Rede der Generalsekretärin Nicola Beer MdL beim 66. Ord

Rede der Generalsekretärin Nicola Beer MdL
beim 66. Ord. Bundesparteitag der FDP
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde,
herzlichen Dank an Sie für diesen beeindruckenden Parteitag, mit intensiven Debatten,
vorbildlich in Substanz und Stil. Das ist wieder meine FDP.
Wir legen in diesen Tagen gemeinsam die Basis für die Zukunft:
Für die Zukunft der Partei.
Aber auch für die Zukunft in unserem Land! Wir müssen der Wandel sein, den wir in der Welt zu
sehen wünschen. Das sagte Gandhi und ich füge hinzu: Wenn wir es nicht sind, welche andere
Partei in Deutschland sollte es sein?
Denn wir sind die Partei, die die Freiheit der Bürger hochhält - und für sie kämpft.
Und deshalb werden wir dringender gebraucht denn je!
In Deutschland fehlt eine echte Opposition.
Diese Rolle können nur wir als Freie Demokraten übernehmen. Von außen!
Doch eines ist klar:
Außerparlamentarische Opposition heißt nicht Steine werfen, sondern Steine ins Rollen bringen!
Das ist es, was wir tun!
Wir müssen die Zukunft denken - nicht nur bis zu den nächsten Wahlen!
Wahlen sind wichtig – keine Frage!
Aber wir werden genau in diesen Wahlkämpfen überzeugen, weil wir weiter denken als andere.
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Weil wir den Fokus nicht auf kurzfristige Stimmungen, Branchen und Gruppierungen richten,
sondern das Ganze im Blick haben! Und vor allem die Menschen. Ihre Sorgen, ihre Nöte, aber
auch ihre Potentiale. Weil wir den Einzelnen groß machen wollen, indem wir ihm sagen: Lebe
deine Träume – erfülle dir deine Träume. Du brauchst nur Tatkraft und Mut, du brauchst nur den
Glauben in deine Fähigkeiten. Und wir setzen den Rahmen dafür. Einen Rahmen, der befähigt,
nicht beschränkt!
Unser Land hat es verdient, dass es anders wahrgenommen wird als derzeit.
Da dominieren Schlagzeilen über die menschenverachtende Ablehnung von Flüchtlingen die
Nachrichten im In- und Ausland.
Doch kaum einer berichtet über die unzähligen Bürgerinnen und Bürger, die sich an Ort und
Stelle um Flüchtlinge kümmern.
Die sie einladen und in die Gemeinschaft integrieren, die ehrenamtlich Deutschunterricht geben
und bei Behördengängen helfen.
Es geht mir nicht darum, die skandalösen Vorgänge von Tröglitz zu verschweigen. Das darf nicht
sein!
Aber mir geht es darum, dass jenen Betonköpfen gezeigt wird: Ihr steht nicht für die Mehrheit in
diesem Land! Dieses Land und seine Menschen stehen in ihrer übergroßen Mehrheit für
Offenheit und Menschlichkeit.
Diese Menschen, die sich engagieren, haben es nicht verdient, dass braune Brandstifter und die,
die sich gerade wieder zerlegen, mit ihren Pegida-Anhängern den Ruf unseres Landes
bestimmen.
Die Menschen, die für wahre Freiheit und Toleranz stehen, verdienen es, dass man ihnen eine
Stimme gibt, dass man sie politisch vertritt! Sie sind unser Ansporn! Wir brauchen niemanden,
der Brände legt, wir brauchen Menschen, die zündende Ideen haben.
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Die Welt bleibt nicht stehen, sie verändert sich. Jede Veränderung birgt Ungewissheit. Aber auch
Chancen. Und jetzt kommen wir zu unserem Alleinstellungsmerkmal in der deutschen
Parteienlandschaft: Wenn wir die Chancen nutzen wollen, müssen wir die Veränderungen nicht
nur annehmen, wir müssen neugierig sein und wir müssen sie willkommen heißen.
Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen
Mauern und die anderen Windmühlen.“ Lassen Sie uns diejenigen sein, die Mauern einreißen
und den Wind der Veränderung nutzen. Denn es ist ein Gewinn für unsere Gesellschaft, wenn wir
uns mit anderen Einflüssen auseinandersetzen.
Überall, wo in unserem Land der Austausch mit fremden Kulturen schon vor Jahrhunderten den
Alltag bestimmte, gediehen Wohlstand und Kultur: Ich nenne hier Hamburg und Köln
beispielhaft. Oder wussten sie, dass Charlottenburg schon im 18ten Jahrhundert einen türkischen
Bürgermeister hatte? Sein Nachkomme ist heute Hochschullehrer an einer Berliner Universität.
