SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 18.11.1626: Der Petersdom in Rom wird geweiht Von Silke Arning Sendung: 18.11.2016 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml Autorin: Am Anfang dieses dramatischen Bauvorhabens stand ein Sakrileg. Man stelle sich vor, heute käme jemand auf die Idee, den Kölner Dom abzureißen, nur um am selben Ort eine noch größere, imposantere Kathedrale wieder aufzubauen. Schwer vorstellbar und doch muss es sich ungefähr so zugetragen haben. Zugegeben: ein wenig hinkt der Vergleich schon, da der Vorläufer des Petersdoms, Alt-St. Peter, bereits bröckelte und damit in den Augen eines machtbewussten Papstes einfach eine zu traurige Gestalt abgab. Die 1200 Jahre alte Basilika war 324 im Auftrag des römischen Kaisers Konstantin über dem vermeintlichen Grab des Apostel Petrus entstanden. Zahlreiche Päpste hatten hier im Laufe der Jahrhunderte ihre letzte Ruhestätte gefunden, waren Grabmäler mit wertvollen Skulpturen, Mosaiken und Malereien entstanden. Doch inzwischen gab es reichlich Renovierungsbedarf. In dieser Situation hielt Papst Julius II. Ausschau nach einem geeigneten Ort für seine eigene letzte Ruhestätte. Und er sah sich nicht nur als Kirchenfürst, sondern vor allem als siegreicher Feldherr, der Bologna erobert, gegen die Venezianer und Franzosen gekämpft hatte, der sich Triumphbögen in Rom errichten ließ. Die baufällige Basilika Alt-St.Peter war da gar nicht nach seinem Geschmack. Ein Neubau musste her und der sollte vor allem „an Schönheit, Kunst, Erfindung und Anordnung wie an Größe, Reichtum und Schmuck alle Gebäude übertreffen“, berichtet der italienische Architekt und Hofmaler des Hauses Medici Giorgio Vasari, der die Lebensläufe berühmter Renaissance-Künstler festgehalten hat. Im April 1506 wurde der Grundstein für den heutigen Petersdom gelegt. Stück für Stück ließ Architekt Donato Bramante die alte Peterskirche abreißen, was ihm viele Feinde und den zweifelhaften Titel als „Maestro Ruinante“, als zerstörerischer Baumeister, einbrachte. Bramante entwickelte jede Menge hochfliegende Entwürfe und ehrgeizige Konzepte, doch ein genauer Bauplan ist nicht überliefert. Als Bramante 1514 starb, standen von seiner neuen Kirche gerade mal die vier imposanten Pfeiler, die später Michelangelos beeindruckende Kuppel tragen sollten. Über die chaotische Planung lästerten die Zeitgenossen mit spitzer Zunge: bis zu seiner Auferstehung werde der Architekt dann wohl entschieden haben, wo die Tore der neuen Kirche angebracht werden sollten. Tatsächlich ging noch mehr als ein Jahrhundert ins Land, bis der Petersdom am 18. November 1626, also heute vor 390 Jahren, eingeweiht werden konnte. Atmo Glocken Autorin: Dass sich der Bau so schleppend hinzog, teilweise sogar völlig brach lag und zwischenzeitlich ein völliges Durcheinander von Alt und Neu, von unterschiedlichen Stilrichtungen aufwies, hatte neben den ständig wechselnden Baumeistern - darunter Raffael und Michelangelo- vor allem einen Grund: das Geld wurde knapp. 1510 war Luther zu Besuch in Rom und quittierte das gigantische Bauprojekt mit ungläubigem Kopfschütteln. Richtig in Rage brachte ihn dann der Peterspfennig, den Papst Leo X. zur Finanzierung der Superkirche aufs Gleis gesetzt hatte. Gegen Geld konnten sich die Gläubigen von ihren Sünden frei kaufen oder zumindest eine Verkürzung ihrer Strafen im Fegefeuer erwirken. Gegen diesen fragwürdigen Handel zog Luther zu Felde, weil die Menschen mit ihrem Freikauf keinerlei Buße oder Reue mehr verbanden. In dem ausbrechenden Glaubensstreit wurde der Petersdom zu dem verhassten Symbol der Reformationsanhänger. 2 Es grenzt fast an ein Wunder, dass dieses ehrgeizige Kirchenprojekt doch noch im November 1626 eingeweiht werden konnte Ironie der Geschichte: Auftraggeber Papst Julius II wurde nie im Petersdom begraben. Sein Grabmal, noch von Michelangelo gestaltet, ist heute in der deutlich bescheideneren Kirche St. Pietro in Vincoli in der Nähe des Kolosseums zu finden. 3
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