Helaba Volkswirtschaft/Research IMMOBILIENREPORT 30. März 2016 Unsichere Zeiten AUTOR Dr. Stefan Mitropoulos Telefon: 0 69/91 32-46 19 [email protected] Die ultraexpansive Geldpolitik erhöht die Unsicherheit auch an den Immobilienmärkten. Überbewertungen nehmen zu und es steigt die Gefahr von Immobilienblasen. Bis zum Referendum über den Verbleib in der EU bleibt es in Großbritannien spannend. Ein „Brexit“ könnte erhebliche Folgen für den Immobilienmarkt haben. Von der hohen Unsicherheit und Volatilität am Kapitalmarkt profitieren die offenen Immobilienfonds. Ihre Performance spiegelt bislang die positive Entwicklung am Investmentmarkt nur unzureichend wider. REDAKTION Dr. Gertrud R. Traud HERAUSGEBER Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/Leitung Research Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 1 Auf einen Blick ........................................................................................................................... 1 2 Ausgewählte Immobilienanalysen ............................................................................................ 2 2.1 Rein in die Immobilie .............................................................................................................. 2 2.2 Britischer Immobilienmarkt vor dem Referendum .................................................................. 3 2.3 Offene Immobilienfonds: Attraktiv auch ohne Renditekick ..................................................... 4 1 Auf einen Blick Deutscher Wirtschaftsbau kommt nur langsam in Schwung Genehmigungen in Mio Euro, saisonbereinigt, gleitende Durchschnitte 700 700 600 Handels- und Lagergebäude 500 500 400 400 300 300 100 2008 Büro- und Verwaltungsgebäude Fabrik- und Werkstattgebäude 200 Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. 600 200 100 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quellen: Feri, Helaba Volkswirtschaft/Research Die Baugenehmigungen im deutschen Wirtschaftsbau haben sich im vergangenen Jahr insgesamt schwach entwickelt – im Gegensatz zum boomenden Wohnungsbau. Im Vorjahresvergleich lagen die Genehmigungen bei Fabrik- und Werkstattgebäuden deutlich im Minus, während die beiden anderen wichtigen Sparten Büro- und Verwaltungsgebäude sowie Handels- und Lagergebäude das Vorjahresniveau übertrafen. Eine unterdurchschnittliche Entwicklung spiegeln auch die gewerblichen Bauinvestitionen wider, die 2015 deutlich um 1,4 % gesunken sind. Für das laufende Jahr verbessern sich die Perspektiven, wie auch die zuletzt etwas anziehenden Baugenehmigungen signalisieren. Die Investitionen sollten um 1,5 % zulegen, bleiben aber damit hinter der Dyna1 mik im Wohnungsbau zurück. 1 Vgl. hierzu Helaba Branchenfokus „Deutscher Bau: Dynamisches Wachstum 2016“ vom 23. Februar 2016. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 3 0 . M Ä R Z 2 0 1 6 · © H E L A B A 1 IMMOBILIENREPORT 2 Ausgewählte Immobilienanalysen 2.1 Rein in die Immobilie Die EZB hat mit einer Reihe von zusätzlichen Maßnahmen am 10. März die ultraexpansive Geldpolitik weiter ausgebaut. Die Nebenwirkungen sind enorm und werden sich an den Immobilienmärkten bemerkbar machen. Das Thema Immobilienblase ist damit kein akademisches mehr. Kann das gut gehen? Seit einigen Jahren boomt der Immobilienmarkt – auch in Deutschland, sowohl bei Wohnungen als auch im gewerblichen Bereich. Mit der jüngsten Entscheidung der EZB wird nun endgültig aus dem unguten Gefühl Gewissheit, dass sich die Immobilienpreise weiter in überhitztes Terrain bewegen werden. Bei vermutlich noch über Jahre anhaltendem Nullzins und damit durch die Geldpolitik forciertem „Run in die