EMERGING MARKETS 13. Oktober 2015 BRASILIEN: VERSPIELT ROUSSEFF DAS ERBE IHRER VORGÄNGER? von Wolfgang Pflüger Der wirtschaftliche Aufstieg des flächen- und bevölkerungsmäßig fünftgrößten Landes der Welt begann vor etwa 20 Jahren nach dem Ende der Hyperinflation. Mit seiner Wirtschaftsleistung von circa 2 400 Mrd. US-Dollar (auf der Basis von Kaufkraftparitäten) rangierte Brasilien Ende 2014 global an siebter Position. Innerhalb der Gruppe der Schwellenländer wies es über viele Jahre eine hohe Wachstumsdynamik auf. Bei einem Pro-Kopf-Einkommen von ungefähr 12 100 US-Dollar besteht allerdings nach wie vor eine Riesenlücke zu den großen westlichen Volkswirtschaften. Brasilien wählt traditionell links Brasilien ist ein Land mit einer durchaus bewegten, eher links gerichteten, politischen Tradition, die im Wesentlichen lediglich von der Zeit der Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 unterbrochen wurde. Seit 1993 (Bevölkerungsreferendum) ist das Land eine präsidiale Demokratie mit weitreichenden politischen Vollmachten für den Präsidenten. Bei den Parlaments- und Senatswahlen herrscht ein reines Personenwahlrecht. Das heißt, es werden die Kandidaten mit den meisten Wählerstimmen unabhängig von den Parteilisten, auf denen sie kandidieren, zu Mandatsträgern. Parteien buhlen oft um besonders populäre Kandidaten. Da kann es auch schon im Vorfeld von Wahlen und dann bei späteren Parlamentsabstimmungen zu gewissen Gefälligkeitsleistungen kommen. Parteien sind daher von eher untergeordneter Bedeutung. Sie sind schwach. Die Parteienlandschaft ist zudem zersplittert. Derzeit gehören 28 Wählergruppierungen dem nationalen Parlament an. Zwölf von ihnen bilden die Regierungskoalition. Dennoch ist das System an sich recht stabil. Seit 1993 hat es lediglich drei Präsidenten gegeben (Cardoso, Lula, Rousseff). Spitze (1990) lag die jährliche Teuerungsrate bei 30 377 %. Die Hauptursache wird in der Staatsfinanzierung via Notenbankpresse gesehen, die in keiner Weise durch Steuereinnahmen oder Kreditaufnahmen gedeckt war. Im Juli 1994 wurde dann der (alte) Cruzeiro durch den (neuen) Real und dessen feste Bindung (Currency Board) an den US-Dollar abgelöst. Bis zum Jahr 1997 ging die Preissteigerung so auf 7 % zurück, stieg damit aber immer noch schneller als ihr US-Gegenpart. Der Staatshaushalt blieb defizitär. Die brasilianische Währung hätte eigentlich nachgeben müssen (was sie nicht konnte). Faktisch kam es daher zu einer Überbewertung. Die Exporte des Landes brachen ein. Als der bedeutende Bundesstaat Minas Gerais 1998 seinen Schuldendienst einstellte, kam es zu einer massiven Abwertungsspekulation gegen den Real. Die Asienkrise warf ihre Schatten. Ab Januar 1999 verfiel der Wert des Real um bis zu 50 %. Die Folge war ein erneuter Inflationsausbruch und eine schwere Rezession. Daraus wiederum resultierte aufgrund der engen Wirtschaftsverflechtung mit Argentinien dessen Staatsbankrott. Neuorientierung wirkte lange nach Dieser Doppelschock innerhalb weniger Jahre führte zu einem neuen Stabilitätsdenken. Der zentrale Staatshaushalt weist seitdem (ohne Zins- und Tilgungsaufwendungen) Überschüsse aus. Trotz der globalen Finanzkrise konnte die Staatsschuldenquote reduziert und lange