Ein Jahr NSU-Prozess: Was über Beate Zschäpe und die Taten bekannt ist – Seite 2 BERLIN, DIENSTAG, 6. MAI 2014 / 70. JAHRGANG / NR. 22 036 Berlin - UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat angeboten, zwischen den Konfliktparteien in der Ukraine zu vermitteln. Zugleich rief er am Montag alle Seiten auf, die schwere Krise „mit friedlichen Mitteln“ beizulegen, wie es in einer Erklärung Bans an die Nachrichtenagentur AFP in Abu Dhabi heißt. Er sei bereit, dabei „meine eigene Rolle zu spielen, wenn das notwendig ist“. Unterdessen haben beim Vorrücken ukrainischer Regierungstruppen gegen die von Separatisten gehaltene Stadt Slowjansk beide Seiten schwere Verluste erlitten. Ein Sprecher der selbst ernannten prorussischen Volksmiliz sprach am Montag von etwa 20 getöteten Aktivisten. Auch aufseiten der Regierungstruppen gab es vier Tote, wie Innenminister Arsen Awakow sagte. Deutschland wird nach der Freilassung der westlichen Militärbeobachter vorerst an keinen weiteren Militärmissionen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine teilnehmen. AFP/dpa WWW.TAGESSPIEGEL.DE BERLIN / BRANDENBURG 1,20 €, AUSWÄRTS 1,50 €, AUSLAND 1,70 € HEUTE Finanzpolitik “ „AGENDA gs Sie steuern nicht Immer diensta swochen zu den Sitzung ges des Bundesta Seiten 11-16 Von Fabian Leber B Was ist noch drin? Wie deutsche Unternehmen ihre Russlandgeschäfte sichern AUSSERDEM IN AGENDA Neun Millimeter Sicherheit: Wo Politiker-Autos gepanzert werden Im Ruch des Schurken: Lobbyarbeit gegen den Zeitgeist Vorschnelle Antworten: So trickst die Regierung die Opposition aus – Seiten 11 bis 16 — Seiten 3, 4 und Meinungsseite Berlin - Erneut sind in Berlin Flüchtlinge in einen Hungerstreik getreten. Seit Sonnabend veranstalten rund 20 aus Afrika stammende Flüchtlingsaktivisten eine Mahnwache am Alexanderplatz. Der Protest wurde angemeldet; laut Polizei dürfen dort wie bei jeder Demonstration keine Zelte aufgebaut oder Schlafsäcke benutzt werden. Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD), sagte, dass der Bezirk ein Campieren auf Straßenland nicht dulden werde. Auch am Oranienplatz in Kreuzberg geht der Protest jetzt weiter, dort demonstrieren Flüchtlinge seit der Räumung des Flüchtlingscamps vor vier Wochen. sik — Seite 11 B itte, das wird heute ... Nehmen Sie den Kindern die Seite lieber weg, es geht um einen Begriff, der hier normalerweise nicht verwendet wird. Aber es wäre auch albern, nach altviktorianischer Art „K*********e“ zu schreiben, um ein Wort vorzustellen, das im Europawahlkampf ganz ohne Sternchen verwendet wird. Kenner unserer aktuellen Befindlichkeit haben den Begriff sowieso erkannt: Die Grünen teilen dem Wähler mit, dass sie gegen „rechtspopulistische Kackscheiße“ sind. Dieses K-Wort ist neu in dieser Kombination, aber nicht im alltäglichen Gezänk, und es wird überwiegend von der linken Seite ins Gespräch gebracht. Den Anfang hat offenbar die „sexistische K.“ gemacht, ein Kampfbegriff, der inzwischen auch als vielfältig einsetzbarer Aufkleber zu haben ist und von der Piratin Marina Weisband popularisiert wurde. Ferner gibt es die rassistische und die homophobe Kackscheiße, und eben jetzt die rechtspopulistische. Weitere Einsatzgebiete drängen sich auf, etwa die klimaleugnerische oder die proukrainische, die inhaltlich ja locker mit der faschistischen K. zu verbinden wäre. Wer wagt’s? Wowereit stellt sich gegen Yzer Regierender lobt ausdrücklich die Messeleitung bei der Eröffnung des neuen Kongresszentrums City Cube Von Alfons Frese Berlin - In der Auseinandersetzung um die künftige Führung der Messe Berlin hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit erstmals öffentlich Position bezogen. „Die Stadt ist stolz darauf, was die Messe geleistet hat“, sagte Wowereit am Montag bei der Eröffnungsfeier des neuen Kongresszentrums City Cube. Das „boomenden Messegeschäft“ brachte er ausdrücklich in Verbindung mit den Geschäftsführern der Messe und mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hans-Joachim Kamp. Bei der landeseigenen Gesellschaft wurde das als Bekenntnis für Kamp gewertet und als Signal Richtung Cornelia Yzer. Die Wirtschaftssenatorin möchte den früheren Philips-Manager Kamp, der seit zehn Jahren im Aufsichts- Matthies meint Die seltsame Karriere der K*********e Woher? Schwer zu sagen. Der Begriff dürfte in den deutschen Kindergärten schon sehr lange verbreitet sein, bildet aber, logisch, auch den