: jugendfrei Prädikat: besonders wertvoll Das Medium Film eignet sich zum fachübergreifenden und fächerverbindenden Lernen. Die SchülerInnen eignen sich Fachwissen in der Filmanalyse an, lernen den reflektierenden Umgang mit Medien kennen und werden aus unterschiedlichen Fachperspektiven mit komplexen Filminhalten konfrontiert. Die SchülerInnen sollen die Fähigkeit erlangen, kontroverse Themen kritisch zu hinterfragen. Aus diesem modularen Unterrichtsmaterial (Hintergrundinformation und Unterrichtsvorschläge) können Anregungen nach den eigenen Nutzerinteressen ausgewählt werden. Es ist nicht vorgesehen, dass das Material linear durchgearbeitet wird. Alle im Text eingefügten Links sind in Kapitel 5 aufgelistet. (Abrufdatum aller Links: 26.03.2015). 1. Filminhalt 2. Der Dokumentarfilm 2.1. Bedeutung und Einsatz filmischer Mittel 3. Biographie – Der Mensch Andy Holzer 3.1. Blindheit - Erfahrung oder Behinderung? 3.2. Wahrnehmungswelten – Blind vs. Blind 4. Gesellschaftlicher Umgang 4.1. Persönliche Erfahrungen des Protagonisten 4.2. Barrierefreies Kulturerleben für Blinde 4.3. Schulische Inklusion 5. Literaturverzeichnis, Links, Impressum 6. Arbeitsblätter 1. Filminhalt Nur ein Sinnesorgan trennt die Welt der Sehenden von der, der Blinden. Mit ihrem Film „Unter Blinden – Das extreme Leben des Andy Holzer“ möchte die Regisseurin Eva Spreitzhofer auf den Umgang mit Blindheit in unserer Gesellschaft aufmerksam machen. Trotzdem ist es weniger ein Film über Sehbehinderungen geworden, als einer über den Umgang mit Grenzen. (Presseheft) Anhand der Schilderungen des Protagonisten und seiner engsten Wegbegleiter, wird dem Zuseher vermittelt, was es für Holzer bedeutet, als blindes Kind in einem kleinen Dorf aufzuwachsen. Man erfährt vom kindlichen Wunsch, einfach so sein zu wollen und vor allem auch so behandelt zu werden, als anderen und wie es Andy Holzer in Folge gelingt, seine ganz persönliche Überlebensstrategie in einer Welt der Sehenden zu entwickeln. Die erste Bergtour als Neunjähriger mit der Familie auf den Spitzkofel, in welcher sich auch sofort seine Liebe zum Bergsteigen manifestierte, oder auch das Kennenlernen seiner späteren Ehefrau, werden als Meilensteine hervorgehoben und aus verschiedenen Blickwinkeln Revue erzählt. Die Regisseurin zeigt Holzer sowohl bei sportlichen Aktivitäten wie Rad- oder Skifahren, als auch bei alltäglichen Szenen wie z.B. dem Treffen mit Freunden oder bei der Vorbereitung zu seinen Vorträgen. Dadurch gelingt es den ZuseherInnen wie auch –hörerInnen einen breitgefächerten Einblick in das außergewöhnliches Leben des von Geburt an blinden Lienzer Bergsteigers zu ermöglichen. In der Begegnung mit dem ebenfalls blinden Musiker George Nussbaumer und dem daraus folgenden Gespräch der beiden, gelingt es der Regisseurin die Individualität des Einzelnen, gegenüber einer durch Vorurteile geprägten Einheitswahrnehmung von Blinden, herauszuarbeiten. Für den Film existiert eine barrierefreie Fassung. Mit den Apps GRETA und STARKS können Audiodeskriptionen bzw. Untertitel direkt auf dem Smartphone verfügbar gemacht werden. Beide Apps sind kostenlos zum Download erhältlich. Weiterführende Informationen unter: www.gretaundstarks.de 2. Der Dokumentarfilm Bei einem Dokumentarfilm handelt es sich im Kern um einen Film, der vorgefundene Ereignisse und Tatsachen ohne dem Beifügen