Die wichtigsten Urteile 2014 | download - Das Erste

ARD-MORGENMAGAZIN – SERVICE 18.12.2014
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DIE URTEILE DES JAHRES
Hubert Feller
WOLFGANG BÜSER
Morgenmagazin-Rechtsexperte
Nachfolgend finden Sie die wichtigsten höchstrichterlichen Entscheidungen des Jahres
2014 zum Miet- und Reiserecht.
Reiserecht
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine weitere „offene Rechtsfrage“ in Sachen Reiserecht und Ausgleichsleistung wegen verspäteter Ankunft am Zielort
geklärt: Der maßgebliche Zeitpunkt wird nicht durch das Aufsetzen der Maschine auf
dem Flughafengelände bestimmt, sondern mit dem Öffnen der Kabinentür nach Ankunft
an der Parkposition. Das kann für die Airline verheerende Folgen haben: Setzt die Maschine nämlich – wie im entschiedenen Fall – nach 2 Stunden 58 Minuten Flugzeit am
Flughafen auf, öffnet sich die Kabinentür aber erst fünf Minuten später, so sind für alle
Passagiere „Ausgleichsleistungen“ wegen einer „erheblichen Verspätung“ in Höhe von
250 bis 600 Euro fällig – je nach Entfernung zum Zielort. Der EuGH begründete seine
Entscheidung damit, dass die Passagiere nicht selbst entscheiden könnten, was sie tun
wollen – weil sie ja im Leib des Flugzeugs „eingeschlossen“ seien. Erst mit dem Öffnen
der Türen beginne für sie wieder die „Freiheit“ ... (EuGH, C 452/13)
Bei Anzahlung und Storno sollte der Veranstalter Maß halten: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Reiseveranstalter von Pauschalreisen bei Anzahlungen
und Stornogebühren nicht übertreiben dürfen. Reiseveranstalter sind „im Regelfall“ nicht
berechtigt, mehr als 20 Prozent der Reisekosten als Anzahlung verlangen, und auch
beim Storno sollten sie „Maß halten“. In drei ähnlich gelagerten Fällen konnten der Bundesverband der Verbraucherzentralen sowie die Verbraucherzentrale NordrheinWestfalen Reiseveranstalter in die Knie zwingen, die bis zu 40 Prozent als Anzahlung
nahmen und für Storno einen Monat vor Reisebeginn 40 Prozent des Reisepreises verlangten (6 Tage vorher stiegen die „Straf“-Gebühren sogar auf 70 Prozent).
Der BGH urteilte, dass Veranstalter konkrete Gründe für die Höhe der Anzahlungen und
Stornogebühren angeben müssen. Die Oberlandesgerichte hatten den Verbraucherschützern bereits Recht gegeben und die Vertragsklauseln der Reiseanbieter für unwirksam erklärt. Sie entschieden, dass Verbraucher durch die entsprechenden Bedingungen
unangemessen benachteiligt werden. Mit Blick auf den Grundgedanken des Bürgerlichen
Gesetzbuches seien Leistungen zwischen Geschäftspartnern „Zug um Zug“ zu gewähren. Deshalb dürften die Unternehmen nur eine niedrigere Anzahlung fordern – allenfalls
bei nachweislich höheren Kosten dürfe mehr verlangt werden. (BGH, X ZR 85/12 u.a.)
Der Reisevermittler darf seine Kunden nicht im Regen stehen lassen: Ein Reisevermittler (etwa ein Reisebüro), der seinen Kunden lediglich die Information gibt, dass für
die geplante Reise ein Sicherungsschein vorhanden sein wird (falls der Reisveranstalter
Insolvenz anmelden sollte), kann in Schwierigkeiten geraten, wenn sich am Ende herausstellt, dass der Reiseveranstalter einen solchen Sicherungsschein nicht „europaweit“
ausgibt. Geht der Veranstalter tatsächlich Pleite, so hat der Kunde gegen den Reisevermittler Anspruch auf die Erstattung des Reisepreises. (Hier ging es um einen holländischen Reiseveranstalter, der aus Deutschland gebucht worden war, dann in Insolvenz
ging und wegen des fehlenden Sicherungsscheines keinen Ersatz leisten konnte. Den
muss nun das Vermittlungsbüro herausrücken.) (BGH, X ZR 105/13 u.a.)
Vielflieger dürfen ihre Meilen nicht zu Geld machen: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Kunde einer Fluggesellschaft, der an einem Vielfliegerprogramm teilnimmt und bereits viele Meilen gesammelt hat, diese nicht an Dritte weiterverkaufen darf.