Zeit bei knapp 62 % gehalten werden. Massive Ausgabenprogramme und die Subventionierung von Konsumgütern haben diesen Status seit 2013 gefährdet. Denn: Die Notenbank blieb stabilitätsorientiert und hielt die Leitzinsen hoch. Dadurch verteuerte sich der Schuldendienst, was jüngst zu einer Ausweitung der Neuverschuldung führte (Bonitätsherabstufung durch Standard & Poor‘s). Turbulente Wirtschaftsgeschichte Die Wirtschaftsgeschichte der vergangenen 35 Jahre kann als turbulent bezeichnet werden. Sie war von Anfang der 80er bis Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts von einer galoppierenden Inflation gekennzeichnet. In der Investitionen in Humankapital Ein anderer Aspekt der Neuorientierung lag ab 2002 und damit während der bislang drei Amtsperioden linksgerichteter Präsidenten in der Armutsbekämpfung und dem Aus- Emerging Markets | 13. Oktober 2015 1/6 bau der sozialen Infrastruktur (Bildung, Gesundheit, Wohnraum). Es gelang, etwa 40 Mio. Menschen aus der Armut zu führen. Eine kaufkräftige Mittelschicht wuchs heran. Die Einkommensverteilung verbreiterte sich. Dies spiegelt der seit 1993 fallende Gini-Koeffizient wider. Damals lag er bei 60,4. Zuletzt (2012) waren es 51,9. Damit hebt sich Brasilien positiv von vielen anderen Ländern ab, in denen die Kluft zwischen arm und reich breiter und tiefer geworden ist. Ein Kernelement dieses Prozesses ist in der Einführung von Mindestlöhnen zu sehen. Im Jahr 2002 wurde beispielsweise monatlich 200 Real vorgegeben. 2014 müssen nach der jährlichen Anpassung (diesmal um 6,8 %) 724 Real gezahlt werden. Die Vergütungen sind 13 Mal pro Jahr fällig. Innerhalb von 12 Jahren kam es somit zu einer Steigerung von 262 %. Das staatliche Rentensystem wurde ausgebaut. Wenn man nun allerdings bereits mit 54 Jahren und 70 % des zuletzt gezahlten Lohnes in den Ruhestand gehen kann, dann wurde hier möglicherweise des Guten etwas zu viel getan. Staat und Unternehmen werden zu stark belastet. Als Folge der sozialen Wohltaten stiegen die von in Brasilien tätigen Unternehmen zu tragenden Lohnnebenkosten auf 58 % der nominalen Entgelte. Wachstumsschub ließ Versäumnisse vergessen Zwei Faktoren bescherten Brasilien seit Beginn des neuen Jahrtausends einen lang anhaltenden Boom: die Stärkung der Massenkaufkraft und die reichen Rohstoffvorkommen, mit denen das Land besonders von den Folgen der Globalisierung und dem unaufhaltsamen Aufstieg Chinas profitierte. Der staatliche Ölkonzern Petrobras zählte bis vor kurzem weltweit zu den führenden Branchenvertretern. Durch die Tiefseevorkommen stiegen seine Reserven. Brasilien avancierte zu einem Rohöl-Nettoexporteur. Der Bergbaukonzern Vale verfügt über die weltweit größten Eisenerzvorkommen. Schließlich gilt das Land als der global drittgrößte Exporteur von Agrarprodukten. Im Vordergrund stehen Sojaprodukte sowie Zucker und Kaffee. Im Jahr 2010 wuchs die Wirtschaft um 7,5 % und damit so stark wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Das half, grundsätzliche Fehlentwicklungen und strukturelle Defizite im Wirtschaftsaufbau zu überdecken: die hohe Konsumlastigkeit des Konjunkturzyklus, die Abhängigkeit von den Rohstoffpreisen und die zu geringe Investitionstätigkeit. Hier hakt es am meisten. Darüber