eines erfundenen Handlungsbogens, wiedergibt. Der vorliegende Film zeigt neben dem Protagonisten nur reale Personen und Handlungsorte aus seinem direkten oder indirekten Umfeld. Doch auch wenn es sich hier um die Dokumentation nicht fiktiver Aussagen und Situationen handelt, spiegelt ein Dokumentarfilm die Welt nicht unbedingt wieder, wie sie wirklich ist. Die gezeigten Fakten unterliegen immer einer Auswahl und damit auch einer subjektiven Wertung von Wichtigkeit. Was wir als fertiges Produkt konsumieren, kann im Endeffekt nur als eine Interpretation dieser Wirklichkeit gelten. Diese Interpretation findet durch den Regisseur oder die Regisseurin statt. Mit Elementen wie Schnitt(rhythmus), Beleuchtung, Ton oder auch dem gesprochene Text stehen Regisseur oder Regisseurin weitere Gestaltungsmittel zur Verfügung, durch deren Einsatz das Erfahren des Filminhalts entscheidend beeinflusst werden kann. TIPP: Einen aktuellen Überblick über Dokumentarfilme gibt die Filmzeitschrift „Schnitt“ in ihrer Ausgabe 58 aus dem Jahr 2010. Das Sachbuch „Bilder des Wirklichen: Texte zur Theorie des Dokumentarfilms“, herausgegeben von Eva Hohenberger, gibt einen wissenschaftlichen Überblick und einen Einblick in die Praxis von DokumentarfilmemacherInnen liefert das Buch „Dokumentarfilm: Werkstattberichte“ von Andreas Veiel und Béatrice Ottersbach. 2.1. Bedeutung und Einsatz filmischer Mittel Im Film stehen dem Regisseur oder der Regisseurin dutzende verschiedene Gestaltungsmittel zur Verfügung. Im Dokumentarfilm können und werden mitunter auch dieselben Mittel als im Spielfilm eingesetzt. Im Gegensatz zum Dokumentarfilm ist es hierbei aber für die ZuschauerInnen offensichtlich, dass eine fiktionale Handlung gezeigt wird. Im Sinne einer medienreflexiven Betrachtung gilt es nun, die gewählten Gestaltungsmittel als solche zu erkennen. In weiterer Folge kann mit diesem Wissen eine mögliche Absicht des Regisseurs oder der Regisseurin als solche erkannt und somit kritisch betrachtet werden. Ein Qualitätsanspruch an den Dokumentarfilm besteht in einer glaubwürdigen Vermittlung von Authentizität. Als formale Signale, die auf Authentizität hinweisen, werden von unserer heutigen Gesellschaft folgende Dinge erkannt: • wackelnde Kamera • unscharfes Bild • unausgewogenes Licht • Bildsprünge (Jump Cuts, Achsensprünge) in der Montage • Figuren wenden sich an die Kamera • Redebeiträge vom Team (das sichtbar oder unsichtbar ist) • authentische Menschen statt Schauspieler • natürlicher Hintergrund statt Dekoration1 1 Borstnar,N., Pabst, E., Wulff, H.J.: Einführung in die Film- und Fernsehwissenschaft 3. Biographie – Der Mensch Andy Holzer „Etwas nicht zu probieren macht mich wahnsinnig.“ (Andy Holzer) Andy Holzer wurde am 03. September 1966 in Lienz geboren. Bedingt durch die vererbte Netzhauterkrankung Retinitis Pigmentosa ist er seit Geburt an blind. Trotz dieser Einschränkung besuchte er einen Kindergarten für normal sehende Kinder. In weiterer Folge und trotz anderslautender Empfehlung besuchte Holzer eine reguläre Volks- wie auch Hauptschule und zum Abschluss den Polytechnischen Lehrgang. Anschließend machte er eine Ausbildung zum Heilmasseur und Heilbademeister. Seine heutige Ehefrau Sabine lernte er bereits 1987 über sein Hobby den Amateurfunk, kennen. Die beiden sind seit nunmehr 25 Jahren verheiratet. Als erster blinder