Der falsche Weg: Wenn Schlucken gefährlich wird In 80 Tagen um die Welt 19.06.2010 36. Zentralschweizerisches Symposium für Innere Medizin [email protected] Diagnostik zu Fuss mit leichtem Gepäck Wie weit kommt man damit? Anatomie und Funktion des Kehlkopfes und Schlundes Atemweg Schluckweg Kehldeckel Stimmlippen Luftröhre Speiseröhre Normaler Schluckakt Schluckphasen Normaler Schluckakt Schwer gestörter Schluckakt Bedeutung von Schluckstörungen • Aesthetisch auffallend – Schmatzen, Sabbern u.ä • Ungenügende Energie- u. Volumenzufuhr • Entwicklung lebensbedrohlicher Komplikationen – Angeblich sind 40% der bedrohlichen Schluckerkrankungen unauffällig! Ursachen von Schluckstörungen • Strukturelle Schäden – Halstumoren, Resektionsdefekte, Bestrahlungsschäden • Zentrale und periphere Lähmungen – Z.n. Hirninsulten o. Hirnverletzungen – neurodegenerative Erkrankungen • Kognitive Störungen • Symptomatische Störungen Indirekte Symptome • Nahrungsverweigerung, „Appetitlosigkeit“ • Unklarer Gewichtsverlust • Häufiges Husten und Räuspern beim Essen u. Trinken • Schluckblockaden, „Kloss im Hals“ • Unklare Fieberschübe • Häufige Pneumonien • Veränderung der Stimme u. des Sprechens Direkte Symptome • Nahrungsaufnahme dauert viel länger • Abneigung gegen bestimmte Konsistenzen, fest, krümelig, klebrig, flüssig • Steckenbleiben von Nahrung • Häufiges Ausspucken von Nahrung Aspekte der Schluckdiagnostik • Liegt eine relevante Schluckstörung vor? • Besteht ein dringlicher Handlungsbedarf? • Welche Ursache hat sie? Orientierende Diagnostik • • • • Anamnese Inspektion Auskultation Palpation Besondere Fragen • Nach den genannten Symptomen • Nach Begleiterkrankungen – Degenerative neur. Erkr., Bestrahlung am Hals, Schädelverletzungen, Blutungen, Infarkte, etc. • Was geht besser: festes oder flüssiges – Festes! Spricht gegen strukturelle Ursachen – Flüssiges! Spricht gegen neurogene Ursachen Inspektion • Aeusserer Aspekt – Fähigkeit stabil aufrecht zu sitzen – Speichelinkontinenz – ungenügende Schluckfrequenz o. ineffizienter Schluckakt • Mundhöhle – Feuchte Schleimhaut? – suff. Volumenzufuhr! – Velum- u. Zungenbeweglichkeit, Atrophien, Lähmungen, Faszikulationen – Rachenreflexe – Nahrungsmittelreste Auskultation • Typisches Schluckgeräusch, 2 Sek. lang • Stimmveränderung, feuchte Stimme, häufiges Räuspern, tonlose Stimme – Vagusläsion! Unfähigkeit Stimmlage deutlich zu erhöhen – n.lar.sup. Läsion – herabgesetzte supraglott. Sensibilität • Husten möglich? Feuchte Stimme + kein Husten = silent aspirator, Leichtes Pressen – fester Glottisschluss möglich Auskultation • Sprechundeutlichkeit – Unfähigkeit zur schnellen Bewegungskoordination beim Sprechen und beim Schlucken! • Feuchte Atemgeräusche Palpation • Zeigefinger Mitte Mundboden, kleiner Finger auf den Schildknorpel, die anderen dazwischen, Mundbodenretraktion – Larynxelevation u. –senkung in 2-3 Sek. • Auffällig: Latenz nach Anweisung > 3Sek., repetitive Zungenstösse, Auflösung des flüssigen Bewegungsablaufes, mehrere Schluckakte bei Boli < 5 ml (physiologische Bolusgrösse 5 – 15 ml) Einfache Instrumentelle Diagnostik • Mit dem Kehlkopfspiegel – symmetrische Stimmlippenbeweglichkeit spricht gegen eine Vagusläsion – Ein Speichelsee in einem sinus piriformis ist das typische Zeichen einer Vagusläsion Erweiterte Diagnostik • Endoskopie, i.W. zum Auschluss struktureller Ursachen (z.B. Tumoren, Lähmungen) , Nachweis von Miniaspirationen, Information und Schulung des Patienten. • Röntgen, i.W. Darstellung der pharyngealen Phase, Differenzierung der Bewegungspathologie, Ausschluss oberer Oesophagusstenosen. Unspezifische Therapieansätze? • Physiologische Schluckhaltung – Oberkörper vertikal, Schulter und Kopf leicht anteflektiert • Anpassen der Konsistenz – Eindicken von Flüssigkeiten – Purieren, mit viel Sosse anreichern – Vermeiden gemischter Konsistenzen • Notnahrung – Fliessfähig eingedickte kalte Fruchtsäfte, sauer und kalt macht einen kräftigen Hustenreiz bei Aspiration, wird gustatorisch allgemein gut akzeptiert – Cave Milchprodukte: Fett in der Lunge? Die folgenden Therapiekonzepte sollten im Allgemeinen von geschulten Therapeutinnen durchgeführt werden! Kompensierende Schluckmanöver • Supraglottisches Schlucken = Stärkung des Glottisschlusses + automatisiertes Abhusten • Nachschlucken meist kombiniert mit supraglottischem Schlucken • Kraftvolles Schlucken presst die Vallekel aus • Mendelsohn Manöver verlängert willkürlich die Larynxelevation und die Passagezeit in den Oesophagus In bedrohlichen Situationen z.B. bei offenkundiger erheblicher Aspirationsgefahr und wenig Kompensationsreserven Nasale Magensonde und kompletter Stop der oralen Zufuhr
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