Helaba Volkswirtschaft/Research KAPITALMARKT KOMPAKT 21. Juli 2016 Brexit verliert an Schrecken AUTOREN Das Brexit-Votum belastete vor allem das Britische Pfund, aber auch der Euro-Dollar-Kurs gab nach. Die politische Unsicherheit bleibt ein Belastungsfaktor für die Gemeinschaftswährung. Die Fed wird wohl dank einer kräftigeren US-Konjunktur die Zinserhöhungen fortsetzen. Davon wird der US-Dollar profitieren und der Euro-Dollar-Kurs in Richtung Parität fallen. Renten (deutsche Staatsanleihen) konnten mit dem Brexit-Votum ihren Safe-Haven-Status festigen. Wir haben unsere Renditeprognosen daher deutlich gesenkt. Bis Jahresende ist in Deutschland nur noch mit einem geringen Renditeanstieg zu rechnen, zumal die EZB in diesem Umfeld das Anleiheankaufprogramm vermutlich über März 2017 hinaus verlängern wird. Aktien konnten die „Brexit-Scharte“ zumeist zügig auswetzen. Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass es lediglich zu einer Verspätung im von uns zu Jahresbeginn avisierten „Erholungsfahrplan“ kommen wird. Christian Apelt, CFA Telefon: 0 69/91 32-47 26 Ulf Krauss Telefon: 0 69/91 32-47 28 Markus Reinwand, CFA Telefon: 0 69/91 32-47 23 [email protected] REDAKTION Heinrich Peters HERAUSGEBER Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/ Leitung Research Helaba Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 Finanzmarktrückblick und -prognosen Veränderung seit ... Jahresultimo Vormonat Devisen Helaba-Prognosen Q3/2016 Q4/2016 Q1/2017 Q2/2017 (jeweils gg. Euro ) US-Dollar -1,4 2,7 1,10 1,05 1,00 1,00 1,00 Japanischer Yen 11,0 -0,1 118 105 105 110 110 Britisches Pfund -11,6 -7,6 0,83 0,90 0,90 0,90 0,90 0,1 0,1 1,09 1,05 1,00 1,05 1,05 Schweizer Franken Zinsen/Renten 3M Euribor 3M USD Libor Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. (jeweils gg. Euro , %) aktueller Stand* 10j. Bundesanleihen 10j. US-Treasuries Aktien (in B asispunkten) (in %) -17 -3 -0,30 -0,30 -0,30 -0,30 -0,30 8 5 0,70 0,65 0,90 1,15 1,40 -64 -6 -0,01 -0,10 0,10 0,20 0,30 -69 -11 1,58 1,50 1,90 2,10 2,20 (in Landeswährung, %) (Index) DAX -5,6 1,8 10.142 10.200 10.800 11.300 11.500 Euro Stoxx 50 -9,2 0,8 2.967 3.000 3.200 3.300 3.400 Dow Jones 6,7 4,4 18.595 18.000 19.000 19.500 19.500 Nikkei 225 -12,4 4,5 16.682 16.000 17.000 18.000 18.500 * 20.07.2016 H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 2 1 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A Quellen: Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research 1 KAPIT ALMARKT KOMPAKT Christian Apelt, CFA Devisen: Rückenwind für den US-Dollar Der Brexit ist wider Erwarten doch eingetreten. Selbst wenn der formelle Antrag zum Verlassen der Union noch fehlt, wird die neue Regierung den Brexit wohl vollziehen. Am Devisenmarkt ging es zunächst turbulent zu. Das Pfund Sterling brach ein, gegenüber dem US-Dollar notierte es auf dem tiefsten Stand seit gut 30 Jahren. Mit der Ernennung von Theresa May als neue britische Premierministerin hat sich die Situation wieder etwas beruhigt, wenngleich die Minuszeichen markant bleiben. Der Euro-Dollar-Kurs gab zwar ebenfalls nach, notierte aber mit rund 1,10 nicht sehr viel niedriger als vor dem britischen Referendum. Der Japanische Yen hat den Großteil seiner Gewinne wieder abgegeben. Der Schweizer Franken wertete gegenüber dem Euro nur temporär auf. Brexit belastet Pfund noch weiter Mit der dann doch schnellen Klärung der Nachfolge von Premierminister Cameron hat sich zumindest innerhalb von Großbritannien die politische