Praxis AutomatenMarkt Vergnügungssteuer nach dem EuGH: Wie geht es weiter? Vergnügungssteuer: Wie ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in der Rechtssache Metropol zu bewerten? Wie steht es beispielsweise um die „kalkulatorische Abwälzung“ der Steuer? Sicher ist, bei den vielerorts zu verzeichnenden drastischen Steuererhöhungen wird irgendwann von einem Verwaltungsgericht die Erdrosselung festgestellt werden müssen. Ein Fachbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Florian Heinze. D as vor dem EuGH geführte Vorabentscheidungsverfahren über gemeinschaftsrechtliche Fragen zur Umsatz- und Vergnügungssteuer hat eine breite Diskussion erfahren. Zur Erinnerung: Das Finanzgericht Hamburg hatte dem EuGH insgesamt neun Fragen in einem Vorabentscheidungsverfahren zur Entscheidung vorgelegt. Die vom FG Hamburg gestellten Vorlagefragen befassten sich unter anderem mit der Zulässigkeit der parallelen Erhebung von Umsatz- und Vergnügungssteuer sowie im Hinblick auf den mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsgrundsatz mit der für Spielbankenbetreiber aufgrund der Landesspielbankengesetze eröffneten Möglichkeit, die Umsatzsteuerzahllast auf die Spielbankenabgabe anzurechnen, während bei gewerblichen Aufstellern von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit die von diesen zu zahlende Umsatzsteuer nicht auf die parallel zu zahlende Vergnügungssteuer angerechnet werden kann. Die nationalen Gerichte sind gefordert Der EuGH hat in dem dort geführten Vorabentscheidungsverfahren (Rechtssache Metropol, Urteil vom 24. Oktober 2013, Aktenzeichen C-440/12) die parallele Erhebung von Umsatz- und Vergnügungssteuer ebenso für gemeinschaftsrechtskonform erklärt, wie die für die Betreiber öffentlicher Spielbanken gegebene Möglichkeit der Anrechnung der Umsatzsteuer auf die von ihnen zu zahlende Spielbankenabgabe. Wenngleich damit auf der gemeinschaftsrechtlichen Ebene mit Blick in die Zukunft kaum Veränderungen an der Umsatz- und Vergnügungssteuererhebung zu erwarten sind, ist damit die nationale Diskussion über die Zuläs- 40 AutomatenMarkt Der Autor Dr. Florian Heinze ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Heinze Langen v. Senden, Hannover, und Justiziar des Automaten-Verbandes Niedersachsen. Außerdem ist er als Lehrbeauftragter der Hochschule Weserbergland tätig. sigkeit der Vergnügungssteuer noch lange nicht beendet. Im Gegenteil: Nach der Schaffung gemeinschaftsrechtlicher Klarheit durch den EuGH steht nun fest, dass der Streit um die Vergnügungssteuererhebung ab sofort vor den nationalen Gerichten ausgefochten werden muss. Den ersten auf nationaler Ebene zu diskutierenden rechtlichen Ansatzpunkt liefert der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache Metropol selbst. Zwar weist der EuGH darauf hin, dass jedenfalls auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene unter Beachtung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie die Anrechenbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe deshalb einen Verstoß gegen das umsatzsteuerrechtliche Neutralitätsprinzip nicht darstelle, weil gerade nicht die Umsatzsteuer, sondern die Spielbankenabgabe aufgrund dieser Anrechnungsmöglichkeit verringert werde und die Mehrwertsteuersystemrichtlinie nur zur umsatzsteuerrechtlichen Gleichbehandlung zwinge. Zugleich benennt der EuGH jedoch eine auf der Hand liegende April 2014 Spiegel der Branche Ungleichbehandlung in Ansehung der nicht harmonisierten Sonder abgabe (der Spielbankenabgabe auf der einen Seite und der Ver gnügungssteuer auf der anderen Seite) und artikuliert in seiner Entscheidung in der Rechtssache Metropol Bedenken, die er jedoch – da derartige Sonderabgaben auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene keine harmonisierenden Regelungen erfahren haben – nicht beantworten musste. Berücksichtigt man die Hinweise des EuGH auf der Ebene des nationalen