NICHT KRANK UND DOCH BETROFFEN GESCHWISTER CHRONISCH KRANKER KINDER UND JUGENDLICHER Winterthur, 19.11.2015 Alain Di Gallo Franziska (24-jährig) erkrankte mit 16 Jahren an Knochenkrebs des linken Armes «...Ich habe noch eine jüngere Schwester, die wird jetzt 18. Bei ihr habe ich gesehen, wie sie die Pubertät erlebt, und ich habe das ja nicht erlebt. Ich hatte keine Menstruation, ich hatte keinen Umgang mit Freunden, das heisst mit Männern. Ich bin nicht in Discos gegangen, aber ich habe das immer bei meiner Schwester erlebt, wie sie das hatte. Wenn sie in Discos gegangen ist und Männer kennen gelernt hat, bin ich ins Spital gegangen und habe mich mit den Ärzten unterhalten und Chemotherapie gemacht...» Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 2 Laura (21) war 14-jährig, als Franziska krank wurde «... Meine Mutter hat mir gesagt, dass meine Schwester Krebs hat. Später habe ich gar nicht mehr so viel von der Krankheit mitgekriegt, weil mein Bruder auf die Welt kam. Da habe ich praktisch die ganze Zeit auf ihn aufgepasst, damit meine Mutter ins Spital gehen konnte zu Franziska... Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 3 ...Für mich war es immer schön, wenn meine Mutter abends aus dem Spital heimgekommen ist und gesagt hat, ja, es geht Franziska heute gut und das wird schon wieder. Aber tagsüber meinen Freundinnen zu sagen, nein, ich kann heute nicht mitkommen, ich bleibe zu Hause und passe auf meinen Bruder auf, unternehmt etwas ohne mich, das war sehr schwer. Ich war manchmal schon sauer auf Franziska , obwohl sie ja nichts dafür konnte. Alle fragten immer nur nach ihr, zum Beispiel die Oma, wenn sie anrief. Da habe ich schon gedacht, Mensch, wo bleibe ich, aber ich habe Franziska nie gesagt, dass mich das störte... » Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 4 ...Ich habe ihr nie gesagt, dass ich ihr helfen wollte und dass sie mir unheimlich leid tat. Jetzt finde ich das eigentlich schade, denn sie hält mir manchmal vor, dass sie mir sowieso egal sei, ich hätte mich ja nie um sie gekümmert. Wenn ich es während der Krankheit mal direkt angesprochen hätte, dann wäre es vielleicht jetzt nicht so. Dass ich immer auf den kleinen Bruder aufgepasst habe, das sah sie nicht und das sieht sie, glaube ich, auch heute nicht. Ich weiss nicht, ob sie verstehen könnte, dass ich auch was getan habe, damit es ihr besser ging, nämlich dass Mama zu ihr ins Spital gehen konnte... » Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 5 Die häufigsten chronischen Krankheiten im Kindes- und Jugendalter (Blanz, 1996) › Asthma bronchiale › Körperbehinderung/Skelettdeformität › Sehschwäche/Blindheit › Schwerhörigkeit/Taubheit › Rheumatoide Arthritis › Epilepsie › Magen/Darm › Diabetes mellitus › Krebs › Zystische Fibrose › Andere Total per 1000 29,3 29,0 11,7 11,5 3,4 3,0 1,6 1,0 0,6 0,3 4,9 96,3 Dimensionen chronischer Krankheiten (Lehmkuhl, 1996) ›Beginn: akut chronisch ›Verlauf: stabil fortschreitend ›Prognose: günstig ungünstig ›Behinderung: abwesend vorhanden Geschwistersymptome Emotionen • • • • • • • Depressivität Angst Wut Eifersucht Schuldgefühle Einsamkeit Gefühle von Zurückweisung Geschwistersymptome Verhalten • Opposition, Aggression • Rückzug aus sozialen Beziehungen • Schulprobleme Geschwistersymptome Körper • • • • • Kopfschmerzen Bauchschmerzen Schlafstörungen Essstörungen Einnässen Geschwistersymptome Positive Aspekte • Gutes Einfühlungsvermögen in andere Menschen • Persönliche Reife • Besserer Zusammenhalt in der Familie Studienlage zur Situation der Geschwister chronisch kranker Kinder › Uneinheitliche Ergebnisse › Inhaltlich sehr unterschiedliche Ausgangslagen › Unterschiedliche Fragestellungen und Kollektive › methodisch heterogene Untersuchungen › Kaum kontrollierte Studien › Kaum prospektive Studien › Kaum Längsschnittstudien Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 12 Wie erleben und verarbeiten Geschwister krebskranker Kinder die Erkrankung? Die emotionale Regulation stand im Vordergrund unseres Interesses Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 13 Bedeutung emotionaler Regulation › Existentielle Ereignisse erfordern eine innerseelische Anpassung grundlegender Annahmen über das Leben und die Welt. › Scheinbar gefestigte Repräsentationen werden herausgefordert und auf die Probe gestellt. › Affektive Überregulation Internalisierende und psychosomatische Störungen › Affektive Unterregulation Externalisierende Störungen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 14 Methodik › Prospektive, kontrollierte Längsschnittuntersuchung mit Geschwistern krebskranker Kinder › Messzeitpunkte: › T1: 2-3 Wochen nach Diagnosestellung › T2: 2-3 Wochen nach Abschluss der onkologischen Behandlung › Kontrollgruppe: Intervall T1-T2: 4-6 Monate › Instrumente: › Strengths and Difficulties Questionnaire, SDQ (Eltern) › Mac Arthur Story Stem