Bergsteiger hat er sechs der Seven Summits, der höchsten Berge der sieben Kontinente, bestiegen. Heute ist der 46jährige Protagonist als professioneller Extrembergsteiger, Bestsellerautor und selbstständiger Vortragender tätig. Er hat sich an das Leben der Sehenden angepasst. Vorurteil behaftete Attribute wie Blindenstock oder Armbinde sucht man bei Holzer vergeblich. Auch die Blindenschrift beherrscht er nicht. Die blinde Welt interessiere ihn nach eigener Aussage einfach nicht. (Presseheft) Sein nächstes alpines Projekt startet im April 2015. Mit der geplanten Besteigung des Mount Everest stellt es einen weiteren Höhepunkt in der Karriere als Bergsteiger dar. 3.2. Blindheit - Erfahrung oder Behinderung? Die Leute glauben, wenn einer blind ist, dann realisiert er nichts. Für mich ist Blindheit eine andere Art wahrzunehmen. (Andy Holzer) Die Frage wie er die Welt sehe, beantwortet er, dass er das Gefühl habe, diese gleich zu sehen, als ein Sehender dies tut. Seine Eltern haben ihn als Sehenden erzogen und das Bewusstsein über die eigene Situation, die des „Andersein“ stellte sich erst mit dem zehnten Lebensjahr ein. Holzer war stets bemüht die Tatsache über seine Blindheit geheim zu halten. Durch sein offenes und aktives Auftreten gegenüber seiner Umwelt gelang es ihm tatsächlich auch über einen sehr langen Zeitraum Lehrer, Schulkameraden und sogar seine Cousins zu täuschen. Diese dachten vielmehr, dass sich sein Sehvermögen im Laufe der Zeit einfach nur verschlechtert hätte. Holzer selbst beschreibt diese Vorgehensweise als Strategie, als Blinder in einer nicht Blinden Umgebung akzeptiert zu werden. Wie teilweise auch im Film gezeigt wird, war es Holzer auch immer möglich an vielen sportlichen Freizeitaktivitäten wie z.B. Radfahren teilzunehmen. Auch die nächste Stufe, das Fahren mit dem Moped hatte er noch ausprobiert. Rückblickend betrachtet er es aber schon als großes Glück, dass er hierbei nicht ernsthaft zu Schaden gekommen ist. Erst als seine Freunde ihren Führerschein machten, konnte er nicht mehr mithalten. Obwohl er die Berge nie sehen konnte, hatte er schon von klein auf das Bedürfnis gespürt, diese Welt erleben zu wollen. Holzer beschreibt seine Arme als seine Augen und Hauptanreiz auf die Berge zu steigen, war der Wunsch, diese im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen. Im Laufe der Zeit stellt sich heraus, dass sich das Leben in der Wand viel angenehmer für ihn gestaltet, als auf dem flachen Boden. Auf steilen oder sogar senkrechten Untergründen ist es zum einen einfacher für ihn Halt und Orientierung zu finden, zum anderen gibt es keine Stolperfallen. Eine ähnlich Erfahrung bietet auch das Skifahren. Für Andy Holzer stellt seine Blindheit keine Behinderung oder gar Grenze dar. Er kennt das Leben nicht anders und erlebt diese Gegebenheit somit als eine Erfahrung welche ihn nicht beeinträchtigt sondern manchmal lediglich erfordert, neue Strategien für die Bewältigung von Hindernissen zu finden. Verfolgt man Holzers Ausführungen, lernt man schnell, dass etwaige Hindernisse oft nur im Kopf existieren und mit einer einfachen Anpassung des eigenen Verhalten gut zu überwinden sind. Unterricht: • Diskussion: Andy Holzer ist als Kind bemüht sein blindsein geheim zu halten. Versucht euch in die Situation reinzuversetzen: Warum hat er so gehandelt? Könnt ihr sein Handeln nachvollziehen? Könnt ihr euch vorstellen ebenso zu handeln? 