Im konkreten Fall hatte die Lufthansa einem Vielflieger den „Miles & More“-PrämienVertrag fristlos gekündigt, weil er für seine Meilen Tickets auf Namen Dritter hatte aus-
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stellen lassen und die Flugscheine an diese Personen verkauft, die Meilen also zu Geld
gemacht hatte. Die Teilnahmebedingungen der Fluggesellschaft verbieten jedoch den
Tausch, Verkauf oder die sonstige Weitergabe der Prämien. Der BGH hält die Bedingungen für rechtens. Es handele sich bei „Miles & More“ um ein Kundenbindungsprogramm, weswegen die Lufthansa auch selbst bestimmen könne, dass Teilnehmer Flugprämien, die sie nicht selbst nutzen wollen, allenfalls an Verwandte oder nahestehende
Personen verschenken dürfen. Der Verkauf von Prämientickets an Dritte sei deshalb unzulässig. (BGH, X ZR 79/13)
Neben der „Ausgleichsleistung“ gibt es bei Verspätung keine Preisminderung: Ist
der Rückflug aus Dubai nach einer Kreuzfahrt mit 25 Stunden Verspätung durchgeführt
worden und hat die Fluggesellschaft den Betroffenen – in dem konkreten Fall ging es um
ein Ehepaar – bereits jeweils 600 Euro für die „erhebliche Verspätung“ gezahlt (dies ist
ein fester Satz nach der europäischen Fluggastrechteverordnung), so können die Eheleute nicht noch zusätzlich eine Reisepreisminderung durchsetzen. Vor dem Bundesgerichtshof kamen sie nicht mit dem Argument durch, dass eine – nach deutschem Reisevertragsrecht mögliche – nachträgliche Minderung des Reisepreises nicht mit der Ausgleichszahlung verrechnet werden dürfe. Ein zusätzlicher Anspruch für Unannehmlichkeiten aufgrund der Verspätung bestehe nicht. Die (wenn auch heftige) Verspätung müsse nicht zweimal entschädigt werden. (BGH, X ZR 126/13)
Es genügt, wenn schon mal das Datum feststeht – Details können später folgen:
Haben Reiseveranstalter und Kunde beim Abschluss des Reisevertrags lediglich das
Datum vereinbart, den genauen Zeitpunkt aber weder durch Angabe einer festen Uhrzeit
noch durch sonstige Vorgaben (etwa „vormittags“, „abends“) festgelegt, so muss auch
die Reisebestätigung keine darüber hinausgehenden Angaben enthalten. Die Angabe
„Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt!“ gibt in solchen Fällen den Inhalt des Reisevertrags zutreffend wieder und ist deshalb nicht zu beanstanden. (Hier ging es um eine Reise, für die der Veranstalter selbst noch keine exakten Angaben vorliegen hatte.) So vom
Bundesgerichtshof gegen den Bundesverband der Verbraucherzentralen entschieden,
der zu Gunsten der Reisenden schon bei der Buchung „klare Verhältnisse“ angemahnt
hatte. (BGH, X ZR 1/14)
Ob ein Visum noch und fürs Einreiseland überhaupt gilt, ist selbst zu erkunden:
Reisebüros sind nicht verpflichtet, ihre Kunden im Detail darauf hinzuweisen, ob für die
Reise in ein außereuropäisches Land (hier die USA) der Reisepass gültig ist. Sie sind
deshalb nicht zum Schadenersatz verpflichtet, wenn sie darauf nicht ungefragt eingehen.
Der Bundesgerichtshof: Über die Bestimmungen über das Aufenthaltsrecht am Reiseziel
müssen sich die Reisenden selbst kümmern; sie gehören nicht „zur geschuldeten Information“ des Reisebüros. (BGH, X ZR 134/13)
Streiks und Radarausfall sind „außergewöhnliche Umstände“: Verspätet sich ein
Flugzeug, weil (hier in Griechenland) ein Generalstreik läuft, so können Fluggäste, die
deswegen mindestens drei Stunden später als vorgesehen am Zielort ankommen, keine
Ausgleichsleistung verlangen (hier gefordert in Höhe von 250 Euro pro Person). Dabei
kommt es nicht darauf an, ob es (nur) die genutzte Route betraf oder die Verspätung
(auch) darauf zurück zu führen war, dass dieselbe Maschine beim vorherigen Umlauf
von dem Arbeitskampf betroffen – und schon entsprechend später angekommen war. Es
handelt sich um einen außergewöhnlichen Umstand, der ersatzlos als Entschuldigung
anzuerkennen ist. Dasselbe gilt, wenn das Radar ausgefallen war, wodurch sich der Flug
verspätete. Auch hier wurden außergewöhnliche Umstände attestiert. Und in beiden Fällen wurde der Fluggesellschaft deren Bemühen um eine Ersatzmaschine anerkannt, was
aber – von ihr nicht zu vertretenden Gründen – nicht geklappt hatte. (BGH, X ZR 104/13
u.a.)
