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KU N D E N S E RVI C E 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7
KO M M E N TA R
Zippert zappt
Waffenkauf löst
Terroralarm
in Bremen aus
E
Mitglieder der russischen Oppositionsgruppen beim Gedenkmarsch in Moskau für den erschossenen Boris Nemzow
Opposition gibt Putin die
Schuld am Nemzow-Mord
Präsident schaffe „Atmosphäre des Hasses“. Trauermarsch in Moskau.
Deutsche Abgeordnete wollen trotz Spannungen nach Russland fahren
DANIEL FRIEDRICH STURM
Wirtschaft
Jetzt rutscht in
Frankreich sogar
die Unterwäsche
in die Krise
Seite 12
Finanzen
Rentner können
viel Geld bei der
Steuer sparen
Seite 14
Feuilleton
Wie werden
eigentlich Hexen
verbrannt?
Seite 22
Aus aller Welt
Londoner Katze
bringt einen
Süchtigen auf den
rechten Weg
Seite 24
LOTTO: 2 – 20 – 25 – 41 – 45 – 49
Superzahl: 0 Spiel77: 3 1 4 1 3 1 1
Super6: 2 1 6 5 0 2 ohne Gewähr
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Hinweise auf einen gewaltbereiten Libanesen, der sich Maschinenpistolen beschafft haben soll, haben die Warnung vor einer Terrorgefahr in Bremen ausgelöst. Das teilten
die Staatsanwaltschaft und der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer
(SPD) mit. Bei Durchsuchungen am
Samstagabend seien aber keine Waffen gefunden worden. Auslöser für die
Aktion seien Hinweise einer Bundesbehörde vom Freitagabend gewesen.
„Diese Hinweise waren so konkret,
dass wir einen Anschlag in Bremen
nicht mehr ausschließen konnten“,
sagte Mäurer. Die Ermittler waren davon ausgegangen, dass sich der verdächtige 39-Jährige Maschinen- und
Automatikpistolen zum Weiterverkauf
beschafft hatte. Durchsucht wurden
ein islamisches Kulturzentrum sowie
Wohnung und Arbeitsplatz des Mannes. Der Libanese sowie ein weiterer
Mann waren vorübergehend festgenommen worden. Die Polizei hatte am
Samstagmorgen vor Aktivitäten potenzieller islamistischer Gefährder gewarnt und war mit einem starken Aufgebot im Einsatz.
BREMEN –
U
nter dem Motto „Ich habe
keine Angst“ haben Zehntausende in Moskau und St.
Petersburg an einem Trauermarsch für den ermordeten
Oppositionspolitiker Boris Nemzow teilgenommen. In der russischen Hauptstadt
zogen sie zu der Brücke in der Nähe des
Kremls, auf der Nemzow am späten Freitagabend erschossen worden war. Der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin machte Präsident Wladimir Putin politisch für den
Mord verantwortlich.
„Es war Präsident Putin, der eine Atmosphäre des Hasses in unserem Land erzeugt hat, eine Atmosphäre der Intoleranz,
die auf die eine oder andere Weise zu der
Kugel wurde, die meinen Freund Boris
Nemzow getötet hat“, sagte Jaschin. „Es
ist ein politischer Mord, der die Bevölkerung in Angst versetzen soll.“
Nemzow war in den 90er-Jahren stellvertretender russischer Regierungschef.
Nach der ersten Wahl Putins im Jahr 2000
wurde er dann einer der schärfsten Kritiker des Kremlchefs. So prangerte er Ineffizienz und Korruption an und äußerte
scharfe Kritik an der russischen UkrainePolitik. Er sagte, er arbeite an einem Bericht, der nach seiner Überzeugung beweisen werde, dass russische Soldaten an der
Seite der Separatisten in der Ostukraine
kämpften – trotz aller offiziellen Dementis. Jaschin sagte, Nemzows Bericht werde
nun wohl nie veröffentlicht werden, weil
Ermittler bei der Durchsuchung seiner
Wohnung seinen Laptop mitnahmen.