Immobilie“ scheint eine fortschreitende Überbewertung unvermeidbar. Der Weg in die Immobilienblase ist damit vorgezeichnet – die Frage bleibt, wann und wo diese platzt oder ob es vielleicht doch gelingen kann, hier vorsichtig Luft entweichen zu lassen. Über die Gefahr von Immobilienblasen wurde in den letzten Jahren viel philosophiert. In der Geschichte der Finanzkrisen nehmen sie traditionell eine prominente Rolle ein, neigen Immobilienmärkte doch aufgrund ihrer ausgeprägten Zyklizität zu Übertreibungen. Die Crux dabei ist: Nur im Nachhinein lassen sich Immobilienblasen ganz leicht erkennen. Sie bauen sich langsam auf und sind zunächst in einem jahrelang andauernden Aufwärtstrend schwer zu identifizieren. Auch ist es gerade in Übertreibungsphasen typisch, dass interessierte Kreise stets nach neuen Argumenten suchen, warum die markanten Preissteigerungen doch noch „fundamental gerechtfertigt“ sind. Von den klassischen Zutaten für eine Immobilienpreisblase – Überbewertung, überschüssige Liquidität, positives wirtschaftliches Umfeld, Spekulationsgier sowie kräftiger Anstieg der Kreditvergabe – fehlt nicht mehr viel. Mutter aller Immobilienblasen: US-Wohnungsmarkt Realer Shiller-Hauspreisindex, 1990 = 100 Deutscher Hauspreisanstieg noch harmlos? Fed Funds Rate, % 160 9 Preisindex für neu erstellte Wohnimmobilien, 2000 = 100 160 160 140 140 120 120 100 100 8 140 Fed Funds Rate (rechte Skala) 7 Shiller-Hauspreisindex (linke Skala) 6 5 120 4 3 100 2 1 80 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 0 Quellen: R.J. Shiller: Irrational Exuberance, Helaba Volkswirtschaft/Research EZB schafft Anreize zu leichtfertiger Kreditvergabe 80 80 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 Quellen: Statistisches Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research Die hohe Liquidität wird angesichts der ultraexpansiven Geldpolitik noch längere Zeit andauern und damit den Preisantrieb bei Immobilien weiter anfeuern. So sieht die Deutsche Bundesbank schon heute in den deutschen Ballungszentren Überbewertungen von bis zu 20 %. Dies mag im Vergleich zur letzten Blase am US-Wohnungsmarkt (an der die US-Notenbank sicher nicht unbeteiligt war) gering erscheinen. Setzt sich dieser Preisauftrieb aber noch zwei bis drei Jahre mit der gleichen Geschwindigkeit fort, dürfte die Größenordnung dem im Wiedervereinigungsboom der 90er Jahre entsprechen. Mit zunehmendem Preisniveau nimmt die Korrekturanfälligkeit zu. Immerhin ist der deutsche Wohnungsmarkt derzeit von einer Überbauung meilenweit entfernt. Die Kreditvergabe ist aber im Zuge der historisch niedrigen Zinsen zuletzt kräftig gestiegen. So haben die deutschen Sparkassen im vergangenen Jahr ihr Neugeschäft mit Wohnungskrediten um mehr als 23 % ausgeweitet. Die EZB hat die Anreize für die Kreditvergabe durch die jüngsten Maßnahmen erheblich erhöht. Ob es vor diesem Hintergrund langfristig bei der noch überwiegend konservativen Finanzierungspraxis der Banken bleibt, erscheint zunehmend fraglich. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 3 0 . M Ä R Z 2 0 1 6 · © H E L A B A 2 IMMOBILIENREPORT 2.2 Britischer Immobilienmarkt vor dem Referendum Am 23. Juni entscheiden die Briten über den Verbleib ihres Landes in der EU. Dies sorgt schon im Vorfeld für Spannung auch am Immobilienmarkt. Nach einem Brexit wären je nach Szenario erhebliche Auswirkungen auf den Immobilienmarkt zu erwarten. Zumindest bis zum Referendum steigt die Unsicherheit im Vereinigten Königreich. Nicht auszuschließen ist, dass einzelne Immobilieninvestoren dies zum Anlass nehmen, ihr Exposure in Großbritannien auf den Prüfstand zu stellen. Dies