NORDDEUTSCHLAND Donnerstag, 16. November 2000 Hamburger Abendblatt Eierwürfe gegen Kultusministerin Schleswig-Holsteins Landtag setzt Untersuchungsausschuss ein dpa Kiel − Für eine bessere Finanzausstattung der Hochschulen in SchleswigHolstein sind gestern in Kiel mehrere Tausend Studenten und Wissenschaftler auf die Straße gegangen. „Grün und Rot spart Bildung tot“ und „Die Heide brennt“ (Simonis), hieß es auf Plakaten. Vor dem Landeshaus musste Kultusministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) gellende Trillerpfeifenkonzerte ertragen, einige Eier flogen. Erdsiek-Rave bekundete Verständnis für die Forderungen der Hochschulen. Was nun, Herr Rohwer? Erfolg für Thönnes bre Berlin − Der Stormarner SPD-Bundestagsabgeordnete Franz Thönnes (46) ist mit 178 von 246 Stimmen, dem besten Ergebnis aller Beisitzer, in den 40-köpfigen Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion gewählt worden. Die Fraktion bestimmte den SPD-Vorsitzenden in Schleswig-Holstein zum neuen Obmann der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales. Werften wollen noch mehr Geld dpa Kiel − Zurückhaltend haben der Verband der Schiffbauindustrie und Manager schleswig-holsteinischer Werften auf die Entscheidung des Landes reagiert, die Wettbewerbshilfe um 20 Millionen Mark zu erhöhen. „Das ist ein erster Schritt, der aber nicht ausreicht“, hieß es. Diäten-Erhöhung in Schwerin dpa Schwerin − Die 71 Abgeordneten im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern erhalten vom 1. Januar 2001 an pro Monat 96 Mark mehr. Mit großer Mehrheit und ohne Debatte beschlossen die Parlamentarier die Anhebung ihrer Diäten auf 6976 Mark. Begründung: Damit solle die Preissteigerung ausgeglichen werden. LL Von ULF B. CHRISTEN Das Duo wird in die Enge getrieben. Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Rohwer (SPD, vorn) und sein Mann im Hintergrund, Staatssekretär Uwe Mantik, im Landtag in Kiel. Foto: DPA Blick auf die Kieler Affäre schwer, mit dem PUA gleich das schärfste Schwert der Opposition zu zücken. Fast wortgleich versicherten sie, dass sie schnell, konsequent und ohne große Kosten aufklären wollen. Die SPD nahm sie beim Wort. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Holger Astrup, möchte als designierter PUA-Vorsitzender schon in gut zwei Wochen mit der Arbeit beginnen und noch in diesem Jahr erste Zeugen befragen. Die Opposition machte aber auch deutlich, dass der Fall für sie keine Lapalie ist. Mantik sei besser gestellt worden als jeder andere Beschuldigte, sagte Kayenburg. So sei zweierlei Recht entstanden. „Darüber können <> Nr. 268 und dürfen wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“ Kubicki forderte mit Georg Orwell Gleichheit vor dem Gesetz: „All animals are equal.“ Der Strafverteidiger knöpfte sich den Minister vor. Die Weitergabe des Berichts sei beispiellos, die Darstellung Rohwers voller Schwindeleien. Kubicki verhehlte nicht, dass ein PUA ein politisches Kampfinstrument sei. Den Vorwurf, die Opposition wolle Rohwer nur weiter beschädigen, dementierte der Liberale nicht ganz: „Darum geht es nicht, jedenfalls nicht in erster Linie.“ Rohwer, der während der Debatte auf der Kabinettsbank saß und scheinbar gelassen in Akten blätterte, ließ sich nicht aus der Seite 7 2 Reserve locken. Der Beschuldigte Mantik blieb ebenfalls ruhig. Das im Mai eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den früheren Geschäftsführer einer Wirtschaftsgesellschaft wegen Untreue und Bestechlichkeit soll jetzt erst Anfang 2001 enden. Die Verzögerung um mehrere Wochen erklärte die Staatsanwaltschaft mit einer verlängerten Akteneinsicht für Mantiks Anwälte. Im Fall einer Anklage müsste der Staatssekretär seinen Stuhl in Kiel wohl räumen, stünde aber trotz laufender Probezeit nicht mit leeren Händen da. Der seit März arbeitende Staatssekretär hat bereits Anspruch auf eine befristete Weiterzahlung seines Gehalts sowie auf Übergangsgeld. Schwarz E-Blau E-Rot Gabriel muss harte Kritik einstecken Landtagsdebatte zur Kabinettsumbildung Was jetzt auf den Wirtschaftsminister zukommt Kiel − Der schleswig-holsteinische Landtag hat auf Wunsch der Opposition und mit Zustimmung der Grünen einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zum Rohwer-Mantik-Fall eingesetzt. Die CDU sah darin ein Stück Normalität. Die SPD hält das Gremium für überflüssig. Messlatte für PUA waren in Kiel, sieht man vom Ausschuss zur Strandung des Frachters „Pallas“ ab, bisher die Machenschaften des früheren CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel (PUA 1987/88) und das Mitwissen seines SPD-Nachfolgers Björn Engholm (PUA 1993/95). Der neue PUA soll lediglich aufklären, wie und warum Wirtschaftsminister Bernd Rohwer (SPD) im Mai einen