Battery, MSSB Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 › | 15 Methodik Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) (Goodman, 1999) › Fragebogen mit 25 Items › 5 Skalen: › Emotionale Probleme › Verhaltensauffälligkeiten › Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsprobleme › Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen › Prosoziales Verhalten Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 16 Methodik Mac Arthur Story Stem Battery › «Geschichtenstämme», die das Kind zu Ende erzählt und spielt. Spielnarrative Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 17 Methodik Mac Arthur Story Stem Battery › Einsatz von 9 verschiedenen Geschichten › Auswertung: - Inhaltsthemen - Figurenrepräsentanzen - Handlung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 18 Methodik Die 9 Geschichten › › › › › › › › › Spaziergang im Park mit dem Felsen Wo ist Barney? Wer hat meinen Schlüssel verloren? Der Freund kommt nicht in die Schule Die heisse Suppe Familienausflug mit verletztem Kind Das Monster Das Kaninchen frisst nicht Neue Nachbarschaft Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 19 Familienausflug mit verletztem Kind Untersucher: „Georg hat sich das Bein gebrochen und trägt einen Gips. Die ganze Familie hat einen freien Tag und plant eine gemeinsame Unternehmung. Georgs Bruder schlägt vor: „Lasst uns Fahrrad fahren/Schlittschuh laufen gehen!“ Der Interviewer spielt diesen Beginn der Geschichte mit Figuren vor und fordert das Kind auf: „Und jetzt zeige und erzähle mir, wie die Geschichte weiter geht.“ Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 20 Methodik Auswertung der Mac Arthur Story Stem Battery › Inhaltsthemen › Anzahl Themen pro Geschichte › Interpersonelle Konfliktthemen (Streit, Eifersucht) › Einfühlsame Interaktionsthemen (Helfen, Teilen) › Moralische Themen (Wiedergutmachung, Zurechtweisung) › Vermeidungsthemen (Figurenausschluss, plötzliches Einschlafen) › Dysregulationsthemen (Zerstörung, magische Elemente) › Figurenrepräsentanzen › Eltern positiv (emotional: Trost / funktional: prakt. Hilfe geben) › Eltern negativ (emotional: Entwertung /funktional: Strafe) › Kindliche Macht (Superman, rettet die Welt) › Regression (weint wie ein Baby, lässt sich herumtragen) › Handlung › Narrative Kohärenz › Kontrolle und Einflussnahme über den Interviewer › Schlussinhalt (positiv, neutral, negativ) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 21 Methodik Zuverlässigkeit der Auswertung der Mac Arthur Story Stem Battery › Die Kodierung der Interviews erfolgte durch geschulte Rater. › 20 Geschichten aus 10 unterschiedlichen Interviews wurden von zwei Ratern unabhängig beurteilt. › Cohen’s Kappa betrug 0.87 (Min = 0.71; Max = 0.91) › Das entspricht einer guten bis sehr guten Übereinstimmung. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 22 Methodik Kollektiv T1 n Alter m f Geschwister 14 6-12 Jahre (9,4 J) 7 7 Kontrollen 18 6-12 Jahre (9,7 J) 9 9 T2 n m f Geschwister 10 (9,9 J) 5 5 Kontrollen 16 (10,2 J) 9 7 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 23 Resultate Strengths and Difficulties Questionnaire, SDQ Zu keinem der beiden Messzeitpunkte konnte im SDQ eine Differenz zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 24 Resultate Mac Arthur Story Stem Battery › Inhaltsthemen › Anzahl Themen pro Geschichte › Interpersonelle Konfliktthemen › Einfühlsame Interaktionsthemen › Moralische Themen › Vermeidungsthemen › Dysregulationsthemen › Figurenrepräsentanzen › Eltern positiv (emotional / funktional) › Eltern negativ (emotional / funktional) › Kindliche Macht › Regression › Handlung › Narrative Kohärenz › Kontrolle / Einflussnahme › Schlussinhalt Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 T1 | 25 Resultate Mac Arthur Story Stem Battery › Inhaltsthemen › Anzahl Themen pro Geschichte › Interpersonelle Konfliktthemen › Einfühlsame Interaktionsthemen › Moralische Themen › Vermeidungsthemen › Dysregulationsthemen › Figurenrepräsentanzen › Eltern positiv (emotional / funktional) › Eltern negativ (emotional / funktional) › Kindliche Macht › Regression › Handlung › Narrative Kohärenz › Kontrolle / Einflussnahme › Schlussinhalt Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 T2 | 26 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 27 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 28 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 29 Schlussfolgerungen (1) › Die Geschwister der krebskranken Kinder zeigten vor allem unmittelbar nach der Diagnosestellung deutliche intrapsychische Belastungszeichen. › Ihre Geschichten weisen darauf hin, dass sie nach Schutz vor der eigenen Hilflosigkeit und nach stärkerer Aufmerksamkeit der wenig verfügbaren Eltern suchen. › Vermeidung = Ausdruck der Anpassungsleistung ? › Dysregulation = Überforderung der Bewältigungsversuche ? › Kontrolle = Versuch mit der Hilflosigkeit umzugehen ? › Negative funktionale Elternrepräsentanz = Ausdruck der Realität ? Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 30 Schlussfolgerungen (2) › Vermeidung und kontrollierendes Verhalten scheinen über den Behandlungszeitraum als Bewältigungsstrategien an Bedeutung zu verlieren. › Möglicherweise schöpfen die Geschwister wieder Vertrauen und wagen es eher, sich mit der Realität auseinanderzusetzen und auch Gefühle der Hilflosigkeit gegenüber der Krebserkrankung zu akzeptieren. › Die positiveren Schlussinhalte könnten auf positivere Annahmen zur Bewältigung wie auch auf einen stärkeren Wunsch nach einem positiven Ausgang hinweisen, während die Kinder der Vergleichsgruppe bei der Wiederholung vielleicht beginnen, mit negativen Geschichtsenden zu experimentieren. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 31 Schlussfolgerungen (3) › Psychische Auffälligkeiten zeigen sich erst dann, wenn die emotionale Integration dieser schwierigen Erfahrungen im Lebensalltag nicht gelingt. Das war in unserem Kollektiv während des Untersuchungszeitraums offensichtlich nicht der Fall. › Die Ergebnisse dieser kleinen Studie dürfen nicht dazu verleiten, aus Geschwistern krebskranker Kinder Patienten mit psychiatrischen Problemen zu machen. › Der grossen innerpsychischen Arbeit, die diese Betroffenen leisten, sollte aber Rechnung getragen werden. Geschichtenergänzungen sind eine Möglichkeit, Risiken früh zu erkennen und eine bedürfnisgerechte Unterstützung anzubieten. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 32 DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT Alain Di Gallo [email protected] www.upkbs.ch Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. November 2015 | 33 6/15/13 8:41 PM Frühe Ursprünge psychiatrischer Störungen Wie früher Stress die Gehirnentwicklung beeinflussen kann – Folgen für die psychische Gesundheit Claudia Buss, Ph.D. file:///Users/pathikwadhwa/Downloads/Logo_Charite.svg Page 1 of 1 Institut für Medizinische Psychologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Germany Development, Health and Disease Research Program, University of California Irvine, USA 12. SPZ-Symposium Kantonsspital Winterthur 19.11.2015 (Fetal) Developmental Programming of Health and Disease Konzeptueller Rahmen Pränatale Bedingungen • Mütterlicher Stress • Exogene Glucocorticoide • Infektion/ Entzündung • Pränatale Drogen-/ Alkoholexposition Psychopathologie/ Entwicklungsstörungen Veränderungen im Gehirn • Anatomie • strukturelle Konnektivität • funktionelle Konnektivität • Autismus • ADHS • Schizophrenie • affektive Störungen • neurogenerative Erkrankungen Vulnerabilitätshypothese Buss et al., Science Signaling 2012 Vulnerabilität= f [Gene x frühe Umwelt] “Brain development is guided by genes but sculpted by the environment.” (Lenroot et al. 2008) Developmental Programming of Health and Disease § “Programmierung” beschreibt den Prozess, durch den die frühe Umwelt mit genetischen und anderen Faktoren interagiert und eine individuelle Konstitution schafft. § Grundannahme: biologische Systeme, die sich gerade entwicklungsbedingt rapide verändern, sind besonders vulnerabel für organisierende und disorganisierende Einflüsse. Rapide entwicklungsbedingte Veränderungen des Gehirns • 3 mm langes Neuralrohr – gesamtes Gehirn mit 100 Milliarden Neuronen und 100 Billionen Verbindungen • 250000 Neuronen/ Minute: über die gesamte Schwangerschaft • Differenzierung • Migration • Synaptogenese • Myelinisierung • Neuronales Pruning Frühe Programmierung § WARUM? …Gelegenheit, Kongruenz zwischen Umweltbedingungen und phänotypischer Spezifizierung zu schaffen. § WELCHE UMWELTBEDINGUNGEN? …solche, die Hinweise bieten über Verfügbarkeit von Energie (Nahrung) und Mortalitätsrisiko bis zum reproduktionsfähigen Alter. § WIE? …indem ein System genutzt wird, das zentrale und periphere Antworten auf Variationen in diesen Bedingungen in einem bereits entwickelten System koordiniert (STRESSBIOLOGIE). Stress-Signale als Programmierungshinweise Genotyp der Mutter und des Kindes Frühe Umwelt Mütterlicher Stress Endokrin: Cortisol, CRH Immun: Il-6, TNF-a Mutter Plazenta Fötus • Übergewicht • Stress • Infektionen • Unterernährung • obstetrische Komplikationen (z.B. Infektionen) • Gestationslänge • Neurotrophe Faktoren • Transkriptionsfaktoren • Neurotransmitter • Wachstumshormone • Schilddrüsenhormone Gehirnentwicklung Proliferation, Migration Differenzierung Neurogenese Axonen- und Dendritenwachstum Synapsenbilung Apoptose/ Pruning Myelinisierung Neurokognitve Prozesse und mentale Gesundheit Buss et al. 2012, Science Signaling Empirische Hinweise Fetale Programmierung der Gehirnentwicklung und Vulnerabilität für psychiatrische Erkrankungen bei Menschen “Stress-Signale” I. II. Mütterlicher Stress/Depression Mütterliche Cortisolkonzentrationen während der Schwangerschaft III. Mütterliche Adipositas als Erkrankung, die mit hohen Entzündungswerten einhergeht Studienüberblick Kohorte I § Prospektive Longitudinalstudie mit bis zu fünf Messzeitpunkten während der Schwangerschaft und neurokognitiven Untersuchungen bei deren Kindern § kognitive Messungen (N=189) § Gehirn-MRT (N=65) 15. 