3.3. Wahrnehmungswelten – Blind vs. Blind Etwa 90 Prozent der Reizverarbeitung und der Sinneswahrnehmung erfolgt über das Sehen. Die restlichen zehn Prozent teilen sich Eindrücke, welche wir über das Hören, Schmecken, Riechen und Fühlen sammeln. An dieser prozentuellen Verteilung ist gut erkennbar, von welch großer Bedeutung visuelle Eindrücke für den Menschen sind.2 Die verbliebenen Sinne beschreibt Holzer als gleichwertig wichtig für ihn. Unser Empfinden und unsere Wiedergabe der Realität kann niemals objektiv sein. Beides ist individuell und stets geprägt durch unsere subjektive Wahrnehmung. Würde man nun verschiedene Sehende Menschen mit denselben Situationen konfrontieren, wäre es demnach ganz normal, dass die Individualität des Einzelnen zu einer unterschiedlichen Reaktion führen kann. So selbstverständlich wie Sehenden die Fähigkeit zur eigenständigen Persönlichkeitsentwicklung zugesprochen wird, so selbstverständlich wird diese Blinden wieder entzogen. Wie schon durch das im Film gezeigte Gespräch zwischen Holzer und dem ebenfalls seit seiner Geburt blinden Musiker George Nussbaumer zeigt, unterliegt das Erleben von Blindheit wie auch der Umgang mit dieser durchaus auch individuellen Unterschieden. TIPP: Folgender Artikel der Tageszeitung Der Standard beschreibt das individuelle Empfinden George Nussbaumers sehr anschaulich: http://derstandard.at/1356427509880/Ich-kann-Gegenstaende-und- Waende-hoeren Unterricht: • Brainstorming: Versucht euch vorzustellen, die Mehrheit der Gesellschaft wäre blind. Wie würde sich unser Lebensraum verändern? 4. Gesellschaftlicher Umgang „Ich denke, jeder hat das Recht, die Welt mit eigenen Augen zu sehen.“ (Andy Holzer) Im öffentlichen Raum gibt es eine Vielzahl von Hindernissen, die Mobilität und Selbstbestimmung betroffener Personen auf unterschiedliche Weise beeinflussen bzw. sogar einschränken können. Städtebauliche Gegebenheiten wie z.B. Verkehrszeichen oder Hydranten, aber auch Werbeaufsteller oder an Mauern befestigte Postkästen sind für Sehenden Teil des Alltags und werden oft nur mehr am Rande 2 Vgl.: Hören Blinde besser?, Brandstetter, 2013: http://derstandard.at/1358303644583/Wenn-ein-Sinn-verloren-geht wahrgenommen. Für Blinde können solche Hindernisse große Auch die durch den Verkehr entstehende Lärmverschmutzung kann ein Problem bei der Orientierung darstellen. 3 Was es für Blinde bedeutet, sich in unser aller Lebensräumen zurechtzufinden, ist für Sehende oft nur schwer nachvollziehbar. Holzer hat die Erfahrung gemacht, dass der gesellschaftliche Umgang mit Menschen mit Behinderung weltweit unterschiedlich praktiziert wird. Seiner Meinung nach handelt es sich dabei aber nicht um eine differenzierte Wahrnehmung von Behinderten, sondern um eine grundsätzliche Einstellung, wie man mit seinen Mitmenschen umgeht. Auf die Frage, wie man denn als Sehender einem Blinden helfen soll antwortet er, dass es zuallererst wichtig wäre, zu verstehen, dass der Blinde der Spezialist der blinden Welt sei und nicht umgekehrt. Somit ist es für ihn auch am Blinden, bei Bedarf auf den Sehenden zuzukommen. Meistens geschieht es aber umgekehrt und daraus ergeben sich dann durchaus „tollpatschige“ Situationen. Der einfache Wunsch helfen zu wollen, wird so in der Realität oft ins Gegenteil gekehrt