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Buchungsportale dürfen Internet-Seiten von Fluggesellschaften nutzen: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Buchungsportale im Internet die Daten von Fluggesellschaften abgreifen und nutzen dürfen. In dem konkreten Fall ging es um den Billigfluganbieter Ryanair, der sich gegen ein solches Portal vergeblich wehrte, auf dem Verbraucher das Flugdatum eingeben und dann die Preise verschiedener Fluglinien vergleichen können. Die notwendigen Daten greift das Portal mit dem so genannten Screen
Scrapings von den Internetseiten der Gesellschaften ab. Danach können die Kunden
direkt einen Flug buchen; das Internetportal schlägt dafür eine Gebühr auf den Preis der
Fluggesellschaft auf. Dagegen klagte Ryanair, denn die irische Airline will ihre Flüge
ausschließlich direkt vertreiben und damit sicherstellen, dass sich die Preise nicht durch
Gebühren Dritter erhöhen. Ferner wollte Ryanair durchsetzen, dass die Kunden die
Werbung auf der eigenen Homepage wahrnehmen und dort auch Zusatzangebote wie
Hotelübernachtungen oder Mietwagen buchen – vergeblich. Ryanair werde durch das
Buchungsportal nicht wettbewerbswidrig behindert. Das Buchungsportal fördere die
Preistransparenz und erleichtere es den Kunden, den günstigsten Flug zu finden. Die
Interessen des Buchungsportal-Betreibers und der Verbraucher wögen schwerer als die
von Ryanair. (BGH, I ZR 224/12)
Mietrecht
Eigenbedarf: Ein Vermieter kann auch dann eine Wohnung wegen Eigenbedarfs kündigen, wenn er die Räume nicht für sich selbst als „Hauptwohnsitz“ nutzen will, sondern
auch dann, wenn er für einen nahen Angehörigen Platz haben möchte. Dies selbst dann,
wenn er den Angehörigen, hier eine nichteheliche Tochter, für die er gemeinsam mit der
Kindesmutter das Umgangs- und Sorgerecht hat, regelmäßig nur über wenige Tage in
der Wohnung treffen möchte. (Hier musste eine Mieterin den „Besuchen“ des Vermieters
bei seiner nichtehelichen Tochter weichen, obwohl sie bereits fast 25 Jahre in der Wohnung lebte.) (BVfG, 1 BvR 2851/13)
Untervermietung: Hält sich ein Mieter für längere Zeit (hier für drei Jahre) aus beruflichen Gründen im Ausland auf und möchte er die Räume (mit Ausnahme eines Zimmers)
in der Zwischenzeit untervermieten, so darf ihm dies vom Vermieter nicht ohne triftigen
Grund untersagt werden. Geschieht das doch, so hat der Vermieter Schadenersatz in
Höhe der Miete zu leisten, die ihm durch das Verbot entgangen hier (hier ergab das
7.475 Euro), weil er „schuldhaft eine mietvertragliche Pflicht verletzt“ hat. (Die Untervermietung der gesamten Wohnung hätte nur im Einvernehmen mit dem Vermieter vorgenommen werden können.) (BGH, VIII ZR 349/13)
Mietkaution: Eine „Vereinbarung“ in einem Mietvertrag, die regelt, dass sich ein Vermieter „wegen seiner fälligen Ansprüche bereits während des laufenden Mietverhältnisses
aus der Kaution befriedigen“ könne, ist rechtswidrig. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Die zu Beginn der Mietzeit gezahlte Sicherheitsleistung hat einen „Treuhandcharakter“; der Vermieter muss das Geld sicher und getrennt von seinem Vermögen anlegen. (Hier ging eine Mieterin erfolgreich gegen ihren Vermieter vor, nachdem der einen
„Rückstand“ aus einer von der Bewohnerin wegen Mängeln vorgenommenen Mietminderung mit der Kaution ausglich, indem er sich das Geld komplett – 1.400 Euro – selbst
auszahlte.) Eine solche Regelung benachteiligt die Mieter unangemessen und ist deswegen auch dann unwirksam, wenn sie als Zusatzvereinbarung mietvertraglich unterschrieben worden ist. (BGH, VIII ZR 234/13)