Was ist nur los mit der (Tigerenten-) Opposition in Deutschland

Was ist nur los mit der (Tigerenten-) Opposition in
Deutschland?
Ein Kommentar von Norbert Vogelpohl
Es herrscht großes Geschrei in Deutschland: Obskure Elemente aus
der Ukraine haben unser schönes Land in ihrer kriminellen Hand –
Schleuser, Schwarzarbeiter und Zwangsprostituierte! Der grüne
Außenminister Joschka Fischer hat diese Gestalten der Halb- und
Unterwelt ins Land geholt! Keine Zeitung, keine politische
Fernsehsendung, kein Stammtisch der ohne dieses Thema auskommen
kann.
Ich möchte an dieser Stelle nicht all die vermeintlichen Argumente
und Belege überprüfen. Ich möchte die Blick auf die Arbeit der
Opposition in diesem Casus richten. Dazu frage ich mich zunächst,
wie wird in der Kommunalpolitik „Opposition“ betrieben? Ich bin
schließlich Kommunalpolitiker und nicht Bundespolitiker. Vergleichen
wir also, nehmen wir folgendes fiktives Beispiel: In einem
Mittelzentrum gibt es mehr Grundschulkinder, als die Klassenräume
aufzunehmen vermögen. (Zugegeben, in unserer Zeit ein
wünschenswertes Problem. Die Wirklichkeit beschreibt das
Gegenteil.) Schulkinder fallen nicht vom Himmel. Von der Geburt bis
zur Einschulung vergehen ca. sechs Jahre. Die Kommunalpolitik bzw.
die Kommunalverwaltung kann sich auf die Entwicklung einstellen.
Aber in unserer Beispielstadt ist genau das nicht passiert. Die
Opposition hat das Problem kommen sehen. Sie stellt in den
Ausschüssen, im Rat Anfragen an die Verwaltung bezüglich der
Geburtenzahlen, bezüglich des verfügbaren Schulraumes. Verwaltung
und Ratsmehrheit stellen auf stur – nichts passiert. Es werden
Anträge auf Schulraumerweiterung gestellt. Die Verwaltung solle
Konzepte
entwickeln.
Antrag
abgelehnt.
Also
werden
Presseerklärungen und Leserbriefe geschrieben, die Eltern werden
zu Informationsveranstaltungen eingeladen, die Kommunalaufsicht
wird eingeschaltet, die betroffenen Eltern werden bei dem
Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheid beraten und unterstützt.
So würde eine kommunale Opposition, gleich welcher Farbe, agieren.
Die nächste Kommunalwahl dürfte zu anderen Mehrheiten führen!
Schauen wir uns die Arbeit der Opposition beim „Visa-Thema“ an:
Die schwarz-gelbe Bundes-Opposition hat nach eigenem Bekunden
bereits im Jahr 2000 dramatische Steigerungsraten bei den VisaErteilungen vor allem in Kiew beobachtet und Gegenmaßnahmen
gefordert. Routinearbeit in dem zuständigen Ausschuss des
Bundestages. So weit - so glaubhaft.
Ende 2004 plötzlich oppositionelle Breitseiten gegen den grünen
Ludger Volmer, ehemals Staatssekretär im Außenministerium.
Ablenkungsmanöver? Die Diskussion um Nebeneinkünfte von Arends,
Meyer u.a. schlägt hohe Wellen, also muß eine Person aus dem
Regierungslager angegriffen werden.
Kaum hat Ludger Volmer das Feld geräumt, werden die Giftpfeile
auf den Außenminister persönlich abgeschossen. Was hat er wann
gewußt, was hat er wann gesagt, warum sagt es nichts, wie heißt seine
Großmutter? Vor allem aber: Er muß zurücktreten, sofort. Nur so
läßt sich Schaden von Deutschland abwenden! Welcher Schaden? Die
Begründung wird der Untersuchungsausschuss schon finden. Politik in
„Wild-West-Manier“ - erst schießen, dann fragen!
