SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Efrat Gad-El: Niemandssprache Itzik Manger – ein europäischer Dichter Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag 785 Seiten 44 Euro Rezension von Irene Dänzer-Vanotti Freitag, 15. Juli 2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Und so heißt auch das Buch über ihn von der Judaistin Efrat Gad-El. Sie hat das Leben des jiddischen Dichters Itzik Manger erforscht und erzählt es in einem optisch wie inhaltlich außergewöhnlichen Buch. Ein versunkener, ausgelöschter Teil der europäischen Kultur und Dichtung wird hier wieder erlebbar. Irene Dänzer-Vanotti hat es gelesen. Itzik Manger? Nie gehört? Itzik Manger ist ein „europäischer Dichter“, der bedeutendste in jiddischer Sprache im 20. Jahrhundert. Ein Poet vom Rang Rilkes, als Mensch ein Gott und Teufel, ein Schmeichler, Schnorrer und Säufer. Er entkommt dem Holocaust und ist dennoch sein Opfer. Jiddisch ist zur Zeit von Mangers Geburt im Jahr 1901 noch eine lebendige Straßensprache. Aber als die Sprechenden ermordet und ihre Wörter nahezu verloren sind, wird Itzik Manger das Jiddische als Unglück bezeichnen. Sein Unglück. Efrat Gad-El, seine Biografin, ist Professorin für Judaistik an der Universität Düsseldorf. Nachdem sie schon Gedichte von Manger ins Deutsche übersetzt hat, hat sie die Lebensgeschichte von Itzik Manger erforscht und stellt sie in verschiedenste Zusammenhänge. Außergewöhnlich an diesem Buch ist seine Machart: nach dem Vorbild einer hebräischen Bibel setzt Gad-El die Texte nebeneinander. Der Haupttext, Mangers Lebensgeschichte, elegant und leicht geschrieben, steht jeweils in der Mitte, darum in anderer Schrift die Geschichte seiner Zeit und seiner Orte. Fußnoten bieten hebräische Originale seiner Texte, Briefe oder anderes Material. Klingt verwirrend, ist es aber nicht. Es ermöglicht Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT vielmehr ein Schmökern nach Interesse, Wandern durch viele Welten. Was im Internet der Mausklick ist, ist hier der schnelle Seitenblick auf Geschichten am Rande. Daran ist Itzik Mangers Leben reich. Allein sein Geburtsort führt mitten in europäische Dichtung. Czernowitz. Paul Celan stammt daher, Selma Meerbaum-Eisinger. Und die Frau, die als Rose Ausländer deutsche Dichterin werden sollte, ist Mangers Nachbarkind und Schulkameradin. Als 17, 18 Jähriger beginnt Itzik Manger nach einer Schneiderlehre Balladen zu schreiben, die das lesefreudige jiddische Publikum in den Schteteln liebt. So hat er einen Namen, als er mit knapp 30 nach Warschau zieht. Die polnische Hauptstadt in der Zeit zwischen den Kriegen wird seine Bühne: hier entwickelt er seinen Stil, hier lebt er mit seiner Partnerin Rochl Auerbach, von hier aus reist er durch Europa. Er ist nicht orthodoxreligiös, aber doch mit seinem Gott verbunden. Gute Jahre. 1938 weist Polen ihn aus. Er emigriert nah Paris mit einem Pass, der gerade noch zwei Wochen lang gilt. Eine Odyssee beginnt, auch als Flüchtling auf dem Mittelmeer. Ein Schiff, mit dem er nach Palästina reisen will, dreht ab. Er landet in Algier, weckt das Mitleid eines Kapitäns. Der verfrachtet ihn nach England. Fremde Welt. Niemand spricht jiddisch, niemand kennt seine Gedichte. Fast niemand. Die Buchhändlerin Margaret Waterhouse in London beherbergt ihn zehn Jahre lang, wird seine Geliebte. Dabei ist Manger alles andere als ein einfacher Gast. Er ist bettelarm, verzweifelt und säuft. Dennoch: Margaret Waterhouse kann bei ehemaligen Anhängern Spenden auftreiben. So übersteht er den Krieg. Erst in den 1950er Jahren wird er nach Kanada eingeladen. Dort kann er wieder schreiben. Von nun an pendelt er, meist auf Unterstützung angewiesen, zwischen Kanada, den USA und Israel. Dort wird Itzik Manger gefeiert. Als er 1969 in Israel stirbt, ist Itzik Manger noch immer ein bekannter Dichter. Dass Efrat Gad-El ihn und vor allem seine Gedichte für deutsche Leser – und die übrige Welt – aus dem danach einsetzenden Vergessen befreit, ist ein Verdienst; über ihn und seine Zeit zu lesen, ein Vergnügen; seine Gedichte sind ein Erlebnis. Selbst wenn man sich nicht in jede Einzelheit dieses Buches vertieft. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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