WEINBAU Neben konventionellen Methoden wie Teilentblätterung oder Traubenhalbierung können Alternativen wie Handabstreifung der Trauben oder frühe Gescheinsausdünnung Alternativen der Ertragsregulierung darstellen. Ein Auszug aus dem neuen Buch „Ausdünnen – Weniger Trauben, mehr Qualität“; jetzt im Meininger Verlag erschienen. Was bringen alternative Ausdünnmöglichkeiten? Text und Abbildungen: Dr. Matthias Petgen, DLR Rheinpfalz Eine arbeitswirtschaftlich interessante Alternative zur Grünlese ist die "Gescheinsreduzierung" vor bzw. während der Blüte, die bereits 1991 von Weiss beschrieben wird. Wird diese Maßnahme bei einer Trieblänge von 25-30 cm durchgeführt, verursacht sie einen Arbeitsaufwand von etwa 40-60 Akh/ha (Weiss, 1991). Die Durchführung ist relativ einfach durch Abknipsen mit dem Daumen und Zeigefinger durchführbar. Da noch wenig Laubmasse vorhanden ist, ist eine gute Übersicht gewährleistet. Gescheinsreduzierung vor der Blüte Großes Bild: Frühe Ertragsregulierung noch vor der Blüte - Gescheine abknipsen. Kleines Bild: Beim Abziehen der Gescheine können größere Wunden entstehen -besser mit zwei Fingern abknipsen oder schneiden. Rechts: Auswirkung eines GIBB3Einsatzes beim lockerbeerigen Spätburgunder-Klon M1 14 Eine so frühe Ertragsregulierung ist allerdings sehr risikobehaftet, da der Blühverlauf und eventuelle Verrieselungsschäden nicht kalkulierbar sind. Wie beim herkömmlichen Ausdünnen kann der Packungsgrad der Trauben und das Beerenvolumen zunehmen, so dass die Botrytisgefahr stark ansteigt. Die Ertragsminderung lag bei Weiss (1991) zwischen 25-40% bei 5 bis 6 °Oe Mostgewichtszuwachs. Ähnliche Ergebnisse erzielte Walg mit den Sorten Silvaner, Weißburgunder, Riesling, Portugieser und Dorn- felder, allerdings lag der Arbeitsaufwand bei nur 17-20 Akh/ha. Kohler (2003) sieht keinen großen Vorteil bei der Gescheinsreduzierung. Die Durchführung fällt zudem in eine arbeitsintensive Phase, in der ausgebrochen und geheftet wird. Die Versuchsergebnisse am DLR Rheinpfalz zur frühen "Gescheinsreduzierung" aus dem Jahr 2004 waren vielversprechend. In einer Weißburgunderanlage wurde der Ertrag durch frühes Entfernen von Gescheinen auf eine Blütenanlage pro Trieb von 158 kg/a auf 119 kg/a um 25% reduziert (Tab. 1). Gleichzeitig stieg das Mostgewicht von 97°Oe auf 107°Oe. Der Arbeitsaufwand für die Maßnahme lag mit 26 Akh/ha etwas höher als bei den Werten von Walg. Im Vergleich zur konventionellen Ausdünnung auf eine Traube pro Trieb mit 70-100 Akh/ha sicherlich eine interessante Alternative. Neben dem erhöhten Mostgewicht war auch die Stickstoffversorgung der Moste deutlich verbessert. Der Gesamtstickstoffgehalt in der "gescheinsreduzierten Variante" war mit 323,8 mg/l um 14% höher als in der unbehandelten Kontrolle (279 mg/l, Tabelle 1). Aus der Der Deutsche Weinbau • 6.5.2005 • Nr. 9 WEINBAU Tabelle 1: Einfluss ertragsregulierender Maßnahmen auf Mostgewicht, Säure sowie Stickstoffgehalte im Most bei der Rebsorte Weißburgunder (2004) Variante Mostgw. Ertrag (°Oe) kg/a GS g/l Aminosticks. (FAN)1(mg/l) Ammonium Ges.Stick(mg/l) stoff (mg/l) Kontrolle Ausdünnung Traubenhalbierung2 Gescheine abknipsen Triebzahlreduktion3 Handabstreifung 97 110 110 107 108 105 6,96 7,04 7,10 6,89 6,73 6,95 205,9 226,9 214,6 243,0 201,1 232,4 73,5 71,5 59,9 77,9 60,2 75,8 158,7 79,4 98,2 119,2 107,7 94,3 279,2 304,4 279,7 323,8 270,8 310,4 ) gemessen nach der NOPA-Methode [hefeverwertbare Aminosäuren ohne freies Ammonium; als Minimum für die Hefeversorgung wird ein Wert von 150 mg/l angenommen]; 2) ES 79, 3) auf 6 Triebe/Stock reduziert 1 Abbildung 1 (Seite 17) wird der Kompensationseffekt der Beeren in Form eines verstärkten Dickenwachstums durch die frühe ertragsregulierende Maßnahme deutlich. Das Einzelbeerengewicht ist von 1,17 g (Kontrolle) auf 1,36 g durch die "Gescheinsreduzierung" gestiegen. Trotz vergrößerter Einzelbeeren kam es nicht zu den befürchteten Abdrückerscheinungen an den Trauben. Der Deutsche Weinbau • 6.5.2005 • Nr. 9 Es wurde in der Anlage in den Versuchen im Jahr 2004 aufgrund der trockenen Witterung kein Botrytisbefall festgestellt. Es muss allerdings davon ausgegangen werden, dass in mastigen Anlagen bei dichtbeerigen Sorten und Klonen durch extrem frühe Ausdünnung eine gute Durchblührate induziert wird, die nachfolgend eine verstärkte Fäulnis hervorrufen kann. 15 WEINBAU Eine Gescheinsreduktion ist zu empfehlen in/bei: • Anlagen im zweiten bis vierten Jahr, sofern schwachwüchsig • Anlagen auf extremen Trockenstandorten (Sandboden) • eher lockerbeerigen Sorten/Klonen • Sorten mit extrem hohem Gescheinsansatz (Regent/Riesling/Huxel), aber nur 3. und falls vorhanden 4. Geschein entfernen, später eventuell weiter ausdünnen • Huxel und Merlot; es empfiehlt sich bereits die Gescheine zu halbieren. Einsatz von GIBB3 Bisherige Rechtslage: Im Frühjahr 2004 bekam das Mittel GIBB3 eine Genehmigung (§11 PflSchG, Gefahr im Verzug) für die Anwendung zur Lockerung des Traubenstielgerüstes zur vorbeugenden Abstreifen der jungen Trauben Abgestreifte Grauburgunder bei Reife Behandlung der Essigfäule bei den Rebsorten Grauburgunder, Weißburgunder, Spätburgunder, Schwarzriesling und Portugieser, die 120 Tage gegolten hat. Für 2005 wurde erneut eine §11-Genehmigung für 120 Tage erteilt. Eine Anwendung bei nicht aufgeführten Sorten muss unbedingt unterbleiben. Bei Riesling wurden im Frühjahr 2004 deutliche Austriebsschäden sowie Fruchtbarkeitsstörungen (auch bei St. Laurent) beobachtet. Eine Zulassung von GIBB3 als Pflanzenschutzmittel ist frühestens 2006 zu erwarten. Durch die Applikation in die Vollblüte (ES 63-68, 160 g GIBB3/ha) wurde die Traubenstruktur in den eigenen Versuchen im Jahr 2004 bei den Sorten Spätburgunder und Grauburgunder aufgelockert. Aufgrund der deutlichen Reduzierung der Gesamtbeerenanzahl/Traube (Spätburgunder um 60,4% bzw. Grauburgunder um 30,1%, vgl. Tabelle 2) und einer gleichmäßigen Auflockerung der Trauben wird eine stark verminderte Neigung zu Fäulnis erzielt. Beim 16 kompakten Spätburgunder-Klon "Wiegert" konnte das Auftreten von Botrytis durch den Einsatz von GIBB3, unabhängig vom Applikationszeitpunkt (ES 63, ES 65 und ES 68), deutlich reduziert werden (vgl. Abb. 2). Die induzierte Lockerbeerigkeit führte auch bei Grauburgunder zu merklich verringertem Botrytis- und Essigfäulebefall (vgl. Abb. 3). Die Befallshäufigkeit (BH) konnte durch GIBB3 von 42,5% bis auf 4,5% in der Standardvariante (160 g GIBB3/ha, Vollblüte, ES 65) reduziert werden. Eine Anwendung bei Grauburgunder führte auch bei Unterkonzentrierungen mit 80 und 120 g GIBB3/ha zu gleichen Resultaten und verminderte den Botrytisbefall. Auch das Auftreten der Stiellähme konnte durch die Anwendung von GIBB3 verringert werden (Petgen und Götz, 2004). Die aktuellen Versuchsergebnisse bestätigen die Resultate aus dem Vorjahr und lassen für den möglichen Einsatz eine Zeitdauer um die Blüte von mehreren Tagen zu. Fazit: Im Rahmen des Qualitätsmanagements könnten die Gibberelline in Zukunft einen wichtigen Platz einnehmen. Die Induktion einer Lockerbeerigkeit kann gerade bei kompakten Sorten und Klonen das Fäulnisproblem durch Abquetschungen deutlich reduzieren. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass Gibberellin die Handarbeit im Weinberg nicht komplett ersetzen kann. Abstreifen Werden Anlagen auf eine Traube pro Trieb ausgedünnt, ist die Gefahr einer frühen Botrytisinfektion durch Abdrücken oftmals vorprogrammiert. Wie können gerade kompakte Burgundersorten durch weinbauliche Maßnahmen aufgelockert und damit gesund erhalten werden? Auf der Suche nach möglichen Alternativen zur Qualitätssteigerung kann das Verfahren des "Abstreifens" eingesetzt werden. Hierbei werden zum Stadium bis max. Erbsengröße der Der Deutsche Weinbau • 6.5.2005 • Nr. 9 WR 1/2005 www.syngenta-agro.de (g) Abb. 1: Einfluss ertragsregulierender Maßnahmen auf das Einzelbeerengewicht bei Weißburgunder BeratungsCenter 01 80 / 3 24 02 75 Ulrich Henser, Ralf Brune, Jens Luckhard beraten Sie (Kieselberg, n=2 mit je 100 Beeren, 09/2004) Abb. 2: Einfluss einer GIBB3-Applikation auf den Botrytis-Befall bei zwei Spätburgunder-Klonen UNSERE JETZIGE EMPFEHLUNG: Folpan 80 WDG + Thiovit Jet „ Meine Reben sind ungleichmäßig aus- getrieben.Wann ist der optimale Start der Bekämpfung von Pilzkrankheiten?“ (Mußbacher Hundertmorgen, n=3 mit je 100 Trauben, 10/2004) BH: Befallshäufigkeit BS: Befallstärke Dies hängt ganz von dem benötigten Schutz ab. Gegen Phomopsis (Schwarzflecken) muss z. B. beim Sichtbarwerden des ersten Abb. 3: Einfluss verschiedener GIBB3-Applikation auf Botrytisbefall bei Grauburgunder Grüns mit Folpan®1 80 WDG begonnen werden, da zu diesem frühen Zeitpunkt besonders nach Niederschlägen Infektionen erfolgen können, bei Rotem Brenner, wenn 3 – 5 Blätter entfaltet sind, und die Peronospora-Behandlung beginnt ab dem 5-Blatt-Stadium der Reben. Der Zusatz von Thiovit ® Jet sichert die Wirkung gegen den Echten Mehltau ab und reduziert die verschiedenen Blattgallmilben. ®1 = Trademark of Makhteshim Chemical Works Ltd., Israel Mußbacher Schlittweg, n=3 mit je 100 Trauben, 10/2004 Der Deutsche Weinbau • 6.5.2005 • Nr. 9 17 WEINBAU Mußbacher Hundertmorgen, n=2 mit je 100 Beeren, 09/2004 Abb. 4: Einfluss ertragsregulierender Maßnahmen auf das Einzelbeerengewicht bei Spätburgunder Beeren (ES 73) mit der Hand ein Teil der Beeren abgerissen. Am besten funktioniert dies gleich nach der Blüte (Foto Seite 16). Bei dieser Methode werden meistens die vorderen Beeren entfernt. Auch wenn bei dieser Methode einzelne Beeren verletzt werden, konnte in den Versuchen kein vermehrter Botrytisbefall beobachtet werden. Im Vergleich zum konventionellen Ausdünnen mit 70 bis 100 Akh/ha kann der Arbeitszeitbedarf mit der "Handabstreifung" auf 30 bis 40 Akh/ha reduziert werden und stellt somit eine arbeitswirtschaftlich interessante Möglichkeit für die Praxis dar, die Traubengesundheit zu erhalten und zu fördern. So konnten Fox und Steinbrenner (2005) bei der Rebsorte Schwarzriesling und Riesling durch Abstreifen einen deutlichen Mostgewichtsanstieg bei allerdings nur geringer Ertragsreduzierung bei einem Arbeitsaufwand von 40 Akh/ha