IKB-Kapitalmarkt-News – EZB-Geldpolitik: Die Botschaft hör ich wohl

IKB-Kapitalmarkt-News – EZB-Geldpolitik: Die Botschaft hör ich wohl – allein
mir fehlt der Glaube
20. Mai 2016
Dr. Klaus Bauknecht
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Die letzten Jahre waren gekennzeichnet durch Unsicherheit, die die Finanz-, wie auch die Realwirtschaft nachhaltig zu
beeinflussen scheint. Grundsätzlich bestehen Zweifel an der Nachhaltigkeit der globalen konjunkturellen Erholung. Hier steht
vor allem die weltweite exzessive Verschuldung im Vordergrund. Verbreitet ist die Einschätzung, dass ein Schuldenabbau
unweigerlich zu einem Einbruch in der Realwirtschaft führt und daraus volkswirtschaftliches Chaos resultiert. Finanz- und
Euro-Krise haben diese Erwartungshaltung gefestigt, ebenso wie zunehmende Zweifel an der Effektivität und der Fähigkeit der
Geldpolitik, solche verhängnisvollen Entwicklungen erfolgreich zu verhindern. Obwohl die EZB seit Jahren ihr
Aufkaufprogramm durchzieht und für historisch niedrige Zinsen sorgt, wird das Wachstum immer noch als wenig nachhaltig
angesehen. In dieser Zeit hat das Vertrauen in die Notenbanken weiter abgenommen, da sie eine Geldpolitik betreiben, die bis
vor ein paar Jahren noch unvorstellbar war. Auffälligste Merkmale dieser exzessiven Politik sind negative Zinsen und
aufblähende Notenbankbilanzen.
Finanzkrisen benötigen eine aktive und aggressive Geldpolitik. Dies ist zumindest die Lehre aus vorherigen Krisen, und auch
jüngst haben die Notenbanken einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der weltweiten Finanz- und Realwirtschaft
beigetragen. Doch inzwischen ist das Risiko angestiegen, dass der stabilisierende Einfluss der Notenbanken ins
Gegenteil drehen könnte. Dies gilt vor allem seit der Einführung von negativen Zinsen und der erneuten Ausweitung des
EZB-Aufkaufprogramms. Maßnahmen, die ergriffen wurden, obwohl die Konjunktur in Europa relativ stabil ist. Die EZB scheint
sich in einem Dilemma zu befinden. Eine ambitionierte Geldpolitik signalisiert klares Handeln und kann Erwartungen
entscheidend beeinflussen. Kommt allerdings der Erfolg nur zögernd, steht der Einfluss der Notenbank auf dem Prüfstand.
Deshalb besteht die Gefahr, dass die Notenbankpolitik selbst zu einem Unsicherheitsfaktor wird. Bisher galten Zinsen von 0 %
als untere Grenze. Zwar versäumt die EZB nicht zu erwähnen, dass es für sie auch weiterhin Grenzen bei der Zinssenkung
gibt, allerdings hat sie diese Grenzen in den letzten Jahren sehr deutlich verschoben und vermindert damit die
Berechenbarkeit ihrer Politik, was sich wiederum negativ auf ihre Glaubwürdigkeit auswirkt.
Abb. 1: 10-jährige Bund-Rendite, in %
6
5
4
3
2
1
0
-1
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
2016
Quellen: Bloomberg; IKB
Manche Volkswirte argumentieren, dass die EZB auch deshalb die Unsicherheit erhöht, weil sie einen notwendigen
Anpassungsprozess verhindert und durch ihre niedrigen Zinsen Unternehmen schützt, die nicht profitabel und somit auch nicht
in der Lage sind, Investitionen für mehr Wachstum zu tätigen. Andere Volkswirte betonen eher die Notwendigkeit, die
Nachfrage zu stimulieren, um dadurch Wachstum zu erzeugen. Sie argumentieren, Investitionen würden nicht durch steigende
Insolvenzen gefördert, sondern durch Nachfrage. Entscheidend sind allerdings die Notwendigkeit von Reformen und eine
Anpassung auf der Angebotsseite der Wirtschaft (siehe auch IKB Kapitalmarkt News vom 17. März 2016). Dabei liegen solche
Reformen außerhalb des Einflussbereichs der Notenbank.