Wo dieser Austausch fehlte und fehlt, da regiert hingegen die Angst. Da wächst die Bereitschaft
zur Abschottung.
Genau dem müssen wir entgegenwirken!
Nicht durch Polemik – sondern durch Dialog und Begegnung! Wir müssen den Menschen hinter
den Zahlen zeigen.
Ich habe zum Beispiel Respekt vor jungen Menschen, die sich barfuß und allein auf den Weg
machen quer durch Nordafrika und das Mittelmeer. Nicht um in Europa Sozialsysteme zu
plündern, sondern um ihr Leben zu retten - und um zu lernen und zu arbeiten. Sie setzen ihr
Leben aufs Spiel, um in einem Land wie unserem lernen zu dürfen – weil sie wissen, dass Bildung
ihr Schlüssel für eine bessere Zukunft ist. Dieser Mut, diese Entschlossenheit und dieser Geist
kommt in Deutschland häufig zu kurz. Wir können ihn sehr gut gebrauchen. Weil diese Menschen
trotz ihrer Sorgen um Leib und Leben, trotz Hunger und Durst vor allem ihren Wissensdurst nicht
verloren haben.
Dabei ist unsere Botschaft an alle, die zu uns kommen, klar: Basis unseres Zusammenlebens kann
nur der europäische Wertekanon sein.
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Verstöße dagegen können und dürfen nicht geduldet werden.
Wir setzen Internationalität gegen verwaschenes Multi-Kulti.
Wir setzen wahre Liberalität gegen falsche Toleranz aus Bequemlichkeit vor der eigenen
Meinung!
Wir dürfen uns nicht im Kleinklein verlieren, sondern müssen die Zukunftsthemen angehen!
Wir gelten als das Land der Dichter und Denker, der Tüftler und Bastler – aber auch als der
Zweifler und Verhinderer.
Wir haben den Transrapid erfunden – ihn aber nicht eingesetzt.
Wir steigen aus der Kernenergie aus – wollen aber kein Fracking.
Das muss ein Ende haben!
Mitglieder der Bundesregierung tummeln sich in den Sozialen Medien – und das war es dann
auch schon mit einer digitalen Strategie. Aber 1000 Tweeds, lieber Herr Altmaier, ersetzen kein
politisches Konzept!
Doch genau dieses Konzept brauchen wir, wenn wir die digitale Zukunft nicht verschlafen wollen!
Die Digitalisierung ist eines der großen Zukunftsthemen, die über Jahrzehnte das Leben eines
jeden Einzelnen massiv beeinflussen wird. Das unser Leben immer schneller verändern wird.
Die Digitalisierung kommt – wir können sie nicht aufhalten. Wir können sie nicht aussperren. Und
wir dürfen das auch gar nicht.
Die Frage ist: Lassen wir es einfach geschehen und sehen zu, was über uns hereinbricht?
Oder setzen wir uns an die Spitze der Bewegung und stellen selber die Weichen?
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Meiner Meinung nach kann die Antwort nur lauten: Wir schreiten voran! Wir Freie Demokraten,
wir wollen gestalten!
Doch das ist nicht der Geist, den die Bundesregierung versprüht. Überall dominiert die Angst vor
der digitalen Zukunft, anstatt dass man die Chancen sieht.
Natürlich bringt die digitale Revolution Veränderungen mit sich. Dafür muss man Lösungen
finden und nicht wie die Bundesregierung und ihre blutrot-grüne Opposition für jede Lösung ein
Problem!
Denn hier gibt es eine große Koalition der Verzagtheit, die alle Parteien im Parlament einschließt.
Sie antworten auf die Veränderungen mit einer Wagenburgmentalität. Sie lullen die Menschen
ein, indem sie ihnen versprechen, dass alles so bleibt wie es ist – oder dass Veränderungen
verhindert werden. Wir sagen dagegen: Wenn durch die Digitalisierung künftig Jobs wegfallen,
dann müssen wir neue Berufsfelder identifizieren und fördern!
Und das betrifft den Arbeiter am Fließband ebenso wie die Akademikerin in der Konzernzentrale.
Die Antwort ist Qualifizierung. Immer wieder.
Ausbildung findet nicht mehr nur zu Beginn des Berufslebens statt.
Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir innerhalb eines Berufslebens drei Ausbildungen
absolvieren müssen, zum Teil solche, die wir heute noch gar nicht kennen.