kann zu frustrierenden Erlebnissen führen.4 TIPP: Ein anschaulicher Beitrag Heiko Kunerts zum Thema Hilfe aus Mitleid. Als Betroffener erzählt er anhand eines selbst erlebten Beispiels wie unangenehm es sein kann, dem Mitleid einer Gesellschaft blind ausgeliefert zu sein: Umgang mit Behinderten Menschen: Euer Mitleid kotzt mich an! http://blindpr.com/2010/08/22/umgang-mit-behinderten-menschen-euer-mitleid-kotzt-mich-an/ Unterricht: • Brainstorming: Was fällt euch ein, wenn ihr an einen blinden Menschen denkt? Handelt es sich dabei auch um Vorurteile? Unterscheidet sich der Protagonist eurer Meinung nach von anderen Blinden? Begründet eure Meinung! • Diskussion / Selbstreflexion: Wie würdet ihr euer eigenes Verhalten im Bezug auf z.B. blinde Menschen einschätzen? Habt ihr schon einmal einem blinden Menschen eure Hilfe angeboten? Wie war seine Reaktion? Werdet ihr euer Verhalten gegenüber Blinden oder anderen Menschen die nicht der Mehrheitsgesellschaft entsprechen, zukünftig verändern? 4.1. Persönliche Erfahrungen des Protagonisten Im Alter von 10 Jahren wurde der Familie von einem Arzt gesagt, dass sie Andreas nach Wien auf eine Blindenschule geben sollten, da ansonsten nur ein Idiot aus ihm werden würde. Andy hat seiner Mutter noch am selben Abend das Versprechen abgenommen, ihn unter keinen Umständen wegzuschicken. Der Grund warum er nicht auf diese Schule wollte: er wollte seine Welt selbst und vor allem nach seinen Bedürfnissen barrierefrei gestalten. In einem Gespräch erklärt er, dass der Verbleib in der gewohnten Umgebung, der für ihn richtige Weg war. Allerdings merkt er auch an, dass er hierbei nur für sich selbst und nicht für andere Blinde sprechen könne.5 Tatsächlich kann das „weggeben“ betroffener Kinder eine „entscheidende Zäsur für die weitere Entwicklung“ darstellen. Das Kind wächst in einem (realitäts)fremden Raum auf und so kann es durchaus passieren, dass 3 Vgl.: Interview mit der Regisseurin auf: www.facebook.com/UnterBlinden 4 WDR Fernsehen Planet Wissen - Der blinde Bergsteiger Andy Holzer aus Tirol: www.youtube.com/watch?v=DHC_RmKzQiE 5 WDR Fernsehen Planet Wissen - Der blinde Bergsteiger Andy Holzer aus Tirol: www.youtube.com/watch?v=DHC_RmKzQiE ein gesellschaftliches Zugehörigkeitsgefühl nur ungenügend aufgebaut werden kann und dadurch die Kluft zwischen Sehenden und Blinden tiefer wird. Blinde sind "Sonderwesen", die geduldet und akzeptiert sind, aber behindert bleiben. Und wenn es ein Blinder im "normalen Leben" zu etwas gebracht hat, dann ist er eine Ausnahme unter den Blinden. Trotz aller Anstrengungen wird man immer wieder auf die "Blindheit reduziert" und "gegeneinander ausgespielt".6 4.2. Barrierefreies Kulturerleben für Blinde „Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.“ („Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ ) Um dieses Recht umzusetzen ist es notwendig, das Angebot für alle Menschen gleichermaßen frei zugänglich zu machen, das bedeutet barrierefrei zu gestalten. Sehbehinderte oder blinde Kinobesucher benötigen, um einen Handlungsablauf auf der Leinwand zur Gänze nachvollziehen zu können eine, über hörbare Dialoge und wahrnehmbare Hintergrundgeräusche hinausgehende, weiterführende Erklärung. Aus diesem Grund gibt es ein Verfahren in dem die Sprechpausen für sogenannte Audiodeskriptionen genutzt werden. Hierbei werden sämtliche