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Die Gefahr, dass die EZB selbst zu einem Unsicherheitsfaktor wird, steigt mit ihrer sinkenden Effektivität, die nicht
zuletzt auf ihren Aktionismus zurückzuführen ist. Andererseits nötigt die passive Fiskalpolitik – also ausbleibende
Konjunkturprogramme und Reformen – die Notenbank, ihre Maßnahmen deutlich auszuweiten. Die EZB scheint eine
ausgewogene, geldpolitische Ausrichtung längst aus den Augen verloren zu haben; denn das Gesetz vom
abnehmenden Grenzertrag gilt auch für die Geldpolitik – insbesondere, wenn sie an ihrer außerordentlich expansiven
Geldpolitik festhält und somit ihre Glaubwürdigkeit und Effektivität mehr und mehr preisgibt. Doch notwendig wäre nicht
unbedingt nur eine Wende in der Zinspolitik, sondern vor allem eine ausweitende Fiskalpolitik.
In der Volkswirtschaft hat die Glaubwürdigkeit von Notenbanken eine besondere Bedeutung. Ist diese gegeben, kann die
Notenbank allein durch Erwartungen Einfluss auf die Wirtschaft ausüben, ohne die eigentlichen Maßnahmen umsetzen zu
müssen. Allein das Vertrauen in ihre Handlungsbereitschaft und die Effektivität ihrer Maßnahmen ist ausreichend, um
Erwartungen zu steuern. Was für ein Kontrast zur aktuellen Geldpolitik der EZB, die ihre Glaubwürdigkeit durch immer
ambitionierteres Handeln beweisen muss, um keine negative Reaktion auf den Finanzmärkten herauszufordern. Eine hohe
Glaubwürdigkeit würde hingegen dazu führen, dass Schocks zu einer niedrigeren Volatilität führen; denn die Erwartungen
würden sich nicht verändern, sondern weiterhin von der Notenbank gelenkt werden.
Die hohe Bedeutung von Glaubwürdigkeit an die Effektivität einer Notenbank hat in vielen Ländern zur Einführung von
Inflationszielen und zur größeren Unabhängigkeit der Notenbank von der Politik geführt. Liegt die Inflationsrate innerhalb des
Zielkorridors, wird sich dieses Ziel mittelfristig als korrekter Erwartungsanker bestätigen. Doch die Glaubwürdigkeit einer
Notenbank hängt weniger von ihrer Unabhängigkeit ab als von ihrer Fähigkeit, die Wirtschaft zu stimulieren. Dies kann
durchaus eine enge Abstimmung mit der Fiskalpolitik und damit mit dem Staat bedeuten.
Ist die Notenbank nicht glaubwürdig, so sind ihre Ziele nicht die Grundlage für Erwartungen. Sprich: Niemand wird dem
Inflationsziel große Bedeutung einräumen, wenn dessen Eintritt vom Zufall abhängt. Empirische Analysen zeigen deshalb sehr
deutlich, dass die Glaubwürdigkeit einer Notenbank eng mit dem kurz- bis mittelfristigen Erreichen der formulierten Ziele
korrespondiert. Die Glaubwürdigkeit einer Notenbankpolitik hängt also davon ab, ob Märkte und Öffentlichkeit an einen
erfolgreichen Einfluss der Notenbank auf Inflation und Konjunktur glauben. Eine jahrelange Niedrigzinspolitik und die
Ausweitung von Aufkaufprogrammen untergraben hingegen das Vertrauen, dass Notenbanken im Allgemeinen und die EZB im
Besonderen in der Lage sind, angekündigte Ziele zu erreichen. Denn selbst langfristige Inflationserwartungen scheinen sich in
der Euro-Zone trotz der EZB-Geldmengenausweitung nicht zu bestätigen.