Situation entspannt. Das Verhältnis zur EU bleibt aber völlig offen. Derzeit tendiert die britische Regierung dazu, den Austritt um den Jahreswechsel zu beantragen. Die Briten wünschen sich einen umfassenden Zugang zum europäischen Binnenmarkt, möchten jedoch die Arbeitnehmerfreizügigkeit begrenzen. Die auf zwei Jahre angesetzten Verhandlungen mit der EU werden sich nicht einfach gestalten, letztlich ist jedoch eine Kompromisslösung am wahrscheinlichsten. Die aktuelle Unsicherheit wird die britische Konjunktur nahe an eine Rezession bringen. Die Bank of England wird vermutlich im August ihren Leitzins senken und sich zusätzliche expansive Maßnahmen vorbehalten. Das Britische Pfund dürfte in diesem Umfeld noch weiter nachgeben, der Euro-Pfund-Kurs kann bis auf 0,90 steigen. Pfund gibt nach Referendum deutlich nach GBP Konjunkturelles Momentum stützt den US-Dollar USD Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research USD Differenz der Indizes Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Die politische Unsicherheit in der EU wirkt sich auch auf den Euro negativ aus. Auch wenn die Kapitalmarktreaktionen insgesamt eher moderat ausfielen, verbleiben doch einige insbesondere politische Risiken in der Währungsunion. Die EZB legte zwar vorerst nicht nach. Grundsätzlich steht die Notenbank jedoch bereit, weitere Maßnahmen zu ergreifen. So dürfte sie ihr Anleihekaufprogramm über den März 2017 hinaus verlängern. Die Schweizer Notenbank hat wohl dank Interventionen eine merkliche Franken-Aufwertung verhindert. Vermutlich wird der EuroFranken-Kurs aber noch etwas nachgeben. Gleiches gilt für den Euro-Yen-Kurs. Weitere expansive Maßnahmen der Bank of Japan dürften den Yen kaum noch unter Druck setzen. Geldpolitik stützt den US-Dollar Die US-Notenbank wird ihre Zinsanhebungen angesichts der neuen Unsicherheiten einmal mehr verzögern. Allerdings überzeugten die jüngsten Konjunkturdaten mehrheitlich, insbesondere auch im Vergleich zur Eurozone. Nach einem schwachen Vormonat wuchs die Beschäftigung im Juni kräftig, die Einkaufsmanagerindizes haben ihre Delle überwunden. Da zudem die Inflation nach oben gerichtet ist, dürfte die Fed gegen Jahresende doch die Leitzinserhöhungen fortsetzen. Der wachsende Zinsvorteil wird den US-Dollar gegenüber dem Euro wohl begünstigen. Die USPräsidentschaftswahlen sollten den Greenback allenfalls zeitweise belasten. Der Euro-Dollar-Kurs wird vermutlich in Richtung Parität fallen. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 2 1 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A 2 KAPIT ALMARKT KOMPAKT Ulf Krauss Renten: Im tränenreichen Renditetal Der Brexit führt wahrscheinlich zu Wachstumseinbußen in Großbritannien, von denen auch Deutschland und die Eurozone betroffen wären. Etwa 8 % der deutschen Exporte gehen in das Vereinigte Königreich. Der Außenhandelssaldo war 2015 mit 51 Mrd. Euro der zweitgrößte nach den USA. Das Wirtschaftswachstum in Deutschland bzw. in der Eurozone 2016 sollte allerdings nur um 0,1 Prozentpunkte und 2017 um lediglich 0,2 Prozentpunkte geringer ausfallen, als bislang von uns erwartet. Weder Inflation noch Deflation Im Juni ist die Euro-Teuerung nach erster Schätzung auf +0,1 % angestiegen. Die Kernrate ohne Energiepreise kletterte im Jahresvergleich leicht auf +0,9 %. Die inflationsdämpfenden Effekte der Energiekomponente lassen allmählich nach: Die Rate sank von -8,1 % auf -6,5 %. Dieser Trend dürfte anhalten, allerdings nicht ganz so stark ausfallen wie