19. 25. 31. 37. Schwangerschaftswoche Medizinische Informationen 6. postpartale Woche 6-9 Jahre Mutter: Kind: Neuroendokri ne & Psychosoziale Messungen Neurokognitiv & MRT (Krankenakten) Neuroendokrine & psychosoziale Messungen Obstetrische Komplikation en,Geburtsparameter Kovariaten : obstetrische Komplikationen, Gestationslänge, Geburtsgewicht, mütterliche postnatale Depression und IQ, Ethnizität, Alter und Geschlecht des Kindes Studienüberblick Kohorte II UC Irvine R01 MH-091351, PI: Claudia Buss 10.-12. SSW ▪ Blutprobe/ Urinprobe 20.-22. SSW 30.-32. SSW ▪ Haarprobe ▪ Fragebögen zu psychosozialem Stress ▪ Neuropsychologische Tests ▪ Ultraschalluntersuchung des Fötus ▪ Zervikovaginale Abstriche ▪ Anthropometrische Messungen ▪ Ambulatorische Phase (4 Tage): ▪ Speichelcortisol (7 pro Tag) ▪ HRV-Messung (Actiheart) ▪ Electronic Diary (Smart Phone) ▪ 3 Ernährungsprotokolle (Random Dietary Recall) ▪ 24 h Sammelurin Monatlich: Gewicht/Größe des Kindes, Fütterungspraktiken Geburt 3 Monate: 9 Monate: Stress der Stress der Eltern Eltern 12 Monate 6 Monate ▪ Hirnmorphologie und neuronale Konnektivität (fcMRT) ▪ Motorisches Funktionsniveau (TIMP) ▪ Anthropometri-sche Messungen ▪ Blutprobe ▪ Körperzusammensetzung (DXA) ▪ Energieumsatz (Doubly Labled Water) ▪ Kognitive, motorische und emotionale Entwicklung (Bayley) ▪ Entwicklungsumgebung (HOME) ▪ Mutter/Kind Interaktion ▪ Stressreaktivität (Still Face) ▪ Anthropometri-sche Messungen ▪ Blutprobe ▪ Körperzusammensetzung(DXA) ▪ Energieumsatz ▪ Hirnmorphologie und neuronale Konnektivität (fcMRT) ▪ Speichelprobe ▪ Kognitive, motorische und emotio-nale Entwicklung (Bayley) ▪ Mutter/Kind Interaktion (Strange Situation) ▪ Anthropometri-sche Messungen ▪ Blutprobe ▪ Körperzusammensetzung(DXA) I. Mütterlicher Stress § Hinweise aus epidemiologischen Studien auf Assoziationen zwischen mütterlichem Stress während der Schwangerschaft und § erhöhtem Risiko für Schizophrenie beim Kind1. § erhöhtem Risiko für ADHS beim Kind2. § eingeschränkte neurokognitive Performanz des Kindes3. è Veränderungen der Gehirnanatomie in Zusammenhang mit mütterlichem Stress während der Schwangerschaft waren beim Menschen noch nicht untersucht worden. § Hinweise aus Tierstudien auf spezifische neurologische Veränderungen in Zusammenhang mit mütterlichem Stress während der Schwangerschaft § § § § § § 1Khashan veränderte hippocampale Anatomie3. Blockade lerninduzierter Neurogenese4. reduzierte Reifung neuer hippocampaler Neuronen5. veränderte synaptische Plastizität6. reduzierte Dendritendichte7 und Dendritenlänge8. vergrößerte Amygdala (lateraler Nucleus)9,10. et al. 2008, 2Li et al. 2010, 3Behan et al. 2011, 4Lemaire et al. 2000, 5Bustamante et al. 2010, 6Yang et al. 2006, 7Martinez-Tellezet et al. 2009, 8Jia et al. 2010, 9Salm et al. 2004, 10Kraszpulski et al. 2006 I. Mütterlicher schwangerschaftsbezogener Stress (Kohorte I) Schwangerschaftsbezogener Stress und Exekutivfunktion Low Executive Function High Executive Function Pregnancy-specific Anxiety 24 22 20 18 16 14 Age: 6-9 years 10 15 20 25 Weeks gestation 30 35 Buss et al. 2011, Stress I. Mütterlicher schwangerschaftsbezogener Stress (Kohorte I) Buss et al. 2010, Psychoneuroendocrinology I. Mütterlicher schwangerschaftsbezogener Stress (Kohorte I) Anatomische Veränderungen des Gehirns in Zusammenhang mit pränatalem Stress und kognitiver Performanz. 19. Gestations -woche Arbeitsgedächtnis I. Mütterliche Depression (Kohorte I) Kortikale Dicke (Frontalhirn) Mütterliche Depression N=81, Alter: 6-9 Jahre Externalisierende Probleme Sandman, Buss et al. 2015, Biol Psychiatry I. Mütterlicher Stress (Kohorte II) Zusammenfassung Mütterlicher Stress/Depression während der Schwangerschaft ist assoziiert mit: § reduziertem Volumen der grauen Substanz (besonders im Frontalhirn) § reduzierter kortikaler Dicke (besonders im Frontalhirn) è Möglicherweise Grundlage für die kognitiven Defizite und die erhöhte Prävalenz psychischer Störungen bei Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft hohen Stress/Depression erlebt haben. II. Mütterliche Cortisolkonzentrationen § Glucocorticoide spielen eine essentielle Rolle bei der normalen Gehirnentwicklung è zu hohe Konzentrationen, besonders während sensitiver Perioden der Gehirnentwicklung, können Neurotoxizität und negative Langzeitkonsequenzen induzieren. Gibt es einen Zusammenhang zwischen mütterlichen Cortisolkonzentrationen und der Entwicklung limbischer Strukturen des Kindes mit Implikationen für affektive Störungen? “Kommunikation” zwischen Mutter und Fötus Fetus PLAZENTA MUTTER CRH CRH ACTH ACTH CRH CORTISOL Mechanismen: 11-bHSD 1 and 2 CORTISOL - Effekte auf plazentales