können auch die hohen Ausgaben im Vorfeld von Fußball-WM (2014) und Olympischen Sommerspielen (2016) nicht hinweg täuschen. Erforderlich wären dauerhaft höhere Ausgaben für den Ausbau der öffentlichen Verkehrs-, Energie- und Bildungsinf- rastruktur. Das Land wendet für solche Zwecke zur Zeit lediglich 1,5 % des BIP auf. Der globale Durchschnitt liegt bei 3,8 %. Der Wert der gesamten öffentlichen Infrastruktur erreicht 16 % des BIP. In entwickelten Volkswirtschaften sind es 71 %. Eine der vermeidbaren Konsequenzen: Da nur circa 20 % des Straßennetzes als befestigt gelten, sind die Transportkosten vom landwirtschaftlichen Erzeuger bis zum Endabnehmer doppelt bis dreimal so hoch wie in anderen Ländern. Wenn es an geschlossenen Kühlketten fehlt, verderben erhebliche Teile der Ware auf dem Weg in die Ladenregale. Auch das ist ein wichtiger Grund für die hohe Sockelinflation des Landes und die damit verbundenen hohen Zinssätze. Hohe Zinsen führen zu Fehlallokationen Diese hohen Zinssätze behindern private Investitionen in Sachanlagen. Vielfach wurden hohen Renditen aus als sicher geltenden Staatsanleihen langfristigen Kapitalbindungen in Produktionsstätten vorgezogen. Das galt auch für ausländische Investoren. Sie nahmen sogar in erheblichem Umfang Kredite in Niedrigzinswährungen wie dem USDollar, dem Yen oder Schweizer Franken auf, um damit brasilianische Schatzanweisungen zu erwerben. Der große Zinsvorsprung lockte. Das half zwar einerseits, die Lücken der defizitären Leistungsbilanz zu schließen. Andererseits stieg der Außenwert des Real bis Anfang 2014 über Gebühr. Die Exportindustrie verlor an Wettbewerbsfähigkeit. Das Land wurde anfällig für abrupte Richtungswechsel spekulativer Auslandsgelder. Aktuelles Makro-Umfeld und mittelfristige Aussichten Seit dem Sommer 2011 geriet die gesamte Palette der Rohstoffpreise ins Rutschen. Das hat die geschilderten strukturellen Schwachstellen der brasilianischen Wirtschaft offen gelegt. Der Wirtschaftsaufschwung erwies sich als Kind des globalen Rohstoff-Booms. Auf die Förderung und Verarbeitung von Grundmaterialien entfielen in seinem Spitzenjahr 2011 etwa 25 % des BIP. Deren Exportwert kletterte in nur einem Jahr (von 2010 auf 2011) um ein gutes Drittel auf 160 Mrd. US-Dollar. Das waren 62 % aller Ausfuhren des Landes. Der Industriesektor verlor hingegen zwischen 2007 (24 % BIP-Anteil) und 2011 (13,3 %) erheblich an Gewicht. Seit dem Frühjahr 2011 haben die Notierungen für Öl, Erze, Zucker und Co. (gemessen durch den Thomson Reuters/Jefferies CRB Index) 46 % an Wert eingebüßt. Das Wachstumstempo der brasilianischen Wirtschaft ermäßigte sich parallel dazu rapide: von 7,5 % (2010) über 2,3 % (2013) auf nur noch 0,2 % (2014). Und das trotz zahlreicher Emerging Markets | 13. Oktober 2015 2/6 staatlicher Eingriffe im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen, die auf eine Stärkung der Massenkaufkraft zielten. BIP-Wachstum Verbraucherpreise 10 IPCA Verbraucherpreise Inflationsziel der Zentralbank Zielkorridor (-2%) Zielkorridor (+2%) 8 10 8 6 6 4 4 2 2 Jan 09 0 -2 -4 Mrz 09 Jan 10 Jan 11 Jan 12 Jan 13 Jan 14 Jan 15 In %. Quelle: IBGE. Mrz 10 Mrz 11 Mrz 12 Mrz 13 Mrz 14 Mrz 15 In % gegenüber Vorjahr. Quelle: IBGE. Die