Auf einer Brücke am russischen Regierungssitz war Nemzow aus einem fahrenden Auto heraus erschossen worden. Die
Staatsmedien
berichteten,
Nemzows
Freundin sei ein ukrainisches Model, und
das Paar sei unterwegs zur Wohnung des
Dissidenten gewesen. Deshalb spekulier-
ten die Medien über Eifersucht. Der Kreml
bezeichnete den Mord als „Provokation“
und „Versuch zur Destabilisierung der politischen Lage im Land“. Die Ermittlungsbehörden setzten drei Millionen Rubel
(rund 45.000 Euro) Belohnung für Hinweise auf den Täter aus.
Auch international löste das Verbrechen
große Bestürzung aus. Der amerikanische
Präsident Barack Obama sprach von einem
„brutalen und bösartigen Mord“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte
eine schnelle Aufklärung. Deutsche Außenpolitiker kritisierten Russland deutlich
(siehe Kasten).
Trotz der angespannten Lage will eine
Delegation des Auswärtigen Ausschusses
des Bundestags Mitte April die Parlamentskollegen in Kiew und Moskau besuchen. Die Fraktionen verständigten sich
darauf, eine entsprechende Einladung der
außenpolitischen Kommission der russischen Staatsduma anzunehmen. Es wäre
die erste Reise des Ausschusses nach Moskau seit Beginn des Ukraine-Kriegs. „Die
Duma lud uns ein, mit unserem Besuch davor in der Rada in Kiew wollen wir deutsche Abgeordneten bewusst ein Zeichen
der Vertrauensbildung und Kooperation
setzen“, sagte CDU/CSU-Obmann Roderich Kiesewetter der „Welt“. Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen sagte: „Wir sollten trotz oder gerade wegen der angespannten Lage jede Möglichkeit nutzen,
um unsere Position deutlich zu machen.“
SCHARFE TÖNE AUS BERLIN
Außenpolitiker von CDU und SPD
haben nach dem Mord an Boris Nemzow
die Lage in Russland kritisiert. „Das Attentat wirft ein Schlaglicht auf die veränderte innere Verfassung Russlands und
das innere Meinungsklima, das vor allem
in den staatlichen Medien durch aggressiven Nationalismus und Militarismus
geprägt wird“, sagte Norbert Röttgen
(CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen
Ausschusses im Bundestag, der „Welt am
Sonntag“: „Hier liegt die Verantwortung
Putins.“ Ausschussvize Franz Thönnes
(SPD) sagte der „Welt“, der ihn erschütternde Mord an Nemzow „erfolgte in
einer sehr angespannten Lage in Russland. Es herrschen Misstrauen, Druck
und Unzufriedenheit.“ Nun müssten die
Behörden „in alle Richtungen ermitteln
und den Mord mit Nachdruck aufklären“.
Siehe Kommentar und Seite 8
Seite 4
Athen stellt
Rückzahlung an
EZB infrage
Varoufakis will schon
wieder verhandeln
Die griechische Regierung
stellt die Rückzahlung von Staatsanleihen in Höhe von 6,7 Milliarden Euro infrage, die von der Europäischen
Zentralbank (EZB) gehalten und im
Sommer fällig werden. Finanzminister
Janis Varoufakis sagte, er wolle über
die Anleihen verhandeln. Mit welchem Ziel, ließ er offen. „Wenn wir
das Geld hätten, würden wir bezahlen“, sagte der Minister. „Sie wissen,
dass wir es nicht haben.“ Der Bundestag hatte erst am Freitag einer Verlängerung des laufenden Rettungsprogramms durch die Euro-Zone um vier
Monate bis Ende Juni zugestimmt.
Grundlage dafür war eine Zusage
Griechenlands, alle Verbindlichkeiten
zu erfüllen.
Gleichzeitig sagte Varoufakis reichen Bürgern seines Landes und
Steuerflüchtlingen den Kampf an.