Verfassungsrechts, so wird zu prüfen sein, ob möglicherweise durch die für Spielbanken existente Anrechnungsregelung der aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz auch im Hinblick auf das Steuerrecht folgende Gleichbehandlungsgrundsatz dadurch verletzt wird, dass Spielbankenbetreibern eine Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe gestattet wird, Praxis während dies in Ansehung der von den Aufstellern von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit zu zahlenden Vergnügungssteuer nicht der Fall ist. Die Antwort auf diese Frage liegt nicht auf der Hand, bedarf gründlicher Erforschung und vermutlich abschließender Klärung durch das Bundesverwaltungsoder das Bundesverfassungsgericht. Verkürzt zusammengefasst gebietet es Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz, „Gleiches gleich und Ungleiches ungleich“ zu behandeln. Weicht der Gesetzgeber von diesem Gebot der Gleich- beziehungsweise Ungleichbehandlung ab, bedarf diese Abweichung einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Die wohl zentrale Frage ist, ob die Aufsteller von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit auf der einen Seite und die Betreiber von Spielbanken „gleiche“ Leistungen erbringen, sodass zunächst einmal Tipp: Führen Sie ein klärendes Gespräch Mit dem Urteil vom 20. Februar 2014 (Az. 2 K 84/13) hat das FG Bremen in einem dort geführten Vergnügungssteuerverfahren die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen. Zwar hielt das FG Bremen in dem dort geführten Verfahren alle gegen die Vergnügungssteuersatzung der Stadt Bremen vorgebrachten Argumente für nicht durchgreifend. Gleichwohl hat das FG Bremen jedoch – etwas über raschend – einen Klärungsbedarf gesehen und die Revision zum BFH zugelassen. Aufstellunternehmer sollten daher vor dem Hintergrund dieser Entwicklung dringend mit ihrem Steuerberater oder ihrem Rechtsanwalt klären, ob künftig aufgrund der Revisionszulassung durch das FG Bremen Vergnügungssteuerbescheide wieder offengehalten werden sollen. Soweit Aufstellunternehmer noch rechtshängige Vergnügungssteuerklagen unter Berücksichtigung des beim EuGH in der Rechtssache Metropol geführten Vorabentscheidungsverfahrens haben, sollten Steuerberater oder Rechtsanwälte jedenfalls den erneuten Versuch unternehmen, Verwaltungsgerichte in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO zur Aussetzung der Verfahren zu bewegen. AutomatenMarkt April 2014 nach der Vorstellung der Verfassung gleich zu behandelnde Sachverhalte vorliegen. Jedenfalls hat der EuGH – wenngleich im Kontext einer umsatzsteuerrechtlichen Fragestellung in der Rechtssache Linneweber – festgestellt, dass es auf die rechtliche Qualifikation des Anbietenden (privater Betreiber von Spielhallen und staatliche Spielbank) nicht ankomme, sondern allein die Leistungen vergleichbar sein müssten (was der EuGH in der Rechtssache Linneweber bejahte). Denkt man diesen vom EuGH entwickelten Gedanken fort, so könnte dies dafür sprechen, auch auf verfassungsrechtlicher Ebene von „gleichen“ Leistungen auszugehen, die gleich zu behandeln wären, sofern eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung hierfür nicht existiert. Zu prüfen wird dann sein, ob der Gesetzgeber frei darin ist, von zwei gleichen Leistungen die eine einer Abgabe mit Umsatzsteueranrechnungsmöglichkeit zu unterwerfen und bei der anderen Vergnügungssteuer ohne Anrechnungsmöglichkeit zu erheben. Problematisch ist auch, dass eines eine Landesabgabe (Spielbankabgabe) und eines eine kommunale Steuer (Vergnügungssteuer) ist. Im Kontext von Artikel 3 Absatz 1 GG sind daher noch viele Fragen offen. Fehlende kalkulatorische Abwälzbarkeit Auf nationaler Ebene wird weiter der Fokus auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte (man könnte besser sagen: erfundene) kalkulatorische Abwälzbarkeit der Steuer gerichtet werden. Dass die Vergnügungssteuer wenigstens „kalkulatorisch“ auf den Spieler ➣ 41 Praxis AutomatenMarkt Blick in eine moderne Spielstätte. Die Berufsausübungs- und Gewerbefreiheit ist im Deutschen Grundgesetz festgeschrieben. abgewälzt werden können muss, folgt aus ihrem Charakter als örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Artikel 105 Absatz 2a Grundgesetz. Dabei wird bei den vergnügungssteuerrechtlichen Verfahren in der Zukunft scharf zu trennen sein zwischen dem jahrelang und vielfach erfolglos ins Feld geführten Aspekt der Erdrosselung des absoluten Steuersatzes als verfasssungswidrige Einschränkung der Berufsausübungs- oder Gewerbefreiheit und der unabhängig hiervon notwendigen kalkulatorischen Abwälzbarkeit einer nicht erdrosselnden Steuer.Die kalkulatorische Abwälzbarkeit kann man jedoch in jüngster Zeit insbesondere dort in Zweifel ziehen, wo die Kommunen bei der Erhöhung der Vergnügungssteuer erhebliche Steuersprünge vollzogen haben. Eine kalkulatorische Abwälzbarkeit bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass dem Steuerschuldner nicht die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag – etwa wie einen durchlaufenden Posten – vom Spielgast auch ersetzt erhalten. Die Steuerüberwälzung soll ein „wirtschaftlicher Vorgang“ sein. Das Steuerrecht überlasse es in derarti- 42 gen Fällen dem Steuerschuldner, den Steuerbetrag „in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens zu wahren“. Erhöht nun eine Kommune die Vergnügungssteuer etwa von zehn Prozent auf einen Steuersatz von 20 Prozent auf die Bruttokasse, dann ist zweifelhaft, ob dem Unternehmer nach einer solchen Steuererhöhung noch die „kalkulatorische Abwälzung“ der Steuer gelingt. Die kalkulatorische Abwälzbarkeit (also: die Einbeziehung der Steuer in die Kalkulation) muss in derartigen Fällen deshalb scheitern, weil der Aufstellunternehmer keine Chance hat, die gestiegene Vergnügungssteuer durch Kosteneinsparungen in anderen Bereichen zu kompensieren. Erdrosselung durch zu hohe Steuersätze Die wesentlichen Kostenfaktoren des Betreibers einer Spielhalle bestehen aus den Mieten, den Leasing-Raten und -Sonderzahlungen sowie den Arbeitslöhnen. An diesen Kostenpositionen kann der Aufstellunternehmer im Falle eines derartigen Steuersprungs einseitig nichts verändern. Wie in einem solchen Fall noch „kalkulatorisch“ AutomatenMarkt April 2014 abgewälzt werden kann, erschließt sich jedenfalls auf den ersten Blick nicht. Bei aller Erfolglosigkeit der bislang unter dem Aspekt der Erdrosselung geführten Vergnügungssteuerprozesse darf jedoch auch die Auseinandersetzung mit diesem Aspekt nicht enden. Es ist völlig unstreitig und von der Rechtsprechung anerkannt, dass ein die Gewerbe ausübung unmöglich machender Steuersatz eine verfassungswidrige Einschränkung der Berufsausübungs- und Gewerbefreiheit darstellt. Nimmt man diesen Gedanken ernst, so steht zugleich fest, dass irgendwann die Erdrosselung von einem Verwaltungsgericht festgestellt werden muss, wenn sich Steuersätze weiterhin – wie bisher – rasant nach oben entwickeln. Das bisherige Verhalten der Kommunen deutet jedenfalls nicht darauf hin, dass weitere Steuererhöhungen auch über die bislang von der Rechtsprechung unter dem Aspekt der Erdrosselung für zulässig gehaltenen Steuersätze hinaus unterbleiben. Auf nationaler Ebene nimmt die Diskussion über die Grenzen der Zulässigkeit der Vergnügungssteuererhebung erst Fahrt auf. Die Entscheidung in der Rechtssache Metropol bildet auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene wohl den Schlusspunkt, auf nationaler Ebene jedoch den Auftakt, um sich auch in der Zukunft intensiv mit den sich aufdrängenden Rechtsfragen der Vergnügungsteuererhebung zu befassen. Insbesondere bei erheblichen Steuersprüngen gibt es Anlass, an der Zulässigkeit dieser Vergnügungssteuererhebung zu zweifeln. Der spannende Teil der juristischen Diskussion fängt gerade erst an. ❒
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