Die Veränderung betrifft auch die Arbeitszeit und den Arbeitsort der Zukunft. Da sind
Vorschriften zur Größe des Homeoffice-Platzes ebenso untauglich wie das Abschalten von
Servern nach 17 Uhr.
Die Antwort ist Flexibilisierung, die die weniger Arbeitsstunden effektiver verteilt und nutzt.
Örtlich wie zeitlich. Und die vor allem den Menschen in all ihren Unterschiedlichkeiten gerecht
wird.
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Dafür müssen Politik und Wirtschaft einen fairen Rahmen setzen.
Und den Geist vorleben!
Das heißt: Jeder ist seines Glückes Schmied. Aber wir müssen dafür sorgen, dass niemandem der
Amboss weggenommen wird.
Das ist eine der großen Zukunftsaufgaben für die gesamte Gesellschaft.
Natürlich wirft die Digitalisierung auch Fragen auf, wie mit den persönlichen Daten der User
umzugehen ist. Hier sind keine Kassandrarufe gefragt, sondern Konzepte! Daten müssen sicher
sein und die Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf verlassen können.
Und auch darüber müssen wir uns klar sein: Die digitale Revolution verlangt auch von der Politik
schnelleres und flexibleres Agieren. Denn die Veränderungen gehen so schnell voran, dass wir
nicht mehr davon ausgehen dürfen, dass ein Gesetz, sobald es verabschiedet wurde, für die
nächsten Jahrzehnte in Stein gemeißelt ist. Wir brauchen eher weniger, dafür aber bessere
Gesetze.
Und wir müssen dafür sorgen, dass bereits unsere Kinder fit gemacht werden für das digitale
Zeitalter:
Das heißt zum einen, dass wir sie darin schulen müssen, alle Facetten der digitalen Revolution zu
beherrschen. Nicht anstelle einer ordentlichen Handschrift und Kopfrechnen, aber zusätzlich!
Das heißt aber auch, dass wir die Möglichkeiten nutzen müssen, die digitales Lernen bietet:
Mit dem Tablet erreichen wir im Unterricht auch jene, die an der Tafel nicht weiterkommen. Bei
Überfliegern ebenso wie bei jenen, die sich im konventionellen Unterricht schwertun. Jedes Kind
muss seine eigenen Fähigkeiten voll entfalten können, und zwar durch individuelle Förderung,
die auch fordert. Das ist für mich Chancengerechtigkeit.
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Eine Chancengerechtigkeit, die nicht an den Mauern sozialer Herkunft zerschellen darf. Das
können und werden Freie Demokraten nicht zulassen.
Wir wollen für alle Kinder Startbahnen in die Zukunft bauen.
Doch das gelingt eben nicht mit
* fehlgeleitetem Betreuungsgeld,
* überbürokratisiertem Bildungspolitik-und Teilhabepaket,
* Und Frauenquote.
Dafür brauchen wir
* mehr frühkindliche Förderung
* mehr der besten Erzieher und Lehrer
* selbständig entscheidende Krippen, Kitas und Schulen,
um mit maßgeschneiderter Unterstützung jedes Kind stark zu machen. Und um auch ihren Eltern,
gerade den Müttern, Wege aufzuzeigen, wie sie ihre Kinder dabei helfen können, stark zu
werden. Denn jede Mutter will das Beste für ihr Kind. Manche hat nur die Kraft nicht mehr dafür.
Da braucht es Ermutigung und Zuwendung. Und das geht nicht im Geist und im Denken des
Kollektivs, das Nahles & Co. der gesamten Gesellschaft überstülpen wollen!
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde,
helfen Sie mit, dass Deutschland aus seiner Lethargie herauskommt.
Helfen Sie mit, dass wir wieder Pioniere werden! Die unentdeckte Wege beschreiten wollen,
statt immer auf ausgetreten Pfaden zu trotten.
Es ist richtig, sich vor hohen Wellen durch Deiche zu schützen. Aber sie dürfen nicht zu hohen
Mauern werden, die den freien Geist einsperren und den Fortschritt aussperren!
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Stattdessen müssen wir immer als erstes überlegen, wie wir die Welle reiten können, wie wir
deren Energie nutzen können.
Nachdem unsere Männer in Hamburg wieder an Bord sind, nachdem wir Bremen gerockt haben,
lassen Sie uns nun weiter Fahrt aufnehmen, damit Deutschland die Segel wieder richtig setzt!
Wir alle gemeinsam!
Nehmen Sie den Schwung, das Gefühl aus diesem Parteitag mit in Ihren Alltag. Machen Sie jeden
Tag zu einem Parteitag. Mit Mut und Kraft voraus. Und mit einem gewinnenden Lächeln auf den
Lippen.
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