Elementen besprochen, deren Kenntnis für das Verständnis des Films essentiell ist. Dazu gehören z.B. Mimik und Gestik der Darsteller, aber auch die Beschreibung der Drehorte. Die anfänglich bereits erwähnte, kostenlosen App GRETA ist ein großer Schritt auf dem Weg zum barrierefreien Kinobesuch. Zur Nutzung benötigt man lediglich ein Smartphone und Kopfhörer. Die App wird direkt im Kino aktiviert und der gewünschte Film angewählt. Der Start des Films wird im Weiteren automatisch erkannt und die Audiodeskription wird synchron dazu abgespielt. Das Projekt Theater4all realisiert an verschiedenen Theatern in Wien eine live eingesprochene Audiodeskription. Zum Empfang benötigt man ein portables Radio bzw. ein Handy mit Radioempfangsmöglichkeit. Auch in verschiedenen Museen gibt es Bemühungen Kunst für blinde und Sehbehinderte Menschen im wahrsten Sinne des Wortes „greifbar“ zu machen. Hilfreich sind dabei sogenannte Tastmodelle über welche es BesucherInnen erleichtert wird, sich einen Eindruck von Architektur und Ausstellungsobjekten zu machen über Im Kunsthistorischen Museum wurden z.B. dreidimensionale Tastmodelle einiger Gemälde angefertigt. Zahlreiche Einrichtungen bieten auch spezielle Führungen für Betroffene an. Tastmodell, Kunsthaus Graz © www.museumsblog.at Tastmodell, Raffael „Madonna im Grünen“ © www.khm.at 6 Vgl.: http://www.barrierefreies-webdesign.de/spezial/internet-hoeren-und-fuehlen/sonderstellung-von-blinden.html: Daoud-Harms, Mounira: Formen sozialer Beziehungen und Sehschädigung als Behinderung Weiterführende Informationen unter: www.gretaundstarks.de www.theater4all.at www.wien.info/de/reiseinfos/wien-barrierefrei/museen-barrierefrei TIPP: Ein Museum, das den Besuchern außergewöhnliche Wahrnehmungserlebnisse bietet, ist das Grazer Museum der Wahrnehmung. Aktuelle Themen und Ausstellungen unter: www.muwa.at Unterricht: • Brainstorming: Was bedeutet Barrierefreiheit eigentlich? Betrifft das alle Menschen? Gibt es dazu vielleicht ein Gesetz? • Recherche/Präsentation: Recherchiert Positiv- und Negativbeispiele für Barrierefreiheit in eurem Lebensumfeld (z.B. auf dem Schulweg). Dokumentiert die Beispiele anhand von Fotos. Die Ergebnisse können z.B. digital oder als Plakat präsentiert werden. 4.3. Schulische Inklusion Laut der im Jahre 2008 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechtskonvention ist der Zugang zur inklusiven Bildung allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung zu stehen. Im Jahr 2012 wurden in Österreich rund 52% der Kinder mit pädagogischen Förderbedarf in Regelschulen unterrichtet. Diese Zahl liegt somit ca. 30% unter dem europäischen Durchschnitt.7 In Österreich haben Kinder mit Behinderungen bis zur achten Schulstufe das Recht auf schulische Inklusion. 8 Die schulische Integration betroffener Kinder wird in der Regel sowohl von den sehbehinderten Kindern und deren Eltern wie auch von den LehrerInnen und MitschülerInnen als positive Erfahrung empfunden. Auf der einen Seite profitieren die blinden Kinder vom lebensnahen Umfeld wie auch durch die tägliche Interaktion mit sehenden Kindern verlieren sie auch nicht den Bezug zur Mehrheitsgesellschaft. Auf der anderen Seite profitieren auch die übrigen SchülerInnen, denen es durch die Inklusion möglich ist ein vorurteilsfreies und soziales Miteinander zu erlernen, in weiterer Folge auch zu leben und diese Erfahrungen im besten Falle auch an Familie und Freunde weiterzugeben. Trotzdem ist es wichtig den Kindern nach individuellem Bedarf auch die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen zu ermöglichen. TIPP: Für eine Einführung in das Thema empfiehlt sich das Buch "Der Sprung ins kalte Wasser. Integration blinder Kinder und Jugendlicher an allgemeinen Schulen" von Wolfgang Drave. 