Abb. 2: Euro-Zone: Inflation und Prognose, in %
2,5
Prognose
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
-0,5
-1,0
2013
2014
2015
2016
Quellen: Eurostat; IKB
Die schwindende Glaubwürdigkeit der EZB lässt sich an der Dynamik der Inflationserwartungen deutlich erkennen. Langfristige
Inflationserwartungen sollten eher wenig von der jeweils aktuellen Inflationsrate abhängen. Diese Prämisse schien sich auch
bis zur Finanzkrise zu bestätigen. Erwartungen waren langfristig verankert und zeigten keine Reaktion auf die jeweils aktuelle
Volatilität in der Inflationsrate. Notenbanken haben dies weltweit als Indiz für ihre Glaubwürdigkeit angesehen und
argumentiert, dass Inflationserwartungen dank ihrer Politik langfristig verankert sind. Diese Prämisse kann jedoch für die EuroZone seit der Finanzkrise nicht mehr bestätigt werden. Vor allem seit 2011 hat die aktuelle monatliche Inflationsrate einen
höheren und statistisch bedeutenden Einfluss auf die langfristigen Inflationserwartungen. So werden diese nicht durch eine
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glaubwürdige Geldpolitik, sondern mehr und mehr durch die Realität der aktuellen Inflation bestimmt. Wie Abb. 3 zeigt, scheint
die Zielgröße der EZB schon seit 2007 kein guter Erwartungswert für die Inflation mehr zu sein.
Abb. 3: Inflation Euro-Zone und Zielwert, in %
5
4
3
2
1
0
-1
2000
2002
2004
2006
Inflation
2008
2010
2012
2014
2016
Zielwert
Quellen: Eurostat; EZB; IKB
Was bedeutet dies nun für Zinsen? Nicht das Versprechen der EZB bestimmt die Erwartungen, sondern die Fakten sind
entscheidend. So werden die Langfristzinsen dann steigen, wenn die eigentliche Inflationsrate anzieht und die Realwirtschaft
überzeugend robust ist. Wäre die EZB glaubwürdig in ihrer Effektivität, wäre das Renditenniveau als Folge der
Maßnahmen der letzten Monate angestiegen und nicht weiter gesunken – zumindest am langen Ende, das primär von
Erwartungen und weniger von Leitzinsen beeinflusst sein sollte . Doch das Gegenteil ist der Fall: 10-jährige Renditen von rund
0 % sind ein Zeichen dafür, dass weder in Europa noch in Japan die Märkte an eine nachhaltige Wende in der Zinspolitik
glauben und damit an den Erfolg der Notenbankpolitik. Allerdings bedeutet die hohe Abhängigkeit der Erwartungen an der
aktuellen Inflation auch, dass bei einer ansteigenden Inflationsrate in der zweiten Jahreshälfte 2016 der Druck auf deutsche
Langfristzinsen steigen sollte. Deutliche Korrekturen sind aufgrund des geringen Vertrauens in die Einflussmöglichkeiten der
EZB eher nicht zu erwarten.
Fazit:
In der Volkswirtschaft hat die Glaubwürdigkeit von Notenbanken besondere Bedeutung. Ist diese gegeben, kann die
Notenbank einzig durch Erwartungen Einfluss auf die Konjunktur ausüben, ohne zwingend Maßnahmen umsetzen zu müssen.
Allein das Vertrauen in ihre Handlungsbereitschaft und die Effektivität ihrer Maßnahmen ist ausreichend, um Erwartungen zu
steuern.
Was für ein Kontrast zur aktuellen Geldpolitik der EZB, die ihre Glaubwürdigkeit durch immer ambitionierteres Handeln
beweisen muss, um keine negative Reaktion auf den Finanzmärkten herauszufordern. Dies gilt vor allem seit Einführung von
negativen Zinsen und der erneuten Ausweitung des EZB-Aufkaufprogramms. Maßnahmen, die ergriffen wurden, obwohl die
Konjunktur in Europa relativ stabil ist.
Die EZB scheint sich in einem Dilemma zu befinden. Eine ambitionierte Geldpolitik signalisiert einerseits klares Handeln und
kann Erwartungen entscheidend beeinflussen. Kommt allerdings der Erfolg nur zögernd, steht der Einfluss der Notenbank auf
dem Prüfstand. Deshalb besteht die Gefahr, dass die Notenbankpolitik selbst zum Unsicherheitsfaktor wird.
Was bedeutet dies nun für Zinsen? Nicht das Versprechen der EZB bestimmt die Erwartungen, sondern die Fakten sind
entscheidend. So werden die Langfristzinsen dann steigen, wenn die eigentliche Inflationsrate anzieht und die Realwirtschaft
überzeugt. Dies mag bereits ansatzweise in der zweiten Jahreshälfte von 2016 der Fall sein.
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