rezessiven Tendenzen des zweiten Halbjahres haben sich 2015 verschärft. Die Wirtschaft befindet sich in einem beklagenswerten Zustand. Im Frühjahr schrumpfte das BIP um annualisierte 7,6 %. Mittlerweile wird für das Gesamtjahr ein Rückgang des Bruttoinlandprodukts um real 3 % erwartet. Die traditionellen Konjunkturstützen knicken ein. Die seit Mitte 2013 anhaltende Dürre in zentralen AgrarProvinzen hat zu erheblichen Ernteeinbußen geführt. Nahrungsmittelpreise verteuerten sich erheblich. Was normalerweise ein großes Plus für die Ökobilanz und die Stromkosten Brasiliens darstellt – nämlich der mit 70 % hohe Anteil der Wasserkraft an der gesamten erzeugten Energiemenge – wendet sich jetzt ins Gegenteil. Denn: die Talsperren sind fast leer. Es kommt zu regelmäßigen „Black Outs“, auch in den Metropolregionen von Sao Paulo und Rio de Janeiro. Zudem müssen teure Öl- und Kohlkraftwerke aktiviert werden. Die Kosten für Industrie und Verbraucher sind in diesem Jahr um bis zu 50 % gestiegen. Im Ergebnis zogen die Verbraucherpreise trotz Rezession mit einer Jahresrate von mehr als neun Prozent an. Dazu hat sicherlich auch der Währungsverfall beigetragen. Der Real als Spiegelbild von Wachstumsschwäche und Außenhandelsdefiziten hat alleine in diesem Jahr knapp 30 % gegenüber dem US-Dollar verloren. Seit Mitte 2013 sind es fast 50 %. US-Dollar in brasilianischem Real 4,50 4,00 3,50 3,00 2,50 2,00 1,50 Jan 09 Jan 10 Jan 11 Jan 12 Jan 13 Jan 14 Jan 15 In brasilianischem Real. Quelle: Bloomberg. Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen Die prekäre wirtschaftliche Situation hat seit Ende letzten Jahres zu einem gewissen Umdenken geführt. Die Prioritäten haben sich geändert. Notenbankführung und Finanzminister Levy treten auf die Bremse. Die Banco Central do Brasil hat den Leitzins sechsmal um insgesamt 275 Basispunkte auf 14,25 % angehoben. Emerging Markets | 13. Oktober 2015 3/6 Leitzinsen gegenüber 10-jährigen Staatsanleihen 17 Rendite 10-jähriger Staatsanleihen Leitzins 15 13 11 9 7 2010 2011 2012 2013 2014 2015 In %. Quellen: Bloomberg, Banco Central do Brasil. Mit höheren Fiskaleinnahmen und gleichzeitigen Ausgabenkürzungen will Levy den Folgewirkungen der von Standard & Poor‘s vollzogenen Herabstufung der Staatsanleihen auf Ramsch-Status entgegen wirken. Erwartet wird zudem eine Klärung der aktuellen Korruptionsskandale um die politische Führung und den Energiekonzern Petrobras. Allerdings: Zunächst wirkt ein solcher Politikansatz prozyklisch und somit weiter wachstumsbremsend. Die Konjunkturschwäche hat die Staatseinnahmen sogar sinken lassen. Die Regierung hat ihre Überschussziele kassiert. Neuverschuldung 7 6 5 4 3 2 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 In % des BIP. Quelle: Banco Central do Brasil. Massenproteste vorhaben. So ist auch unklar, ob die im September vorgelegten neuen Sparanstrengungen und Steueranhebungen eine parlamentarische Mehrheit finden werden. Dabei handelt es sich um ein Volumen von umgerechnet 15 Mrd. USDollar, in dessen Mittelpunkt die Wiedereinführung einer Finanztransaktionssteuer, die bis zu 7 Mrd. US-Dollar einbringen soll. Auch die Unternehmen sind überwiegend pessimistisch gestimmt. Immer mehr Beschäftigte werden entlassen. Die Arbeitslosenquote stieg seit Ende letzten Jahres von 4,3 % auf aktuell 7,5 %. Investitionen werden zurückgefahren. Zwischen April und Juni betrug hier das Minus 8,1 %. Es war das achte Minus-Quartal in Folge. Das war der Hauptgrund des wirtschaftlichen Einbruchs. Was dem Land auf kürzere Sicht helfen könnte: 1. Eine neue, eher wirtschaftsreform-orientierte Regierung (wenig wahrscheinlich). 