7 Pressemeldung Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich: www.ots.at/presseaussendung/OTS_20121014_OTS0042/bsvoepraesentierte-neue-wortmarke-bekenntnis-zur-inklusiven-bildung-bild 8 Vgl.: http://ams.brz.gv.at/arbeitundbehinderung/data/7.html Unterricht: Zu Andy Holzers Schulzeit war es eine absolute Ausnahme, als blindes Kind die Möglichkeit zu haben, eine Regelschule zu besuchen. • Diskussion / Selbstreflexion: Die SchülerInnen sollen sich mit der Frage beschäftigen, was schulische Inklusion zum einen für den Klassenverband, zum anderen aber auch für die Betroffenen bedeuten kann: Wie wäre es, einen blinden Mitschüler oder eine blinde Mitschülerin in der Klasse zu haben: Würde sich der schulische Alltag dadurch verändern? Was würde sich eurer Meinung nach verändern? Wäre das eine positive oder negative Veränderung? Denkt ihr, dass es möglich ist, dass euch die Anwesenheit eines blinden Mitschülers oder einer blinden Mitschülerin in irgendeiner Weise in eurer persönlichen Bewegungsfreiheit einschränken könnte? Vielleicht gibt es ja auch schon praktische Erfahrungen, welche im Klassenverband reflektiert werden können. 5. Literatur, Links, Impressum Literatur Borstnar,N., Pabst, E., Wulff, H.J.: Einführung in die Film- und Fernsehwissenschaft, 2002, Konstanz. Links zum Film: Trailer und Informationen zum Film: www.austrianfilm.at/unter-blinden1 Facebookseite mit diversen Interviews der Regisseurin: www.facebook.com/UnterBlinden Verwendete und weiterführende Links zum Thema: • Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: https://www.amnesty.de/alle-30-artikel-der-allgemeinenerklaerung-der-menschenrechte • Andy Holzer über das Bergsteigen: www.dolomitenstadt.at/2014/03/26/andy-holzer-reist-aufs-dachder-welt/ • Barrierefeie Filmfassung unter: www.gretaundstarks.de • Barrierefeies Theater erleben: www.theater4all.at • Barrierefeie Museen in Wien: www.wien.info/de/reiseinfos/wien-barrierefrei/museen-barrierefrei • Barrierefreie Museen für alle: www.museumsblog.at/2014/08/24/museen-barrierefrei-fuer-alle-einabbau-von-barrieren/ • Barrierefreies Webdesign - ein zugängliches und nutzbares Internet gestalten: www.barrierefreies-webdesign.de/spezial/internet-hoeren-und-fuehlen/sonderstellung-von- blinden.html • Blinde im Film – Filme über Blinde, Stefanie Zobl, 2008: http://film.fluter.de/de/245/film/6540/ • Blindenverband Österreich: www.blindenverband.at • Fünf Kurzfilme zeigen die Welt mit Sehbehinderung: www.woche-des-sehens.de/filme/ • Hörfilmangebot des ORF: http://kundendienst.orf.at/programm/behinderung/hoerfilm.html • Lernmaterial des Schweizer Blindenverbands: www.sbv-fsa.ch/de/node/77 • Möglichkeiten der Berufsausbildung für Behinderte: http://ams.brz.gv.at/arbeitundbehinderung/data/7.html • Onlineangebote, Literatur und Filme rund um das Thema Blindheit, BEBSK, 2015: www.bebsk.de/medientipps.html • Presseaussendung Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich zum Thema Inklusion: www.ots.at/presseaussendung/OTS_20121014_OTS0042/bsvoe-praesentierte-neue-wortmarkebekenntnis-zur-inklusiven-bildung-bild • Schulmaterial zum Thema Umgang mit Blinden und Sehbehinderten, Eduversum GmbH: „Blind ist nicht blöd! - Umgang mit Behinderten“: www.lehrer-online.de/blind.php • Selbstversuch: Für ein paar Stunden blind: http://diepresse.com/home/leben/mensch/4574735/Selbstversuch_Fur-ein-paar-Stunden-blind? from=suche.intern.portal • Sinneswahrnehmung blinder Menschen: http://derstandard.at/1358303644583/Wenn-ein-Sinn- verloren-geht • Wahrnehmung am Beispiel George Nussbaumer: http://derstandard.at/1356427509880/Ich-kannGegenstaende-und-Waende-hoeren • WDR Planet Wissen mit Andy Holzer: www.youtube.com/watch?v=DHC_RmKzQiE Filmsprachliche und filmanalytische Grundbegriffe: • Glossar bei „24 – Das Wissensportal der deutschen Filmakademie“: www.vierundzwanzig.de/glossar • „Die Sprache des Films“ auf mediamanual.at des BMUKK: www.mediamanual.at/mediamanual/leitfaden/filmgestaltung/grundelemente/sprache_des_films/ Impressum: Thimfilm GmbH Leitermayergasse 43/4 , 1180 Wien Geschäftsführung: Andreas Thim-Taban Leitung Presse und Marketing: Michaela Englert Tel: +43 1 236 21 90 Fax: +43 1 236 21 90 9 Mail: [email protected] Website: www.thimfilm.at Bilder: © Thimfilm Verfasser: Natascha Kline, Erk Schilder Mail: [email protected] Arbeitsblatt Beantworte die Fragen zum Film und Protagonisten: – Was ist das Thema des Films "Unter Blinden"? – Worauf bezieht sich der Filmtitel? – Welche Bedeutung hat für Andy Holzer das Bergsteigen? – Wie sähe das Leben von Andy Holzer heute aus, wenn er als Kind auf eine Blindenschule gekommen wäre? – Beschreibt die Lebensstrategie von Andy Holzer? – Was könnten die Gründe gewesen sein, dass Andy Holzer in seiner Kindheit seine Blindheit verschwiegen hat? – Warum ist es für Andy Holzer möglich mit dem Rad zu fahren, aber nicht mit einem Motorrad? – Warum ist eine steile Abfahrt mit den Schiern besser zu bewältigen, als das geradeaus fahren? – Was sind die Hobbies von Andy Holzer und was macht er beruflich? – Nimmt Andy Holzer seine Blindheit als eine Behinderung wahr? – Wie wird das Verhältnis von Andy Holzer zu seiner Familie (Eltern, Ehefrau) und zu seinen Freunden dargestellt. Ergänzung zu Punkt 2.1. : – Der Fim "Unter Blinden" ist ein Dokumentarfilm. Warum? Was zeichnet einen Dokumentarfilm aus? Welche andere filmischen Mittel nutzen andere Dokumentarfilme? Stellt euch folgende Situation vor: Euer Lehrer behauptet, dass der vorliegende Film eine Spielfilm sei, welche Argumente würdet ihr dagegen setzen? – Der Film hat keinen OFF-Kommentar. Wie findet ihr das? Würde der Film anders wirken, wenn er einen hätte? Nehmt exemplarisch eine Szene und schreibt einen eigene Kommentar zum Film. Überlegt euch dabei, welche Rolle ein Kommentar in einem Film haben kann. – Schaut euch den Film nach seinen ästhetischen Mittel an (Musik, Schnitt, Kamera, Bild, Licht u.a.) und diskutiert an einem Beispiel warum sich die Regisseurin jeweils so entschieden hat. Überlegt euch, wie sähe die Szene aus, wenn sich die Regisseurin anders entschieden hätte? – Sucht nach Szenen im Film, in denen die Regisseurin die spezielle Situation Andy Holzers mit filmischen Mitteln darstellt. Welche Mittel sind das?
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