CRH - Transplazentale Passage des Cortisols II. Mütterliche Cortisolkonzentrationen (Kohorte I) Pränatale Cortisolkonzentrationen, Größe limbischer Strukturen und affektive Probleme beim Kind Methoden: • Speichelproben der Mutter während der Schwangerschaft für Cortisolanalysen • Magnetresonanztomographie des Gehirns (Volumen der Amygdala und des Hippocampus) • Affektive Probleme beim Kind (Bericht der Mutter, CBCL) 1.0 0.8 Mädchen 1.6 1.4 1.2 1.0 0.8 0.0 0.0 0.3 0.4 0.5 0.6 Cortisol (µg/dl) in der 15. Schwangerschaftswoche 0.6 0.4 0.2 0.0 0 15 20 25 30 Gestationswochen 35 M¸ tterlichesCortisol Cortisol(ug/dl) (µg/dl) w‰hrend Schwangerschaft Mütterliches während derder Schwangerschaft 3 Volumen der rechten Amygdala (cm ) M¸ tterlichesCortisol Cortisol(ug/dl) (µg/dl) w‰hrend Schwangerschaft Mütterliches während derder Schwangerschaft II. Mütterliche Cortisolkonzentrationen (Kohorte I) Jungen 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 0 15 20 25 30 35 Gestationswochen Kleine Amygdala (unterstes Tertil) beimbeim KindKind Kleine Amygdala (unterstes Tertil) Große Amygdala (oberstes Tertil) beim Kind Grofl e Amygdala (oberstes Tertil) beim Kind Buss et al. 2012, PNAS II. Mütterliche Cortisolkonzentrationen (Kohorte I) Der Zusammenhang zwischen hohem pränatalen Cortisol und affektiven Symptomen wird durch die Größe der Amygdala mediiert. Mädchen Rechte Amygdala β =0.359* β=0.605* Pränatales Cortisol (Mutter) β =0.461* Affektive Symptome beim Kind β =0.381 Sobel test: P<0.05 Buss et al. 2012, PNAS II. Mütterliche Cortisolkonzentrationen Zusammenfassung Erhöhte pränatale Cortisolkonzentrationen assoziiert mit § größeren Amygdalavolumina è unterstützt wahrscheinlich höhere Vigilanz und Wachheit bei Kindern von Müttern mit hohem Stress und könnte das Risiko für affektive und Angststörungen erhöhen. v Höhere Vulnerabilität bei Mädchen als bei Jungen v Lateralität: höhere Vulnerabilität der rechten als der linken Amygdala II. Präkonzeptionelle Adipositas und ADHS-Symptome beim Kind III. Mütterliche präkonzeptionelle Adipositas § Ein hohes pränatales inflammatorisches Millieu ist ein Risikofaktor für verschiedene psychiatrische Erkrankungen. § Mütterliche Adipositas als ein klinischer Phänotyp, der mit einem erhöhten inflammatorischen Millieu während der Schwangerschaft assoziiert ist. § Mütterliche Adipositas vor und während der Schwangerschaft ist assoziiert mit neurokognitiven Defiziten und erhöhtem Risiko für Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADHS) bei ihrem Kind. Welche neurokognitiven Veränderungen liegen der Assoziation zwischen mütterlicher Adipositas und erhöhtem ADHS Risiko beim Kind zugrunde? III. Mütterliche präkonzeptionelle Adipositas (Kohorte I) ADHS-Risiko bei Kindern von Müttern mit präkonzeptioneller Adipositas ADHS-Symptome (CBCL) ** * 0.8 è BMI vor der Schwangerschaft, aber nicht Gewichtszunahme während der Schwangerschaft, ist mit ADHSSymptomen beim Kind assoziiert (F(1,158)=4.80, p=0.03). 0.6 0.4 è 2.8-facher Anstieg in der Prävalenz von ADHS bei Kindern von adipösen im Vergleich zu normalgewichtigen Müttern. 0.2 0.0 Normales Gewicht Übergewicht Adipositas Alter: 6-9 Jahre Buss/Entringer et al. 2012, PLoS ONE III. Mütterliche präkonzeptionelle Adipositas (Kohorte I) * 18 ** Exekutivfunktion (Reaktionszeit/ korrekte Antworten) Exekutivfunktion bei Kindern von Müttern mit präkonzeptioneller Adipositas è BMI vor der Schwangerschaft, nicht aber Gewichtszunahme während der Schwangerschaft, ist mit eingeschränkter Exekutivfunktion beim Kind assoziiert (F(1,157)=8.38, p<0.01). 16 14 12 0 Normales Gewicht Übergewicht Adipositas Alter: 6-9 Jahre Buss/Entringer et al. 2012, PLoS ONE III. Mütterliche präkonzeptionelle Adipositas (Kohorte I) Kommissionsfehler Omissionsfehler * Reaktionszeit ** èMütterliche Adipositas ist mit geringerer Aufmerksamkeitsleistung ihres Kindes assoziert. Buss/ Entringer et al. 2012, PLoS ONE II. Präkonzeptionelle Adipositas und ADHS-Symptome beim Kind III. Mütterliche präkonzeptionelle Adipositas (Kohorte I) Eingeschränkte Exekutivfunktion mediiert den Zusammenhang zwischen mütterlicher präkonzeptioneller Adipositas und ADHS- Symptomen beim Kind. 0.123** BMI (Mutter) Exekutiv-funktion (Kind) β =0.18* β =0.12 Sobel test: P<0.05 Buss et al. 2012, PLoS ONE 0.047*** ADHS- Symptome (Kind) III. Mütterliche präkonzeptionelle Adipositas Zusammenfassung § Mütterliche präkonzeptionelle Adipositas ist assoziiert mit § ADHS-Symptomen und eingeschränkter Aufmerksamkeitsleistung bei ihrem Kind. Laufende/zukünftige Studien Biologische Mechanismen der Transgenerationalen Transmission früher Stresserfahrung Kindheitstrauma Transgenerationale Transmission Biologische Einbettung bei der traumatisierten Person Transgenerationale Transmission früher Stresserfahrung der Mutter auf ihr Kind Mütterliche Lebensspanne Kindheitstrauma Mutterschaft Schwangerschaft • é Psychopathologie • veränderte endokrine und immun/inflammatorische Stressbiologie Lebensspanne des Kindes Pränatal • präkonzeptionell Veränderte mütterlichplazental-fetale Stressbiologie Postnatal • • Mütterliche Depression ê mütterliche Sensitivität Gehirnentwicklung des Kindes é Psychopathologie Fetale Programmierung der Gehirnentwicklung Schlussfolgerung • Einfluss präkonzeptioneller und pränataler Bedingungen auf die Gehirnentwicklung • Größe und Konnektivität limbischer Strukturen • kortikale Veränderungen (Volumen und Dicke, u.a. im präfrontalen Kortex) • Implikationen für neurokognitive Funktionen und psychiatrische Auffälligkeiten è kritische/ sensitive Entwicklungsperioden è Effekte unabhängig von Geburtsparametern (Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht) è weitere Determinanten, die spezifische Vulnerabilität bestimmen (z.B. Geschlecht, Genotyp) University of California Irvine Elysia P. Davis Sonja Entringer Daniel Gillen Karen Lindsay Steven Potkin Jerod Rasmussen Curt A. Sandman Babak Shahbaba James M. Swanson Pathik D. Wadhwa Feizal Waffarn McGill University Kieran O’Donnell Michaeal J. Meaney Jens C. Pruessner University of North Carolina John H. Gilmore Martin Styner . Charité Universitätsmedizin Berlin Christoph Bührer Sonja Entringer John Dylan Haynes Christine M. Heim Wolfgang Henrich Nora Moog Judith Overfeld Philipp Töpfer Oregon Health & Science University Damien Fair Alice Graham MPI München Elisabeth Binder Nadine Provencal University of Helsinki Katri Räikkönen Projektförderung ERA-Net Neuron European Research Council National Institutes of Health (NIH) Lernziel Wohlbefinden Ernst Fritz-Schubert Anspruch auf Glück Die Menschheit schuldet dem Kinde ihr Bestes, damit es eine glückliche Kindheit hat. Generalversammlung der Vereinten Nation 1959 3 Schulfach Glück 4 33 % der Kinder sind in der Schule manchmal gestresst, 23 % oft, 10 % sehr oft. Je älter, desto intensiver erleben die Kinder den Stress. 5 Hurrelmann: „Unsere Kinder fühlen sich abgehängt“ bewirken belehren Sinn Schule beachten bewerten bewältigen bestimmen Schulfach Glück 7 Selbstbildung Erziehung Lehre Personale Kompetenz Modell nach Paschen und Müller-Using, angepasst von Fritz-Schubert Schulfach Glück 8 Personale Kompetenz für Wohlbefinden 9 Seelische Gesundheit (SG) nach Peter Becker SG = f (RK; SA; SF) Regulationskompetenz (RK), Selbstaktualisierung (SA), Sinnfindung (SF ) 10 Nach Hobfoll (1988) entsteht Stress: Gefahr von Ressourcenverlust Tatsächlicher Ressourcenverlust Ausbleibender Ressourcengewinn 11 12 13 14 15 16 Erfüllung psychischer Bedürfnisse und externer Anforderung durch Kompetenzen 17 18 Kohärenz und Konsistenz als Ressourcen 19 20 21 22 23 24 FSI-Handlungskonzept Vertrauen, Wertschätzung Empathie Reflexion Selbstregulierung Flow Träume und Lebensmotive Potenziale Ressourcen Sinn Selbst 1 Das FSI-Handlungskonzept Lebensfreude Umsetzung Reflexion Planung Entscheidung Stärkung Vision Lebenszeit 2 Gestalter neue Bewertung erhöhter Erfahrungsschatz positive Schlüsselerlebnisse Erdulder 3 Mittl.Bildungsabschluss Handlungsphasen Stärkung Visionen Entscheidung Planung Umsetzung Bewertung Förderung von Ressourcen Kompetenzen Positive Psychologisches Emotionen Wohlbefinden Vertrauen, Wertschätzung, Entdecken der eigenen Stärken, soziale Kompetenzen Werte, Einstellungen, Haltungen Stolz, Geborgenheit, Sicherheit Selbstwertschätzung, Selbstakzeptanz, Positive Beziehungen Optimismus, Sinnkonstruktion, Selbstkompetenz Kohärenzgefühl, Gestaltorientierung, allgemeine Kompetenzen Selbstkompetenz, Zielerreichung, Selbstregulierung Sicherheit, Kontrolle Selbstwertschätzung Vorfreude Selbstwirksamkeitserwartung Flow, Lebensfreude Umweltbewältigung, Konsistenzgefühl Kohärenzgefühl, Konsistenzgefühl Zufriedenheit, 5 Gelassenheit Sinn, Kohärenzgefühl Freiheit, Autonomie, Optimismus Selbstbestimmtheit Stärkung ACR Active-Constructive-Responding Jemand berichtet über ein positives Ereignis. Resourcing und Acting 7 Lebenskuchen Psych. Bed. Gesundheit Werte Materielles Soziales 8 Evaluationen 9 Kohärenzgefühl (SOC) 10 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Evaluation 2008 Prof. Gehmacher OECD Beauftragter Kontrollgruppe Glücksgruppe 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Evaluation 2008 Prof. Gehmacher OECD Beauftragter Kontrollgruppe Glücksgruppe Konsistenzgefühl nach Grawe 13 14 Selbstwertschätzung 15 Selbstwerthöhe Stufe Glück kein Mittl. Glück Diff. 5 4,0270 3,8403 0,18666 7 3,9271 3,6308 0,29628 16 Selbstwertinstabilität Stufe Glück kein Glück Mittl. Diff. 5 2,3354 2,5327 -0,19727 7 2,3149 2,6313 -0,31636 17 Selbstwertkontingenz bezüglich Leistung Stufe Glück kein Glück Mittl. Diff. 5 2,7402 2,9586 -0,21840 7 2,4375 2,9060 -0,46850 18 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Engagement! 