ursprünglich erwartet. Rohstoffpreise haben auch durch die Unsicherheit im Zuge des Brexit-Votums an Momentum verloren. Bis Jahresende ist nunmehr mit einem Seitwärtskurs der Ölnotierungen zu rechnen (Prognose: 43 USD/b). Gleichwohl werden die Basiseffekte spürbar. Zu Jahresultimo lag der Ölpreis bei rund 35 USD/b. Dies dürfte die Euro-Teuerung im zweiten Halbjahr in Richtung 1 % steigen lassen. EZB unter Druck Die unerwartete Entwicklung in Großbritannien hat die Notenbanken weltweit alarmiert. Hinzu kommen noch die Sorgen um das italienische Bankensystem. Niedrige Zinsmargen schwächen die Ertragsseite der Banken erheblich, was gegen eine weitere Senkung des Einlagensatzes durch die EZB spricht. Wahrscheinlich ist hingegen eine Verlängerung des Ankaufprogramms über März 2017 hinaus. Damit verbunden sind vermutlich einige Änderungen der Ankaufmodalitäten. Nicht geändert werden dürfte aus politischen Gründen allerdings der Verteilungsschlüssel zwischen den Ländern. Unter dem Strich werden durch das Brexit-Votum die Erwartungen der Anleger auf ein dauerhaftes Niedrigzinsumfeld begünstigt. Brexit drückt auf Renditen Robuste US-Konjunktur Helaba-Prognose für das Jahresende, Bundesanleihen in % 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 -0,1 -0,2 -0,3 -0,4 -0,5 -0,6 -0,7 Prognose alt (ohne Brexit) Prognose neu aktuell* 1J 2J 3J 4J 5J 6J 7J Stand 20.7.16 Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research Renditen bleiben relativ niedrig Index, Verarbeitendes Gewerbe 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 -0,1 -0,2 -0,3 -0,4 -0,5 -0,6 -0,7 8J 9J 10J %-Pkt. 62 3.00 US-Einkaufsmanagerindex 60 2.50 58 56 2.00 54 1.50 52 50 1.00 48 46 2010 2011 10/2- Spread US-Treasuries (rechte Skala) 2012 2013 2014 2015 2016 0.50 Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research Bundesanleihen und US-Treasuries haben mit dem Brexit-Votum ihren Safe-Haven-Status gefestigt. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen verharrt vorerst im negativen Bereich. Bis Jahresende ist in Deutschland nur mit einem geringen Renditeanstieg zu rechnen. Etwas stärker dürften die Renditen in den USA ansteigen. Aufgrund der unübersichtlichen politischen Verhältnisse in Europa haben US-Staatsanleihen zwar an relativer Attraktivität gewonnen. Allerdings dürften die geldpolitischen Vorgaben im zweiten Halbjahr mit anziehenden Inflationserwartungen wieder drehen. Die zuletzt besser ausgefallenen Arbeitsmarktdaten sprechen eher für eine Neigung der USNotenbank in Richtung Zinsanhebung. Der letzte zyklische Renditehöchststand von rund 3 % bei 10-jährigen US-Treasuries wird jedoch angesichts eines recht unsicheren globalen Umfelds kaum mehr erreicht werden. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 2 1 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A 3 KAPIT ALMARKT KOMPAKT Aktien: Auf Erholungskurs Markus Reinwand, CFA Aktien konnten in den vergangenen Wochen zumeist deutlich zulegen. Der britische FTSE 100 notiert inzwischen höher als vor dem EU-Referendum, die US-Leitindizes S&P 500 und Dow Jones Industrials erreichten zuletzt sogar neue Allzeithochs. DAX und EURO STOXX 50 haben die durch das britische Nein zur EU verursachten Kursverluste fast schon wieder aufgeholt. Damit scheint sich unsere Einschätzung zu bestätigen, dass der „Brexit“ lediglich zu einer Verspätung im von uns zu Jahresbeginn avisierten „Erholungsfahrplan“ führen wird. Schneller als erwartet hat sich die Brexit-Verunsicherung der Marktteilnehmer