am 01.03.2015: Die geplanten Themen in der Sendung [PDF, 135

An:
Nachrichtenagenturen
Chefs vom Dienst
Berlin, 1. März 2015
Achtung!
Eilt!
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Sendung am 1. März 2015, um 18.30 Uhr, Das Erste
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die ARD sendet heute am Sonntag, dem 1. März 2015, im „Bericht aus Berlin“ ein
Gespräch mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, CDU. Anbei der
Wortlaut.
Ulrich Deppendorf, Chefredakteur ARD-Hauptstadtstudio: In Baden-Baden
begrüße ich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Guten Abend, Herr
Schäuble.
Wolfgang Schäuble, CDU, Bundesfinanzminister: Guten Abend, Herr
Deppendorf.
Deppendorf: Herr Schäuble, haben Sie noch Vertrauen zu den Herren Tsipras
und Varoufakis? Hier in der Bevölkerung nimmt das Vertrauen langsam ab.
Schäuble: Da muss man sich nicht wundern, wenn man die Rhetorik zur Kenntnis
nimmt, die man aus Griechenland zu hören bekommt. Aber das ist ja nicht
entscheidend. Entscheidend ist, worauf wir uns verpflichtet haben. Der Text, den
wir mit Griechenland in der Euro-Gruppe vereinbart haben, ist völlig eindeutig.
Und der und nur der ist die Grundlage der Zustimmung des Deutschen
Bundestages. Und jede Auszahlung erfordert die einstimmige Entscheidung der
18 Mitgliedsstaaten der Eurozone. In Deutschland haben wir eine sehr klare
Regelung, dass der Bundestag jeder Änderung zustimmen müsste. Das wird alles
nicht stattfinden. Es gilt das, was wir vereinbart haben.
Deppendorf: Der Bundestag hat ja mit seiner Entscheidung, den Griechen
sozusagen wieder eine Fristverlängerung eingeräumt. Haben Sie eigentlich
Sicherheiten dafür, dass diese Regierung in Athen diese Zeit zur Umsetzung der
Reformen weiter nutzt?
Schäuble: Nein, Sicherheit habe ich keine, aber ich hoffe, dass sie es tun im
griechischen Interesse, auch in europäischer Verantwortung. Aber vor allem im
griechischen Interesse. Das muss Griechenland wirklich wissen: Wenn sie
Hilfsmittel wollen, müssen sie sich an das halten, was sie vereinbart haben.
Griechenland hat eine Menge in letzter Zeit seine eigene Lage erschwert durch
diese Rhetorik, die aus der Sicht von außerhalb Griechenlands schwer
nachzuvollziehen ist.
Deppendorf: Ihr griechischer Kollege Varoufakis hat nun auch die Rückzahlung
von Staatsanleihen in Höhe von 6,7 Milliarden, die im Moment bei der EZB
parken, in Frage gestellt. Man habe kein Geld. Jeder wisse das. Ist das eine
Drohung oder ist das sogar Erpressung?
Schäuble: Weder noch, denn er hat am Freitag unterschrieben, dass
Griechenland alle seine Verpflichtungen vollständig und pünktlich erfüllen wird.
Und er weiß, er muss es wissen, weil er Finanzminister in Griechenland ist, er ist
ja Professor für Ökonomie, also das weiß er alles. Sobald er die erste Zahlung
nicht pünktlich leistet, ist das ein sogenannter Default und was dann für
Griechenland passiert, das möchte ich an seiner Stelle nicht verantworten.
Deppendorf: Wir haben es gerade in dem Beitrag gehört: Tsipas nimmt das Wort
Schuldenschnitt nicht in den Mund. Er spricht von Schuldenreduzierung, aber ist
es nicht genau das, was er will, einen Schuldenschnitt? Viele Beobachter sehen
das ja auch so.
