SWR2 Zeitwort

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SWR2 Zeitwort
05.11.1922:
Wilhelm II. heiratet Prinzessin Hermine zu Schönaich-Carolath
Von Wolfgang Niess
Sendung: 05.11.2016
Redaktion: Ursula Wegener
Produktion: SWR 2016
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Autor:
Das hat damals einen großen Teil der begeisterten Monarchisten in Deutschland
recht verstört. Der Kaiser, der ja eigentlich keiner mehr war, saß im holländischen
Doorn in einem standesgemäßigten gepolsterten Exil - unser Kaiser, der Asylant.
Aber immerhin ein aufrechter Mann, der jedem, der es hören wollte, sagte, die
Republik in Deutschland müsse schleunigst wieder beseitigt werden. Er, Wilhelm,
gehöre rechtmäßig an die Spitze Deutschlands, Nicht dies hat die Monarchisten /
verstört, sondern die Tatsache, dass ihr Wilhelm keine anderthalb Jahre nach dem
Tod der Ex-Kaiserin Auguste Victoria einer zweiten Frau das Ja-Wort gab. Am 5.
November 1922 heiratete er Prinzessin Hermine zu Schönaich-Carolath. Die war
damals 35 Jahre alt, 28 jähre jünger als Wilhelm. Wilhelm nannte sie seinen
"rettenden Engel". Denn sie, schrieb er in einem Brief, sei bereit, seine entsetzliche
trostlose Einsamkeit in Doorn mit ihm zu teilen. Das war manchem Monarchisten zu
viel. In der Zeitung "Bayerisches Vaterland" hielt man Wilhelm vor, er zerstöre die
Grundlagen des monarchistischen Gedankens, weil er sich in aller Öffentlichkeit als
"schnell getrösteter Witwer" präsentiere.
Die Sozialdemokraten kritisierten anderes, etwa dass Wilhelm seiner Braut ein
Hochzeitsgeschenk im Wert von einer Milliarde Mark machte - trotz grassierender
Inflation ein Geschenk von beispielloser Üppigkeit.
Was diese Heirat politisch bedeutete, hat wohl kaum einer durchschaut. Hermine, die
neue Gattin, war Witwe des schlesischen Großgrundbesitzers Johann Georg zu
Schönaich-Carolath, der 1920 gestorben war. Sie wie ihr verstorbener Mann war
streng konservativ, monarchistisch. Beide hatten im Ersten Weltkrieg jede
Liberalisierung abgelehnt und auch scharf verurteilt, dass der Kaiser 1917 die
Abschaffung des preußischen Dreiklassenwahlrechts für die Zeit nach dem Krieg
angekündigt hatte.
An dieser Gesinnung änderten weder der verlorene Krieg noch die Revolution etwas.
So kam Hermine im November 1922 nach Doorn und engagierte sich fortan intensiv
für die Wiederherstellung der Monarchie. Der Ex-Kaiser konnte und wollte nicht ins
Deutsche Reich einreisen seine Gattin aber behielt einen Wohnsitz in Deutschland
und knüpfte nun Verbindungen und Fäden.
Mussolinis erfolgreicher Putsch, sein Marsch auf Rom, kurz vor der Hochzeit, gab
dem Brautpaar die nötigen Inspirationen und Hoffnungen.
Hermine trat bei Gedenkfeiern und Kameradschaftstreffen auf, bei der Einweihung
von Denkmälern und nationalistischen Feiern. Sie traf sich mit führenden
Industriellen, mit Vertretern nationalistischer Verbände wie Franz Seldte und Theodor
Duesterberg, später auch mit Nazi-Größen. Im Sommer 1927 berichtete eine Berliner
Zeitung über Komplotte gegen die Republik, die Hermine schmiede, von einer
weitverzweigten Organisation, die auf einen politischen Umsturz hinarbeite, auf die
Wiederherstellung der Monarchie mit gewaltsamen Mitteln. 1929 nahm Hermine am
Nürnberger Parteitag der Nationalsozialisten teil. Die nun immer mehr zur großen
Hoffnung des Ex-Kaisers und seiner Gattin wurden. Da war natürlich die
Enttäuschung groß, als Hitler - Kanzler geworden - auf den Ex-Kaiser nebst Gattin
verzichtete. Als aber dann wieder viel von Deutschlands Größe und Herrlichkeit die
Rede war überwog die Freude.
Vollends, als die deutschen Soldaten im Mai 1940 vor dem Haus im Doorner Exil
standen. Sie wurden begeistert empfangen. Wie freut es mich, schrieb Hermine im
Oktober 1940, dass er, das Wilhelm die Wiedergutmachung von Versailles, den
Wiederaufbau Deutschlands erleben konnte.
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Das Ende hat er dann nicht mehr erlebt. Wohl aber Hermine. Sie zog nach dem Tod
des Ex-Kaisers zurück nach Deutschland, wurde 1945 von der sowjetischen
Besatzungsmacht in ihrer Wohnung in Frankfurt an der Oder interniert. Dort starb sie
am 7. August 1947.
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