gelegt. Die implizite Volatilität – ein klassischer Maßstab für die Risikoaversion – ist hierzulande auf den niedrigsten Stand seit Sommer letzten Jahres gefallen. Mit einem Wert von rund 19 % liegt der VDAX allerdings noch deutlich über dem zyklischen Tiefststand vom Sommer 2014 bei rund 12 %. Dies zeigt, dass nach wie vor eine gewisse Skepsis vorherrscht. Deutlich optimistischer sind Anleger offensichtlich für US-Aktien gestimmt. Der VIX – das Gegenstück zum VDAX – ist mit einem Wert von 11,6 % nur noch wenige Punkte von den 2014er Tiefstständen bei 10,3 % entfernt. Risikoaversion schnell verflogen „Brexit-Scharte“ zumeist schon ausgewetzt Euro-Titel mit Bewertungsvorteilen Kursindizes in Landeswährung, indexiert: 23.6.2016 =100 Abweichung vom Normalwert 115 115 FTSE 100 110 EU-Referendum 110 105 105 100 100 95 95 90 90 S&P 500 EURO STOXX 50 85 80 85 80 J F M A M J J Quellen: Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research 1,5 1,5 Bewertungsdifferenz* US-Aktien / Euro-Aktien 1,0 1,0 Euro-Aktien relativ günstig 0,5 0,5 0,0 0,0 -0,5 -0,5 -1,0 -1,0 US-Aktien relativ günstig -1,5 -1,5 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 * bestehend aus KGV, KCV, KBV und Kehrwert Dividendenrendite Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research Die Gründe für die Bevorzugung von Übersee-Titeln sind vielfältig: Zum einen sind Anleger offensichtlich bereit, eine Prämie für eine im Vergleich zu Europa geringere politische Unsicherheit zu zahlen. Zudem konnten die Konjunkturdaten in den USA anders als die aus dem Euroraum zuletzt mehrheitlich positiv überraschen. Allerdings sollte die Outperformance von US-Aktien nicht einfach fortgeschrieben werden. Immerhin ist die transatlantische Bewertungsdifferenz auf Basis der gängigsten Kennziffern (Kurs-Gewinn-Verhältnis, Kurs-Cashflow-Verhältnis, Kurs-Buchwert-Verhältnis und Dividendenrendite) mittlerweile extrem ausgeprägt. Während sich DAX und EURO STOXX 50 derzeit in der Mitte ihres historischen Bewertungsbandes bewegen, hat der S&P 500 durch den jüngsten Kursanstieg wieder den oberen Rand des Normalbereiches erreicht. Euro-Aktien attraktiv Auch wenn die US-Notenbank weiterhin einen ausgesprochen behutsamen Zinserhöhungskurs fahren wird, besteht kaum noch Raum für sichtbar höhere Bewertungen. Für weitere nachhaltige Kursanstiege müsste die Dynamik der Unternehmensgewinne weiter zunehmen. Verglichen mit den vorangegangenen Quartalen ist der Anteil positiver Gewinnüberraschungen in der gerade angelaufenen US-Zwischenberichtssaison bislang aber eher unterdurchschnittlich. Entsprechend werden die Schätzungen für die Nettoergebnisse der kommenden 12 Monate bislang per saldo weiter leicht nach unten revidiert. Ähnliches ist bei den Gewinnrevisionen für DAX- und EURO STOXX 50-Unternehmen zu beobachten. Dies- und jenseits des Atlantiks unterscheiden sich die Gewinnerwartungen kaum. Dennoch sind hiesige Aktien hinsichtlich der Bewertung wesentlich attraktiver. Dies eröffnet ihnen auf Sicht der kommenden Monate u.E. deutlich mehr Kursspielraum. Zwar kann insbesondere die politische Gemengelage immer wieder zu kurzfristigen Irritationen an den Aktienmärkten führen. Angesichts weiterhin hoher Liquidität und eines insgesamt stabilen Wachstums der Weltwirtschaft bieten etwaige Kursrücksetzer aber Gelegenheit zum Positionsausbau. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 2 1 . J U L I 2 0 1 6 · © H E L A B A 4
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