Grundstoff jedes ordentlichen Shitstorms. Er gehört in die Reihe jener Wortkombinationen, rat der Messe sitzt, die vergangenen fünf Jahre als Vorsitzender, ablösen. Yzer hat indes noch keinen Nachfolger gefunden. Kamp leitet auch den Aufsichtsrat der Gesellschaft für Unterhaltungselektronik (gfu), die jedes Jahr im Spätsommer die Funkausstellung Ifa veranstaltet. Vor anderthalb Jahren hatte er gegen den Widerstand Yzers den langjährigen Vize der Messe, Christian Göke, als neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung durchgesetzt. Damals in enger Abstimmung mit IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder, der auch jetzt wieder an der Seite Kamps steht. Die beiden sind Anhänger einer Dominotheorie: Wenn Yzer jetzt Kamp rauswirft, dann stehen demnach auch die Chancen schlecht für Göke, seinen bis 2016 laufenden Vertrag verlängert zu bekommen. die die Wut über eine gewisse Ohnmacht und einen Mangel an Sachargumenten verraten. Die Pommes sind alle, der Max hat den Spaten geklaut, die Mutter verhängt Playstation-Verbot? Dann sind einzelne Trotzworte allemal zu schwach, sie müssen gebündelt eingesetzt werden wie in „Kackarschmist“ oder eben „Kackscheiße“, das Angebot ist nahezu unendlich. Das beantwortet allerdings nicht die Frage, warum das Wort auf Wahlplakaten auftaucht. Um die linken Klofrauen zu mobilisieren? Möglicherweise haben die Grünen auch einen Wechselwähler vor Augen, der mit der AfD oder ähnlichen Vereinen liebäugelt: Wird er Argumenten zugänglich sein? Nein, denken die Grünen, den Dussel müssen wir gnadenlos aufrütteln. Der Wechselwähler also sieht das Wort, es fällt ihm wie Klopapier von den Augen, na klar, Kackscheiße das alles! Und wenn er nicht gestorben ist, wählt er Grün jetzt und immerdar. Na, so könnte es jedenfalls gedacht sein. Näheres weiß möglicherweise der Duden, der den Begriff sicher in Kürze aufnehmen wird. Wort des Jahres? Unwort? Meinetwegen beides. Göke selbst nutzte die Cube-Eröffnung zum Eigenlob. In den vergangenen zehn Jahren habe sich keine andere deutsche Messegesellschaft so gut entwickelt wie die Berliner. Tatsächlich hat die Messe vor allem wegen der guten Entwicklung Die Wirtschaftssenatorin möchte Messe-Aufsichtsrat Hans-Joachim Kamp ablösen ihrer Traditionsveranstaltungen, etwa Grüne Woche, Ifa und ITB, erheblich Umsatz gewonnen. „Wie möchten diese Strategie fortsetzen“, sagte Göke und bat explizit den Gesellschafter, also Wowereit und Yzer, „diese Wachstumsstrategie zu C INDEX WIRTSCHAFT & BÖRSEN Die Ukraine-Krise verunsichert die Anleger. Der Dax verlor 0,3 Prozent auf 9529 Punkte. unterstützen“. Dazu beitragen soll der City Cube, der alle Veranstaltungen des zu sanierenden ICC übernehme. Wowereit würdigte das zweistöckige Gebäude an der Stelle der Deutschlandhalle als einen „weiteren Meilenstein“ in der Entwicklung der Stadt. Der Abriss der Deutschlandhalle sei emotional schwierig gewesen, aber diese „Grundsatzentscheidung für die Messe und für die Stadt“ sei ebenso erforderlich gewesen wie die Sanierung des ICC. Anders als das aus den 70er Jahren stammende ICC sei der City Cube deutlich funktionaler. Der Regierende Bürgermeister gab zu, noch keine Lösung für das ICC zu haben, und regte eine öffentliche Debatte über dessen Zukunft an. — Seite 6 und Meinungsseite D ............. Decke an Berliner Grundschule eingestürzt 6–9 WETTER ........................................... 2 Die Wolkendecke ist dicht, die Sonne kaum zu sehen. 19 /11 Abends sind Schauer möglich. Am Donnerstag zeigt sich die Sonne dann wieder öfter. SPORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25+26 TAGESTIPPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 WISSEN & FORSCHEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 MEDIEN/TV-PROGRAMM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 IMPRESSUM & ADRESSEN . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 [email protected] TEL. REDAKTION . . . . . . . . . . . . (030) 29021 - 0 TEL. ABO-SERVICE . . . . . . (030) 29021 - 500 TEL. SHOP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (030) 29021 - 520 TEL. TICKETS . . . . . . . . . . . . . (030) 29021 - 521 ISSN 1865-2263 20019 Foto: dpa Flüchtlinge am Alex im Hungerstreik Volle Fahrt voraus: Berlins S-Bahn macht Gewinn – Seiten 10+21 Foto: Fotolia UN-Chef bietet Vermittlung in der Ukraine an Gary Smith verlässt die American Academy. What’s next? – Seite 27 Berlin - In einer Berliner Grundschule in Frohnau ist die Decke in einem Treppenhaus eingestürzt. Verletzt wurde niemand. Nach dem Vorfall wurde ein Großteil des Hauptgebäudes gesperrt. Am Dienstag findet kein regulärer Unterricht statt. Wann das Schulgebäude wieder genutzt werden kann, ist noch unklar. Der Vorfall in der Renée-Sintenis-Grundschule ereignete sich am Wochenende. Nach Angaben der Reinickendorfer Schulstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU) ist die Ursache ein verdeckter Baumangel. Vor mehr als fünfzig Jahren sei bei der Abhängung der Decke gepfuscht worden, so die Einschätzung einer Gutachterfirma. Im letzten Jahr wurden bei durch Baumängel verursachten Unfällen an mehreren Berliner Schulen mindestens vier Schüler verletzt. svo 4 190662 201504 — Seite 17 evor Wolfgang Schäuble Politiker wurde, war er Beamter in der Steuerverwaltung Freiburg. Wenn man es böse mit ihm meinte, könnte man sagen: Dieser Rolle ist er auch in der Politik nie so richtig entschlüpft. Gewagte Rechenmanöver jedenfalls wird man von ihm nicht erwarten können. Eher hat man den Eindruck, dass Schäuble in seinem Büro sitzt und mit ruhiger Hand darauf wartet, wie ihn die zuverlässig steigenden Einnahmen zum ersten Bundesfinanzminister seit 1969 machen, der sich als schwäbische Hausfrau fühlen darf. Weil keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden. Aus Sicht der Politik ist Schäuble eine gute Besetzung. Er ist ein Meister darin, Ansprüche abzuwehren – was zuletzt die FDP erfahren musste. Eine gute Finanzpolitik aber besteht nicht nur daraus, das Geld zusammenzuhalten. Ein Finanzminister hat auch enorme Gestaltungsmöglichkeiten – indem er zum Beispiel dafür sorgt, dass wirtschaftliche Kräfte freigesetzt oder Ungerechtigkeiten gemildert werden. Man muss sich nicht gleich den übereifrigen Physiker Oskar Lafontaine zurückwünschen, um zu sehen, dass der Jurist Schäuble in dieser Hinsicht wenig Ehrgeiz an den Tag legt. Dabei gerät die Regierung zunehmend in Erklärungsnot. Selbst für die in Steuerfragen langmütigen Deutschen ist es immer weniger plausibel, dass der Staat von einem Einnahmerekord zum anderen eilt, während das eigene Arbeitseinkommen bestenfalls stagniert. Die jetzt diskutierte „kalte Progression“, die umschreibt, dass der Staat bei steigenden Löhnen überproportional viel abzieht, ist nur ein Teil des Problems. Noch größer sind die Unwuchten, die an anderer Stelle im Steuersystem entstanden sind. Verantwortlich dafür sind vor allem Schäubles Vorgänger Hans Eichel und Peer Steinbrück. Paradoxerweise waren es zwei Finanzminister von der SPD, die die größten Steuersenkungen für Spitzenverdiener in Deutschland durchsetzten. Unter ihrer Führung wurde die Mehrwertsteuer erhöht, die die unsozialste aller Steuern ist, weil sie Arbeitslose, Rentner und Millionäre mit dem gleichen Satz belastet. Eine Folge der Eichel-/Steinbrück- Politik ist es auch, dass die Körperschaftsteuer, die Unternehmen bezahlen, nur noch drei Prozent zum Steueraufkommen beiträgt. Aus Angst vor einer Abwanderung von Betrieben ins Ausland war ihr Satz einst radikal gesenkt worden. Ein SPD-Chef wie Sigmar Gabriel müsste alle diese Gerechtigkeitsprobleme auf dem Zettel haben. Aus dem vermurksten Wahlkampf hat er aber offenbar den Schluss gezogen, dass Steuererhöhungen per se Teufelszeug sind. Das stimmt genauso wenig wie die Aussage, dass Steuersenkungen zwingend falsch sind, weil sie einmal von einem FDPChef gefordert wurden. Entscheidend ist vielmehr, wie die Last verteilt wird. Zum Beispiel könnte man den Steuertarif so verändern, dass der Spitzensteuersatz wieder etwas angehoben wird, dafür aber erst bei höheren Einkommen greift. Oder man könnte bei der Erbschaftssteuer ansetzen, deren Aufkommen in Deutschland so niedrig ist wie in kaum einem anderen Industrieland. Gabriel und Schäuble verschließen die Augen vor dem Problem, dass auch in Deutschland der Abstand zwischen denen, die Gewinne aus Kapital verbuchen, und jenen, die nur Erträge aus ihrer Arbeit erzielen, größer wird. Am Ende ist das nicht nur eine Gerechtigkeitsfrage. Es geht auch um den wirtschaftlichen Anreiz in einem Land, das auf den Wert von Arbeit große Stücke hält. ANZEIGE Industrie-Messe Kongress Europas größte Veranstaltung für Healthcare IT Akademie Networking Messegelände Berlin · www.conhit.de 6.–8. Mai 2014 Connecting Healthcare IT
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