Seine Regierung interessiere sich für
diejenigen Griechen, die Geld hätten,
„aber nie gezahlt haben“, sagte der
Finanzminister. Er drohte: „Sie sind
unser Ziel, und wir werden kein Mitleid zeigen.“
ATHEN –
J Ö RG E I G E N D O R F
Ein Hauch
von Weimar
er hat Boris Nemzow umgebracht? Und was genau war
der Auslöser? Es sind Fragen,
auf die man wohl keine angemessene
Antwort erhalten wird. Die Suche danach wird wahrscheinlich so erfolglos
bleiben wie bei so vielen Attentaten zuvor. Was maximale Verunsicherung erzeugt. „Cui bono?“ ist dann die Frage,
deren Beantwortung wiederum der
Nährboden für Verschwörungstheorien
ist. Doch auch die Suche einer Antwort
darauf ist müßig: Fragt noch jemand,
wem der Tod des Regimekritikers Sergej Litwinenko nützte? Oder die Haft
der hungerstreikenden ukrainischen Pilotin Nadjeschda Sawtschenko, die in
Russland als „Tochter des Satans“ verspottet wird? Und wem nutzte der
grausame Tod von Sergej Magnitski?
Hinter jedem dieser Opfer steckt ein
trauriges Schicksal, doch es ergibt noch
kein ganzes Bild. Letztlich geht es um
das Klima im Russland Putins. Die Spur
führt immer wieder zurück zu einem
übermächtigen autokratischen Staat.
Mit Nemzows Tod erlebt Russland eine
weitere Zäsur, deren Symbolik kaum
wuchtiger sein könnte. Vor den Mauern
des Kreml und den laufenden Kameras
der Sicherheitsbehörden wird nicht nur
ein führender Oppositioneller hingerichtet, sondern es vollzieht sich auch
der endgültige Bruch mit der JelzinÄra, an deren Anfang so große Hoffnung stand. Die Killer zielen auf genau
den Mann, der als Gebietsgouverneur
in Nischni Nowgorod eine einst abgeschottete Stadt erfolgreich öffnete und
anschließend als Jelzins Kronprinz galt.
Diese Rolle wurde dann Putin zuteil.
Mit Nemzow verlieren die Russen
die Person, die für den erfolgreicheren
Teil ihrer neueren Geschichte stand.
Viele im Land sehen die 90er-Jahre jedoch als Schandfleck an und verherrlichen inzwischen die Stalin-Ära und die
gesamte Sowjetunion. Andersdenkende
gehören in diesem Weltbild dorthin,
wohin man auch Schwule und Lesben
schicken möchte – wenn schon nicht
ins Lager, dann zumindest zum Arzt.
Auch wenn man mit derartigen Vergleichen vorsichtig sein sollte, so ist in Putins Russland ein dumpfes Klima entstanden, das in manchem an das
Deutschland der frühen 30er-Jahre des
vergangenen Jahrhunderts erinnert.
Wenn Faschismus als ein Ziel definiert
wird, die Gesellschaft von „andersartigen“ Kräften und Gruppen zu reinigen,
dann führt der Kreml das Volk gerade
auf diesen fatalen Weg. Viele Russen,
die so stolz darauf sind, den deutschen
Faschismus besiegt zu haben, drohen
nun einer eigenen Form des Extremismus zu verfallen.
Vor diesem Hintergrund ist die Ermordung Nemzows zu sehen. Der Staat
hat die Hinrichtung am zentralsten Ort
seiner Macht zugelassen. Was eine
harmlose Frage beängstigend werden
lässt: Was passiert morgen?