Schäuble: Das mag so sein, dass er das will. Entscheidend ist das, was wir
vereinbart haben. Ein Anders können wir nicht machen. Wissen Sie, ich habe eine
Verantwortung nicht nur für die Wähler in Griechenland, sondern auch für die
Wähler, und in erster Linie, für die Wähler in Deutschland. Und wir haben klare
Absprachen. Auf der Grundlage dieser Absprachen hat zum Beispiel der
Bundestag am Freitag eine Entscheidung getroffen, für die ich geworben habe,
die sich aber alle Kollegen nicht leicht gemacht haben. Wenn man dann zum
selben Zeitpunkt sagt, dass das alles gar nicht so gemeint ist, dann ist das kein
rücksichtsvoller Umgang mit uns. Aber wir sind nicht empfindlich. Wir hören auch
nicht auf das, was in Griechenland gesagt ist, aber wir bestehen darauf, dass das,
was vereinbart worden ist, eingehalten wird. Da würde ich wirklich Neugierige
warnen.
Deppendorf: Wie wollen Sie eigentlich Ihre Parteifreunde und die Bevölkerung
überzeugen, wenn es dann im Sommer, ja, zum Schwur kommt, zur Auszahlung
der Hilfsgelder?
Schäuble: Ja, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, die Griechenland sich
verpflichtet hat, zu erfüllen, dann haben wir gesagt, dann kann ausgezahlt
werden. Wenn das nicht der Fall ist, wird nicht ausgezahlt werden. Das liegt
alleine in den Händen der Verantwortlichen in Athen.
Deppendorf: Wird es eigentlich ein drittes Hilfspaket geben? Da wird ja auch
schon spekuliert, sogar im Deutschen Bundestag.
Schäuble: Ja, aber Herr Tsipras hat gesagt, er möchte kein drittes
Hilfsprogramm, also brauche ich mir darüber nicht den Kopf zu zerbrechen.
Deppendorf: Herr Schäuble, kommen wir noch mal zurück auf die Rhetorik. Sie
haben vor ein paar Tagen gesagt, die Griechen täten ihnen leid. Sie hätten eine
verantwortungslose Regierung gewählt. Sehen Sie das heute auch noch so? Und
haben Sie vielleicht Verständnis für den Unmut auch in Griechenland über eine
solche Äußerung?
Schäuble: Ich habe es nicht ganz so gesagt, aber weil immer gesagt wurde, wir
seien schuld an den Problemen, unter denen Menschen in Griechenland leiden
müssen, denen es übrigens zum Teil besser geht als Menschen in anderen
europäischen Ländern, die für Griechenland Solidarität leisten müssen. Das ist ja
etwas, was man in Griechenland der Bevölkerung vorenthält, dass das Niveau
von Sozialleistungen, von Mindestlöhnen in vielen Ländern der Eurozone deutlich
unter dem griechischen Niveau liegt. Und dann habe ich gesagt: An dem ist
schuld, sind die Verantwortlichen in Griechenland über Jahrzehnte schuld und
wenn ich jetzt sehe, wie die griechische Regierung in diesen Tagen seit der
Entscheidung sich äußert öffentlich, dann hilft es ja auch nicht, das Vertrauen in
den Finanzmärkten zurückzugewinnen. Irgendjemand muss ja Griechenland
wieder Geld leihen. Und mit dieser Art von Rederei gewinnt man nicht sehr viel
Vertrauen. Deswegen habe ich gesagt, vielleicht sollte Griechenland schauen,
dass man ein bisschen vor der eigenen Tür kehrt.
Deppendorf: Herzlichen Dank nach Baden-Baden, Wolfgang Schäuble.
Auszüge oder Zitatverwendung ab sofort frei, bitte immer unter
Quellenangabe „Bericht aus Berlin” – ARD-Hauptstadtstudio.
Bei Rückfragen stehen wir Ihnen gerne telefonisch unter (030) 2288 -2320 oder
-2410 zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Deiß
(Chef vom Dienst)
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