erzielen. In den Versuchen am DLR Rheinpfalz in 2004 konnte bei Grauburgunder eine merkliche Ertragsreduzierung von 60% erzielt werden. Gleichzeitig stieg das Mostgewicht von 78 auf 86°Oe an. Diese deutliche Ertragsreduzierung hatte positive Auswirkungen auf die Stickstoffversorgung der Moste. Der Gesamt-N-Gehalt ist um 100 mg/l angestiegen. Sicherlich kann die Ertragsregulierung durch die Intensität des Abstreifens gesteuert werden. Im Versuch wurde penibel jedes Geschein abgestreift, was die deutliche Absenkung des Ertrages erklärt. Bei schnellerem Arbeiten fällt die Ertragsreduzierung entsprechend schwächer aus, wie die Ergebnisse an Weißburgunder gezeigt haben (vgl. Tabelle 1). Der Eingriff in die Traubenstruktur ist in etwa vergleichbar mit dem Einsatz von GIBB3 in die Vollblüte. Die Traubengewichte sowie die Beerenanzahl/Traube ist durch beide Versuchsansätze bei Grauburgunder reduziert worden. Die Einzelbeerengewichte sind dagegen angestiegen, wobei der GIBB3-Einsatz noch größere Beeren verursachte als das Abstreifen der Gescheine (vgl. Abbildung 4). Durch den Eingriff in die Traubenstruktur werden Verdichtungszonen vermieden und das Abdrücken einzelner Beeren minimiert. Der Botrytisbefall ist durch das Abstreifen der Gescheine zwar reduziert worden, konnte allerdings nicht auf das niedrige Niveau, welches durch die GIBB3-Applikation erreicht wurde, abgesenkt werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass beim Abstreifen die Beeren nicht gleichmäßig entfernt werden, beim Einsatz von GIBB3 dagegen die Verrieselung gleichmäßig auf die gesamte Traube verteilt ist. Neben einer merklichen Mostgewichtssteigerung konnte in 2004 der Stiellähmebefall durch das Abstreifen bei Weißburgunder und Spätburgunder (Petgen und Götz, 2004) deutlich reduziert werden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Verfahren des "Abstreifens" von Gescheinen vielversprechende Ergebnisse in den ertragsregulierenden Versuchen gebracht hat, die in den nächsten Jahren weiter intensiviert werden. ◗ DDW-Tipp: Neues Buch aus der Reihe Tipps für die Praxis (web) Diese aktuelle Neuerscheinung aus der Reihe "DER DEUTSCHE WEINBAU – Tipps für die Praxis" soll dem Winzer eine ganz konkrete Praxisanleitung für die Ausdünnung im Weinberg geben. Neben Erfahrungsberichten von Winzern werden Empfehlungen aus der Beratung zum Themenkomplex Ertragsregulierung skizziert. Als Grundlage dienen Untersuchungsergebnisse, die überwiegend aus Versuchsserien der Abteilung Weinbau und Oenologie des DLR Rheinpfalz stammen. Die aufgeworfenen Fragen, die allesamt unter dem Motto "Weniger Trauben, mehr Qualität" stehen, sollen dabei die Thematik klar, übersichtlich und vor allem praxisnah beleuchten. Der Frage nach den Kosten ertragsregulierender Maßnahmen ist ein gesondertes Kapitel gewidmet. Tipps für die Praxis Ausdünnen Tipps für die Praxis Dr. Matthias Petgen und Gerd Götz, DLR Rheinpfalz, Abteilung Weinbau und Oenologie Ausdünnen Weniger Trauben, mehr Qualität MEININGER VERLAG Die Autoren: Dr. Matthias Petgen und Gerd Götz, DLR Rheinpfalz. 18 Weniger Trauben, mehr Qualität Meininger Verlag 2005 ISBN 3-87524-154-1 13,60 EURO 96 Seiten, zahlreiche Fotos, Grafiken und Tabellen Bestellfax: 06321/ 89 08-14 E-Mail: [email protected] www.der-deutsche-weinbau.de Der Deutsche Weinbau • 6.5.2005 • Nr. 9
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