Der sachliche Beobachter stellt sich Fragen:
Warum kocht das Thema erst jetzt hoch?
Warum ist das Thema nicht im Bundestagswahlkampf 2002
angegangen worden?
Warum soviel Aufregung um ein Problem, das inhaltlich vor ca. drei (!)
Jahren gelöst worden ist.
Blenden wir kurz zurück zu unserem Städtchen mit den fehlen
Klassenräumen: Wie wollen Kommunalpolitiker eine Wahl gewinnen mit
dem Argument „Vor vier, fünf Jahren gab es ein Problem, wir haben
es damals verschwiegen, aber jetzt wollen wir einen neuen
Bürgermeister und totale Aufklärung des Vorganges!?!
Wie glaubwürdig ist solche Politik?
Dem sachlichen Beobachter können Antworten gegeben werden:
Eine Kommentatorin einer überregionalen Tageszeitung hat
festgestellt, das der inhaltliche Dissens zwischen Opposition und
Regierung in der Visa-Politik minimal ist. Deutschland braucht den
Austausch von Wissenschaftlern, Unternehmern, Jugendlichen ... wie
der Fisch das Wasser!. Dies haben auch CDU und FDP im
Europäischen Parlament erkannt und am 17. Januar 2005 (!) per
Antrag eine liberalere Visa-Praxis für die Ukraine gefordert. Hier
dominiert also das Sachargument, nicht die „Ideologie“.
- Wenn ein inhaltlicher, bzw. „ideologischer“ Dissens nicht klar
formuliert werden kann, so eignet sich das Thema nicht für den
Wahlkampf!
- Wenn die Regierung ein Problem gelöst hat, womöglich noch im
Einvernehmen mit der Opposition, so ist das Problem nicht
wahlkampftauglich!
- Wenn ein Problem befürchtet wird, aber negative Auswirkungen
nicht belegbar sind, so ist das Problem nicht wahlkampftauglich!
- Wenn schwarz-gelbe Politiker im EU-Parlament eine Politik
einfordern, die von schwarz-gelben Landes- und Bundespolitikern
bekämpft wird, dann sind diese Parteien nicht wahlkampftauglich.
Was sagt uns dieser Vorgang über den Zustand der Opposition?
- Wenn Europa-Politiker ein Thema konträr zu den Bundespolitikern
der gleichen Partei beurteilen, so belegt dies fehlende inhaltliche
Absprachen. Eine solche Opposition disqualifiziert sich für
Regierungsaufgaben!
- Eine Opposition, die eine Kampagne zu einem gelösten Problem
durchführt beweist, das sie Krisen nicht in ihren aktuellen
Situation erkennt und also auch nicht lösen kann. Eine solche
Opposition disqualifiziert sich für Regierungsaufgaben!
- Die Opposition fordert den Rücktritt des Außenministers ohne das
Thema sachlich im Untersuchungsausschuß aufgearbeitet zu
haben. Sie richtet sich also an Personen des gegnerischen Lagers
aus, nicht an politischen Inhalten. Eine solche Opposition
disqualifiziert sich für Regierungsaufgaben!
Die schwarz-gelbe Tigerenten-Opposition ist offensichtlich noch
nicht wieder reif für die Übernahme von Regierungsverantwortung.
Wenn der Herr Rüttgers das „Visa-Thema“ als den größten Skandal in
der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet, dann
nimmt er die Politik verzerrt war. Mit dieser Tigerenten-Brille auf
der Nase sollte er besser nicht Ministerpräsident in Düsseldorf
werden.
CDU/(CSU) und FDP müssen im Bund und in NRW bleiben was sie
sind: Opposition. Nicht weil sie diese wichtige Aufgabe innerhalb
unserer Demokratie gut bewältigen, sondern weil sie zum Regieren
schon gar nicht geeignet sind. Schimpfen, Schreien und mit Dreck
werfen reicht nicht, um ein Land verantwortungsvoll und
zukunftsorientiert zu regieren.
Norbert Vogelpohl (Coesfeld) 7.3.05