19 12. SPZ-Forum Winterthur Burnout - wie das Prinzip Leistung unsere Kinder überfordert. Ein literarischer Vortrag Michael Schulte-Markwort Übersicht… www.der-wirtschaftsingenieur.de Vorbemerkung • Befindlichkeitsstörungen vs Krankheiten • Medikalisierung und exzentrische Medizin • „Modediagnosen“ – ADHS, Asperger-Syndrom, Burnout • • • • Kindheit ist keine Krankheit Selbstoptimierung Mystifizierung vs. Abwertung von Kindheit Behandlung von Leidensdruck Diagnose Burnout ist KEINE Diagnose Anpassungsvermögen versus Überforderung www.wn.de Historie • Mose 18: „Du wirst müde werden, zugleich Du und das Volk“ • George Cheyne (1671-1743) English Malady – Brownianismus • Neurasthenie (ICD-10 F48.0) • Graham Greene (1960): „A Burnt-Out Case“ • Herbert Freudenberger (1974) Ein Fall Anna, 16 Jahre Symptomverlauf • Konzentrationsverlust • Leistungsknick • Schlafstörungen • Appetitverlust • Antriebslosigkeit • Kraftlosigkeit • Freudlosigkeit • Traurigkeit • Erschöpfung • Depression • Suizidalität Ursachen Digitale Welt Prinzip Leistung Familienerbe Familienleben Ökonomisierung Schule Kinder… • Was früher mit dem Kopf gemacht wurde, das erledigen heute Computer, Smartphones, Organizer und Navigationsgeräte. Wenn wir unsere Hirnarbeit auslagern, lässt das Gedächtnis nach, Nervenzellen sterben ab... Die Folgen sind Lese- und Aufmerksamkeitsstörungen, Ängste und Abstumpfung, Schlafstörungen und Depressionen, Übergewicht und Gewaltbereitschaft. Die Entwicklung ist besorgniserregend und erfordert vor allem bei Kindern Konsumbeschränkung, um der digitalen Demenz entgegen zu wirken. Manfred Spitzer, FAZ, 14.09.12 Jugend… • Unsere Jugend ist herunter gekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe. Keilschrift aus Ur, Chaldäa, 2000 v.Chr. • Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen. Aristoteles, 384-322 v. Chr. Jugend… • Wer heute 14 ist, weiß alles über Liebe, über die Gefühle, über den Arbeitsalltag – obwohl er noch nicht geliebt hat, wenig gefühlt, gar nichts gearbeitet hat. Das hat es noch in keiner anderen Generation gegeben. Claudius Seidl, FAZ 2005 • Adoleszenz heute bedeutet einen Identitätsverlust im Sinne einer Identitätsdiffusion. Tobias Fuchs, Langeoog 16.06.2008 • Warum unsere Kinder Tyrannen werden Michael Winterhoff, 2009 Psychische Auffälligkeit I Zur Beurteilung der psychischen Auffälligkeit wurde nach Symptomen im emotionalen Bereich und des Verhaltens gefragt sowie nach dem sich daraus ergebenden Leidensdruck (SDQ; Goodman, 1997) bzw. dem Vorliegen einer spezifischen Diagnose. 100 80 60 40 20 0 76,0 80,5 13,1 10,9 11,2 8,4 Gesamt Jungen Gesamt Mädchen wahrscheinlich möglich unwahrscheinlich Bad Homburg Demnach liegen bei 12,2% Hinweise auf psychische Auffälligkeit vor und 9,6% sind sehr wahrscheinlich psychisch auffällig. Insgesamt liegen also bei 21,8% zumindest Hinweise auf psychische Auffälligkeit vor. Leicht modifizierter Algorithmus von Goodman 13 Auffälligkeit und sozioökonomischer Status Angaben in % Das Auftreten von Hinweisen auf psychische Auffälligkeit wird mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status der Familien (hier nach Winkler) signifikant häufiger. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 83,4% 79,1% 68,8% 16,6% 20,9% 31,2% hoher SES mittlerer SES niedriger SES Hinweise Bad Homburg unauffällig 14 Auftretenshäufigkeiten spezifischer psychischer Auffälligkeiten Auch alle spezifischen Störungen treten bei niedrigerem SES häufiger auf. Aus: Ravens-Sieberer et al. (2007) Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland Ergebnisse aus der BELLA-Studie im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS). BGB 50 (5/6), 871-878 Bad Homburg 15 Untersuchungsmodell: Operationalisierung in BELLA und KiGGS niedriger SES elterl. Lebensqualität allein erz. Eltern soz. Unterstützung Geschwisterzahl Schulklima chron. Erkrankung Soziale Kompetenz Frühgeburt Heim Familienklima Risikofaktoren Schutzfaktoren Elterl. Unterstützung Nationalität Selbstkonzept enge Wohnverhältnisse elterl. Belastung psych. Erkrankung Eltern Optimismus psychische Auffälligkeiten, Lebensqualität Selbstwirksamkeit Entwicklung Kohärenzsinn elterl. Symptome Essstörungen psychosoziale Belastung Gesamtauffälligkeit (SDQ) Suizidalität Störung des Sozialverhaltens KINDLR Kidscreen Depressivität Hyperaktivität Angst 16 Bad Homburg Soziale und familiäre Risikofaktoren Niedriger sozioökon. Status Soziale Unterstützung im 1. Lebensjahr Arbeitslosigkeit Familienkonflikte Psych. Erkrankung eines Elternteils Konflikte in Familien der Eltern Partnerschaft der Erziehenden Alleinerziehend Stieffamilie Unerwünschte Schwangerschaft Chronische Erkrankung Elterliche Belastung Geringe physische LQ (SF-12) Geringe psychische LQ (SF-12) Psychopath. Symptome Eltern (SCL) Bad Homburg 17 Liegt vor Niedriger sozioökonomischer Status Soziale Unterstützung im 1. Lebensjahr Arbeitslosigkeit Familienkonflikte 25 % 4% 11 % 6% Psych. Erkrankung eines Elternteils 13 % Konflikte in Familien der Eltern 12 % Partnerschaft der Erziehenden 8% Alleinerziehend 13 % Stieffamilie 9% Unerwünschte Schwangerschaft 4% Chronische Erkrankung 30 % Elterliche Belastung 10 % Geringe physische LQ (SF-12) 10 % Geringe psychische LQ (SF-12) 10 % Psychopath. Symptome Eltern (SCL) 10 % 18 Bad Homburg Liegt vor Odds Ratio Niedriger sozioökonomischer Status Soziale Unterstützung im 1. Lebensj. Arbeitslosigkeit Familienkonflikte 25% 4% 11 % 6% 1.6 2.7 1.7 4.9 Psych. Erkrankung eines Elternteils 13 % 2.4 Konflikte in Familien der Eltern 12 % 2.8 Partnerschaft der Erziehenden 8% 2.7 13 % 2.1 Stieffamilie 9% 2.4 Unerwünschte Schwangerschaft 4% 2.0 Chronische Erkrankung 30 % 1.8 Elterliche Belastung 10 % 4.7 Geringe physische LQ (SF-12) 10 % 2.9 Geringe psychische LQ (SF-12) 10 % 4.2 Psychopath. Symptome Eltern (SCL) 10 % 4.0 Alleinerziehend 19 Bad Homburg Angaben in % Addiert man für die Kinder auf, wie viele Risiken jeweils vorliegen, zeigt sich deutlich, dass mit einer größeren Anzahl von Risiken höhere Raten psychischer Auffälligkeiten einhergehen. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 85,0 79,1 76,3 69,3 52,3 47,7 15,0 0 (n=818) 20,9 23,8 1 (n=788) 2 (n=480) 30,7 3 (n=218) unauffällig Chi-Quadrat-Test (5-stufig) (Chi-Quadrat (df=5) = 90.6; p<.001) Bad Homburg 46,2 53,8 auffällig 4 (n=86) > 4 (n=39) Anzahl der Risikofaktoren 20 Schutzfaktoren Kinder und Jugendliche mit psychischen Auffälligkeiten verfügen über signifikant weniger familiäre, soziale und personale Ressourcen. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 *** *** *** „kann Probleme aus eigener Kraft meistern“ “ personale Ressourcen „…, der Dir Liebe & Zuneigung zeigt?“ “ „Wir kommen wirklich alle gut miteinander aus“ “ soziale Unterstützung fam. Zusammenhalt unauffällig Bad Homburg nunauffällig= 1227-1232 ngrenzwertig = 203-205 nauffällig = 146-151 grenzwertig auffällig 21 Familienklima als Schutzfaktor Ein guter familiärer Zusammenhalt ist dann vorhanden, wenn z.B. • in der Familie jeder auf die Sorgen und Nöte des anderen eingeht, • jeder das Gefühl hat, dass ihm zugehört wird und • die Familie häufig etwas gemeinsam unternimmt. Macht ein guter familiärer Zusammenhalt einen Unterschied? 50% Schlechtes Familienklima 50% Gutes Familienklima 22 Bad Homburg Familiäre Schutzfaktoren Bei Kindern mit einem guten Familienklima ist die Chance eines Kindes, depressive oder Angstsymptome zu zeigen, etwa halbiert. (OR 0.56*, CI=0.36 -0.88 bzw. OR 0.45***, CI=0.32-0.65) Bezüglich Störungen des Sozialverhaltens ist die Chance bei einem guten Familienklima sogar nur bei etwa einem Viertel. (OR 0,27***, CI=0.17-0.43) 23 Bad Homburg Dipl.-Psych. Nora Wille Familiäre Schutzfaktoren und Wohlbefinden Ein gutes Familienklima wirkt sich aber auch deutlich auf das allgemeine Wohlbefinden/Lebensqualität der Kinder aus: Vergleicht man die Kinder mit niedrigem und hohem Familienklima miteinander, zeigen sich Auswirkungen auch für Bereiche wie das psychische Wohlbefinden, die Schule u.v.m. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 ** ** Körper Psyche ** ** Emotionen Selbstwert Familienklima über Median ** ** Eltern Schule Familienklima unter Median nunter Median = 771-779; nüber Median = 756-779 Bad Homburg Dipl.-Psych. Nora Wille 24 Versorgung Betrachtet man die Frage an die Eltern hinsichtlich einer psychischen Erkrankung ihres Kindes: „Hat Ihr Kind eine psychische Erkrankung (z.B. eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, Depression, Angststörung oder Störung des Sozialverhaltens)?“ sowie die sich anschließende Frage, ob das Kind für die vorliegende Störung behandelt wird „Ist es deswegen in psychologischer, psychotherapeutischer oder psychiatrischer Behandlung?“ zeigt sich, dass 48,5% der Kinder in Behandlung sind. 25 Bad Homburg Behandlung spezifischer psychischer Symptome In Behandlung oder Behandlungsbedarf erkannt Depression (CES-DC >=16) 30.2% [18.6-44.8] Mädchen (n=893) 22.8% [10.9-41.5] Jungen (n=946) 36.6% [19.0-58.7] Ängste (SCARED-5 >=3) 41.9% [26.7-58.7] Mädchen (n=894) 41.2% [23.3-61.7] Jungen (n=947) 42.6% [21.2-67.1] ADHS (Conners >=15) 39.7% [27.8-52.9] Mädchen (n=890) 38.9% [20.7-60.9] Jungen (n=939) 40.2% [24.7-57.8] Verhaltensprobleme (CBCL) 27.8% [18.9-38.8] Mädchen (n=779) 33.4% [20.0-50.0] Jungen (n=821) 23.3% [13.1-38.0] 26 Bad Homburg Gesamtauffälligkeit (N=1950) Odds ratio 4,26 10,6% 8% 13,9% Körper und Seele (N=2) 28 Prävention? • In der Regel: Sekundärprävention • Enge Kooperation Schule - KJP • Primär: – Wertediskussion – Pädagogik – Prinzip Leistung – Respekt – ... Jugen d... Laerke Posselt Alessio Romenzi Kids... www.stuttgarter nachrichten.de Schlusswort Auch unsere Kinder werden – wie wir – davon getragen sein, unsere Welt zu verbessern, sie friedlich und lebenswert zu erhalten - und sie werden es besser machen als wir! Vielen Dank! …working on healthy children.
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