2. Eine spürbare Erholung der Rohstoffpreise. Brasilien ist ein wichtiger Exporteur von Rohöl, Eisenerzen und Agrarprodukten (innerhalb der kommenden 12 Monate wenig wahrscheinlich). 3. Ein beginnender Zinssenkungszyklus (ab 2016 sehr wahrscheinlich). 4. Eine abwertungsgetriebene Belebung der Exporte (wahrscheinlich). Allerdings gibt die brasilianische Industrie zu bedenken, dass eine Umsetzung des TTP-Handelsabkommens (Trans Pacific Partnership) bisher bestehende vorteilhafte bilaterale Handelsverträge ablösen und somit zu Exportnachteilen führen könnte. Derzeit sieht es daher so aus, als ob das Land sein Wachstumstal erst gegen Ende 2016 verlassen könnte. Ab 2017 geht es dann dank einer weniger restriktiven Fiskalpolitik und zunehmender Ausfuhren wieder bergauf. Zwischenzeitliche Finanzmarktturbulenzen sind auf dem Weg dorthin nicht ausgeschlossen. Denn: Private Haushalte und Unternehmen haben Verbindlichkeiten von etwa 400 Mrd. US-Dollar angehäuft. Die gesamten Auslandsschulden liegen bei 540 Mrd. US-Dollar oder 159 % der Währungsreserven. Das macht das Land verwundbar für den Fall ausländischer Kapitalabzüge. Die Bevölkerung ist aufgebracht. Es kommt zu Massenprotesten. Das Verbrauchervertrauen fiel auf einen historischen Tiefpunkt. Der private Konsum bricht ein. Zur Jahresmitte lagen beispielsweise die Kfz-Neuzulassungen um mehr als 20 % unter Vorjahr. Die politische Opposition ist empört und fordert ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin. Außerdem blockiert sie wichtige ReformEmerging Markets | 13. Oktober 2015 4/6 Ausblick Brasilien Bruttoinlandsprodukt 2014 • 0,1 Prognose 2015 • -3,0 Prognose 2016 • -1,0 • 0,9 • -1,0 • 0,0 • 3,2 Konsumausgaben Bruttoanlageinvestitionen • -4,4 • -7,5 Exporte • -1,1 • -12,0 • 2,0 Importe • -1,0 • -23,0 • -1,3 Industrieproduktion • -3,2 • -5,0 • 4,0 Arbeitslosenquote (%) • 4,8 • 6,8 • 7,5 Lohnwachstum • 9,0 • 6,5 • 6,1 Ø-Konsumentenpreise • 6,3 • 9,5 • 6,1 Leistungsbilanz (% BIP) • -4,5 • -3,9 • -3,1 Haushaltssaldo (% BIP) Externe Verschuldung brutto (% BIP) Staatsverschuldung brutto (% BIP) 10-jähr. Anleihe (%)* • -6,2 • -6,1 • -5,0 • 14,9 • 18,8 • 19,4 • 56,8 • 62,5 • 65,0 • 12,0 • 13,0 • 12,0 In % gegenüber Vorjahr. *Zum Jahresende. Quellen: IBGE, Banco Central do Brasil, HSBC. Schlussbemerkungen: Langfristig hohes Wachstumspotenzial Es ist mehr als ein tagespolitischer Zick-Zack-Kurs gefordert, wenn das Land seine noch immer bestehenden Vorteile nutzen und auf seinen Potentialwachstumspfad von vier bis fünf Prozent BIP-Wachstum zurückkehren möchte. Zu den Positiv-Faktoren zählen: • Eine junge Bevölkerung: 48 Mio. Brasilianer sind jünger als 14 Jahre. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei 30,3 Jahren (in den USA bei 37,1 und in Deutschland bei 45,7 Jahren). • Prinzipiell herrscht politische Stabilität. • Das Land verfügt über enorme natürliche Ressourcen. • Der Industrialisierungsgrad ist für ein Schwellenland relativ fortgeschritten. • Die innere Sicherheit muss ausgebaut werden. Nicht im Sinne von mehr Überwachung, sondern durch mehr und besser bezahlte Polizeikräfte. Denn: noch immer gibt es mehr als 40 Mio. Brasilianer, die in großstädtischen Slums oder Farvelas leben. Hier sind die Verbrechens-/Tötungsquoten untolerierbar hoch. Die Korruption unter den Beamten ist weit verbreitet. • Der Staatseinfluss auf das Wirtschaftsgeschehen muss begrenzt werden. Während der fetten Jahre hat es die Regierung versäumt, den Öffentlichen Sektor und das Steuersystem zu reformieren. So gibt es auf Bundesebene beispielsweise 39 Einzel-Ministerien. Die Belastung des Unternehmenssektors mit Steuern, Abgaben und Lohnnebenkosten ist zu hoch. Unter anderem auch deswegen nimmt Brasilien auf einer von der Weltbank erstellten Liste der wettbewerbsfähigsten Länder lediglich Rang 53 von 144 untersuchten Staaten ein. • Positive Ansätze: Im Rahmen des 2011 initiierten Wachstumsprogramms PAC 2 (Programa de Aceleracao do Crescimento) werden 1 000 Mrd. Real oder etwa 370 Mrd. Euro für den Städte- und Wohnungsbau sowie für Investitionen in die Strom- und Wasserversorgung, aber auch den Transportsektor zur Verfügung gestellt. Seit 2011 wurden so beispielsweise 1 900 Autobahnkilometer fertiggestellt. 7 400 km befinden sich im Bau. Das Bahnnetz wuchs um 2 600 km. Zudem können sich ausländische Investoren um Konzessionen für den Betrieb von Bahnstrecken und See- bzw. Flughäfen bewerben. Dieser Weg müsste konsequent weiter verfolgt werden. Hierauf ließe sich aufbauen. Erforderlich wären deutlich höhere Investitionen in die soziale und verkehrstechnische Infrastruktur. Denn: • Trotz kostenloser medizinischer Allgemeinversorgung gilt das Gesundheitswesen als rückständig. Schulen und Universitäten müssen besser ausbilden, um den herrschenden Fachkräftemangel zu lindern. Er ist eine der Hauptursachen für die zu geringe Produktivität der brasilianischen Wirtschaft, für zu hohe Lohnabschlüsse, für die Ausbildung einer Lohn-Preis-Spirale, für eine zu hohe Sockelinflation. Emerging Markets | 13. Oktober 2015 5/6 IMPRESSUM Makro-Team Hamburg Dr. Holger Schmieding | Chefvolkswirt +49 40 350 60-8021 | [email protected] Wolf-Fabian Hungerland +49 40 350 60-8165 | [email protected] Cornelia Koller +49 40 350 60-198 | [email protected] Berenberg Makro erscheint zu folgenden Themen: ► Emerging Markets Geldpolitik Konjunktur Osteuropa Rohstoffe Trends Währungen www.berenberg.de/publikationen Wolfgang Pflüger +49 40 350 60-416 | [email protected] Dr. Jörn Quitzau +49 40 350 60-113 | [email protected] Wichtige Hinweise: Dieses Dokument stellt keine Finanzanalyse im Sinne des § 34b WpHG, keine Anlageberatung, Anlageempfehlung oder Aufforderung zum Kauf von Finanzinstrumenten dar. Es ersetzt keine rechtliche, steuerliche und finanzielle Beratung. Die in diesem Dokument enthaltenen Aussagen basieren auf allgemein zugänglichen Quellen und berücksichtigen den Stand bis zum Tag vor der Veröffentlichung. Nachträglich eintretende Änderungen können nicht berücksichtigt werden. Joh. 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