W
[email protected]
Seite 10
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Der Panda hat wieder Sex
Neue Schutzgebiete ermöglichen der bedrohten Art erfolgreiche Fortpflanzung
D
en vom Aussterben bedrohten Großen Pandas in China
geht es besser. Die Population der in freier Wildbahn
lebenden Tiere ist in den vergangenen zehn Jahren um
268 auf 1864 Pandabären gestiegen, wie das chinesische Forstamt
mitteilte. „Das ist ein wichtiger Erfolg“, sagte Chen Fengxue,
Chef der Forstbehörde. Ein Grund für die Entwicklung liege in
den 27 neuen Schutzgebieten, die für die Tiere eingerichtet worden seien. Insgesamt gibt es in China inzwischen 67 Reservate.
Pandabären gelten als ausgesprochene Sexmuffel und haben in
der freien Wildbahn eine sehr geringe Geburtenrate. Die neuen
Schutzgebiete scheinen ihnen jetzt aber die Ruhe und Abgeschiedenheit zu garantieren, die für die Fortpflanzung notwendig sind.
China hat den Schutz der Pandabären zu einem nationalen
Anliegen erklärt und betreibt mehrere Aufzuchtstationen. Mittlerweile leben mehr als 200 Tiere in den Zuchteinrichtungen.
Aber es gibt auch immer wieder Rückschläge. Ende vergangenen
Jahres waren mehrere Pandabären bei einem Ausbruch des Stau-
pevirus in einer Zuchtanlage in Sichuan gestorben. Die Seuche
gilt mittlerweile als eingedämmt. In den 70er-Jahren ließ China
zum ersten Mal die Zahl der Großen Pandas im Land ermitteln.
Die jüngste Auszählung hatte im Jahr 2011 begonnen und drei
Jahre gedauert. Aber längst nicht alle Tiere leben in den Schutzgebieten. Wilde Pandabären sind besonders in den Wäldern und
Bergen von Chinas südwestlicher Provinz Sichuan zu Hause. Sie
haben sich auf einem Areal von rund 2,6 Millionen Hektar ausgebreitet.
Pandas gehören zu den wichtigsten Symboltieren in China.
Neben Drachen benutzen chinesische Behörden und Firmen
immer wieder Pandas als Wappentiere. Während der Olympischen Spiele 2008 in China wählten die Organisatoren fünf Pandas als Maskottchen aus. Für Peking sind Pandas auch zu einem
diplomatischen Faktor geworden: Schon viele Bären wurden in
ausländische Zoos geschickt, wo sie stets zu den größten Attraktionen zählen.
DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern
verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Tel. 030/25910, Fax 030/259171606, E-Mail:
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THEMEN
Durchsuchungen mit
großem Polizeiaufgebot
REUTERS/SERGEI KARPUKHIN; MARC PIASECKI/FILMMAGIC/GETTY IMAGES
ine Studie des Bundesumweltamts ergab, dass
Elektrogeräte immer
schneller kaputtgehen. Die
durchschnittliche Lebensdauer
von durchschnittlichem Technikquatsch beträgt fünf Jahre,
dann muss das Gerät durch
etwas Flacheres ersetzt werden. Die Technikquatsch erzeugende Industrie ist selber
verzweifelt und versteht auch
nicht, warum die schönen
Apparate immer so schnell
kaputtgehen. Die Branche
steht unter einem ungeheuren
Druck. Ständig müssen neue
Geräte entwickelt und auf den
Markt geworfen werden, weil
die alten jederzeit ihren Geist
aufgeben können. Da ist es
natürlich möglich, dass vollkommen überforderte Arbeiter
in einem schlecht beleuchteten
Billiglohnland versehentlich
Schwachstellen in die Geräte
einbauen, obwohl sie gar keine
Anweisungen dafür haben.
Niemand weiß, wie man diese
Entwicklung stoppen kann.
Experten raten, neu gekauften
Technikquatsch möglichst
schnell nach Hause zu transportieren, weil das Gerät bereits unterwegs kaputtgehen
kann. Auch die Technikquatschhersteller wollen reagieren und die Garantiezeit auf
90 Minuten senken.
B **
D 2,30 E URO
M O N TAG , 2. M Ä RZ 2 015