PRO & CONTR A Fotos: Kay Herschelmann, BVI Soll Deutschland wie Frankreich eine Finanztransaktionssteuer einführen? BEATE MENSCH leitet bei ver.di den Fachbereich Finanzdienstleistungen THOM AS RICHTER ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands und ist Mitglied des Bundesvorstandes. Investment und Asset Management. „Ja! Eine klare Mehrheit der Bevölkerung ist dafür. Auch das EU-Parlament hat schon im letzten Jahr mit großer Mehrheit dafür gestimmt. Nur wenige trauen sich seit der erfolgreichen Kampagne „Steuer gegen Armut“, die Argumente heranzuziehen – dass etwa vor allem Kleinanleger getrofen würden. Trotzdem fand die Merkel-Regierung immer wieder Ausreden, um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf die lange Bank zu schieben. Und jetzt prescht Sarkozy vor: Er steckt im Wahlkampf und will punkten. Und er will nur eine abgespeckte Version einführen. Die Besteuerungsgrundlage sollen im Wesentlichen Aktien und ihre Derivate sein. Ein Großteil der Spekulationsgeschäfte, etwa mit Rohstofen, Währungen, würde nicht erfasst. Doch durch den französischen Vorstoß gibt es für die Bundesregierung nun keine Ausreden mehr. Sie sollte aber statt der französischen Magerversion eine richtige Finanztransaktionssteuer einführen. Diese müsste neben Aktien und Anleihen alle Arten von Derivaten und den Devisenhandel einbeziehen. Ein geringer Steuersatz von 0,05 Prozent würde europaweit circa 230 Milliarden Euro Steuereinnahmen bringen.“ Was ist Ihre Meinung? Schicken Sie uns Ihren Leserbrief oder Ihre Themenvorschläge für diese Rubrik an: [email protected] „Nein, die Steuer schadet Deutschland, auch wenn die abgespeckte französische Variante weniger schädlich ist als der Vorschlag der EU-Kommission. Vor allem die Bürger würden diese Steuer zahlen, nicht die Banken. Beispiel: 1,8 Billionen Euro haben Anleger hierzulande in Investmentfonds investiert, den Großteil für die Altersvorsorge. Die Annahme, die Fondsgesellschaften müssten die Steuer zahlen und würden dann versuchen, sie an die Kunden weiterzugeben, was ihnen aus Wettbewerbsgründen aber nur teilweise gelänge, verkennt die Rechtslage: Die Fondsgesellschaften sind nicht Eigentümer der Wertpapiere, sondern die Anleger. Also würden Letztere direkt die Finanztransaktionssteuer (FTT) zahlen. Das wäre paradox: Einerseits fördert der Staat mit Milliarden die Altersvorsorge, andererseits bestraft er langfristiges Sparen mit einer Steuer. In Ländern ohne FTT gäbe es diese Nachteile nicht. Es käme zu Ausweichreaktionen dorthin zulasten des deutschen Fiskus und der deutschen Aufsicht. Die FTT wird zu Steuerausfällen führen! Genauso trügerisch ist die Hofnung, die FTT würde unnütze Transaktionen beseitigen. Tut sie vielleicht, aber sie verhindert auch nützliche, wie sie etwa für Kapitalgarantien erforderlich sind. Zudem sind nationale Alleingänge unvereinbar mit der Idee des europäischen Binnenmarktes.“ ■ Mitbestimmung 3/2012 9
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