gilt insbesondere, da der britische Immobilienmarkt im Zyklus vergleichsweise weit gelaufen ist und sich bei der Entwicklung der gewerblichen Immobilienwerte zuletzt eine Abschwächung abzeichnet. Wer in diesem Markt in den letzten Jahren Wertsteigerungen von 20 % und mehr vereinnahmte, könnte nun versucht sein Gewinne mitzunehmen. Kommt es dann nicht zum Brexit – und dafür sprechen derzeit die Wettquoten bei den britischen Buchmachern – dürfte sich insgesamt für den Immobilienmarkt wenig ändern. Unsicherheit belastet im Vorfeld der Abstimmung Szenario-Analyse: Drei Brexit-Varianten Britischer Immobilieninvestmentmarkt in reifer Phase MSCI Real Estate/IPD Property Index, Wertänderung, % gg. Vm „Should the United Kingdom remain a member of the European Union or leave the European Union?“ 2 2 1 1 0 0 „Leave“ „Remain“ Kompromiss Konflikt Rosinenpicker 25 % 10 % 5% 60 % Quelle: Helaba Volkswirtschaft/Research Büromarkt je nach Brexit-Szenario betroffen -1 -1 10 11 12 13 14 15 16 Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research Die Wahrscheinlichkeit für einen Brexit schätzen wir derzeit auf 40 %. Dabei unterscheiden wir 2 verschiedene Szenarien eines Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union, die zu unterschiedlich starken Auswirkungen auf den Immobilienmarkt führen würden. In jedem der drei Fälle würde nach einem Votum der Briten für einen Austritt die Unsicherheitsphase erheblich verlängert – hier ist eine Verhandlungsdauer von zwei Jahren vorgesehen. Endet diese mit einem Kompromiss (25 % Wahrscheinlichkeit), so wären die Beeinträchtigungen für die britische Wirtschaft überschaubar. Der erwartete Abschwung am Immobilieninvestmentmarkt dürfte dennoch stärker ausfallen als ohne Brexit. Wohn- und Einzelhandelsimmobilien wären wohl weniger betroffen. Für die Unternehmen insbesondere im Finanzsektor käme es zu einigen Einschränkungen beim Zugang zum EU-Binnenmarkt, der Finanzplatz London behielte aber seine führende Rolle. Die Belastungen für den Büromarkt vor allem in der Metropole würden sich damit in Grenzen halten. Für weit weniger wahrscheinlich halten wir, dass sich London in den Verhandlungen deutliche Vorteile sichern kann (Szenario „Rosinenpicker“ mit 5 % Wahrscheinlichkeit). Kommt es dagegen im vorgegebenen Zeitrahmen nicht zu einer Einigung, ginge der uneingeschränkte Zugang zum EU-Binnenmarkt verloren. London als Standort vieler Zentralen außereuropäischer Unternehmen, die von dort den europäischen Markt erschließen, wäre von zahlreichen Verlagerungen auf den Kontinent betroffen – mit deutlich negativen Effekten auf den Büromarkt. Auch ein bedeutender Teil der Finanzgeschäfte würde zu anderen Bankenplätzen abwandern und den dortigen Büromärkten Impulse geben. Die in diesem Szenario (10 % Wahrscheinlichkeit) zu erwartenden erheblichen Einbußen bei den britischen Exporten und Investitionen würden zu kräftigen Wachstumsverlusten führen. In diesem Falle wären neben dem Büromarkt auch die anderen Immobiliensegmente von der Talfahrt betroffen. 2 Zu den Brexit-Szenarien siehe ausführlich unsere Publikation „Außer der Reihe“: „Großbritannien: Sein oder Nichtsein in der EU“ vom 15. März 2016. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 3 0 . M Ä R Z 2 0 1 6 · © H E L A B A 3 IMMOBILIENREPORT 2.3 Offene Immobilienfonds: Attraktiv auch ohne Renditekick Die Performance offener Immobilienpublikumsfonds kommt trotz positiver Entwicklung an den Investmentmärkten nicht vom Fleck. Wie die kräftigen Mittelzuflüsse zu Jahresbeginn bestätigen, ist die Attraktivität der Anlageform dennoch hoch. Die Jahresperformance des „Helaba OIF-Index“ verharrt bei eher dürftigen 2,4 %. Der Index umfasst die Performance von neun für Privatanleger investierbaren offenen Immobilienfonds (OIF), die gleich gewichtet werden. Seit einigen Jahren zeigt die Rendite des Index kaum Schwankungen. Im anhaltenden Niedrigzinsumfeld scheint die Performance dieser Immobilienanlage für die privaten Anleger dennoch attraktiv zu sein – darauf deutet der nach wie vor im historischen Vergleich sehr hohe Abstand zur Rendite 10-jähriger deutscher Staatsanleihen hin. Dass offene Immobilienfonds ein Profiteur des Anlagenotstands sind, bestätigen die Mittelzuflüsse zu Jahresbeginn. Während OIF nach Angaben der Deutschen Bundesbank 2015 Nettomittelzuflüsse in Höhe von insgesamt 3,6 Mrd. Euro vereinnahmen konnten, wurden allein für Januar mehr als 1,3 Mrd. Euro gemeldet. Diese Zahlen sind noch verzerrt durch Rückzahlungen von OIF in Abwicklung, auf die Ende Januar noch ein Fondsvolumen von fast 10 Mrd. von insgesamt etwa 84 Mrd. Euro entfiel. Die anhaltend hohen Zuflüsse bleiben eine Herausforderung für die Fonds, denn auf der einen Seite würde eine zu hohe Liquidität bei quasi Nullzinsen die Performance verwässern, auf der anderen Seite sind geeignete Objekte derzeit kaum oder nur zu hohem Preis zu erwerben. Hohe Zuflüsse im Januar Performance kommt nicht vom Fleck Deutschlandanteil zuletzt erhöht Jahresrendite, % Geographische Verteilung in OIF nach Verkehrswert, % 5 5 4 4 Großbritannien Frankreich Helaba OIF-Index 3 2 0 3 2 1 10 11 12 13 14 15 16 Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research Hohe Gesamtrenditen, niedrige Fondsrendite außereurop. Länder Sonstige europ. Länder 1 Rendite 10-jähriger deutscher Staatsanleihen 09 Sonstige Eurozone Deutschland 0 Quellen: BVI, Helaba Volkswirtschaft/Research Die aus vielen Immobilienmärkten gemeldete positive Entwicklung kommt offenbar nicht richtig in der Fondsperformance an. So zeigen die jüngst gemeldeten Daten von MSCI Real Estate/IPD hohe Gesamtrenditen für direkt gehaltene Immobilien in den wichtigsten Investitionsländern der OIF. Zuletzt entfielen mehr als 60 % der Verkehrswerte der vom Investmentverband BVI erfassten OIF auf die Märkte Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Dabei erreichten deutsche Immobilien laut IPD im vergangenen Jahr mit gut 8 % sogar die höchste Gesamtrendite seit Beginn der Datenreihe im Jahr 1996. Aus Frankreich wurde ein Plus von 9 % gemeldet, für den britischen Markt sogar rund 13 %. Diese Gesamtrenditen sind aber nicht mit der eines OIF vergleichbar. Es handelt sich hierbei um reine Immobilienrenditen ohne Berücksichtigung z.B. von Fremdkapital, Steuern und Fondskosten. Ausgehend von einer durchschnittlichen Jahresrendite der OIF von aktuell 2 ½ % sind Fondskosten von schätzungsweise einem Prozentpunkt zu veranschlagen. Unterstellt man eine Liquiditätsquote von 20 %, die sich im derzeitigen Umfeld praktisch gar nicht verzinst, kostet dies auf Ebene des Gesamtportfolios nochmals mindestens einen halben Prozentpunkt Performance. Grob geschätzt dürfte damit die reine Immobilienrendite der OIF zuletzt bei ungefähr 4 % gelegen haben – immer noch spürbar unter den Gesamtrenditen von IPD. Bei der restlichen Abweichung könnten neben einer unterschiedlichen regionalen und sektoralen Struktur zwischen Immobilienindex und OIF-Portfolien auch vereinzelt Altlasten eine Rolle spielen, deren Bereinigung die Performance belastet. Auf mittlere Frist dürfte sich die Jahresrendite der Fonds in Richtung 3 % bewegen. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 3 0 . M Ä R Z 2 0 1 6 · © H E L A B A 4
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