Bericht der Staatsanwaltschaft Lübeck über das Ermittlungsverfahren gegen seinen Staatssekretär Uwe Mantik (SPD) an den Beschuldigten weiterreichte und wer davon wusste. Mit unbequemen Fragen muss auch Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) rechnen. Der Ermittlungsbericht gelangte aus ihrer Staatskanzlei zu Rohwer. Die SPD blockte gestern. „Die Tatsachen sind bereits aufgeklärt“, befand SPD-Jurist KlausPeter Puls. Ein PUA sei „unnötig, unsinnig und unangemessen“. „Hier sollen dicke Bretter gebohrt werden, die aus Pappe sind“, sagte die Fraktionschefin der Dänen-Partei SSW, Anke Spoorendonk. Die Vorwürfe ließen sich auch im Innen- und Rechtsausschusses klären. Die Grünen-Abgeordnete Monika Heinold sah das genauso. Dem PUA stimmten die Grünen dennoch zu, „aus Respekt vor dem Recht der Minderheit“ im Landtag. Deren Fraktionschefs Martin Kayenburg (CDU) und Wolfgang Kubicki (FDP) fiel es auch mit 7 E-gelb fert Hannover − Gute Miene zum bösen politischen Spiel zu machen, das dürfte den drei niedersächsischen (Noch-)Landesministern Peter Fischer (Wirtschaft), Wolf Weber (Justiz) und Heidrun Merk (Soziales) nie schwerer gefallen sein als gestern auf der Regierungsbank im Landtag in Hannover. Heftig diskutiert wurde dort ihr Ausscheiden aus dem Amt. CDU und Grüne nutzten die Gelegenheit, mit Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) hart ins Gericht zu gehen. Der wehrte sich gewohnt wortstark und kassierte fast einen Ordnungsruf. Weil Gabriel den drei ausscheidenden Ministern mit der frühen Bekanntgabe seiner Entscheidung zur Kabinettsumbildung Mitte Dezember den gestrigen Spießrutenlauf im Parlament zugemutet hatte, nannte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Rebecca Harms, den Umgang des Regierungschefs mit seinen Ministern „skandalös“. Wie Gabriel praktisch im gleichen Atemzug die drei Kabinettsmitglieder für hervorragende und erfolgreiche Arbeit gelobt hatte und dann doch ihren Rücktritt erzwang, passe einfach nicht zusammen: „Die amtierenden Minister wurden in der Gerüchteküche gar gekocht“, sagte Harms. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Uwe Schünemann, nannte es einen „Beweis schlechter Menschenführung“, dass Gabriel das Rücktrittsangebot des Justizministers nach dem Massenausbruch aus dem Wilhelmshavener Gefängnis vor vier Wochen noch ausschlug − um ihn nun doch abzulösen. CDU und Grünen attestierten Gabriel zudem „mangelnden Mut“, weil er auf eine aus Oppositionssicht überfällige Kabinettsverkleinerung verzichtet hatte. SPD-Fraktionschef Axel Plaue versuchte einen Entlastungsangriff: Es sei ein „starkes Stück“, dass die Oppositionsfraktionen nun auf die Tränendrüse drückten, obwohl sie doch über die Jahre sowohl Merk wie Weber unfair attackiert hätten, sagte er. Der Ministerpräsident selbst reagierte auf die Kritik an seinem Umgang mit Weber gereizt − und überzog: „Ich wollte ihn nicht der johlenden Menge zum Fraß vorwerfen“, sagte Gabriel. Landtagspräsident Rolf Wernstedt (SPD) reagierte mit der Feststellung, diese Bezeichnung für die Opposition sei „eigentlich“ einen Ordnungsruf wert. Gabriel aber steckte nicht zurück, sondern teilte weiter aus. Er habe mit der johlenden Menge ja „nicht ausschließlich die Opposition gemeint“. Gereizt war Gabriel wohl auch, weil Schünemann und Harms hinter die beiden neuen Frauen im Kabinett Fragezeichen setzten. Dass der Ehemann der Hamburger Staatsrätin und künftigen Sozialministerin Gitta Trauernicht bei der Besetzung eines Direktorenpostens in Hamburg wohl protegiert wurde und erst nach öffentlicher Kritik seine Bewerbung zurückzog, veranlasste Schünemann zu der Vermutung, Gabriel haben seinem Hamburger Parteifreund und Bürgermeister Ortwin Runde „ein Personalproblem abgenommen“. Mit Blick auf die künftige Wirtschaftsministerin Susanne Knorre, bislang Kommunikationschefin des Preussag-Konzerns, verwiesen die Oppositionsparteien auf eine ihrer Ansicht ohnehin zu große Nähe der Landesregierung zur Preussag. CDU-Fraktionschef Christian Wulff griff nicht in die Debatte ein, geriet aber selbst ins Visier: Den Vorwurf der schlechten Menschenführung nämlich konterten Gabriel und Plaue mit sichtlichem Vergnügen. Genüsslich spotteten sie über desolate Zustände an der Spitze der CDU-Fraktion. Wulff hatte Personalentscheidungen ohne Absprache getroffen. Sein interner Widersacher Bernd Busemann stoppte ihn mit einem Gutachten der Landtagsverwaltung, wonach Wulffs Alleingang rechtswidrig war. Wie schief der Haussegen hängt, wurde hinter verschlossenen Fraktionstüren deutlich. Der Abgeordnete Jürgen Gansäuer forderte eine neue Geschlossenheit. Sonst brauche die CDU zur Landtagswahl 2003 gar nicht erst anzutreten. L
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